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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 21.12.2007
Aktenzeichen: 8 Ta 368/07
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG


Vorschriften:

ZPO §§ 114 ff.
ArbGG § 11 a
Bei einer offensichtlich mutwilligen Klageerhebung kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht, auch eine Beiordnung nach §§ 11 a ArbGG hat zu unterbleiben.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 01.10.2007 - 6 Ca 1551/07 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 01.10.2007 den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete.

Der Kläger habe sich mit dem Arbeitskollegen I eine tätliche Auseinandersetzung geliefert, wobei der Kläger eingeräumt habe, nach einer behaupteten Beleidigung durch den Arbeitskollegen I zugeschlagen zu haben.

Ergänzend nimmt der Beschluss auf das Urteil vom 12.09.2007 Bezug, in dem u. a. ausgeführt ist, der Kläger habe keine ihn rechtfertigende Notwehrlage dargestellt. Er habe lediglich pauschal behauptet, beleidigt worden zu sein.

Das dem Kläger am 09.10.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger nicht mit Rechtsmitteln angegriffen.

In einer u. a. vom Kläger unterzeichneten Stellungnahme ohne Datum (Bl. 27 d. A.) ist allerdings die der Tätlichkeit des Klägers vorangegangene Beleidigung durch den Arbeitkollegen I wörtlich wie folgt wiedergegeben:

"Hab ich Dich schon zu B Zeiten gefickt".

In der unterzeichneten Stellungnahme ist darüber hinaus angegeben, dass der Kläger im Klärungsgespräch im Schichtleiterbüro nach diesen Vorfällen erneut zugeschlagen habe.

Zuvor hatte nach Angaben der Beklagten der Arbeitskollege Ip den Kläger angeschrieen:

"Warum hast Du mich geschlagen?". Dabei habe I versucht nach dem Kläger zu treten.

Der Kläger hat zu Protokoll der Sitzung vom 12.09.2007 behauptet die Stellungnahme unterschrieben zu haben, ohne den Inhalt richtig verstanden zu haben.

Gegen den dem Kläger am 19.10.2007 zugestellten Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner am 06.11.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.

Die Beschwerde rügt, dass die Entscheidung erst nach Erlass des Urteils und nicht schon unter Berücksichtigung des Tatsachenvortrags nach Antragstellung und Bewilligungsreife ergangen sei.

Wäre dies erfolgt, so hätte hinreichende Erfolgsaussicht angenommen und Prozesskostenhilfe bejaht werden müssen.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 09.11.2007 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Die nach § 11 RPflG i. V. m. § 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, § 127 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

2. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagt; auch eine - von Arbeitsgericht nicht geprüfte - Beiordnung des Prozessbevollmächtigten nach § 11 a ArbGG war zu versagen.

a) Zwar weist die sofortige Beschwerde zu Recht darauf hin, dass grundsätzlich zur Prozesskostenhilfe bei Bewilligungsreife zu entscheiden ist.

Auch steht die Klageabweisung durch das Urteil erster Instanz der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht zwingend entgegen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet nämlich Art. 3 Abs. 1 i. V. m. dem in Art. 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegten Rechtsstaatsprinzip eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (BVerfG 4. Februar 2004 - 1 BvR 596/03 - NJW 2004, 1789). Im Institut der Prozesskostenhilfe sind die notwendigen Vorkehrungen getroffen, die auch Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht ermöglichen. Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsgrundsatz gebietet dabei keine vollständige Gleichstellung Unbemittelter mit Bemittelten, sondern nur eine weitgehende Angleichung. Der Unbemittelte braucht nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Es ist demnach verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint.

Daher ist die Prüfung der Erfolgsaussicht in einem summarischen Verfahren vorzunehmen.

Das Prozesskostenhilfeverfahren will nämlich den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern erst zugänglich machen. Dem genügt das Gesetz in § 114 ZPO, in dem es die Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits dann vorsieht, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss (BVerfG 10. August 2001 - 2 BvR 569/01 - AP GG Art. 19 Nr. 10).

Hinreichende Erfolgsaussicht für die Rechtsverfolgung liegt deshalb bereits dann vor, wenn der von einem Kläger vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht (BGH 14. Dezember 1993 - VI ZR 235/92 - NJW 1994, 1160).

b) Eine solche Möglichkeit einer Beweisaufnahme hätte allerdings bei redlichem Sachvortrag des Klägers nie bestanden.

Die Begründung der sofortigen Beschwerde verkennt, dass dann, wenn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf unrichtigem Sachvortrag einer Partei beruht, die Bewilligung aufgehoben werden kann, § 124 Ziffer 1 ZPO.

Hätte der Kläger von Beginn des Rechtsstreits an die tatsächlichen Umstände eingeräumt, die sich zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung als unstreitig darstellen, so wäre - wie im Urteil des Arbeitsgerichts angenommen - bereits im Zeitpunkt der Bewilligungsreife von der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung ausgegangen worden, ohne dass eine Beweisaufnahme in Betracht gezogen worden wäre.

Selbst die behauptete gröbliche Beleidigung des Klägers durch den Arbeitkollegen Ip - die entgegen der Annahme im Urteil erster Instanz durch die Stellungnahme des Klägers (Bl. 27 d. A.) substantiiert angegeben war - rechtfertigt keinesfalls die Tätlichkeit des Klägers.

Zudem machte spätestens die neuerliche Tätlichkeit des Klägers im Schichtleiterbüro, die vom Kläger nicht substantiiert bestritten ist, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Beklagte im Sinne des § 626 BGB unzumutbar. Sie lässt sich auch durch das Anschreien des Arbeitskollegen Ip und dessen Versuch nach dem Kläger zu treten nicht mehr entschuldigen.

Hiernach ergibt sich, dass nicht nur hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO nicht anzunehmen, war, sondern von einer offensichtlich mutwilligen Klageerhebung auszugehen ist.

Damit hat das Arbeitsgericht im Ergebnis zu Recht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagt.

c) Bei einer - wie dargelegt - offensichtlich mutwilligen Klageerhebung war auch eine zu prüfende Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers gem. § 11 a ArbGG zu versagen.

III.

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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