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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 19.03.2008
Aktenzeichen: 7 Sa 919/07
Rechtsgebiete: BGB, KSchG


Vorschriften:

BGB § 623
KSchG § 1 Abs. 2
1.) Die Formunwirksamkeit einer Kündigungserklärung (hier: Kündigungserklärung per e-mail) kann auch außerhalb der Drei-Wochen-Frist geltend gemacht werden.

2.) Zu den Anforderungen an die Darlegung dringender betrieblicher Erfordernisse i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG für die betriebsbedingte Kündigung des Angestellten eines Gartencenters.


Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 03.05.2007 in Sachen 1 Ca 2554/06 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in Anbetracht einer betriebsbedingten Kündigung der Beklagten um den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses und Annahmeverzugslohnansprüche.

Die Beklagte betrieb ursprünglich zwei Gartencenterbetriebe, einen davon in B mit insgesamt ca. 30 Arbeitnehmern, einen in St. A mit ca. 16 Arbeitnehmern. Der Betrieb in B wurde mittlerweile zu Ende Juli 2007 geschlossen.

Der Kläger war seit dem 01.03.2006 bei der Beklagten als Gärtner beschäftigt. Er verdiente 10,60 € brutto je Stunde bei 39 Wochenstunden, insgesamt 1.791,40 € brutto monatlich. Der Kläger war im Betrieb St. A eingesetzt.

Am 31.08.2006 kündigte der Geschäftsführer der Beklagten das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger betriebsbedingt per E-Mail. Die Kündigung zum 31.08.2006 erhielt der Kläger nochmals in Schriftform auf dem Postwege am 06.09.2006. Am 27.09.2006 reichte er Kündigungsschutzklage ein mit dem Begehren, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 31.08.2006 nicht beendet werde, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände ende, sondern auf unbestimmte Zeit fortbestehe und - im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. und/oder zu 2. - die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Gärtner weiterzubeschäftigen.

Im Termin vom 20.02.2007, zu dem die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen war, gab das Arbeitsgericht Siegburg der Kündigungsschutzklage vollumfänglich statt.

Gegen das Versäumnisurteil vom 20.02.2007 hat die Beklagte fristgerecht Einspruch eingelegt.

Der Kläger hat geltend gemacht, dass die per E-Mail ausgesprochene Kündigung gemäß § 623 BGB formunwirksam sei, dass die ihm am 06.09.2006 zugegangene schriftliche Kündigung wegen zwischenzeitlich eingetretenen Ablaufs der 6-Monats-Frist des § 1 KSchG an den Regeln des Kündigungsschutzgesetzes zu messen sei und dass betriebsbedingte Gründe für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht bestanden hätten.

Der Kläger hat beantragt,

1) das Versäumnisurteil vom 20.02.2007 aufrecht zu erhalten;

2) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.165,60 € brutto für den Zeitraum 01.10.2006 - 31.01.2007 abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 26.10.2006 - 31.01.2007 in Höhe von 2.319,36 € netto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weiter 1.791,40 € brutto für den Monat Februar 2007 abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 01.02. - 28.02.2007 in Höhe von 724,80 € netto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 20.02.2007 die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, bereits die E-Mail-Kündigung sei wirksam gewesen, jedenfalls aber die dem Kläger am 06.09.2006 per Post in Schriftform zugegangene Kündigung. Das Geschäft sei im Jahre 2006 nicht so wie erwartet gelaufen und nicht so, wie es hätte sein müssen, um eine Weiterbeschäftigung des Klägers zu ermöglichen.

Mit Urteil vom 03.05.2007 hat das Arbeitsgericht Siegburg das Versäumnisurteil mit Ausnahme der allgemeinen Fortbestehungsfeststellung gemäß Ziffer 2 des VU-Tenors aufrechterhalten und der Zahlungsklage stattgegeben.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 30.05.2007 wurde der Beklagten am 02.07.2007 zugestellt. Die Beklagte hat hiergegen am 02.08.2007 Berufung einlegen und diese nach Verlängerung der Frist bis zum 02.10.2007 am 02.10.2007 begründen lassen.

Die Beklagte macht geltend, der Geschäftsführer der Beklagten habe dem Kläger per E-Mail vom 31.08.2006 noch innerhalb der 6-monatigen Probezeit gekündigt. Jedenfalls sei dem Kläger die Kündigung auch auf dem Postwege am 06.09.2006 zugegangen. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Prüfung unberücksichtigt gelassen, dass gemäß § 23 Abs. 1 KSchG ein neuer Schwellenwert von 10 Arbeitnehmern bestehe, wobei es unerheblich sei, wie viele Arbeitnehmer bis zum 31.12.2003 im Betrieb gearbeitet hätten. Nach 2003 seien nicht mehr als 9 Arbeitnehmer einschließlich des Klägers eingestellt worden, so dass das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde.

Sie, die Beklagte, habe ein enormer Umsatzrückgang getroffen. Die Kündigung sei daher im Interesse des gesamten Betriebes notwendig gewesen. Die Umsatzzahlen seien bedrohlich zurückgegangen, insbesondere im Bereich der Beetware, wo der Kläger ausschließlich eingesetzt gewesen sei. Die Beetabteilung sei im Verhältnis zu den eingefahrenen Umsätzen überbesetzt gewesen. Da der Kläger als letzter eingestellt worden sei, sei die Kündigung auch sozial gerechtfertigt.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgericht Siegburg vom 03.05.2007, 1 Ca 2554/06, abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen, nämlich unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 20.02.2007 die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte hält die gegenseitige Berufung bereits teilweise für unzulässig, da sich die Beklagte in ihrer Berufung mit keinem Wort mit dem Zahlungsanträgen auseinandergesetzt habe. Im Übrigen hält der Kläger und Berufungsbeklagte die Berufung für unbegründet. Das Kündigungsschutzgesetz sei in Anbetracht des Umstands, dass die schriftliche Kündigung erst nach Ablauf von 6 Monaten zugegangen sei und die Beklagte insgesamt unstreitig weit mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt habe, ohne weiteres anwendbar. Die Beklagte habe betriebsbedingte Kündigungsgründe nicht substantiiert dargelegt. Der Kläger bestreitet mit Nichtwissen, dass ein "bedrohlicher Umsatzrückgang" stattgefunden habe. Auch die Sozialauswahl habe die Beklagte nicht nachvollziehbar dargelegt.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig.

Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) und c) ArbGG statthaft und wurde nach Maßgabe des § 66 Abs. 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet.

Die Berufung kann auch insoweit noch als zulässig angesehen werden, als sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von Annahmeverzugslöhnen und den Weiterbeschäftigungstitel richtet. Zwar trifft es zu, dass sich die Beklagte in der Berufungsinstanz mit diesen Streitgegenständen mit keinem Wort auseinandergesetzt hat. Da die vom Kläger geltend gemachten Annahmeverzugsansprüche ebenso wie der Weiterbeschäftigungsanspruch jedoch unmittelbar davon abhängen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch eine Kündigung der Beklagten spätestens zum 30.09.2006 wirksam aufgelöst worden ist, erfasst die Auseinandersetzung mit dem Urteilsausspruch zur Wirksamkeit der Kündigung in ihrer rechtlichen Konsequenz auch die Berechtigung des Zahlungs- und Weiterbeschäftigungstitels.

II. Die Berufung der Beklagten ist jedoch ohne weiteres in vollem Umfang unbegründet.

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch eine wirksame arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung vom 31.08.2006 aufgelöst worden.

a. Die vom Geschäftsführer der Beklagten am 31.08.2006 per E-Mail ausgesprochene Kündigung ist nach Maßgabe des § 623 BGB zweifelsfrei formnichtig. Gemäß § 623 BGB bedarf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Aus § 126 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigtem Handzeichen unterzeichnet werden muss, wenn durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben ist. Gemäß § 126 Abs. 3 BGB kann die gesetzliche Schriftform durch die elektronische Form nur dann ersetzt werden, wenn sich aus dem Gesetz nicht ein anderes ergibt. Genau dies ist aber gemäß § 623 letzter HS BGB der Fall. Dort heißt es: "Die elektronische Form ist ausgeschlossen".

b. Die Nichtigkeit einer gemäß § 623 BGB formunwirksamen Kündigung kann der Arbeitnehmer auch außerhalb der 3-Wochen-Frist des § 623 BGB geltend machen (BAG vom 9.2.2006, 6 AZR 283/05; ErfKomm/Müller-Glöge, § 623 BGB Rdnr.24).

c. Formwirksam war somit lediglich die dem Kläger auf dem Postwege per Schriftform zugeleitete Kündigungserklärung, die beim Kläger am 06.09.2006 eingegangen ist.

d. Die Kündigung der Beklagten vom 31.08.2006, dem Kläger in Schriftform zugegangen am 06.09.2006, ist jedoch gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt: Die Beklagte hat nicht ausreichend dargelegt, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers in ihrem Betrieb entgegenstanden.

aa. Auf die am 06.09.2006 zugegangene Kündigung finden die Regeln des Kündigungsschutzgesetzes ohne weiteres Anwendung. Zu diesem Zeitpunkt hat das Arbeitsverhältnis gemäß § 1 Abs. 1 KSchG ohne Unterbrechung länger als 6 Monate bestanden. Unstreitig hat die Beklagte im Kündigungszeitpunkt auch in ihrem Betrieb mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG. Bei der Feststellung, ob in einem Betrieb i. S. v. § 23 Abs. 1 S. 3 1. HS KSchG in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt werden, zählen alle Arbeitnehmer des Betriebes mit, nicht nur diejenigen, die erst nach dem 31.12.2003 eingestellt worden sind. Die gegenteilige Auffassung der Beklagten findet keine Stütze im Wortlaut des Gesetzes und beruht auf einem grundlegenden Missverständnis der Vorschrift des § 23 Abs. 1 KSchG in ihrer geltenden Fassung.

bb. Es wäre somit gemäß § 1 Abs. 2 KSchG Sache der Beklagten gewesen, darzulegen und im Bestreitensfall unter Beweis zu stellen, dass aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse der betriebliche Bedarf für eine Weiterbeschäftigung des Klägers im Kündigungszeitpunkt weggefallen war.

aaa. Um dieser Darlegung gerecht zu werden, genügt der pauschale Hinweis auf eingetretene Umsatzrückgänge auch nicht ansatzweise. Dringende betriebliche Erfordernisse, die eine betriebsbedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG bedingen können, können vorliegen, wenn aufgrund von außen auf den Geschäftsbetrieb einwirkender Umstände der Arbeitsanfall im Betrieb im Umfang eines oder mehrerer Arbeitsplätze auf absehbare Dauer geringer wird. Sie können auch dann vorliegen, wenn sich der Unternehmer entschließt, aus Kostengründen den gleichen Arbeitsanfall wie bisher mit weniger Arbeitskräften zu bewältigen oder wenn der Bedarf an Arbeitskräften deshalb geringer wird, weil der Unternehmer beschließt, den Geschäftsgegenstand seines Betriebes einzuschränken.

bbb. In jedem Fall bedarf es einer auch für einen Außenstehenden nachvollziehbaren Darlegung, welche Arbeitsmenge bisher und welche Arbeitsmenge künftig anfallen soll und wie die künftig anfallende Arbeitsmenge organisatorisch im Vergleich zu der bisherigen Sachlage mit weniger Personal bewältigt werden kann.

ccc. Die Darlegung muss schließlich nachvollziehbar erscheinen lassen, dass von der Verringerung des Arbeitskräftebedarfes gerade der Arbeitsplatz des Klägers betroffen ist. Der Arbeitgeber wird seiner Darlegungslast gerade nicht gerecht, wenn er sich lediglich pauschal auf einen Umsatzrückgang und/oder auf das negative Ergebnis einer Gewinn- und Verlustrechnung beruft, ohne im Einzelnen konkret zu verdeutlichen, welche Konsequenzen sich aus der von außen auf den Betrieb eindringenden Situation oder aus den in Reaktion auf die äußeren Verhältnisse getroffenen unternehmerischen Entscheidungen für die Arbeitsorganisation an den einzelnen Arbeitsplätzen folgen.

ddd. An derartigen nachvollziehbaren Darlegungen fehlt es vorliegend erst- wie zweitinstanzlich völlig.

cc. Fehlt es somit, wie das Arbeitsgericht treffend festgestellt hat und woran sich auch in der Berufungsinstanz nichts geändert hat, bereits an der Darlegung des eigentlichen dringenden betrieblichen Erfordernisses i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG, so kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, dass die Beklagte auch nicht hinreichend dargelegt hat, dass sie bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und eine etwaige Schwerbehinderung ausreichend berücksichtigt hat.

2. Eine nicht nachvollziehbar durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingte Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt. Eine sozial ungerechtfertigte Kündigung ist rechtsunwirksam. Eine rechtsunwirksame Kündigung führt zum Anspruch des Arbeitnehmers auf tatsächliche Weiterbeschäftigung über das Ende der Kündigungsfrist hinaus.

3. Darüber hinaus stehen dem Kläger aufgrund der Unwirksamkeit der streitigen Kündigung die von ihm geltend gemachten Annahmeverzugslohnansprüche zu. Der Kläger hat vor dem Hintergrund der Unwirksamkeit der streitigen Kündigung diese Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach schlüssig dargelegt. Die Beklagte hat, wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, außer dem Umstand, dass sie ihre Kündigung für wirksam hält, keine Einwände gegen die vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Zahlungsansprüche des Klägers für die Zeit bis zum 28.02.2007 erhoben.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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