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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 21.03.2006
Aktenzeichen: 7 Ta 14/06
Rechtsgebiete: ArbGG, GVG


Vorschriften:

ArbGG § 2
ArbGG § 5
GVG § 17
GVG § 17 a
1.) Für einen Rechtsstreit um die Wirksamkeit der Kündigung des Anstellungsvertrages eines GmbH-Geschäftsführers ist gem. § 5 I 3 ArbGG der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten auch dann nicht gegeben, wenn das Anstellungsverhältnis aufgrund einer starken internen Weisungsabhängigkeit ausnahmsweise als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren sein sollte. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Geschäftsführer erst nach Ausspruch der Kündigung oder gar erst nach Ablauf der gewählten Kündigungsfrist von seiner Organstellung abberufen wird.

Ggf. haben die ordentlichen Gerichte in solchen Fällen aufgrund § 17 II GVG materielles Arbeitsrecht anzuwenden.

2.) Die Grundsätze für die Rechtswegbestimmung in sog. sic-non-Fällen sind auf Organvertreter nicht anwendbar (Anschluss an BAG v. 06.05.1999, NZA 1999, 839f.).


Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hin wird der Zuständigkeitsbeschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 24.10.2005 abgeändert:

Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten wird für unzulässig erklärt.

Der Rechtsstreit wird an das sachlich und örtlich zuständige Landgericht Münster verwiesen.

Gründe:

I. Am 14.05.1997 schlossen der Kläger und die Beklagte zu 1) einen Anstellungsvertrag (Bl. 7 - 10 d. A.). Diesem Anstellungsvertrag zu Folge sollte der Kläger mit Wirkung ab 01.08.1997 die Position eines Vertriebsleiters für die Beklagten zu 1) und 2) sowie eine weitere Firma übernehmen und in Abstimmung mit dem Verkaufsleiter der Beklagten zu 3) auch für diese bestimmte Aufgaben ausüben. Als Gegenleistung erhielt der Kläger ein Jahresgehalt in Höhe von DM 186.200,- zuzüglich weiterer Leistungen wie Tantieme, Dienstwagen der gehobenen Mittelklasse oder eine betriebliche Altersversorgung.

Mit Wirkung zum 01.01.1999 wurde der Kläger zum (Mit-) Geschäftsführer der drei beklagten in der Rechtsform einer GmbH organisierten Firmen ernannt und in der Folgezeit als solcher ins Handelsregister eingetragen. Ein neuer schriftlicher Anstellungsvertrag wurde im Hinblick auf die Ernennung zum Geschäftsführer nicht abgeschlossen. Während seiner Tätigkeit als Geschäftsführer erhöhte sich das Gehalt des Klägers mehrfach, so zum 01.01.2001 um DM 1.500,- brutto monatlich (Bl. 12 d. A.) und zum 01.09.2004 um 705,00 € brutto monatlich zuzüglich weiterer Nebenleistungen. Im Juli 2005 kam der Kläger auf ein Monatsgehalt in Höhe von 11.033,50 € brutto.

Mit jeweiligen Schreiben vom 22.08.2005 erklärten die drei Beklagten gegenüber dem Kläger "aus unternehmensbedingten Gründen die ordentliche Kündigung des Geschäftsführervertrages zum 30.09.2005" (Bl. 15 - 17 d. A.). Hiergegen erhob der Kläger am 02.09.2005 beim Arbeitsgericht Aachen die vorliegende Klage, in welcher er ankündigt zu beantragen:

"Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis der Parteien gemäß Anstellungsvertrag vom 14.05.1997 durch die dem Kläger am 22.08.2005 zugegangenen Kündigungen seitens der Beklagten nicht aufgelöst ist, sondern ungekündigt fortbesteht".

Unter dem 05.10.2005 beschlossen die Gesellschafterversammlungen der drei Beklagten, den Kläger als ihren Geschäftsführer abzuberufen. Die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer wurde bezüglich der Beklagten zu 3) am 07.10.2005, bezüglich der Beklagten zu 1) und 2) am 13.10.2005 im Handelsregister eingetragen.

Auf die Rechtswegrüge der Beklagten hin hat das Arbeitsgericht Aachen mit Beschluss vom 24.10.2005 eine Vorabentscheidung über seine Rechtsweg- zuständigkeit getroffen und diese bejaht. Auf die Gründe des Beschlusses vom 24.10.2005 wird Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen den ihr am 19.12.2005 zugestellten Beschluss am 28.12.2005 die vorliegende sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass das Arbeitsgericht seine Rechtswegzuständigkeit zu Unrecht angenommen habe. Erst jüngst habe das BAG nochmals entschieden, dass bei Aufstieg eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer einer GmbH und anschließender Abberufung als Geschäftsführer das alte Arbeitsverhältnis in der Regel nicht wieder auflebe (Urteil vom 24.11.2005 - 2 AZR 614/04 - ). Werde ein Arbeitnehmer zum Geschäftsführer berufen und schlössen die Parteien konkludent einen Geschäftsführerdienstvertrag mit dem Inhalt des vormaligen Arbeitsvertrages, werde letzterer offenkundig vollständig durch das nunmehr bestehende Dienstverhältnis ersetzt. Eine Abweichung von dieser Grundregel sei vorliegend nicht ersichtlich. Mit den Beklagten zu 2) und 3) habe ohnehin nie ein Arbeitsverhältnis bestanden.

Der Kläger und Beschwerdegegner hält den Beschluss des Arbeitsgerichts für richtig. Das Arbeitsgericht habe die in der Rechtsprechung des BAG entwickelte Vermutungsregel nicht verkannt, sondern die Vermutungsregel greife im vorliegenden Fall nicht ein, da mehr Anhaltspunkte dafür sprächen, dass das Arbeitsverhältnis fortbestanden habe. Gerade die Tatsache, dass das Geschäftsführerverhältnis auf der Grundlage des vormaligen Arbeitsvertrages weiter ausgeführt worden sei, spreche dafür, dass der Arbeitsvertrag gerade nicht aufgehoben worden sei, sondern weiterhin Grundlage für die Rechtsbeziehungen der Parteien habe sein sollen. Hätte der Arbeitsvertrag aufgehoben werden sollen, hätte es insoweit auch an einer Grundlage der Vertragsbeziehungen in dem Geschäftsführerverhältnis gefehlt.

II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig. Insbesondere ist sie statthaft und wurde auch fristgerecht eingelegt.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist auch begründet. Für die vorliegende Rechtsstreitigkeit ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht gegeben. Dies folgt unmittelbar aus § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG.

Nach § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG gelten Organe einer juristischen Person, zu denen auch der Geschäftsführer einer GmbH gehört, zwingend nicht als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes, insbesondere also auch im Sinne der in §§ 2 ff. ArbGG enthaltenen Zuständigkeitsnormen. Im Zeitpunkt des Zugangs der im vorliegenden Rechtsstreit streitigen Kündigungen war der Kläger Geschäftsführer der drei kündigenden Gesellschaften mit beschränkter Haftung und damit Organ im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG. Die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer erfolgte erst geraume Zeit nach Ausspruch der Kündigungen, sogar erst nach Ablauf der von den Beklagten gewählten Kündigungsfristen.

In einem solchen Fall kann entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht darauf abgestellt werden, ob der Anstellungsvertrag des GmbH- Geschäftsführers seiner Rechtsqualität nach eventuell ausnahmsweise selbst als Arbeitsvertrag qualifiziert werden kann. Das Bundesarbeitsgericht führt hierzu aus:

"Auch wenn das Anstellungsverhältnis zwischen juristischer Person und Vertretungsorgan wegen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis anzusehen sein sollte und deshalb dem materiellen Arbeitsrecht unterliegt, sind zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten aus dieser Rechtsbeziehung wegen § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG, 13 GVG die ordentlichen Gerichte berufen. Entsprechend § 17 Abs. 2 GVG haben sie gegebenenfalls Arbeitsrecht anzuwenden." (BAG vom 06.05.1999, NZA 1999, 839 f.; ebenso u. a. BAG vom 20.08.2003, NZA 2003, 1108 ff.).

Das BAG führt in seiner Entscheidung vom 06.05.1999 weiter aus:

"An der Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte ändert sich folglich nichts dadurch, dass zwischen den Beteiligten streitig ist, wie das Anstellungsverhältnis rechtlich zu qualifizieren ist. Hat die juristische Person den Organvertreter abberufen und den Anstellungsvertrag unter Einhaltung der Kündigungsfrist für ein freies Dienstverhältnis gekündigt und erhebt der Organvertreter gegen die Kündigung Klage mit der Begründung, er sei in Wirklichkeit Arbeitnehmer und die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt, so greift dennoch die Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG ein. Die bloße Rechtsansicht des Organvertreters, er sei nach Maßgabe des zugrunde liegenden Anstellungsverhältnisses Arbeitnehmer, reicht hier nicht aus, um die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte zu begründen. § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG greift sogar dann ein, wenn objektiv feststeht, dass das Anstellungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist. Die Vorschrift greift darum erst recht ein, wenn darüber Ungewissheit besteht und möglicherweise ohnehin ein freies Dienstverhältnis vorliegt. In seinen Beschlüssen vom 10. und 18.12.1996 (AP Nr. 3 und Nr. 4 zu § 2 ArbGG 1979 Zuständigkeitsprüfung) hat der Senat noch dahinstehen lassen, ob die Grundsätze für die Rechtswegbestimmung in sogenannten sic-non-Fällen auch auf Organvertreter anwendbar sind. Nach den vorstehenden Erörterungen ist die Frage nunmehr zu verneinen." (BAG vom 06.05.1999 a. a. O.).

Ebensowenig könnte der Kläger vorliegend die Rechtswegzuständigkeit des Arbeitsgerichts mit der Annahme begründen, dass sich sein Anstellungsverhältnis nach seiner Abberufung als GmbH-Geschäftsführer zu einem Arbeitsverhältnis gewandelt hätte. Zu dieser Frage führt das BAG aus: "Wird der Anstellungsvertrag des Organvertreters zeitgleich mit der Abberufung gekündigt, so gilt für den Kündigungsschutzprozess die Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG. Wird der Anstellungsvertrag gekündigt, ohne dass der Organvertreter (schon) abberufen würde, so gilt dies ohnehin. Selbst wenn der Kläger mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer abberufen worden sein sollte, gilt er deshalb im Streit um die Wirksamkeit der Kündigung des Anstellungsvertrages nicht als Arbeitnehmer. Da der Anstellungsvertrag des Klägers jedenfalls nicht nach dem Wirksamwerden der Abberufung gekündigt wurde, ist es auf die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG ohne Einfluss, ob sich das Anstellungsverhältnis anschließend zum Arbeitsverhältnis gewandelt hat, wie der Kläger meint. Maßgeblich für die Beurteilung der Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung und für die Bestimmung des zulässigen Rechtsweges sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung". (BAG, NZA 1999, 839 f. ).

In Anbetracht der vorgenannten Umstände kann es demnach auch keine Rolle spielen, dass der Kläger in der Zeit vom 01.08.1997 bis zum 31.12.1998, d. h. bis zu seiner Ernennung als Geschäftsführer, in einem als Arbeitsverhältnis zu qualifizierenden Anstellungsverhältnis zu der Beklagten zu 1) gestanden haben mag. Abgesehen von dem maßgeblichen Umstand, dass die hier streitigen Kündigungen nicht nach, sondern vor der Abberufung des Klägers als Geschäftsführer ausgesprochen wurden, betont gerade auch der Kläger selbst, dass nach dem Willen der Parteien ein und derselbe Anstellungsvertrag, der zunächst einem Arbeitsverhältnis als Vertriebsleiter zugrunde gelegen hat, dann ab 01.01.1999 die Anstellungsgrundlage für die Geschäftsführertätigkeit des Klägers gebildet haben soll. Wenn dem so ist, so muss sich zum 01.01.1999 zumindest jedoch der Inhalt von § 1 des Anstellungsvertrages geändert haben, nämlich dahingehend, dass Gegenstand der vertraglich geschuldeten Tätigkeit des Klägers nunmehr nicht mehr diejenige eines der Geschäftsführung unterstellten Vertriebsleiters sein soll, sondern diejenige eines Geschäftsführers. Gerade wenn man sich jedoch die Sicht des Klägers von der Einheitlichkeit und Kontinuität des seiner Tätigkeit zugrunde liegenden Anstellungsverhältnisses zu eigen machte und dementsprechend in seiner Bestellung zum Geschäftsführer aufgrund des damit verbundenen Aufstiegs in der Hierarchie lediglich eine Art Beförderung sieht, so wird um so weniger erkennbar, aufgrund welcher Umstände dann mit einer späteren Kündigung des Anstellungsvertrages der ursprüngliche Vertragszustand wieder aufleben sollte. Gerade wenn - dem Kläger zufolge - ein und derselbe Anstellungsvertrag, der zunächst auf eine Arbeitnehmer- Tätigkeit als Vertriebsleiter gerichtet gewesen sein mag, nunmehr zur Grundlage eines Anstellungsverhältnisses als GmbH - Geschäftsführer geworden ist, besteht um so weniger Grund, von der Vermutungsregel des BAG abzuweichen, wonach bei einem Arbeitnehmer, der zum GmbH-Geschäftsführer aufgestiegen ist, bei seiner späteren Abberufung als Geschäftsführer das alte Arbeitsverhältnis nicht wieder auflebt (so zuletzt BAG vom 24.11.2005 - 2 AZR 614/04 - ).

Die Beurteilung der Frage, ob das Anstellungsverhältnis der Parteien durch die dem Kläger am 22.08.2005 zugegangenen Kündigungen wirksam aufgelöst worden ist - und auch, ob dabei ungeachtet des Inhalts von § 3 des Anstellungsvertrages die maßgebliche Kündigungsfrist eingehalten wurde - , fällt daher in die Kompetenz der Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit.

Der Rechtsstreit war daher der Rüge der Beklagten entsprechend an das sachlich und örtlich zuständige Landgericht Münster zu verweisen, in dessen Bezirk alle Beklagten ihren ordentlichen Gerichtsstand haben. Der Kläger hat dem Antrag der Beklagten in örtlicher Hinsicht nicht widersprochen.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegt nicht vor.

Gegen diese Entscheidung ist daher ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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