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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 01.09.2009
Aktenzeichen: 7 Ta 184/09
Rechtsgebiete: ZPO, KSchG, AGG


Vorschriften:

ZPO § 114
KSchG § 1
KSchG § 4
KSchG § 7
AGG § 2
AGG § 15
1. Eine Kündigung, die angeblich auf einer Altersdiskriminierung beruhen soll, könnte nicht zugleich nach § 1 Abs. 2, 3 KSchG sozial gerechtfertigt sein.

2. Versäumt es die Arbeitnehmerin, gegen eine ordentliche Kündigung, auf die das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, gemäß § 4 KSchG rechtzeitig Kündigungsschutzklage zu erheben, so dass die Kündigung jedenfalls gemäß § 7 KSchG Wirksamkeit erlangt, ist eine spätere Schadensersatzklage wegen Altersdiskriminierung auf Ersatz eines nach Ablauf der Kündigungsfrist eintretenden Minderverdienstes wegen fehlender Kausalität von vornherein unschlüssig.


Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den PKH-Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 28.04.2009 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene sofortige Beschwerde gegen den PKH-Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 28.04.2009 ist unbegründet. Das Arbeitsgericht Bonn hat zutreffend erkannt, dass die von der Antragstellerin beabsichtigte Klage im Sinne von § 114 ZPO keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Sie ist überdies mutwillig. Eine Partei, die für die Prozesskosten aus eigener Kraft aufkommen müsste, würde eine derartige Klage vernünftigerweise nicht erheben.

1. Die von der Antragstellerin beabsichtigte Feststellungsklage wäre bereits wegen des Vorranges der Leistungsklage unzulässig; denn die Antragstellerin begehrt die Feststellung eines - anscheinend unbefristeten - Schadensersatzanspruchs in Höhe der Differenz zwischen ihrem letzten Nettoeinkommen bei der potentiellen Beklagten und ihrem aktuellen Einkommen - aktuell in Form von Arbeitslosengeld I - nach Ablauf der Kündigungsfrist. Beide Rechnungsgrößen stehen jedoch, wie sich aus dem Klageentwurf der Antragstellerin unmittelbar ergibt, rechnerisch fest.

2. Unabhängig davon ist die von der Antragstellerin beabsichtigte Klage aber auch in der Sache unschlüssig. Für das Klagebegehren fehlt es an einer Anspruchsgrundlage.

a. Die Antragstellerin will offenbar daraus hinaus, dass die potentielle Beklagte ihr unter Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung die Kündigung vom 01.09.2008 ausgesprochen habe und ihr dadurch ein Schaden entstanden sei, bzw. fortlaufend entstehe, der darin bestehe, dass ihr Einkommen nach Ablauf der Kündigungsfrist niedriger ist als das Nettoeinkommen während des bestehenden Arbeitsverhältnisses.

b. Ein solcher, sich nach dem Ablauf der Kündigungsfrist ergebender Minderverdienst kann jedoch schon nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin ursächlich nicht auf einer Altersdiskriminierung seitens der Antragsgegnerin beruhen: Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden unstreitig die Regeln des Kündigungsschutzgesetzes Anwendung. Träfe die Behauptung der Antragstellerin zu, die künftige Beklagte habe sie gänzlich ohne ihr eigenes Zutun allein deshalb gekündigt, weil sie älter sei als die mit ihr vergleichbaren Kolleginnen und Kollegen, so wäre eine solche - vorausgesetzt betriebsbedingte (!) - Kündigung ohne Weiteres gemäß § 1 Abs. 2 und 3 KSchG unwirksam gewesen. Der Umstand, dass die Kündigung gleichwohl unstreitig zum 31.03.2009 Wirksamkeit erlangt hat, beruht dann allein darauf, dass die Antragstellerin es versäumt hat, gemäß § 4 KSchG fristgerecht Kündigungsschutzklage einzureichen, so dass die gesetzliche Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG eintreten musste. Ein in einem evtl. Minderverdienst nach Ablauf der Kündigungsfrist bestehender "Schaden" beruht in einem solchen Fall gerade nicht mehr auf einem etwaigen bei Ausspruch der Kündigung erfolgten Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung, sondern auf dem Versäumnis der Antragstellerin, die Rechtswidrigkeit der Kündigung in dem gesetzlich vorgesehen Wege feststellen zu lassen.

c. Erst recht scheidet die Kausalität einer angeblichen Altersdiskriminierung bei Ausspruch der Kündigung für den von der Antragstellerin reklamierten "Schaden" dann aus, wenn die streitige Kündigung im Falle der rechtzeitigen Erhebung einer Kündigungsschutzklage den Maßstäben des § 1 KSchG standgehalten hätte. Jedenfalls in der hier in Frage kommenden Konstellation, in der die Antragstellerin deutlich älter ist als die für eine Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung in Betracht kommenden Kolleginnen und Kollegen erscheint es denknotwendig ausgeschlossen, dass eine Kündigung einerseits nach § 1 KSchG Wirksamkeit erlangen, andererseits aber gegen das Altersdiskriminierungsverbot verstoßen könnte.

d. Ein Anspruch auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 AGG scheidet, wie selbst die Antragstellerin einräumen muss, schon deshalb aus, weil die Antragstellerin ihre Ansprüche nicht innerhalb der in § 15 Abs. 4 AGG vorgesehen Fristen geltend gemacht hat. Abgesehen davon scheiterten jedenfalls in der hier gegebenen Konstellation etwaige Schadensersatzansprüche nach dem AGG an § 2 Abs. 4 AGG.

3. Unabhängig von alledem fehlt es aber ohnehin bereits an einem belastbaren Sachvortrag dazu, dass die streitige Kündigung der möglichen Beklagten vom 01.09.2008 tatsächlich auf rechtswidrigen Überlegungen zum Alter der Antragstellerin beruht.

a. Die potentielle Beklagte hat in ihrer Stellungnahme zu dem PKH-Antrag der Antragstellerin ausführlich und substantiiert dargelegt, dass ihre Kündigung in Wirklichkeit deshalb ausgesprochen wurde, weil die Antragstellerin immer wieder unmissverständlich ihren eigenen Abkehrwillen zum Ausdruck gebracht habe. In solchen Fällen kommt es häufig vor, dass der Arbeitgeber seine Kündigung als "betriebsbedingt" deklariert, um dem betroffenen Arbeitnehmer Schwierigkeiten bei dem nahtlosen Bezug von Arbeitslosengeld nach Ablauf der Kündigungsfrist zu ersparen. Die Einlassungen der Antragstellerin zu diesem Sachvortrag der potentiellen Beklagten erscheinen derart nebulös, dass schon deshalb nicht einmal von einem schlüssigen Sachvortrag einer Altersdiskriminierung ausgegangen werden kann.

b. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das System des deutschen Arbeitsrechts bei der Überprüfung der Wirksamkeit von Kündigungen im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes dem Bestandsschutzgedanken absoluten Vorrang einräumt und eben kein beliebiges Wahlrecht des Arbeitnehmers zwischen der Geltendmachung des Bestandschutzes und der Geltendmachung finanzieller Entschädigungsleistungen in Form von Abfindungen oder Schadensersatz eröffnet. Wie § 2 Abs. 4 AGG dokumentiert, gilt dies jedenfalls im allgemeinen Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes auch für das Verhältnis des KSchG zum AGG.

c. Eine Erfolgsaussicht der von der Antragstellerin beabsichtigten Klage kann somit auch nicht ansatzweise erkannt werden.

4. Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht zugelassen.

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