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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 19.08.2008
Aktenzeichen: 7 Ta 322/07
Rechtsgebiete: ZPO, EGBGB, KSchG, NATO-Truppenstatut


Vorschriften:

ZPO § 114
EGBGB Art. 34
KSchG § 1
NATO-Truppenstatut Art. IX Abs. 4
1. Die individualarbeitsrechtlichen Regeln des Kündigungsschutzgesetztes gehören nach höchstrichterlicher Rechtsprechung und h. M. in der Literatur nicht zu den Eingriffsnormen des Art. 34 EGBGB.

2. Eine auf § 1 KSchG gestützte Klage gegen die Kündigung eines "Arbeitsvertrags für Ortskräfte," für den auf der Grundlage von Art. IX Abs. 4 NATO-Truppenstatut amerikanisches Recht vereinbart ist, hat daher keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i. S. v. § 114 ZPO.

3. Nach Instanzende kommt eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich nur in Betracht, wenn bei Instanzende ein bewilligungsreifer Prozesskostenhilfeantrag vorgelegen hat. Dies ist nicht der Fall, wenn bei Instanzende eine Verbesserung der Einkommensverhältnisse des Antragstellers eingetreten war, die dieser bisher pflichtwidrig nicht mitgeteilt hatte.


Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 04.09.2007 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 04.09.2007 ist unbegründet.

1. Das Arbeitsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Hauptsacheverfahren Arbeitsgericht Bonn 3 Ca 1308/07 zu Recht wegen nicht hinreichender Erfolgsaussichten der Klage im Sinne von § 114 ZPO abgelehnt.

a. Soweit der Kläger mit der vorliegenden Klage "wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot ein angemessenes Schmerzensgeld" beantragt, fehlt es an jedwedem schlüssigen, hinreichend substantiierten anspruchsbegründenden Sachvortrag. Für diesen Klageantrag besteht keine hinreichende Erfolgsaussicht, ohne dass es darauf ankommt, welches internationale Recht auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fand.

b. Den Anträgen zu 1. bis 3. legt der Kläger die Kündigungsschutzbestimmungen des deutschen Arbeitsrechts zugrunde. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand jedoch deutsches Arbeitsrecht keine Anwendung. In ihrem Arbeitsvertrag vom 26.08.2005 haben die Parteien eindeutig und unmissverständlich deutsches Arbeitsrecht abbedungen und das Ortsrecht desjenigen Staates vereinbart, in dem der Kläger nach den arbeitsvertraglichen Regelungen seine Arbeitsleistung zu erbringen hatte.

aa. Der Arbeitsvertrag wird bereits in seiner Präambel ausdrücklich als "Arbeitsvertrag für Ortskräfte" "auf der Grundlage Art. IX Abs. 4 NATO-Truppenstatut (NTS)" bezeichnet. Als Beschäftigungsdienststelle ist in § 1 des Arbeitsvertrages das "BWVSt U /C in V " vereinbart. Nahezu sämtliche Regelungen des Arbeitsvertrages wurden, wie sich auch aus § 20 Nr. 2 desselben ausdrücklich ergibt, "in Anlehnung an das Recht des Aufnahmestaates" festgelegt. In § 20 Ziffer 1 Arbeitsvertrag halten die Parteien ausdrücklich fest, dass sie sich darüber einig sind, "dass gemäß Art. IX Abs. 4 NTS deutsches Arbeitsrecht auf das vorliegende Arbeitsverhältnis keine Anwendung findet."

bb. Die in dem Arbeitsvertrag gemäß Art. 27 EGBGB getroffene Rechtswahl des US-amerikanischen Rechts verstößt nicht gegen Art. 30 Abs. 1 EGBGB. Gemäß Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB hätte das Arbeitsverhältnis der Parteien nämlich auch dann dem US-amerikanischen Recht unterlegen, wenn die Parteien keine Rechtswahl getroffen hätten. Wie aus dem in § 1 des Arbeitsvertrages festgelegten Umstand hervorgeht, dass Beschäftigungsdienststelle des Klägers die in V , U angesiedelte Bundeswehrverwaltungsstelle in den U und K sein sollte und der Kläger unter Eingliederung in den Betrieb dieser Bundeswehrverwaltungsstelle seine Arbeit auch tatsächlich in R , V , U verrichtet hat, handelt es sich bei der USA um denjenigen Staat, in dem der Arbeitnehmer im Sinne von Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB "in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet."

cc. Aus der Gesamtheit der Umstände ergibt sich auch nicht, dass das Arbeitsverhältnis eine engere Beziehung zu dem deutschen Staat aufweist. Zwar handelt es sich bei dem beklagten Arbeitgeber um die Bundesrepublik Deutschland und bei dem Kläger um einen deutschen Staatsangehörigen. Das Arbeitsverhältnis war jedoch ausdrücklich als ein "Arbeitsvertrag für Ortskräfte" im Aufnahmestaat USA vorgesehen und Art. 9 Abs. 4 des NATO-Truppenstatus unterstellt. Eingestellt wurde der Kläger durch "die Leiterin/den Leiter der Bundeswehrverwaltungsstelle in den U und K ".

dd. Schließlich gehören die allgemeinen Regelungen des individualarbeitsrechtlichen deutschen Kündigungsschutzrechts nach ganz herrschender Meinung nicht zu den sog. Eingriffsnormen des Art. 34 EGBGB (BAG vom 29.10.1992 - 2 AZR 267/92 -; Palandt/Heidrich, Art. 34 EGBGB Rdnr. 3 b; HWK/Tillmanns, Art. 27, 30, 34 EGBGB Rdnr. 35).

c. Dass den streitgegenständlichen Klageanträgen zu 1. bis 3. unter Zugrundelegung US-amerikanischen Rechts Erfolgsaussichten beizumessen gewesen wären, hat der Kläger selbst nicht behauptet.

d. Ist die streitgegenständliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mit Erfolgsaussicht angreifbar, so käme selbst unter Zugrundelegung deutschen Arbeitsrechts auch ein Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses nicht in Betracht.

e. Dem Arbeitsgericht kann auch nicht vorgeworfen werden, dass es an die Voraussetzungen der "hinreichenden Erfolgsaussicht" im Sinne vom § 114 ZPO zu strenge Anforderungen gestellt hätte. Zwar bedeutet der Begriff "hinreichende Erfolgsaussichten" nicht unbedingt "überwiegende Erfolgsaussichten". In Anbetracht der eindeutigen Festlegungen im schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien hätte jedoch eine Partei, die die Prozesskosten von vornherein selbst aufbringen muss, unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und herrschenden Literaturmeinung zu Art. 27, 30, 34 EGBGB die vorliegende Klage vernünftiger Weise nicht angestrengt.

2. Eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klage vom 18.05.2007 kommt jedoch noch aus einem weiteren Grunde nicht in Betracht:

a. Das Hauptsacheverfahren hat am 20.09.2007 durch Klagerücknahme sein Ende gefunden. Eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die erste Instanz käme somit nur dann in Betracht, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Instanz ein bewilligungsreifer Prozesskostenhilfeantrag vorgelegen hätte.

b. Dies war jedoch nicht der Fall. Der Kläger hat in seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 18.06.2007 angegeben, dass er ohne jedwede Einkünfte sei, Arbeitslosengeld II beantragt habe und von der Unterstützung seiner Oma lebe. Diese Verhältnisse hatten sich jedoch augenscheinlich im Zeitpunkt des Erlasses des arbeitsgerichtlichen Prozesskostenhilfebeschlusses vom 04.09.2007 und erst Recht im Zeitpunkt der Beendigung der Instanz durch Klagerücknahme vom 20.09.2007 bereits geändert; denn der Kläger hat im Laufe des Hauptsacheverfahrens eine Bescheinigung einer Firma T E G aus H (Bl. 102 d. A.) vom 27.08.2007 vorgelegt, die an "E S - im Hause" adressiert war und aus deren Inhalt hervorging, dass der Kläger im August 2007 offenbar bereits ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis angetreten hatte. Die sich hierauf beziehenden aktuellen Einkommensverhältnisse hat der Kläger dem Gericht jedoch, obwohl dies seine Pflicht gewesen wäre, nicht mitgeteilt.

c. Die vom Kläger unter dem 18.06.2007 unterzeichnete Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse konnte bei Beendigung der Instanz somit nicht mehr als aktuell angesehen werden, eine aktuelle Erklärung war aber nicht vorgelegt.

Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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