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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 25.07.2007
Aktenzeichen: 7 Ta 90/07
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 124 |
2. Ein solches Vorgehen kann auch nicht mit der Überlegung gerechtfertigt werden, die beweisbelastete Partei könne durch die Vernehmung der übrigen Zeugen bestenfalls noch ein non liquet erreichen, denn es kann niemals von vorneherein ausgeschlossen werden, dass sich der Beweiswert einer Zeugenaussage nach Vernehmung weiterer Zeugen in einem ganz anderen Licht darstellt.
3. Der Entzug der PKH nach § 124 Nr. 1 ZPO setzt Täuschungsvorsatz des Antragstellers voraus. Dieser kann nur bejaht werden, wenn auch die Möglichkeit eines Irrtums oder Missverständnisses beim Aufstellen einer sich als objektiv falsch erweisenden Tatsachenbehauptung auszuschließen ist.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 14.02.2007 über die Aufhebung der der Klägerin für die erste Instanz bewilligten Prozesskostenhilfe abgeändert:
Es verbleibt bei der Bewilligung von PKH für die erste Instanz gemäß Beschluss des LAG Köln vom 24.02.2006 mit der Maßgabe, dass an Stelle der dort beigeordneten Rechtsanwältin antragsgemäß Rechtsanwalt beigeordnet wird.
Gründe:
Die zulässige sofortige Beschwerde gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die erste Instanz aufhebenden Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 14.02.2007 ist begründet. Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Aufhebung der mit Beschluss des LAG Köln vom 24.02.2006 für die erste Instanz bewilligte Prozesskostenhilfe liegen ersichtlich nicht vor.
1. Zu Unrecht stützt das Arbeitsgericht den Aufhebungsbeschluss auf § 124 Nr. 1 ZPO. Nach dieser Norm kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufgehoben werden, wenn die hilfsbedürftige Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebende Voraussetzung der hinreichenden Erfolgsaussichten ihrer Rechtsverfolgung nur vorgetäuscht hat. Das Tatbestandsmerkmal des Vortäuschens erfordert somit mindestens bedingten Vorsatz. Hierfür findet sich jedoch bei objektiver Betrachtung kein hinreichend belastbarer Anhaltspunkt.
a. Das Arbeitsgericht stützt seine Entscheidung vom 14.02.2007 über die Aufhebung der bewilligten PKH darauf, dass die Kammer nach Vernehmung des Zeugen G die positive Überzeugung gewonnen habe, dass die Behauptung der Klägerin, die Beklagte sei u. a. in einem Gespräch vom 03.02.2003 in Person des Zeugen G durch ihren damaligen Ehemann über die bestehende Schwerbehinderung informiert worden, "unwahr, offenbar frei erfunden" gewesen sei.
b. Es mag sein - die Beschwerdekammer unterstellt dies -, dass die Aussage des Zeugen G für sich betrachtet stimmig und glaubhaft erscheint und der Zeuge auf die Kammer des Arbeitsgerichts auch einen günstigen, glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat.
c. Gleichwohl durfte das Arbeitsgericht seine Überzeugung davon, welche Parteibehauptungen den Tatsachen entsprechen und welche nicht und welche gar "frei erfunden" sein sollen, nicht allein auf die Vernehmung des Zeugen G stützen. Vielmehr wäre das Arbeitsgericht prozessrechtlich verpflichtet gewesen, die ihm von der Klägerin angebotenen weiteren Beweismittel auszuschöpfen und auch die Zeugen Z und L zu dem von ihm für entscheidungserheblich gehaltenen Beweisthema anzuhören. Indem das Arbeitsgericht die weiteren Beweisantritte der Klägerin zu dem vom Gericht für erheblich gehaltenen Beweisthema nicht beachtet hat, hat es den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt.
d. Es kann nicht von vorneherein ausgeschlossen werden, dass sich die Aussage des Zeugen G nach einer Vernehmung der Zeugen Z und L in einem anderen Licht dargestellt hätte und dass das Arbeitsgericht insgesamt zu einer anderen Beweiswürdigung gelangt wäre. Wenn das Arbeitsgericht meint, aufgrund der Überzeugungskraft der Aussage des Zeugen G käme auch nach einer Vernehmung der Zeugen Z und L ein anderes Beweisergebnis von vornherein gar nicht in Betracht, so liegt darin eine prozessordnungswidrige Vorwegnahme der Würdigung von Aussagen, deren Inhalt und deren Glaubhaftigkeit das Arbeitsgericht ebenso wenig schon jetzt kennen kann, wie es jetzt auch noch nicht in der Lage ist, die Glaubwürdigkeit der nicht vernommenen Zeugen Z und L zu beurteilen.
e. Auf die unvollständige Tatsachenfeststellung des Arbeitsgerichts konnte die Entscheidung somit nicht gestützt werden.
2. Erst recht gilt dies für die Frage, ob der Klägerin ein vorsätzliches Vortäuschen falscher Tatsachen zur Last zu legen ist.
a. Selbst wenn man - was bei ordnungsgemäßer Anwendung des Prozessrechts nicht der Fall ist - die Auffassung hätte vertreten können, dass eine Vernehmung der Zeugen Z und L in Anbetracht der überzeugenden und glaubhaften Angaben des Zeugen G allenfalls noch zu einem Non liquet im Beweisergebnis hätte führen können, so bedeutete dies zwar, dass die beweisbelastete Klägerin in der Hauptsache unterliegen müsste. Jedoch schließt die Annahme eines Non liquet als möglichem Beweisergebnis den in dem Beschluss des Arbeitsgerichts vom 14.02.2007 erhobenen Vorwurf einer vorsätzlichen Täuschung seitens der Klägerin persönlich aus.
b. Schließlich bleibt noch Folgendes zu bedenken:
Wie in dem vorliegenden Verfahren stets unstreitig war, wie von dem Zeugen G ausdrücklich hervorgehoben wurde und wie auch das Berufsförderungswerk M in seinem Gutachten vom 05.07.2002 betätigt hat, verfügt die Klägerin nur über äußerst eingeschränkte Kenntnisse der deutschen Sprache. Selbst wenn sich also die im Prozess aufgestellte Behauptung der Klägerin, ihr damaliger Ehemann, der Zeuge Z , habe den Zeugen G über ihre Schwerbehinderung informiert, nach ordnungsgemäß durchgeführter Beweisaufnahme als unrichtig herausgestellt hätte, wäre im Hinblick auf § 124 Nr. 1 ZPO immer noch die Frage zu stellen gewesen, ob ausgeschlossen werden kann, dass die sich dann als unrichtig erweisende Prozessbehauptung ggf. auch auf ein sprachliches Missverständnis der Klägerin zurückzuführen sein oder auf einer Fehlinformation des Zeugen Z ihr gegenüber beruht haben könnte.
c. Mit der vom Arbeitsgericht in seinem Beschluss vom 14.02.2007 gegebenen Begründung ist der Vorwurf vorsätzlicher Täuschung im Sinne von § 124 Nr. 1 ZPO somit aus mehreren Gründen nicht haltbar. Der Aufhebungsbeschluss kann daher keinen Bestand haben.
3. Vielmehr verbleibt es bei der durch Beschluss des LAG Köln vom 24.02.2006 bewilligten Prozesskostenhilfe, jedoch mit der Maßgabe, dass statt der dort beigeordneten Rechtsanwältin entsprechend dem vom Arbeitsgericht bislang nicht beschiedenen Antrag vom 24.04.2006 Rechtsanwalt beizuordnen war. Für den von ihr gewünschten Anwaltswechsel hat die Klägerin nachvollziehbare und anerkennenswerte Gründe angeführt.
4. Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht zugelassen.
Ende der Entscheidung
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