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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 13.07.2005
Aktenzeichen: 7 TaBV 74/04
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 76
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
Will der Arbeitgeber eine freiwillige Zusatzleistung einführen, mit welcher die Übernahme von Führungsverantwortung durch Übernahme einer Position auf einer bestimmten Leitungsebene honoriert werden soll, so überschreitet die Einigungsstelle ihr Ermessen, wenn sie die Gewährung der Leistung von einer mindestens 10-jährigen Konzernzugehörigkeit abhängig machen will.
Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 28.07.2004 in Sachen 12 BV 49/04 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs über die Einführung eines sog. Führungskräftefluges für die Angestellten der Leitungsebene III (Abteilungsleiterebene).

Wegen des Sach- und Streitstandes I. Instanz, den erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträgen und wegen der Gründe, die die 12. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, der arbeitgeberseitigen Anfechtung des Einigungsstellenspruchs vom 16.02.2004 stattzugeben, wird in vollem Umfang auf die Gründe des arbeitsgerichtlichen Beschlusses vom 28.07.2004 Bezug genommen.

Der arbeitsgerichtliche Beschluss wurde dem Antragsgegner am 22.10.2004 zugestellt. Er hat hiergegen am 17.11.2004 Beschwerde einlegen und diese am 17.12.2004 begründen lassen.

Der Antragsgegner meint, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht festgestellt, dass die Einigungsstelle mit dem Inhalt ihres Spruches vom 16.02.2004 den ihr zukommenden Ermessensspielraum überschritten habe. Zur Begründung wiederholt und vertieft der Antragsgegner seine bereits erstinstanzlich vorgebrachte Argumentation.

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer beantragt nunmehr,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Köln vom 28.07.2004 - 12 BV 49/04 - den Feststellungsantrag des Arbeitgebers zurückzuweisen.

Der Antragsteller und Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsteller und Beschwerdegegner verteidigt die Gründe des arbeitsgerichtlichen Beschlusses und wiederholt ebenfalls sein erstinstanzliches Vorbringen.

Das Beschwerdegericht hat nach Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2005 den Beteiligten wunschgemäß einen Vergleichsvorschlag gemäß § 278 Abs. 6 ZPO unterbreitet. Auf den Inhalt des Vergleichsvorschlags gemäß Anlage zum Sitzungsprotokoll vom 04.05.2005 wird Bezug genommen. Der Vergleichsvorschlag ist vom Antragsgegner und Beschwerdeführer nicht angenommen worden.

II.A. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den arbeitsgerichtlichen Beschluss vom 28.07.2004 ist zulässig. Sie ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in §§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

B. Die Beschwerde des Antragsgegners muss jedoch in der Sache erfolglos bleiben. Das Arbeitsgericht hat den durch den Antragsteller angefochtenen Spruch der Einigungsstelle vom 16.02.2004 zu Recht wegen Ermessensüberschreitung für unwirksam erklärt und diese seine Entscheidung in jeder Hinsicht überzeugend begründet. An die Ausführungen des Arbeitsgerichts kann angeknüpft werden.

Zusammenfassend und ergänzend ist aus der Sicht des Beschwerdegerichts noch folgendes auszuführen:

1. Im Ausgangspunkt besteht kein Streit der Beteiligten darüber, dass der Arbeitgeber, wenn er freiwillig für eine bestimmte Arbeitnehmergruppe zusätzliche Leistungen einführen will, in der Zweckbestimmung dieser Leistung frei ist. Das bei der Einführung einer solchen freiwilligen Zusatzleistung allein in Frage kommende Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG soll den (Gesamt-) Betriebsrat in die Lage versetzen, daran mitzuwirken, dass die innerbetriebliche Vergütungsgerechtigkeit hergestellt, bzw. aufrechterhalten und optimiert wird, verleiht ihm aber keine Handhabe, den Zweck zu verändern, den der Arbeitgeber mit der Neueinführung einer freiwilligen Zusatzleistung verfolgen will.

2. Genau darauf läuft aber der Einigungsstellenspruch vom 16.02.2004 über die Einführung eines Führungskräftefluges für die Leitungsebene III hinaus.

a. Der von der Arbeitgeberseite bestimmte und erklärte Zweck der Einführung des Führungskräftefluges für die Angestellten der Leitungsebene III sollte darin bestehen, die Übernahme der Führungsverantwortung zu honorieren, die bereits mit der Übernahme einer Position einer Leitungsebene verbunden ist. Es sollte sich also nach der Zweckbestimmung der Arbeitgeberin um eine Art "Funktionszulage" im untechnischen Sinne handeln und gerade nicht um eine Belohnung herausragender Betriebstreue, wie dies bei der Gewährung der Jahresurlaubsflüge für alle Mitarbeiter mit mindesten 10-jähriger Konzernzugehörigkeit der Fall ist.

b. Gemessen an der von der Arbeitgeberin vorgegebenen Zweckbestimmung erscheint es sachfremd und führt zu willkürlichen Ergebnissen, wenn, wie der angegriffene Einigungsstellenspruch es vorschreibt, die neu eingeführte Leistung des Führungskräftefluges von den Angstellen der Leitungsebene III erst ab einer 10-jährigen Konzernzugehörigkeit in Anspruch genommen werden könnte.

aa. Sachfremd erscheint es deshalb, die Leistung des Führungskräftefluges an eine mindestens 10-jährige Konzernzugehörigkeit anknüpfen zu wollen, weil die Dauer der Konzernzugehörigkeit letztlich nichts mit der Übernahme von Führungsverantwortung zu tun hat.

bb. Zu willkürlichen Ergebnissen führt die Verknüpfung von Konzernbetriebszugehörigkeit und Anspruch auf den Führungskräfteflug deshalb, weil dann z. B. ein für eine Position der Leitungsebene III neu eingestellter Mitarbeiter 10 Jahre warten müsste, bis er die für die Übernahme der verantwortlichen Position gedachte zusätzliche Leistung in Anspruch nehmen könnte, während ein bereits 10 Jahre in anderer Funktion im Konzern beschäftigter Mitarbeiter mit Übertragung einer Abteilungsleiterposition den Führungskräfteflug sofort in Anspruch nehmen könnte, auch wenn er die Verantwortung der Leitungsebene III zum selben Zeitpunkt übernimmt, wie der neu eingestellte Mitarbeiter.

3. Die in dem Einigungsstellenspruch enthaltene sachfremde Verknüpfung des Anspruchs auf einen Führungskräfteflug mit einer bestimmten Dauer an Konzernzugehörigkeit kann auch durch keinen Aspekt innerbetrieblicher Vergütungsgerechtigkeit gerechtfertigt werden. Im Gegenteil: Schon das Arbeitsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, dass durch den Einigungsstellenspruch ein Teil der Belegschaft, nämlich die immerhin 31 Personen umfassende Gruppe der Leitungsebene III, benachteiligt wird, in dem die ihr durch die Arbeitgeberin zugedachte Vergünstigung an erheblich erschwerte Bedingungen geknüpft werden soll, ohne dass auf der anderen Seite dem übrigen Teil der Belegschaft irgendein Vorteil zufließt.

4. Unter Wahrung der Zweckbestimmung des für die Leitungsebene III einzuführenden Führungskräftefluges erschiene es im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens allenfalls vertretbar, den Anspruchsbeginn von einer gewissen Bewährungszeit in der neu übernommenen Verantwortungsposition abhängig zu machen. In jedem Fall muss jedoch noch ein erkennbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Beginn des Anspruchs auf zusätzliche Leistung und dem Zeitpunkt der Übernahme einer Funktion der Leitungsebene III gewahrt sein. Das Beschwerdegericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es mit seinem Vergleichsvorschlag vom 04.05.2005 seiner Überzeugung nach den dabei bestehenden Ermessensspielraum bereits bis an die Grenze des Vertretbaren ausgeschöpft hat.

III. Der vorliegende Einzelfall wirft keine Fragen grundsätzlicher Bedeutung auf. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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