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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 13.03.2008
Aktenzeichen: 7 Ta 250/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 115
ZPO § 120 Abs. 4
1. Eine Abfindung stellt erst dann einen im Sinne von § 115 ZPO einsetzbaren Vermögenswert dar, wenn sie tatsächlich gezahlt worden ist (Anschluss an BAG v. 24.4.06, 3 AZB 12/05).

2. Daraus folgt: Ist der Abfindungsanspruch bis zum Ablauf der PKH-Beschwerdefrist dem Arbeitnehmer noch nicht zugeflossen, kann die Staatskasse mit der Beschwerde nicht geltend machen, dass die Abfindung bei der PKH-Entscheidung hätte berücksichtigt werden müssen. Der spätere Zufluss einer Abfindung ist dann vielmehr im Rahmen des § 120 Abs. 4 ZPO zu würdigen.

3. Übersteigt der dem Arbeitnehmer zugeflossene Abfindungsbetrag die Summe des erweiterten Schonvermögens, hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob es zumutbar erscheint, den überschießenden Abfindungsbetrag zur Tilgung der Prozesskosten einzusetzen (ebenso: BAG v. 22.12.2003, 2 AZB 23/03).

4. Übersteigen die Schulden einer Partei ihr verwertbares Vermögen, braucht sie die Abfindung grundsätzlich nicht zur Zahlung der Prozesskosten einzusetzen, sondern kann damit ihre Verbindlichkeiten bedienen (ebenso: BAG a.a.0.).


Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Staatskasse gegen den PKH-Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 11.04.2007 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Am 03.04.2007 beantragte der Kläger für den vorliegenden Kündigungsschutzprozess Prozesskostenhilfe. In der nachfolgenden Güteverhandlung schlossen die Parteien in der Hauptsache einen Vergleich, in welchem das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2007 beendet wurde und dem Kläger eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 10.000,-- EUR brutto, fällig am 31.07.2007, zugesprochen wurde. Mit Beschluss vom 11.04.2007 bewilligte das Arbeitsgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe, ohne ihm eine Kostenbeteiligung aufzuerlegen.

Von dem Prozesskostenhilfebeschluss erlangte die Staatskasse am 01.06.2007 Kenntnis. Sie legte am 05.06.2007 sofortige Beschwerde ein mit dem Ziel, dem Kläger die Übernahme der von der Staatskasse ausgelegten PKH-Vergütung in Höhe von 986,51 EUR aufzugeben. Zur Begründung verweist die Staatskasse darauf, dass dem Kläger aus dem Vergleich vom 03.04.2007 eine Kündigungsschutzabfindung zustand, die das sog. Schonvermögen um 3.162,-- EUR übersteige. Zur Berechnung wird auf die Beschwerdeschrift vom 01.06.2007 Bezug genommen.

Der Kläger hat darauf verwiesen, dass aus einer Kreditaufnahme bei der S Bank ein Betrag von 4.500,-- EUR offen stehe, der mit monatlich 211,-- EUR abgetragen werde. Darüber hinaus bestehe ein Kredit bei der C , welcher noch mit 20.000,-- EUR valutiere. Hierauf seien monatliche Raten von 350,-- EUR zu zahlen, die der Kläger, wie er an Eides statt versichert hat, jedoch derzeit nicht aufbringen könne.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen

II. Die sofortige Beschwerde der Staatskasse gegen den PKH-Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 11.04.2007 ist unbegründet.

1. Der PKH-Beschluss des Arbeitsgerichts war im Zeitpunkt seines Erlasses am 11.04.2007 rechtlich nicht zu beanstanden. Zu diesem Zeitpunkt verfügte der Kläger weder über ein einsetzbares Einkommen noch über ein einssetzbares Vermögen im Sinne von § 115 ZPO.

a. Zwar hatte der Kläger aufgrund des rechtskräftigen Vergleichs vom 03.04.2007 einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 10.000,-- EUR brutto erworben. Eine solche Forderung auf Zahlung einer Kündigungsschutzabfindung stellt nach heute herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der sich auch die Beschwerdekammer anschließt, grundsätzlich einen Vermögenswert dar. Um einsetzbares Vermögen im Sinne des § 115 ZPO handelt es sich jedoch nur dann, wenn das Vermögen auch verwertbar ist. Das ist bei Abfindungen erst dann der Fall, wenn sie tatsächlich gezahlt wurden (so ausdrücklich BAG vom 24.04.2006 - 3 AZB 12/05 - ).

b. Die Forderung des Klägers auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 10.000,-- EUR brutto wurde ausweislich des Vergleichs vom 03.04.2007 jedoch erst am 31.07.2007 fällig. Die Abfindungsforderung stellte somit weder im Zeitpunkt des Erlasses des PKH-Beschlusses am 11.04.2007, noch im Zeitpunkt des Eingangs der sofortigen Beschwerde am 05.06.2007 noch auch im Zeitpunkt des Ablaufs der Beschwerdefrist am 02.07.2007 einsetzbares Vermögen im Sinne des PKH-Rechtes dar.

c. Daraus folgt ohne Weiteres die Unbegründetheit der vorliegenden Beschwerde. Die Frage, ob durch einen eventuellen späteren Zufluss der Kündigungsschutzabfindung aus dem Vergleich vom 03.04.2007 eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers eingetreten ist, die nunmehr eine Beteiligung an den PKH-Kosten zumutbar erscheinen lässt, war vielmehr dem Überprüfungsverfahren nach § 120 Abs. 4 ZPO vorzubehalten.

d. Dem steht entgegen der Auffassung der Bezirksrevision die Entscheidung des LAG Köln vom 23.07.2001 in Sachen 6 Ta 94/01 nicht entgegen. In dem dort zu entscheidenden Fall konnte das Gericht nämlich davon ausgehen, dass spätestens zur Zeit der Nichtabhilfeentscheidung durch das Arbeitsgericht die dem dortigen Antragsteller zustehende Kündigungsschutzabfindung bereits zugeflossen war. Nur in einem solchen Fall, in dem noch im Rahmen der laufenden Beschwerdefrist geltend gemacht werden kann, dass der Vermögenszuwachs durch Zufluss der Abfindung bereits eingetreten ist, geht das Beschwerdeverfahren dem nachträglichen Änderungsverfahren nach § 120 Abs. 4 ZPO vor. Wird die Abfindung hingegen, wie im vorliegenden Fall, erst geraume Zeit nach Ablauf der Beschwerdefrist fällig und liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, dass die Abfindung bereits ungeachtet des späteren Fälligkeitstermins vorzeitig tatsächlich gezahlt wurde, so müsste die Beschwerde quasi ins Blaue hinein auf mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit erst zukünftig eintretende Tatsachen gestützt werden. Dies ist nicht Sinn und Zweck eines Beschwerdeverfahrens.

2. Bei einer etwaigen nachträglichen Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers im Sinne von § 120 Abs. 4 ZPO werden u. a. die folgenden Gesichtspunkte zu beachten sein:

a. Es wird zunächst zu berücksichtigen sein, ob und in welcher Höhe dem Kläger die vereinbarte Kündigungsschutzabfindung tatsächlich zugeflossen ist. Zu bedenken ist dabei, dass es sich bei der Abfindungssumme von 10.000,-- EUR um einen Bruttobetrag handelt.

b. Es werden sodann die Grundsätze der Entscheidung des BAG vom 24.04.2006 - 3 AZB 12/05 - , zu berücksichtigen sein, wonach prozesskostenhilferechtlich in der Regel allenfalls auf den Teil der Kündigungsschutzabfindung zugegriffen werden kann, der das vom BAG in der dortigen Entscheidung definierte erweiterte Schonvermögen übersteigt. Den Betrag des erweiterten Schonvermögens hat die Bezirksrevision, soweit ersichtlich, in ihrem Beschwerdeschreiben vom 01.06.2007 mit 6.838,-- EUR zutreffend ermittelt.

c. Sollte sich herausstellen, dass der dem Kläger tatsächlich zugeflossene Abfindungsbetrag diese Summe des erweiterten Schonvermögens übersteigt, hängt es nach der Entscheidung des BAG vom 22.12.2003 - 2 AZB 23/03 - , von den Umständen des Einzelfalls ab, ob und inwieweit gegebenenfalls dem Kläger der Einsatz des überschießenden Abfindungsvermögens für die Begleichung der Prozesskosten zumutbar ist.

aa. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob dem potentiell einsetzbaren Teil des Abfindungsvermögens auf der anderen Seite Schulden der Partei gegenüberstehen. Übersteigen nämlich die Schulden einer Partei ihre verwertbaren Vermögenswerte, so braucht sie ihr Geld grundsätzlich nicht zur Zahlung der Prozesskosten zu verwenden (BAG a. a. O.). Bei dem Kläger bestehen, wie er glaubhaft gemacht hat, erhebliche Kreditverbindlichkeiten. Es wird somit zu prüfen sein, inwieweit der Kläger den grundsätzlich einsetzbaren Teil seines Abfindungsvermögens für den Ausgleich seiner Schulden eingesetzt hat und/oder darauf angewiesen ist, zur fortlaufenden Begleichung der monatlichen Kreditraten auf das Abfindungsvermögen zurückzugreifen.

bb. In diesem Zusammenhang spielen dann auch die im Zeitpunkt der Überprüfung nach § 120 Abs. 4 ZPO aktuellen Einkommensverhältnisse des Klägers eine Rolle. Nur wenn die Gesamtschau ergibt, dass es dem Kläger zumutbar erscheint, den das erweiterte Schonvermögen übersteigenden Teil seiner Abfindung ganz oder teilweise zur Begleichung der der Staatskasse entstandenen PKH-Kosten einzusetzen, wird eine Abänderung des PKH-Beschlusses nach § 120 Abs. 4 ZPO zum Nachteil des Klägers in Betracht kommen.

3. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht statthaft.

Ende der Entscheidung

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