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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 28.01.2004
Aktenzeichen: 8 Sa 1084/03
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
KSchG § 9
KSchG § 10
1. Direktionsrecht steht dem Arbeitgeber nur im Rahmen der getroffenen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zu. Weigert sich ein Arbeitnehmer einer Anordnung des Arbeitgebers Folge zu leisten, die das Direktionsrecht überschreitet, liegt keine (beharrliche) Arbeitsverweigerung vor, die eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen rechtfertigen könnte.

2. Ein nach unwirksamer verhaltensbedingter Kündigung gestellter Auflösungsantrag des Arbeitsgebers lässt sich nicht auf im Kern wirtschaftliche Belastungsumstände, die aus dem Verhalten des Arbeitnehmers ableiten, stützen.


LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 Sa 1084/03

Verkündet am 28. Januar 2004

In Sachen

hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 28.01.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Jüngst als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Lakomy und Reusch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.07.2003 - 8 Ca 1720/01 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

(gem. § 69 ArbGG)

Der am geborene Kläger schloss mit Wirkung vom 01.06.1980 einen Arbeitsvertrag mit der Beklagten, die regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer in ihrem Graphikbetrieb beschäftigt.

Der Kläger wurde als Graphikdesigner eingestellt und erhielt zuletzt eine monatliche Vergütung in Höhe von 8.700,00 DM entsprechend 4.448,24 €.

Im Berufungsverfahren sind noch im Streit eine Kündigung der Beklagten vom 05.02.2001, durch welche diese das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30.09.2001 aufgekündigt hat und ein hilfsweise seitens der Beklagten geltend gemachter Anspruch auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2001 gegen Zahlung einer Abfindung deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Bezogen auf die streitbefangene Kündigung ist gegen den säumigen Kläger in der Sitzung vom 08.05.2001 klageabweisendes Versäumnisurteil ergangen, gegen das der Kläger am 09.05.2001 Einspruch eingelegt hat.

Die Kündigung hat die Beklagte ausgesprochen, weil der Kläger sich weigerte, der Weisung der Beklagten nachzukommen, als Archivar im Bildarchiv zu arbeiten.

Hierin hat die Beklagte eine Anordnung im Rahmen ihres arbeitgeberseitigen Direktionsrechts gesehen und deshalb die Kündigung auf Arbeitsverweigerung des Klägers gestützt.

Das Arbeitsgericht hat bezüglich der Streitpunkte des Berufungsverfahrens das Versäumnisurteil vom 08.05.2001 aufgehoben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 05.02.2001 nicht beendet worden ist sowie den Auflösungsantrag der Beklagten abgewiesen.

Es hat hierzu ausgeführt, aus der Weigerung des Klägers, die ihm zugewiesene Tätigkeit im Belegarchiv aufzunehmen, lasse sich kein verhaltensbedingter Kündigungsgrund herleiten. Diese Tätigkeiten seien von den vertraglich geschuldeten Leistungspflichten des Klägers nicht umfasst gewesen und hätten ihm deshalb nicht im Rahmen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts zugewiesen werden können. In dem Verhalten des Klägers liege deshalb keine schuldhafte und rechtswidrige beharrliche Arbeitsverweigerung.

Der Auflösungsantrag der Beklagten sei unbegründet; die Beklagte wiederhole hierzu lediglich Umstände, die schon Gegenstand ihrer nicht gerechtfertigten Kündigung gewesen seien.

Gegen das der Beklagten am 12.09.2003 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte am 01.10.2003 Berufung eingelegt und die Berufung mit Schriftsatz vom 12.11.2003 begründet.

Die Berufung macht geltend, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die ursprünglich arbeitsvertraglich umschriebene Tätigkeit des Klägers als Graphiker/Designer im Laufe der nahezu 20-jährigen Beschäftigungszeit eine Konkretisierung durch tatsächliches Handeln erfahren habe. Die Beklagte behauptet, der Kläger sei den Anforderungen seiner Tätigkeit als Graphiker/Designer schon seit längerem nicht mehr gerecht geworden und erhebe selbst auch nicht mehr den Anspruch, diesem Berufsbild entsprechend tätig zu werden.

Das Arbeitsgericht habe vor diesem Hintergrund den zulässigen Umfang des Direktionsrechts zu Unrecht lediglich unter formalen Gesichtspunkten aus den Formulierungen des Arbeitsvertrages abgeleitet und die tatsächliche Konkretisierung der Arbeitspflichten auf niedrigstem Niveau unbeachtet gelassen.

Hinsichtlich des Auflösungsantrags trägt die Beklagte vor, dass sich die Unzumutbarkeit der Beschäftigung in der ursprünglichen Position aus einer Zusammenschau der bereits erstinstanzlich vorgetragenen personen- und verhaltensbedingten Anlässe ergebe. Es sei auch nicht vermittelbar und führe zu erheblichen Betriebsstörungen, den Kläger in einer Zeit, in der bei der Berufungsklägerin Kurzarbeit stattfinde und Vorbereitungen getroffen würden, eine große Anzahl fähiger und williger Mitarbeiter im Rahmen eines Restrukturierungsvorhabens zu entlassen, weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.07.2003 - 8 Ca 1720/01 - abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit die Unwirksamkeit der Kündigung vom 08.05.2001 geltend gemacht werde,

hilfsweise,

das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2001 gegen eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Abfindung aufzulösen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das Urteil erster Instanz unter Hinweis darauf, nach wie vor fähig und willens zu sein, für die Beklagte als Graphikdesigner tätig zu werden. Das Arbeitsgericht habe zutreffend im Verhalten des Klägers keine Arbeitsverweigerung gesehen und auch Gründe für den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag der Beklagten nicht als gegeben angesehen.

In einem prozessualen Zwischenstreit über die Frage einer das Verfahren betreffenden Klagerücknahme hatte das Arbeitsgericht Köln mit Urteil vom 10.01.2002 festgestellt, dass der Rechtsstreit durch Klagerücknahme des Klägers erledigt sei.

Das Landesarbeitsgericht hat dieses Urteil auf die Berufung des Klägers im Verfahren 5 Sa 668/02 mit Urteil vom 24.10.2002 aufgehoben und den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.

Wegen des sonstigen Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und den sonstigen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 12.09.2003 zugestellte Urteil erster Instanz fristwahrend am 01.10.2003 Berufung eingelegt und diese Berufung fristwahrend am 12.11.2003 begründet.

Die Berufung setzt sich soweit mit der Berufung das erstinstanzliche Urteil angegriffen wird im Einzelnen mit den diesbezüglichen Begründungen des Urteils auseinander und erfüllt damit die formalen Voraussetzungen an ein ordnungsgemäß eingelegtes Rechtsmittel.

II. Die Berufung ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht ist zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass die vom Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage fristgerecht angegriffene Kündigung der Beklagten vom 05.02.2001 sozial nicht gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG ist und deshalb nicht geeignet ist, das Arbeitsverhältnis der Parteien zu beenden; des Weiteren hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, dass die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für den hilfsweise seitens der Beklagten gestellten Antrag, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer in das Ermessen des Gerichts gesetzten Abfindung aufzulösen, nicht als gegeben angenommen werden können.

1. Die Kündigung erweist sich nicht als sog. verhaltensbedingte Kündigung als sozial gerechtfertigt.

Dies - nämlich ein verhaltensbedingter Grund für die Kündigung - ist die alleinige Begründung der Beklagten für die Wirksamkeit ihrer Kündigung, die im Verhalten des Klägers eine die Kündigung rechtfertigende Arbeitsverweigerung des Klägers sieht.

Das Arbeitsgericht hat hierzu zutreffend erkannt, dass die Weigerung des Klägers, die ihm zugewiesene Tätigkeit als Archivar im Belegarchiv aufzunehmen, keine die Kündigung berechtigende schuldhafte und vertragswidrige Arbeitsverweigerung darstellt.

Die dabei vorgenommene Ermittlung des Umfangs des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts anhand einer - von der Beklagten im Übrigen nicht angegriffenen - Auslegung der Festlegungen in den Vereinbarungen des Arbeitsvertrags der Parteien ist nicht zu beanstanden.

Diese Ermittlung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das Direktionsrecht steht dem Arbeitgeber danach lediglich im Rahmen der getroffenen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zu. Die Befugnis, dem Arbeitnehmer eine im Verhältnis zu den vertraglichen Vereinbarungen und Vorgaben geringerwertige Tätigkeit zuzuweisen, kann dem Direktionsrecht des Arbeitgebers selbst dann nicht zugeordnet werden, wenn die bisher bezahlte Vergütung fortgezahlt wird (BAG, Urteil vom 30.08.1995 - 1 AZR 47/95 - AP Nr. 44 zu § 611 BGB Direktionsrecht; BAG, Urteil vom 24.04.1996 - 4 AZR 976/94 - AP Nr. 49 zu § 611 BGB Direktionsrecht).

Ob die Rechtsansicht der Beklagten, dass bei der Bestimmung des Umfangs des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts auch auf eine durch tatsächliche Übung eingetretene Konkretisierung der Arbeitspflicht auf niedrigerem Niveau abgestellt werden könne, zutreffend ist, kann dahinstehen. Die unter dem Stichwort der Konkretisierung der Arbeitspflicht diskutierten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts leiten - soweit ersichtlich - aus übereinstimmenden jahrelangen tatsächlichen Handhabungen der Parteien eine Beschränkung nicht aber eine Erweiterung des Direktionsrechts zu Lasten des Arbeitnehmers her (vgl. etwa BAG, Urteil vom 17.12.1997 - 5 AZR 332/96 - AP Nr. 52 zu § 611 BGB Direktionsrecht).

Der Tatsachenvortrag der Klage und der Berufung lassen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für derartige Umstände tatsächlich geänderter Handhabungen im Sinne eines Eingriffs in den Kernbereich der arbeitsvertraglich vereinbarten Austauschbeziehungen nicht erkennen.

Damit muss es für die seitens der Beklagten beabsichtigte Maßnahme bei den hierfür vorgesehenen Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes, dem Institut der Änderungskündigung verbleiben, § 2 KSchG.

Somit ist festzuhalten, dass in den Verhaltensweisen des Klägers, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, eine Arbeitsverweigerung nicht gesehen werden kann; die Beklagte ist somit nicht berechtigt gewesen, das zum Kläger bestehende Arbeitsverhältnis aus verhaltensbedingten Gründen aufzukündigen. Die Kündigung erweist sich als sozial nicht gerechtfertigt und unwirksam.

2. Das Arbeitsgericht hat den Auflösungsantrag der Beklagten zu Recht zurückgewiesen.

Auf die vom Arbeitsgericht vorgetragene und zutreffende Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Die Berufung macht hierzu keine neuen erheblichen tatsächlichen Angaben und Gründe geltend. Der pauschale Hinweis darauf, dass es nicht vermittelbar sei, den Kläger weiterzubeschäftigen, während eine große Anzahl fähiger und williger Mitarbeiter in einem geplanten Restrukturierungsverfahren entlassen werden sollten oder müssten, genügt schon nicht der der Beklagten als Antragstellerin des arbeitgeberseitigen Auflösungsantrags obliegenden Darlegungslast.

Diese im Kern betriebsbedingten und wirtschaftlichen Umständen, die keinerlei Bezug zu der Person und dem Verhalten des Klägers als Arbeitnehmer haben, reichen für den Auflösungsantrag der Beklagten nicht aus. Deshalb vermag unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte bezogen auf die Person des Klägers nicht festgestellt zu werden, dass eine Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit der Parteien nicht erwartet werden könnte.

Damit war auch im Hinblick auf den Auflösungsantrag die insoweit abweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu bestätigen.

III. Die Beklagte ist mit ihrem Rechtsmittel der Berufung unterlegen und hat daher die Kosten der Berufung zu tragen, § 97 ZPO.

IV. Die Entscheidung des Rechtsstreits beruht auf den Umständen des Einzelfalles. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Kammer hat aus diesen Gründen die Revision nicht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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