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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 03.11.2005
Aktenzeichen: 7 Ta 306/05
Rechtsgebiete: KSchG, ZPO


Vorschriften:

KSchG § 4
KSchG § 5
ZPO § 85
1. Der mit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage beauftragte Anwalt darf die Ermittlung des Ablaufs der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG nicht seinem Büropersonal überlassen.

2. Hat er diese Aufgabe dennoch delegiert und wird ihm die Handakte während des Laufs der Drei-Wochen-Frist vorgelegt, weil sich der Gegner nicht innerhalb eines diesem vorgegebenen Zeitraums zu einem Vergleichsangebot geäußert hat, so muss der Anwalt spätestens jetzt nochmals eigenverantwortlich den Fristablauf überprüfen. Dasselbe gilt erst recht, wenn die Handakte vorgelegt wird, um die Klageschrift zu erstellen.

3. Ein Verschulden des Anwalts selbst ist der Partei gemäß § 85 II ZPO auch im Rahmen des Verfahrens nach § 5 KSchG zuzurechnen (h. M.).


Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 09.12.2004 über die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe: I. Die Parteien streiten um einen Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung seiner Kündigungsschutzklage. Der am 05.08.1957 geborene Kläger war seit dem 01.06.2001 bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt und erzielte dabei zuletzt einen monatlichen Verdienst in Höhe von 4.675,55 € brutto. Unter dem Datum des 19.03.2004 verfasste die Beklagte ein Schreiben, in welchem sie dem Kläger eine betriebsbedingte fristgerechte Kündigung zum 30.06.2004 aussprach (vgl. Bl. 37 d. A. u. Bl. 50 d. A.). Das Kündigungsschreiben wurde dem Kläger entweder am Freitag, dem 19.03.2004, oder am Montag, dem 22.03.2004, persönlich übergeben. Unabhängig vom genauen Tag des Kündigungszugangs endete die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG am Dienstag, dem 13.04.2004; denn die Tage, die genau 3 Wochen nach dem 19.03.2004 bzw. dem 22.03.2004 gelegen waren, fielen im Jahre 2004 auf Karfreitag bzw. Ostermontag. Am 30.03.2004 erschien der Kläger mit dem ihm übergebenen Exemplar des Kündigungsschreibens zu einem Erstgespräch bei seinem späteren anwaltlichen Prozessbevollmächtigten und erteilte Klageauftrag. Am 31.03.2004 legte die in der Kanzlei des Klägeranwalts hierfür zuständige Büroangestellte die Handakte an und vermerkte darauf in der Rubrik "Wichtige Fristen": "Klage: 19.04.2004 (29.03.04)". Das Klammerdatum sollte dabei nach den Kanzleigepflogenheiten auf den Fristbeginn, also das Datum des Kündigungszugangs, hinweisen. Außerdem ergibt sich aus dem Handaktenbogen, dass u. a. am 02.04.2004 und am 09.04.2004 Wiedervorlagen notiert und durch Durchstreichen des Datums und Anbringen entsprechender Häkchen als erledigt bestätigt wurden (vgl. Bl. 67 d. A.). Unter dem Datum des 02.04.2004 richtete der Anwalt des Klägers ein Schreiben an die Beklagte, in welchem er diese darüber informierte, dass er den Auftrag erhalten habe, Kündigungsschutzklage zu erheben, und in welchem er zugleich zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung einen Vergleichsvorschlag unterbreitete. Das Schreiben endete mit den Worten: "Wir bitten zunächst um Mitteilung, ob Sie an einer derartigen schnellen Lösung interessiert sind. Als Wiedervorlage haben wir uns den 08.04.2004 notiert." (Bl. 51 f. d. A.). Auf dieses Schreiben reagierte die Beklagte nicht. Am 15.04.2004 erhob der Anwalt des Klägers Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Aachen. Diese nahm er am Folgetag wieder zurück, nachdem ihn der Kläger noch am 15.04.2004 auf der Grundlage der ihm überlassenen Klagezweitschrift darauf aufmerksam gemacht habe, dass in der Klageschrift mit dem 29.03.2004 ein falsches Zugangsdatum der Kündigung aufgenommen worden sei. Am 26.04.2004 erhob der Anwalt des Klägers sodann die vorliegende Kündigungsschutzklage, die er mit einem Antrag auf nachträgliche Zulassung verband. Zur Begründung des Antrags auf nachträgliche Zulassung hat der Klägervertreter ausgeführt: Bei der Besprechung vom 30.03.2004 habe ihm der Mandant mitgeteilt, er habe das Kündigungsschreiben am Montag nach dem 19.03.2004 übergeben erhalten. Er, der Anwalt, habe daraufhin auf der Kopie des Kündigungsschreibens den Text der auf dem Kündigungsschreiben enthaltenen, insoweit aber nicht vorausgefüllten Empfangsbestätigung "das Original des obigen Kündigungsschreibens vom 19.03.2004 habe ich am ... erhalten" durch die Worte "Montag drauf" ergänzt. Die Berechnung und Eintragung der Klagefrist habe er sodann, wie in seiner Kanzlei üblich, dem erfahrenen und zuverlässigen und regelmäßig rechtlich unterwiesenen und überwachten Büropersonal überlassen. Die bis dahin stets fehlerfrei arbeitende Bürovorsteherin R sei jedoch bei der Ermittlung des "Montag drauf" in die falsche Kalenderwoche gerutscht und habe aufgrund dieses Fehlers als maßgeblichen Tag für den Fristbeginn nicht den 22.03.2004, sondern den 29.03.2004 vermerkt. Nachdem der Klägervertreter die in der Klage- und Antragsschrift aufgenommenen Tatsachenangaben zur nachträglichen Zulassung zunächst nur anwaltlich versichert hatte, hat er mit Schriftsatz vom 22.06.2004 eine eidesstattliche Versicherung der D nachgereicht (Bl. 63 d. A.). Der Klägervertreter hat die Auffassung vertreten, dass die verspätete Kündigungsschutzklage gemäß § 5 KSchG nachträglich zuzulassen sei, da die Verspätung auf einem Verschulden seines Büropersonals beruhe, welches dem Mandanten nicht zugerechnet werden könne. Der Kläger hat beantragt, die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen. Die Beklagte hat beantragt, den Antrag auf nachträgliche Zulassung zurückzuweisen. Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe das Kündigungsschreiben, wie er genau wissen müsse, auch nicht erst am Montag, dem 22.03.2004, sondern bereits am Freitag, dem 19.03.2004, übergeben erhalten. Dies habe zwar nichts am Zeitpunkt des Ablaufs der Klagefrist geändert, mache aber Teile der tatsächlichen Begründung des klägerischen Antragsbegehrens unplausibel. Ferner hat die Beklagte die Auffassung vertreten, den klägerischen Prozessbevollmächtigten treffe schon nach dessen eigenem Vortrag ein Anwaltsverschulden, welches dem Kläger über § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen sei. So handele es sich bei der Klagefrist des § 4 KSchG jedenfalls außerhalb einer Fachanwaltskanzlei für Arbeitsrecht nicht um eine "einfache" Frist, deren Berechnung und Kontrolle allein dem Büropersonal überlassen werden könne. Der Anwalt habe hier selbst die Frist errechnen, bzw. z. B. anlässlich von Wiedervorlagen der Handakte deren Berechnung durch das Büropersonal kontrollieren müssen. Ergänzend wird auf die mündlichen Erklärungen des Klägers persönlich und des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der vom Arbeitsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 09.12.2004 Bezug genommen. Mit Beschluss vom 09.12.2004 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen. Auf die Gründe hierfür gemäß Abschnitt II. des arbeitsgerichtlichen Beschlusses wird Bezug genommen. Der arbeitsgerichtliche Beschluss wurde dem Kläger am 07.03.2005 zugestellt. Er hat hiergegen am 18.03.2005 sofortige Beschwerde eingelegt. Der Klägervertreter wendet sich dagegen, dass ihn ein Anwaltsverschulden an der Versäumung der Kündigungsschutzklage treffe. Er macht geltend, das außergerichtliche Schreiben vom 02.04.2004 an die Beklagte habe er bereits am 30.03.2004 unmittelbar nach dem Mandantengespräch diktiert, noch bevor der gesamte Vorgang der Bürovorsteherin zur Aktenanlage übergeben worden sei. Am 02.04.2004 sei ihm lediglich das an diesem Tag in Reinschrift gefertigte Schreiben zur Unterschrift vorgelegt worden. Am 09.04.2004 sei dann in der Tat die Handakte wieder vorgelegt und in der Folgezeit die erste Kündigungsschutzklage erstellt worden. In diesem Zusammenhang habe er selbstverständlich auch in die Handakte hineinschauen müssen. Es habe für ihn jedoch keinerlei Anlass bestanden, die im Handaktenbogen von zuverlässigem Personal berechnete und notierte Klagefrist noch einmal nachzurechnen. Die Beklagte beantragt, die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde. II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig, konnte in der Sache jedoch keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage gemäß § 5 KSchG zu Recht zurückgewiesen. Der Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung seiner Kündigungsschutzklage wurde zwar gemäß § 5 Abs. 3 KSchG fristgerecht gestellt. Der nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage steht jedoch entgegen, dass den anwaltlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers ein Verschulden daran trifft, dass die Kündigungsschutzklage verspätet eingereicht wurde, und dass dieses Verschulden dem Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist. Im einzelnen: 1. Die am 26.04.2004 beim Arbeitsgericht Aachen eingegangene Kündigungsschutzklage ist entgegen § 4 S. 1 KSchG nicht innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung beim Arbeitsgericht eingegangen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kläger die Kündigung bereits am Freitag, dem 19.03.2004, oder erst am Montag, dem 22.03.2004 erhalten hat. In beiden Fällen endete die Frist des § 4 S. 1 KSchG mit Ablauf des 13.04.2004. Schon die erste, am 15.04.2004 beim Arbeitsgericht eingegangene Kündigungsschutzklage war somit verspätet, erst recht die vorliegende, deren nachträgliche Zulassung begehrt wird. Dies alles ist zwischen den Parteien auch unstreitig. 2. Zutreffend hat das Arbeitsgericht des weiteren festgestellt, dass den Kläger persönlich keine Schuld an der verspäteten Klageerhebung trifft. Der Kläger hat nur wenige Tage nach Erhalt der Kündigung mit seinem Anwalt Kontakt aufgenommen und am 30.03.2004, also 14 Tage vor Fristablauf, Klageauftrag erteilt. Ob der Kläger nun seinem Anwalt mit Montag, dem 22.03.2004 ein falsches oder das richtige Zugangsdatum der Kündigung genannt hat, ist unerheblich; denn das zwischen der Klägerseite und der Beklagten streitige Zugangsdatum wirkt sich, wie bereits ausgeführt, nicht auf den Zeitpunkt des Ablaufs der 3-Wochen-Frist des § 4 S. 1 KSchG aus. 3. Die verspätete Erhebung der Kündigungsschutzklage ist jedoch auf ein Verschulden des vom Kläger mit der Klageerhebung beauftragten Rechtsanwalts zurückzuführen. a. Das Verschulden seines Anwalts ist dem Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Ob § 85 Abs. 2 ZPO im Rahmen des § 5 KSchG Anwendung findet, ist zwar in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Das Beschwerdegericht schließt sich jedoch der herrschenden und von ihm aus Rechtsgründen für allein zutreffend gehaltenen Ansicht an, die die Anwendbarkeit des § 85 Abs. 2 ZPO auf das in § 5 KSchG normierte Recht der nachträglichen Zulassung einer Kündigungsschutzklage bejaht (so z. B. LAG Köln, Anwaltsblatt 2003, 306; LAG Köln NZA - RR 1998, 561; LAG Köln MDR 1999, 772; LAG Köln LAGE § 5 KSchG Nr. 67; LAG Baden Württemberg LAGE § 5 KSchG Nr. 58; LAG Bremen MDR 2003, 1059; LAG Rheinland Pfalz NZA 1998, 55; LAG Frankfurt, LAGE § 5 KSchG Nr. 63; LAG Nürnberg NZA - RR 2002, 490; LAG München ZIP 1982, 615; LAG Düsseldorf NZA - RR 2003, 80; HWK-Pods/Quecke, § 5 KSchG Rdnr. 31; von Hoyningen-Huene/Linck, § 5 KSchG Rdnr. 15; Nachweise für die Gegenmeinung bei KR - Friedrich, § 5 KSchG Rdnr. 70). b. Das Arbeitsgericht hat ein Verschulden des klägerischen Prozessbevollmächtigten darin gesehen, dass es der Anwalt verabsäumt habe, bei Erstellung des außergerichtlichen Schreibens vom 02.04.2004, jedenfalls aber bei Wiedervorlage der Handakte am 09.04.2004 den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung und die darauf aufbauende Berechnung der Drei - Wochen - Frist zu überprüfen. Dem ist jedenfalls im Ergebnis ungeachtet der Einwände, die der Beschwerdeführer gegen die Ausführungen des Arbeitsgerichts erhoben hat, zuzustimmen. c. Selbst wenn der Anwalt grundsätzlich berechtigt sein sollte, die Ermittlung der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG seinem gut ausgebildeten, zuverlässigen und regelmäßig kontrollierten Büropersonal zu überlassen, so entspricht es doch ständiger Rechtsprechung nicht nur des Bundesgerichtshofs, sondern auch des BAG, dass der Anwalt verpflichtet ist, den Ablauf z. B. von Rechtsmittelbegründungspflichten immer dann auch eigenverantwortlich zu überprüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt werden (BAG NJW 2003, 1269; BGH NJW 2003, 1815; BGH NJW 1992, 1632; LAG Köln - 4 Sa 955/03 - vom 30.04.2004; LAG Köln - 4 Ta 277/02 - vom 10.10.2002). Die Klagefrist des § 4 KSchG steht dabei in ihrer Bedeutung einer Rechtsmittelfrist oder Rechtsmittelbegründungsfrist mindestens gleich (LAG Köln - 4 Ta 277/02 - vom 10.10.2002). d. Genau diese Situation, in der die Rechtsprechung von dem Anwalt verlangt, den Lauf der Frist eigenständig zu überprüfen, lag bei Wiedervorlage der Handakte am 09.04.2004 vor. Die Wiedervorlagefrist des 09.04.2004 war gerade deshalb verfügt worden, weil der Anwalt des Klägers zuvor die spätere Beklagte angeschrieben und diese mit Fristsetzung bis zum 08.04.2004 zur Stellungnahme zu einem außergerichtlichen Vergleichsvorschlag aufgefordert hatte. Die für den 09.04.2004 verfügte Wiedervorlage diente also gerade dazu, das nach Ablauf der der späteren Beklagten gesetzten Frist nunmehr Erforderliche zu veranlassen. Insbesondere bei einem erfolglosen Fristablauf, wie er hier gegeben war, diente die Wiedervorlage am 09.04.2004 somit dazu, nunmehr die Klageerhebung zu veranlassen. Genau dies wird vom Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung auch bestätigt. Auch wenn es sich bei dem 09.04.2004 wiederum um einen Feiertag, nämlich den Karfreitag, handelte, hat der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdebegründung bekräftigt, dass dem Anwalt am 09.04.2004 die Handakte - entgegen der gegenteiligen Vermutung des Arbeitsgerichts - tatsächlich wieder vorgelegt worden sei "und es wurde in der Folgezeit die erste Kündigungsschutzklage erstellt, die unter dem 15.04.2004 erhoben wurde." Die Wiedervorlage der Handakte am 09.04.2004 stand somit sowohl nach ihrem vorgesehenen Zweck als auch nach der tatsächlichen Handhabung in unmittelbarem Zusammenhang mit der fristgebundenen Prozesshandlung der Klageerhebung nach § 4 KSchG. e. Letzteres würde aber auch selbst dann gegolten haben, wenn es dem Anwalt des Klägers zunächst noch darum gegangen wäre, eventuell nochmals fernmündlich mit der späteren Beklagten Kontakt aufzunehmen und nach dem Grund der ausgebliebenen Stellungnahme auf seinen Vergleichsvorschlag zu fragen. Auch dann hätte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers aufgrund des fortgeschrittenen Zeitablaufs unbedingt darüber vergewissern müssen, wie viel Zeit ihm bis zum Ablauf der Drei-Wochen-Frist überhaupt noch zur Verfügung stünde, um die prozessuale Klagefrist einhalten zu können. f. Die in der Beschwerdebegründung geäußerte Rechtsauffassung des Klägervertreters, dass er sich anlässlich der Wiedervorlage der Handakte am 09.04.2004 hinsichtlich des Ablaufs der Klagefrist ohne eigene Nachprüfung auf die von der Bürovorsteherin vorgenommene Eintragung des Fristablaufs auf dem Fristenblatt der Handakte habe verlassen können, widerspricht somit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. 4. Zur Überzeugung des Beschwerdegerichts trifft den Prozessbevollmächtigten des Klägers jedoch noch ein weiteres Verschulden, das ebenfalls einer nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage entgegensteht. Das Beschwerdegericht teilt nämlich nicht die Ansicht des Klägervertreters, dass dieser die Ermittlung des Ablaufs der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG überhaupt seinem Büropersonal überlassen durfte. a. Es geht dabei nicht darum, dass eine ausgebildete Anwaltsgehilfin nicht in der Lage sein müsste, eine prozessuale Drei-Wochen-Frist korrekt zu berechnen. Deshalb geht auch der Einwand des Klägervertreters ins Leere, dass der von ihm beauftragten Bürovorsteherin bei der Berechnung der Frist im engeren Sinne kein Fehler unterlaufen sein mag. b. Maßgebend ist vielmehr zum einen, dass es sich bei der Drei-Wochen- Frist des § 4 S. 1 KSchG nicht nur und nicht einmal in erster Linie um eine prozessuale Frist handelt, sondern um eine primär materiell-rechtliche Frist, deren Nichteinhaltung nicht nur das Unterliegen in einem Gerichtsverfahren zur Folge hat, sondern, wie aus § 7 KSchG hervorgeht, zu einem unmittelbaren Rechtsverlust bei dem Mandanten führt. c. Zum anderen ist maßgebend, dass die Ermittlung des Ablaufs der drei- wöchigen Klagefrist in einem engen Zusammenhang mit der ureigenen Aufgabe des Anwalts steht, bei der Übernahme eines Mandats den Sachverhalt zu ermitteln, den er zur sachgerechten Rechtsverfolgung kennen muss. aa. Während bei den typischen Prozessfristen - gerichtliche Schriftsatzfristen; Einspruchsfristen; Rechtsmittelfristen; Rechtsmittelbegründungs- und Beantwortungsfristen usw. - die Feststellung des Fristbeginns regelmäßig auf einem vom Gericht veranlassten formalen Akt beruht und von geschultem Büropersonal in der Regel leicht und in eigener Anschauung festgestellt werden kann, hängt der Beginn des Laufs der Klagefrist des § 4 KSchG von einem Lebensvorgang ab, der sich zwischen zwei Parteien des privaten Rechts außerhalb der formalisierten Sphäre eines Gerichtsverfahrens abspielt, nämlich vom Zeitpunkt des Zugangs der rechtsgeschäftlichen Kündigungserklärung des Arbeitgebers beim Arbeitnehmer. Gerade deshalb liegt auch die potentielle Hauptfehlerquelle bei der Ermittlung des Ablaufs der Klagefrist des § 4 KSchG nicht in reinen Berechnungsfragen, sondern bei der korrekten Ermittlung des Fristbeginns. bb. Hierbei können sich sogar schon diffizile Rechtsfragen ergeben, wie z.B. die Frage, wann ein mit einfacher Post übermitteltes Kündigungsschreiben einem urlaubsabwesenden Arbeitnehmer im Rechtssinne zugegangen ist. cc. Gerade weil es darum geht, den Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist zu ermitteln, gehört die Frage nach dem Zugang der Kündigungserklärung zu den unverzichtbaren Standardfragen des Anwalts an den Mandanten bei der Aufnahme eines Kündigungsschutzmandats. Schon bei der Aufnahme des Mandats muss der Anwalt sich Klarheit darüber verschaffen, wieviel Zeit zur Erhebung der Kündigungsschutzklage noch verbleibt, ob die 3-Wochen-Frist eventuell sogar schon abgelaufen ist, ob vor Klageerhebung noch die Möglichkeit besteht, in außergerichtliche Vergleichsverhandlungen einzutreten etc. dd. Dies alles gilt um so mehr, als nach der Neufassung des § 4 KSchG nicht nur die fehlende soziale Rechtfertigung einer Kündigung, sondern alle Unwirksamkeitsgründe in einer drei Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung zu erhebenden Klage geltend gemacht werden müssen. d. In Anbetracht der vorstehend aufgezeigten Gründe und insbesondere in Anbetracht des Umstands, dass es für den Anwalt schon bei Aufnahme des Mandats unerlässlich ist, sich selbst über den Zeitpunkt des Ablaufs der Klagefrist Gewissheit zu verschaffen, scheint es nicht nur zumutbar, sondern geradezu naheliegend, die Ermittlung des Ablaufs der Drei-Wochen-Frist als eigenständige Aufgabe des Anwalts selbst zu betrachten. Es ist daher bereits als Organisationsverschulden des Anwalts zu werten, die für die weitere Sachbearbeitung innerhalb der Kanzlei erforderliche Bestimmung der Frist des § 4 S. 1 KSchG zur eigenverantwortlichen Erledigung dem Büropersonal zu übertragen. e. Im vorliegenden Fall deutet die Aussage des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung vom 09.12.2004, er habe die Frist vom 08.04.2004 in dem außergerichtlichen Schreiben vom 02.04.2004 bewusst so gewählt, um die Klagefrist vom 13.04.2004 einhalten zu können, darauf hin, dass der Klägervertreter sich bei Aufnahme des Mandats tatsächlich bereits Gedanken über den Fristablauf gemacht und dabei mit dem 13.04.2004 auch das zutreffende Fristende ermittelt hat. Um so weniger erscheint es verständlich, dass der Klägervertreter dann gleichwohl für die weitere Sachbearbeitung in der Kanzlei die Angelegenheit seiner Bürovorsteherin zur nochmaligen eigenständigen Ermittlung der Frist übertrug und sich im weiteren ohne Überprüfung auf das von der Bürovorsteherin ermittelte Ergebnis verließ. 5. Selbst wenn man es aber entgegen der hier vertretenen Ansicht als ausreichend erachten würde, dass der Anwalt im Mandantengespräch lediglich das zutreffende Datum des Fristbeginns ermittelt und dieses dann an sein Büropersonal zur weiteren eigenständigen Fristberechnung weiterzugeben hätte, so träfe den Klägervertreter noch in einem weiteren Punkt ein Sorgfaltsverstoß, der zur Nichteinhaltung der Frist entscheidend beigetragen hat und einer nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 KSchG entgegensteht. Der Klägervertreter hat es nämlich unterlassen, seinem Büropersonal ein klares Datum als Fristbeginn - etwa den 22.03.2004 - vorzugeben, sondern sich auf die vage und Missverständnisse begünstigende Eintragung "montags drauf" auf dem Kündigungsschreiben beschränkt. Anders, als wenn der Anwalt das genaue Datum vorgegeben hätte, wurde es durch die Notiz "montags drauf" für die Büroangestellte erst einmal notwendig, auch das genaue Kalenderdatum des Fristbeginns noch selbständig zu ermitteln. Dadurch entstand eine überflüssige zusätzliche Fehlerquelle, zumal die Bürokraft erst am 30.03.2004 mit der Sache befasst wurde und der korrekte Nachvollzug des mit der Notiz "montags drauf" gemeinten Datums eine konzentrierte Beachtung des Zusammenhangs mit dem Text der auf dem Kündigungsschreiben befindlichen Empfangsbestätigung erforderte. Hätte der Anwalt dagegen das Datum "22.03.2004" als Fristbeginn vorgegeben, wäre es einer erfahrenen und mit Fristberechnungen vertrauten Anwaltsgehilfin darüberhinaus im Zweifel schon allein anhand der Zahlen auf den ersten Blick aufgefallen, dass der von ihr irrtümlich ermittelte 19.04.2004 bezogen auf einen Fristbeginn am 22.03.2004 niemals das Ende einer Drei-Wochen-Frist sein kann. III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Insbesondere ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde im Verfahren des § 5 KSchG nicht möglich (BAG, NZA 2002, 1228).

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