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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 12.07.2002
Aktenzeichen: 7 Ta 208/02
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 121
BRAGO § 28
BRAGO § 121
BRAGO § 122
BRAGO § 126
1. Für die Kostenfestsetzung zugunsten d. PKH Anwalts kommt es auf den Inhalt des Bewilligungs- und Beiordnungsbeschlusses an, § 122 Abs. 1 BRAGO.

2. Der im Wege der PKH beigeordnete auswärtige Anwalt kann für die Wahrnehmung von Terminen bei dem Prozessgericht von der Staatskasse die Erstattung von Reisekosten verlangen, wenn sich aus dem Beiordnungsbeschluss nicht ergibt, dass die Beiordnung einschränkend nur "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts" erfolgt ist.

3. Enthält der Wortlaut d. Beiordnungsbeschlusses keine solche Einschränkung, kann sie auch nicht einfach "konkludent" in ihn hineininterpretiert werden, falls sich für einen entsprechenden Willen des Gerichts nicht ausnahmsweise konkrete, eindeutige Anhaltspunkte ergeben.


LANDESARBEITSGERICHT KÖLN BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 7 Ta 208/02

In dem Beschwerdeverfahren

hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln am 12.07.2002 - ohne mündliche Verhandlung - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Czinczoll

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 08.05.2002, mit welchem das Arbeitsgericht einer Erinnerung der Landeskasse vom 05.02.2002 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09.11.2001 "nicht abgeholfen" hatte, wird zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 232,74 €.

Gründe:

I. Der in Osnabrück ansässige und bei einem Kölner Arbeitgeber beschäftigte Kläger ließ durch einen ebenfalls in Osnabrück ansässigen Rechtsanwalt Klage beim zuständigen Arbeitsgericht Köln erheben. In der Klageschrift beantragte der Prozessbevollmächtigte auch, dem Kläger Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung zu bewilligen. Mit Beschluss vom 25.10.2001 wurde dem Kläger "ab Antragstellung unter Beiordnung von Rechtsanwalt A PKH ohne Ratenzahlung bewilligt" (Bl. 42 d.A.).

Das Verfahren in der Hauptsache endete durch rechtskräftigen Vergleich im Kammertermin vom 25.10.2001, nach dem ein vorangegangener Gütetermin zunächst gescheitert war. An beiden Terminen nahm der beigeordnete Anwalt aus Osnabrück teil.

In dem Kostenfestsetzungsantrag vom 31.10.2001 stellte der Klägervertreter auch Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld für die Wahrnehmung der beiden Gerichtstermine in einer Gesamthöhe von 455,20 DM (232,74 €) zuzüglich Mehrwertsteuer ein. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09.11.2001 setzte die Rechtspflegerin beim Arbeitsgericht die Kosten antragsgemäß fest. Hiergegen wandte sich die Landeskasse mit ihrer Erinnerung vom 05.02.2002. Mit richterlichem Beschluss vom 08.05.2002, der sich die Gründe eines entsprechenden "Vermerks" der Rechtspflegerin vom 23.04.2002 zu eigen macht, half das Arbeitsgericht der Erinnerung nicht ab. Hiergegen wandte sich die Landeskasse mit ihrer weiteren Eingabe vom 17.06.2002.

Auf die Gründe des arbeitsgerichtlichen Beschlusses in Form des Vermerks der Rechtspflegerin vom 23.04.2002, auf den Inhalt der verschiedenen Stellungnahmen der Landeskasse sowie auf die Stellungnahmen des beigeordneten Anwalts vom 27.06. und 04.07.2002 wird Bezug genommen.

II. Die Beschwerde der Landeskasse ist gem. § 128 Abs. 4 Satz 1 BRAGO statthaft und zulässig. Der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 08.05.2002 kann als Beschluss im Sinne von § 128 Abs. 3 Satz 1 BRAGO, die hiergegen gerichtete weitere Eingabe der Landeskasse vom 17.06.2002 als Beschwerde hiergegen im Sinne von § 128 Abs. 4 Satz 1 BRAGO ausgelegt werden.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Der Klägervertreter kann die Erstattung der von ihm geltend gemachten Reisekosten inklusive Abwesenheitsgeld aus der Staatskasse verlangen. Dies folgt ohne weiteres aus § 121 i. V. m. §§ 28, 126 BRAGO. Eine gesetzliche Rechtfertigung dafür, dem Klägervertreter die Erstattung dieser Kosten zu versagen, besteht nicht. Sie kann insbesondere weder aus § 121 Abs. 2 Satz 2 ZPO noch aus § 126 Abs. 1 BRAGO hergeleitet werden.

1. Der Anspruch des Rechtsanwalts gegen die Landeskasse bestimmt sich gem. § 122 Abs. 1 BRAGO nach dem Beschluss, durch den die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Der Bewilligungsbeschluss ist die Kostengrundentscheidung für die Vergütungsfestsetzung, die sich - ausschließlich - nach den §§ 121 ff. BRAGO richtet (LAG Köln - 13 Ta 180/99 - vom 30.07.1999, MDR 99, 1469; LAG Köln - 12 Ta 349/99 - vom 29.11.1999; Egon Schneider, Anm. zu LAG Bremen LAGE § 121 BRAGO Nr. 3). Soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe zur Vermeidung von Mehrkosten im Sinne von § 121 Abs. 2 Satz 2 ZPO eingeschränkt werden, etwa durch Beiordnung eines auswärtigen Anwalts "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts", dann muss sich dies bereits aus dem Beiordnungsbeschluss ergeben (LAG Köln vom 30.07.1999 a.a.O.; LAG Köln vom 29.11.1999, a.a.O.; LAG Bremen LAGE § 121 BRAGO Nr. 3; Egon Schneider a.a.O.; Kalthöhner/Büttner/Wrobel-Sachs, PKH- und Beratungshilfe, 2. Auflage, Rz. 547). Wenn demgegenüber bei Zöller/Philippi, ZPO, 23. Auflage, § 121 Rz. 13 die Auffassung vertreten wird, der PKH-Bewilligungsbeschluss regele nur das Verhältnis zwischen Partei und Staatskasse, nicht dasjenige zwischen Anwalt und Staatskasse, so erscheint dies mit dem klaren Wortlaut von § 122 Abs. 1 BRAGO nicht vereinbar.

2. Der Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts vom 25.10.2001 enthält keinerlei wie auch immer geartete Einschränkung der Beiordnung des in Osnabrück ansässigen Klägervertreters. Insbesondere lässt sich dem Bewilligungsbeschluss nicht entnehmen, dass das Arbeitsgericht den vom Kläger ausgewählten, in Osnabrück ansässigen Anwalt nur zu den Bedingungen eines in Köln ansässigen Anwalts hätte beiordnen wollen.

a. Ein solcher konkludenter Beschlussinhalt könnte zwar im Wege der Auslegung unter Umständen auch ohne ausdrückliche Erwähnung dann angenommen werden, wenn bereits der Antrag auf Beiordnung des auswärtigen Anwalts ausdrücklich oder konkludent, aber jedenfalls unmissverständlich die Einschränkung enthalten hätte, dass die Beiordnung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts erfolgen solle (könne). Im vorliegenden Fall scheidet eine solche Auslegung des Beiordnungsantrags von vorneherein aus, da sich keinerlei objektiver Anhaltspunkt dafür feststellen lässt, dass der Klägervertreter ohne weiteres hätte bereit sein wollen, auf die ihm grundsätzlich zustehende Reisekostenerstattung zu verzichten.

b. Ein solcher genereller Verzichtswille kann nicht einfach nur deshalb unterstellt werden, weil die Vorschrift des § 121 Abs. 3 ZPO existiert. Dies gilt schon deshalb nicht, weil auch bei Beachtung dieser Vorschrift ohne weiteres Ausnahmefälle anerkannt sind, die eine Erstattung von Reisekosten in teilweiser oder voller Höhe erlauben (vgl. LAG Köln MDR 99, 1469 f.; Zöller/Philippi, § 121 Rz. 12). Das OLG Koblenz weist neuerdings zu Recht darauf hin, dass es im Gegenteil dem wirtschaftlich denkenden auswärtigen Anwalt im Zweifel sehr wohl darauf ankommt, sämtliche Geschäftskosten einschließlich Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld erstattet zu bekommen, zumal es dafür in § 126 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz BRAGO auch eine Rechtsgrundlage gibt (OLG Koblenz AnwBl 2002, 117 f.).

c. Erst recht ist der Auffassung entgegenzutreten, wonach ein auswärtiger Anwalt sogar ohne sein Einverständnis mit der Einschränkung auf die Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beigeordnet werden könnte. Das Gericht kann nicht eigenmächtig über fremde Rechte verfügen und dem Anwalt ohne seine Zustimmung gesetzliche Erstattungsansprüche (§ 126 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz BRAGO) entziehen (LAG Köln a.a.O.; LAG Thüringen LAGE § 121 Nr. 4; Zöller/Philippi, ZPO, 23. Auflage, § 121 Rz. 13; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 56. Auflage, § 121 Rz. 62; Egon Schneider Anm. zu LAG Bremen LAGE § 121 ZPO Nr. 3 mit ausführlicher und überzeugender Begründung; Kalthöhner/Büttner/Wrobel-Sachs a.a.O., Rz. 544 m.w.N. Rz. 546). Erklärt sich der auswärtige Anwalt nicht mit einer Beiordnung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts einverstanden, wozu er im Zweifel gem. § 139 ZPO zu befragen ist, wenn nicht schon der Beiordnungsantrag eine klare Aussage hierzu enthält, so ist seine Beiordnung gänzlich abzulehnen, falls nicht einer der anerkannten Ausnahmetatbestände zu § 121 Abs. 3 ZPO vorliegt.

d. In Anbetracht all dessen scheint es auch rechtlich unerheblich, dass im vorliegenden Fall der Klägervertreter bei der PKH-Antragstellung nicht explizit erläutert hat, warum seine Partei die Beiordnung eines auswärtigen Anwalts wünschte. Der Grund dafür lag ohnehin auf der Hand: Der Kläger persönlich war im Zeitpunkt der Klageerhebung nämlich selbst ebenfalls in Osnabrück ansässig. Hätte das Arbeitsgericht den Klägervertreter vor der Beiordnung darauf hingewiesen, dass es nur eine eingeschränkte Beiordnung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beabsichtige, so hätte sich der Klägervertreter hierauf einstellen können und unter Umständen auch einen Antrag auf Beiordnung als Korrespondenzanwalt in Erwägung ziehen können.

e. Wenn die Landeskasse darauf hinweist, dass das Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO "kraft Gesetzes gelte", so ist jedoch zu beachten, dass dieses Gebot vom Gericht dann zu beachten ist, wenn es den PKH-Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss erlässt. Ebenso wenig wie bei einer Kostenfestsetzung nach § 104 ZPO die zugrundeliegende Kostengrundentscheidung abgeändert werden kann, können bei der Festsetzung der PKH-Vergütung die Modalitäten der Beiordnung, wie sie im Bewilligungsbeschluss festgelegt sind, abgeändert werden.

f. Ergänzend wird auf die weiteren Ausführungen im Beschluss der 13. Kammer des LAG Köln vom 30.07.1999 sinngemäß Bezug genommen.

3. Diese Entscheidung ergeht gem. § 128 Abs. 5 BRAGO gebührenfrei.

Eine weitere Beschwerde findet gem. § 128 Abs. 4 Satz 3 BRAGO nicht statt. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist somit nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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