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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 22.12.2004
Aktenzeichen: 7 Sa 839/04
Rechtsgebiete: BGB, ArzneimittelG


Vorschriften:

BGB § 315
BGB § 611
ArzneimittelG § 75 II
1. Eine Arbeitsvertragsklausel, die dem Arbeitgeber das Recht einräumt, dem Arbeitnehmer statt der ursprünglich vereinbarten auch eine andere Tätigkeit zu übertragen, die "seiner Vorbildung und seinen Fähigkeiten entspricht", rechtfertigt nicht die Zuweisung von Tätigkeiten, deren Anforderungen hinter der Vorbildung und den Fähigkeiten des Arbeitnehmers zurückbleiben und mit der bisherigen Tätigkeit nicht gleichwertig sind.

2. Die Gleichwertigkeit einer Tätigkeit bestimmt sich dabei nicht nur nach dem unmittelbaren Tätigkeitsinhalt selbst, sondern auch nach deren betrieblichen Rahmenbedingungen. Dazu gehört insbesondere die Einordnung der Stelle in die Betriebshierarchie sowie die Frage, in welchem Umfang die Tätigkeit mit Vorgesetztenfunktionen verbunden ist.


Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 25.05.2004 in Sachen 5 Ca 5060/03 wird kostenpflichtig zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls bis zur erneuten Versetzungsmaßnahme vom 26.08.2004 unverändert fortbestanden hat.

Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand: Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitig im Wege des Direktionsrecht vorgenommenen Versetzung vom 05.12.2003. Wegen des Sach- und Streitstandes I. Instanz, den erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträgen und den Gründen, die die 5. Kammer des Arbeitsgerichts Siegburg dazu bewogen haben, dem Feststellungsantrag des Klägers stattzugeben, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 25.05.2004 Bezug genommen. Das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg wurde der Beklagten am 25.06.2004 zugestellt. Die Beklagte hat dagegen am 19.07.2004 Berufung eingelegt und diese am 12.08.2004 begründen lassen. Die Beklagte ist der Ansicht, das erstinstanzliche Gericht habe die Grenzen des arbeitgeberseitigen Weisungsrechtes im Hinblick auf die Vornahme von Versetzungen fehlerhaft zu eng gezogen. Es habe allein auf die Einordnung der Position des Berufungsbeklagten in die betriebliche Hierarchie und die mit der Position verbundenen jeweiligen Weisungsbefugnisse abgestellt und dabei die Stellenbeschreibung eines Fachreferenten Qualitätszirkel Krankenversicherung fälschlicherweise so interpretiert, als ob der Berufungsbeklagte gegenüber den Regionalleitern weisungsbefugt gewesen sei. Dabei habe das Gericht außer Acht gelassen, dass dieses nur im Rahmen von von dem Vorgesetzten genehmigten Plänen und Aktivitäten der Fall gewesen sei. Insoweit habe es sich um eine "geliehene" Weisungsbefugnis gehandelt. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht als unstreitig festgestellt, dass der Berufungsbeklagte in seiner bisherigen Position Partner und Verhandlungsführer gegenüber zentralen Organisationen gewesen sei. Andererseits habe das Arbeitsgericht auch verkannt, dass ein Pharmareferent im wissenschaftlichen Außendienst als Eingangsvoraussetzung gemäß § 75 ArzneimittelG einen naturwissenschaftlichen Abschluss oder eine vergleichbare Ausbildung benötige, während für die vorherige Tätigkeit keinerlei Qualifikation erforderlich gewesen sei. Richtigerweise sei die Position des Berufungsbeklagten vor und nach der Versetzung als gleichwertig zu betrachten, so dass die Versetzung keine herabsetzenden oder diskriminierenden Elemente enthalte. Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt nunmehr, das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 25.05.2004, - 5 Ca 5060/03 - abzuändern und nach den Schlussanträgen der Berufungsklägerin I. Instanz zu erkennen, nämlich die Klage abzuweisen. Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung der Beklagten auf ihre Kosten zurückzuweisen. Der Kläger und Berufungsbeklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Zutreffend habe das Arbeitsgericht herausgestellt, dass der Kläger durch die Versetzung in der Hierarchieebene der Beklagten erheblich herabgestuft werde. Während er bisher unmittelbar der Geschäftsleitung unterstanden habe, solle er nun als einfacher Pharmaberater dem zuständigen Regionalleiter unterstellt werden. Er solle also künftig Weisungen von jemandem erhalten, demgegenüber er früher selbst weisungsbefugt gewesen sei. Zutreffend sei es im Übrigen auch, dass der Kläger in seiner bisherigen Tätigkeit als Partner und Verhandlungsführer gegenüber zentralen Organisationen aufgetreten sei. Mit Schreiben vom 26.08.2004 hat die Beklagte für den Fall, dass sich die hier streitige Versetzung endgültig als unwirksam erweisen sollte, eine erneute Versetzung ausgesprochen, der gegenüber sich der Kläger die Erhebung einer weiteren Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit dieser neuen Versetzung vorbehalten hat. Entscheidungsgründe: I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde im Rahmen der in § 66 Abs. 1 ArbGG geregelten Fristen eingelegt und begründet. II. Die Berufung der Beklagten konnte jedoch keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht Siegburg hat zurecht festgestellt, dass die Versetzung des Klägers vom 05.12.2003 von seiner bisherigen Stelle als Fachreferent für Qualitätszirkel in den medizinisch-wissenschaftlichen Außendienst als Pharmaberater rechtsunwirksam ist. Die Angriffe der Berufung sind nicht geeignet, die überzeugende tragende Begründung des arbeitsgerichtlichen Urteils zu erschüttern. 1. Das Arbeitsgericht hat nicht verkannt, dass der zuletzt gültige Dienstvertrag vom 21.02.1995 der Beklagten unter § 1 d) das Recht einräumt, dem Kläger "innerhalb des Unternehmensverbandes bei unveränderten Bezügen eine andere, seiner Vorbildung und seinen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu übertragen". a. Die Klausel "seiner Vorbildung und seinen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit" stellt dabei nicht zuletzt auch auf den bisherigen beruflichen Werdegang des betroffenen Arbeitnehmers ab. Die Übertragung einer anderen als der ursprünglichen arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit entspricht nicht nur dann nicht der Vorbildung und den Fähigkeiten des Arbeitnehmers, wenn sie ihn gemessen daran überfordert, sondern auch dann, wenn deren Anforderungen hinter der Vorbildung und den Fähigkeiten des Arbeitnehmers zurückbleiben, ihn also unterfordert, und mit der bisherigen Tätigkeit nicht gleichwertig sind. b. Es kann als unstreitig unterstellt werden, dass die in dem Dienstvertrag vom 21.02.1995 für den Kläger vorgesehene Tätigkeit als Fachreferent für Qualitätszirkel nach der Überzeugung beider Parteien eine solche war, die der Vorbildung und den Fähigkeiten des Klägers entsprochen hat. Schon daraus folgt, dass § 1 d) des Dienstvertrages vom 21.02.1995 die Beklagte nur ermächtigt, dem Kläger im Wege des arbeitsvertraglichen Direktionsrechts solche Tätigkeiten zuzuweisen, die der bisherigen (mindestens) gleichwertig sind. c. Das gleiche Ergebnis folgt unabhängig vom Inhalt der Versetzungsklausel in § 1 d) des Dienstvertrages aus allgemeinen Grundsätzen des Arbeitsvertragsrechts. Durch die Vereinbarung einer bestimmten Art von Tätigkeit im Arbeitsvertrag wird auch das Niveau der vom Arbeitnehmer vertraglich geschuldeten Leistung bestimmt. Die Zuweisung einer Tätigkeit, die diesem Niveau nicht entspricht, beinhaltet eine Änderung der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Kann eine solche Änderung des Vertrags nicht einvernehmlich herbeigeführt werden, so bedarf die einseitige Durchsetzung des Ausspruchs einer Änderungskündigung. Daran fehlt es vorliegend. d. Das Arbeitsgericht hat zurecht festgestellt, dass die dem Kläger mit der streitigen Versetzung vom 05.12.2003 angesonnene neue Tätigkeit als Pharmaberater im medizinisch-wissenschaftlichen Außendienst der bisherigen vertraglich geschuldeten Tätigkeit als Fachreferent für Qualitätszirkel nicht gleichwertig ist. aa. Die Gleichwertigkeit einer Tätigkeit in diesem Sinne bestimmt sich dabei nicht nur nach den unmittelbaren Tätigkeitsinhalt selbst, sondern auch nach den betrieblichen Rahmenbedingungen, unter denen die Tätigkeit ausgeübt werden soll. Zu diesen Rahmenbedingungen zählt insbesondere die Einordnung der Stelle in die Betriebshierarchie ebenso wie z. B. die Frage, ob, und wenn ja, in welchem Umfang die Tätigkeit mit Vorgesetztenfunktionen gegenüber anderen Mitarbeitern verbunden ist. Nicht zuletzt durch die vorgenannten Rahmenbedingungen wird maßgeblich das soziale Ansehen beeinflusst, das mit der Ausübung einer bestimmten vertraglichen Tätigkeit verbunden ist. bb. Das Berufungsgericht stimmt der Einschätzung des Arbeitsgerichts uneingeschränkt zu, dass eine Versetzung des Klägers auf die Position eines Pharmaberaters im medizinisch-wissenschaftlichen Außendienst schon deshalb nicht die - allein im Wege der Ausübung des Direktionsrechts mögliche - Zuweisung einer gleichwertigen Tätigkeit bedeutet, da der Kläger dadurch gegenüber seiner bisherigen Stellung in der Betriebshierarchie und damit auch in seinem beruflich bedingten sozialen Ansehen erheblich herabgestuft wird. In seiner bisherigen Position als Fachreferent für Qualitätszirkel war der Kläger unmittelbar dem Geschäftsleitungsmitglied Marketing/Vertrieb Arzneimittel unterstellt. Dies ergibt sich keineswegs nur aus der Stellenbeschreibung für die bisherige Tätigkeit des Klägers, sondern ist in § 1 a) Abs. 2 des Dienstvertrages unmittelbar und ausdrücklich so vereinbart. Demgegenüber hätte der Kläger als Pharmaberater den Weisungen des für ihn zuständigen Regionalleiters zu folgen, also einem Funktionsinhaber, demgegenüber der Kläger seinerseits bisher bei der Durchführung genehmigter Pläne und Aktivitäten weisungsberechtigt war, wie sich aus der Stellenbezeichnung für den Arbeitsplatz des Fachreferenten für Qualitätszirkel ergibt. cc. Der Einwand der Beklagten, die bisherige Weisungsbefugnis des Klägers gegenüber den Regionalleitern beziehe sich nur auf die Durchführung genehmigter Pläne und Aktivitäten und sei somit nur eine "geliehene" Weisungsbefugnis, ist demgegenüber unerheblich. Zum einen vermag das Berufungsgericht nicht nachzuvollziehen, warum eine "geliehene Weisungsbefugnis" eine solche minderer Qualität sein sollte, da letztendlich jede Form der Weisungsbefugnis vom Arbeitgeber verliehen wird. Zum anderen: Selbst wenn die Funktion des Regionalleiters auf derselben Hierarchieebene angesiedelt sein sollte wie die bisherige Funktion des Klägers als Fachreferent für Qualitätszirkel, was nach dem Sachvortrag der Parteien nicht ersichtlich ist, so bedeutete auch die Herabstufung in eine Weisungsabhängigkeit von einem bisher gleichwertigen Funktionsträger eine markante hierarchische Verschlechterung für den Kläger, die dieser ohne eine rechtmäßige Änderungskündigung nicht hinzunehmen braucht. dd. Die weitere Einlassung der Beklagten, dass die Tätigkeit des Pharmareferenten im Außendienst der bisherigen Tätigkeit des Klägers schon deshalb als gleichwertig angesehen werden müsste, weil sie nach § 75 ArzneimittelG nur von Personen mit bestimmter naturwissenschaftlicher oder medizinischer Qualifikation ausgeübt werden dürfe, während die bisherige Position des Klägers "keinerlei Qualifikation" (Schriftsatz vom 19.01.2004, S. 4) erfordert habe, liegt ersichtlich neben der Sache. Das Berufungsgericht nimmt der Beklagten nicht ab, dass sie Aufgaben wie die "ständige wissenschaftliche Betreuung" aller "Institutionen, die die Auswahl und Festlegung der erstattungsfähigen Präparate bestimmen" oder die "wissenschaftliche Betreuung der entscheidenden Ansprechpartner in den vorgenannten Institutionen" Personen zu übertragen geneigt war oder ist, deren Sachkenntnis sich nicht mindestens auf demselben Niveau bewegt, wie in § 75 Abs. 2 ArzneimittelG für Pharmareferenten gesetzlich geregelt. e. Die Versetzungsmaßnahme vom 05.12.2003 hätte somit einer Änderungskündigung bedurft. Da eine solche nicht ausgesprochen wurde, erweist sich die Versetzung als unwirksam. 2. Ob der Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien durch eine erneute Versetzungsmaßnahme der Beklagten vom 26.08.2004 wirksam geändert worden ist, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Der Kläger hat sich insoweit ausdrücklich die Erhebung einer weiteren Feststellungsklage vorbehalten. III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 ZPO. Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor.

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