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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 07.05.2008
Aktenzeichen: 7 TaBV 20/08
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 76
BetrVG § 84
BetrVG § 85
ArbGG § 98
Beschweren sich Arbeitnehmer darüber, dass der Arbeitgeber für den Betrieb, in dem sie tätig sind, anders als für andere Betriebe desselben Unternehmens bisher keine betriebliche Altersversorgung eingeführt hat, kommt ein Einigungsstellenverfahren gemäß § 85 Abs. 2 BetrVG nicht in Betracht. Die Einigungsstelle ist für solche Fälle "offensichtlich unzuständig" i. S. v. § 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2./Antragsgegnerin hin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 20.02.2008 in Sachen 15 BV 16/08 abgeändert:

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten im Rahmen des § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG über die Errichtung und Besetzung einer Einigungsstelle über bestimmte Arbeitnehmerbeschwerden.

Antragsteller und Beschwerdegegner ist der B des Betriebsstandortes K -R der Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin. Der Betriebsstandort K -R ist aus der zum 01.08.2005 von der Antragsgegnerin übernommenen, bis dahin selbständigen Firma H A GmbH & Co. KG hervorgegangen. Bei diesem Unternehmen hatte es keine betriebliche Altersversorgung gegeben.

Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin verfügt bundesweit über mindestens 16, nach eigenem Bekunden über 24 Betriebsstandorte. Eine Vielzahl der Betriebsstandorte der Antragsgegnerin, nach deren eigenem Bekunden ca. 50 %, nach Bekunden des Antragstellers weit mehr als 50 %, ist in eine arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung einbezogen.

Der antragstellende B strebt an, dass auch die Belegschaft der Betriebsstätte der K -R in das im Unternehmen der Antragsgegnerin etablierte Altersversorgungswerk aufgenommen wird. Er sucht hierüber seit Ende des Jahres 2006 das Gespräch mit der Antragsgegnerin. Nach dem hierbei bis zum Frühjahr 2007 keine Ergebnisse erzielt werden konnten, reichten 24 der ca. 60 Arbeitnehmer des Standortes K -R beim B schriftliche "Beschwerden gemäß § 85 BetrVG" ein, bei deren identischem Wortlaut der Antragsteller, wie er in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht eingeräumt hat, selbst "Formulierungshilfe" leistete.

Mit Beschluss vom 08.08.2007 erachtete der antragstellende B die Beschwerden für berechtigt. Über die Weiterbehandlung der Beschwerden konnte mit der Antragsgegnerin jedoch keine Verständigung erzielt werden.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 15. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen hat, den Anträgen des B weitgehend stattzugeben, wird auf den vollständigen Inhalt der Gründe des angegriffenen Beschlusses vom 26.02.2008 Bezug genommen.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts wurde der Antragsgegnerin am 11.03.2008 zugestellt. Sie hat hiergegen am 19.03.2008 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Die Antragsgegnerin vertritt mit der Beschwerde die Rechtsauffassung, dass eine Einigungsstelle im vorliegenden Fall im Sinne von § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG "offensichtlich unzuständig sei".

Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin beantragt nunmehr,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 26.02.2008 abzuändern und die Anträge zurückzuweisen.

Der Antragsteller und Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsteller und Beschwerdegegner verteidigt den angegriffenen Beschluss des Arbeitsgerichts und hält die Einigungsstelle für zuständig, jedenfalls aber nicht für offensichtlich unzuständig. Gegenstand der Beschwerde sei nicht, jedenfalls nicht nur ein Rechtsanspruch im Sinne der Geltendmachung einer Ungleichbehandlung, sondern auch die Verschleppungstaktik der Beschwerdeführerin.

II. Die in formeller Hinsicht zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist zur Überzeugung des Beschwerdegerichts auch inhaltlich begründet. Dem Antrag des Antragstellers auf Errichtung einer Einigungsstelle über die Beschwerden der 24 Mitarbeiter zum Thema "betriebliche Altersversorgung am Betriebsstandort K -R " konnte nicht stattgegeben werden, da es vorliegend an der Zuständigkeit der Einigungsstelle fehlt.

1. Das Arbeitsgericht hat den Anträgen des Betriebsrats zwar im Ergebnis stattgegeben, jedoch nicht ohne hervorzuheben, dass der Prüfungsmaßstab des § 98 ArbGG weit ist. Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG kann der Antrag des B auf Errichtung einer Einigungsstelle durch Bestimmung der Person des Vorsitzenden und der Anzahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit nämlich nur zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle "offensichtlich unzuständig" ist. Trotz dieses weiten Beurteilungsmaßstabes ist das Beschwerdegericht davon überzeugt, dass vorliegend die Schwelle zur offensichtlichen Unzuständigkeit überschritten ist.

a. Die Kompetenz einer Einigungsstelle nach § 85 Abs. 2 BetrVG über Beschwerden von Arbeitnehmern kommt derjenigen gleich, die den Einigungsstellen nach § 76 Abs. 5 BetrVG bei so genannten erzwingbaren Mitbestimmungsrechten zusteht. Dies ergibt sich aus § 85 Abs.2 Satz 2 BetrVG.

b. Gegenstand der Beschwerden, die von der jetzt nach dem Willen des Antragstellers zu errichtenden Einigungsstelle behandelt werden sollten, ist die "Nichtaufnahme unseres Standortes, insbesondere auch meiner Person, in die G Unterstützungskasse".

c. Die Einführung einer betrieblichen Altersversorgung in Betrieben, in denen bisher eine solche nicht bestand, stellt grundsätzlich eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers dar.

d. Nach allgemeiner Meinung besteht hinsichtlich des Ob der Einführung freiwilliger Leistungen durch den Arbeitgeber betriebsverfassungsrechtlich gerade kein erzwingbares Bestimmungsrecht des B .

e. Gegenstand einer Einigungsstelle nach § 85 Abs. 2 BetrVG ist die Meinungsverschiedenheit zwischen B und Arbeitgeber über die Berechtigung von Arbeitnehmerbeschwerden. Gemäß § 85 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ersetzt der Spruch der Einigungsstelle hierbei die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Gemäß § 84 Abs. 2 BetrVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, solchen Beschwerden abzuhelfen, die für berechtigt erachtet werden.

f. Daraus folgt: Gelangte die Einigungsstelle zu dem Ergebnis, dass die Beschwerden berechtigt sind, wäre die Antragsgegnerin verpflichtet, den Standort K -R , zumindest aber die Personen der 24 Beschwerdeführer, in die in dem Unternehmen der Antragsgegnerin existierende Unterstützungskasse aufzunehmen. Sie würde somit entgegen den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Betriebsverfassungsrechts gezwungen, eine freiwillige Leistung zu erbringen, obwohl sie diese nicht oder jedenfalls nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt erbringen will.

g. Die Einigungsstelle auch des § 85 Abs. 2 BetrVG ist aufgrund ihrer demokratischen Legitimation jedoch der objektiven Rechtsordnung verpflichtet, wie sie sich in den geschriebenen Rechtsquellen und den allgemeinen Rechtsgrundsätzen manifestiert. Sie wäre demokratisch nicht dazu legitimiert, einem bloßen subjektiven Rechtsempfinden nachzugeben, wenn und soweit dieses nicht mit den anerkannten Grundsätzen der objektiven Rechtsordnung übereinstimmt.

h. Dies wiederum bedeutet: Die Einigungsstelle könnte, ohne ihre demokratisch legitimierte Kompetenz zu überschreiten, nur dann feststellen, dass die Beschwerden berechtigt seien, wenn für den Betrieb Köln-Rodenkirchen oder zumindest für die Personen der 24 Beschwerdeführer ein Rechtsanspruch darauf bestünde, in die im Unternehmen der Antragsgegnerin etablierte G Unterstützungskasse aufgenommen zu werden.

i. Für die Feststellung von Rechtsansprüchen ist die Einigungsstelle des § 85 Abs. 2 BetrVG jedoch, wie sich ausdrücklich aus § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG ergibt, nicht zuständig.

k. Das im vorliegenden Verfahren verfolgte Ansinnen des Antragstellers stellt sich hier somit - zumindest in objektiver Hinsicht - als ein Versuch der Umgehung des Grundsatzes dar, dass die Einführung freiwilliger Leistungen durch den Arbeitgeber mit betriebsverfassungsrechtlichen Mitteln nicht erzwungen werden kann. Dies entspricht jedoch - wiederum offensichtlich - nicht dem Zweck, der vom Gesetzgeber in § 85 Abs. 2 BetrVG verfolgt wird.

2. Zu Unrecht wendet der Antragsteller schließlich hiergegen ein, dass die von der Einigungsstelle zu behandelnden Beschwerden der 24 Arbeitnehmer nicht nur die Nichtaufnahme in die betriebliche Altersversorgung zum Gegenstand hätten, sondern auch die - hiermit im Zusammenhang stehende - "Verschleppungstaktik" der Antragsgegnerin, bzw. deren widersprüchliche Informationspolitik.

a. Der schriftliche Wortlaut der Beschwerden ist demgegenüber inhaltlich eindeutig: Es geht danach um nichts anderes als um die "Nichtaufnahme unseres Standortes, insbesondere auch meiner Person, in die G Unterstützungskasse".

b. Auch wenn man dem Antragsteller zugesteht, dass eine Beschwerde nach §§ 84,85 BetrVG nicht dem Schriftformerfordernis unterliegt und somit für die Bestimmung des Inhalts einer Beschwerde auch außerhalb des schriftlichen Wortlauts liegende Umstände mit hinzugezogen werden können, ergibt sich nichts anderes. Schon die Verwendung des Begriffs "Verschleppungstaktik" verdeutlicht, dass es sowohl den Beschwerdeführern wie auch dem Antragsteller um nichts anderes geht als darum, eine konkrete, zeitlich fixierte Zusage für die Aufnahme in die betriebliche Altersversorgung der G Unterstützungskasse zu erhalten.

c. Genau hierauf liefen auch die mündlichen Erläuterungen seitens des B vorsitzenden in dem Anhörungstermin vor dem Beschwerdegericht hinaus.

d. Ginge es indessen bei den Beschwerden ergebnisoffen auch um die bloße Informationspolitik der Antragsgegnerin, so könnte diesem angeblichen selbständigen Teil der Beschwerde auch dadurch abgeholfen werden, dass die Antragsgegnerin zeitnah die Erklärung abgäbe, sie beabsichtige nicht, den Betrieb K -R und/oder die 24 Beschwerdeführer in die betriebliche Altersversorgung der G -Unterstützungskasse aufzunehmen. Eine solche Information seitens der Antragsgegnerin würde aber gerade nicht dem Stellenwert einer (Teil-)Abhilfe der streitgegenständlichen Beschwerden entsprechen, sondern im Gegenteil augenscheinlich zu einem Sturm der Entrüstung bei den Beschwerdeführern - und bei dem Antragsteller - führen.

3. Bei alledem erscheint es dem Beschwerdegericht offensichtlich, dass eine nach § 85 Abs. 2 BetrVG zu errichtende Einigungsstelle für den hier bestimmten Gegenstand der 24 Arbeitnehmerbeschwerden unzuständig wäre.

III. Gegend diese Entscheidung ist gemäß § 98 Abs. 2 Satz 4 ArbGG kein weiteres Rechtsmittel gegeben.

Ende der Entscheidung

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