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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 19.03.2004
Aktenzeichen: 8 TaBV 13/04
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 23
BetrVG § 99
BetrVG § 100
ArbGG § 85
1. In der Weigerung des Arbeitgebers, den örtlich zuständigen Betriebsrat nicht nur in einem Einzelfall sondern im Zusammenhang mit einer geplanten Betriebsänderung, bezüglich derer mit dem Gesamtbetriebsrat ein Interessenausgleich und Sozialplan vereinbart wurde ganz allgemein bei anstehenden Versetzungen nicht mehr nach Maßgabe der §§ 99 ff BetrVG zu beteiligen, liegt ein Verstoß des Arbeitgebers gegen die Pflichten nach dem BetrVG.

2. Ein grober Verstoß im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG ermöglicht auf Antrag des Betriebsrats den Erlaß einer einstweiligen Verfügung durch die bestimmte Versetzungsmaßnahmen ohne Beteiligung des örtlichen Betriebsrats nach Maßgabe der §§ 99, 100 BetrVG untersagt und dem Arbeitgeber für jeden Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld angedroht werden.


LANDESARBEITSGERICHT KÖLN BESCHLUSS

8 TaBV 13/04

Verkündet am 19. März 2004

In Sachen

hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Anhörung vom 19.03.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Jüngst als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Dipl.-Ing. Eubel und Bauer

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 09.01.2004 - 13 BVGa 1/04 wird zurückgewiesen.

Aus Klarstellungsgründen wird der Tenor des Beschlusses erster Instanz neugefasst:

Der Antragsgegnerin wird untersagt bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens Arbeitsgericht Köln - 3 BV 242/03 - Versetzungen von Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmern ohne Beteiligung des Antragstellers gemäß §§ 99, 100 BetrVG aus dem Betrieb Köln/Essen in den Betrieb Ratingen vorzunehmen, es sei denn, die Versetzung erfolgt im Einvernehmen mit der Arbeitnehmerin/dem Arbeitnehmer.

Der Antragsgegnerin wir für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 10.000,00 € angedroht.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über das Bestehen von Beteiligungsrechten des Antragstellers nach §§ 99, 100 BetrVG und deren einstweilige Sicherung im Wege einer Unterlassungsverfügung gegen die Antragsgegnerin.

Der Antragsteller ist der für den Betrieb K der Antragsgegnerin zuständige Betriebsrat.

Die Antragsgegnerin ist ein weltweit tätiges Unternehmen der Computerbranche. Sie besitzt nach der im Jahr 2002 erfolgten Fusion mit der Firma C unter anderem einen Betrieb in Köln. Von den dort beschäftigten ca. 225 Arbeitnehmern werden ca. 47 Arbeitnehmer in einem Betriebsteil in E eingesetzt. Daneben gehört zum Unternehmen der Antragsgegnerin ein Betrieb in R mit mehr als 1000 Mitarbeitern.

Im Zuge der geplanten Umstrukturierung und Zusammenführung der Betriebe der fusionierten Unternehmen C und H beabsichtigt die Antragsgegnerin, den Betriebsteil in E zu schließen und die dort beschäftigten Arbeitnehmer in den Betrieb in R einzugliedern. Hierüber hat sie einen Interessenausgleich mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossen, der darin seine Zustimmung zu den mit der örtlichen Verlagerung evtl. verbundenen Versetzungen erklärt hat. Eine Mandatierung des Gesamtbetriebsrats durch den Antragsteller hat nicht stattgefunden.

Die Antragsgegnerin hat bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Arbeitsgerichts in vorliegenden Verfahren drei Mitarbeiter vom Betriebsteil in E in den Betrieb R versetzt, ohne den Antragsteller dabei - wie von diesem verlangt - gemäß § 99 BetrVG zu beteiligen.

Hiergegen hat der Antragsteller unter dem Aktenzeichen 3 BV 242/03 das Hauptsacheverfahren auf Aufhebung der Versetzungen vor dem Arbeitsgericht K anhängig gemacht. Die Antragsgegnerin hat hinsichtlich der noch ausstehenden Versetzungen der restlichen Arbeitnehmer aus dem E Betriebsteil nach R erklärt, dass sie auch insoweit nicht beabsichtige, den Antragsteller gemäß § 99 BetrVG zu beteiligen.

Dagegen richtet sich der vom Antragsteller beim Arbeitsgericht Köln eingereichte Antrag, der Antragsgegnerin bis zur Klärung in der Hauptsache Versetzungen von Mitarbeitern aus dem Betrieb K in den Betrieb R ohne Beteiligung des Betriebsrats im Wege einer einstweiligen Verfügung zu untersagen.

Der Antragsteller macht im wesentlichen geltend, dass die Antragsgegnerin das ihm zustehende Beteiligungsrecht aus §§ 99, 100 BetrVG dadurch beharrlich verletze, dass sie ihn bei drei bis zum damaligen Zeitpunkt durchgeführten Versetzungen nicht beteiligt habe und auch hinsichtlich der restlichen Versetzungen nicht beabsichtige, ihn zu beteiligen.

Der ihm danach in der Hauptsache zustehende Unterlassungsanspruch sei auch durch einstweilige Verfügung zu sichern. Es bestehe auch ein Verfügungsgrund, da eine Aufhebung der Versetzungen im Verfahren nach § 101 BetrVG wegen der Schließung des Betriebsteils in E nicht mehr möglich sei und sein Beteiligungsrecht deshalb leer laufen würde.

Hinsichtlich der Einzelheiten des weiteren Vorbringens wird auf den Antrag vom 5.01.2004 Bezug genommen.

Der Antragsteller hat beantragt,

1. der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren 3 BV 242/03 - Arbeitsgericht Köln - Versetzungen von Mitarbeitern/-innen ohne Beteiligung des Antragstellers gemäß §§ 99, 100 BetrVG aus dem Betrieb K in den Betrieb R vorzunehmen, es sei denn, die Versetzung erfolgt auf Wunsch des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin;

2. der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Entscheidung entsprechend dem Antrag zu 1. ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gesetzt wird, anzudrohen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie hat den Standpunkt eingenommen, dass ein Beteiligungsrecht des Antragstellers gemäß § 99 BetrVG nicht bestehe, da die räumliche Verlegung eines Betriebes oder Betriebsteils keine Versetzung darstelle.

Außerdem komme eine einstweilige Verfügung wegen der Spezialvorschrift des § 101 BetrVG nicht in Betracht.

Das Arbeitsgericht hat die begehrte einstweilige Verfügung mit Beschluß vom 09.01.2004 im wesentlichen antragsgemäß erlassen. Es ist dabei der Rechtsauffassung des Antragstellers gefolgt.

Wegen der Einzelheiten der Begründung und der vom Arbeitsgericht vorgenommenen einschränkenden Auslegung des Antrags im Hinblick auf Versetzungen, die im Einvernehmen des betroffenen Mitarbeiters erfolgen und die daraus resultierende einschränkende Tenorierung des geltend gemachten Anspruchs, wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Die Antragsgegnerin hat gegen den ihr am 16.01.2004 zugestellten Beschluß des Arbeitsgerichts am 06.02.2004 Beschwerde eingelegt und diese am selben Tag begründet.

Sie vertritt unter Erweiterung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin die Auffassung, dass ein Verfügungsanspruch nicht gegeben sei, weil es an einem Beteiligungsrecht des Antragstellers gemäß § 99 BetrVG fehle.

Zum einen sei hinsichtlich der überwiegenden Anzahl der dem Betriebsteil E zugehörigen Arbeitnehmer schon tatbestandlich keine Versetzung anzunehmen, da sich deren Arbeitsumstände wegen ihrer ganz überwiegend außerhalb von E durchzuführenden Tätigkeiten nicht wesentlich änderten.

Zum anderen könne auch hinsichtlich der - lediglich etwa ein halbes Dutzend umfassenden - Arbeitnehmer, die unmittelbar im Betriebsteil E eingesetzt würden, nicht von einer ein Mitbestimmungsrecht des Antragsgegners auslösenden Versetzung ausgegangen werden. Denn aus der Systematik des BetrVG ergebe sich, dass sich eine personelle Einzelmaßnahme und eine Betriebsänderung - um die es sich bei der vorliegenden Betriebsverlegung handele - gegenseitig ausschlössen.

Das Mitbestimmungsverfahren nach §§ 111 ff. BetrVG bei "Massenversetzungen" gehe dem auf den Einzelfall zugeschnittenen Mitwirkungsverfahren nach § 99 BetrVG vor.

Insoweit habe die Antragsgegnerin mit der Beteiligung des Gesamtbetriebsrats bezüglich des Interessenausgleichs und des zwischenzeitlich abgeschlossenen Sozialplans allerdings genau das getan, was ihr bei einer Betriebsänderung vom Gesetz abverlangt werde.

Aus dem Beharren auf ihrer Rechtsansicht, dass das Verfahren nach § 111 BetrVG vor dem Verfahren nach § 99 BetrVG Vorrang habe, könne der Vorwurf eines groben Verstoßes gegen Mitbestimmungsrechte des Antragstellers im Sinne von § 23 Abs. 3 BetrVG nicht abgeleitet werden. Denn die Frage, ob auch für den Sozialplan der Gesamtbetriebsrat zuständig sei, wenn dieser bereits für den Interessenausgleich ausnahmsweise eine originäre Zuständigkeit besessen habe, sei bisher höchstrichterlich nicht geklärt und in der Literatur umstritten. Nach der Rechtsprechung des BAG scheide in einem solchen Fall ein grober Verstoß aus.

Die Antragsgegnerin hat, was unstreitig ist, nach Abschluss des verfahrens erster Instanz den Betriebsrat um Zustimmung zu den noch ausstehenden Versetzungen der Restbelegschaft des Betriebsteils E gemäß § 99 BetrVG gebeten und alsdann auf die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats hin die vorläufige Durchführung der Maßnahmen gemäß § 100 BetrVG angekündigt.

Die Abgabe einer Erklärung des vom Antragsteller geforderten Inhalts, dass sie versichere, auch das Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß §§ 99 Abs. 4 bzw. 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung durchzuführen, hat die Antragsgegnerin auf Anfrage des Gerichts ausdrücklich abgelehnt.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluß des Arbeitsgerichts Köln vom 09.01.2004 -13 BVGa 1/04 - abzuändern und den Antrag abzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den arbeitsgerichtlichen Beschluß und verweist zunächst darauf, dass der Gesamtbetriebsrat für Versetzungen gemäß § 99 BetrVG nach der Rechtsprechung des BAG niemals zuständig sei.

Zudem sei nicht ersichtlich, wieso das nach § 99 BetrVG bestehende Mitbestimmungsrecht entfallen solle, wenn die Versetzung im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung stehe. Dem BetrVG sei ein Nebeneinander von Mitwirkungs- und Mitbestimmungstatbeständen nicht fremd.

Vorliegend sei auch deshalb von einer Versetzung auszugehen, weil nicht lediglich ein Betrieb unter Aufrechterhaltung der Betriebsstruktur in ein anderes Gebäude umziehe, sondern der Betriebsteil in E aufgelöst werde und die Arbeitnehmer in den in R bestehenden Betrieb eingegliedert würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den sonstigen Akteninhalt und die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II. Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg.

Der Hauptantrag ist zulässig, allerdings nicht begründet.

1. Die Beschwerde ist mit dem Hauptantrag zulässig.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 87 Abs. 1 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 89 Abs. 2, 87 Abs. 2 S. 1, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG).

Die grundsätzliche Zulässigkeit von einstweiligen Verfügungen auch im Beschlußverfahren folgt aus § 85 Abs. 2 S. 1 ArbGG.

2. Die Beschwerde ist im Umfang des Hauptantrages unbegründet.

Die angefochtene einstweilige Verfügung war im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig.

An den Gründen für ihren Erlaß hat sich auch bis zu dem für die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht nichts geändert.

Der Antragsteller hat auch einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht (§§ 85 Abs. 2 S. 2 ArbGG, 935, 940, 936, 920 Abs. 2, 294 ZPO).

a) Der umstrittenen Problematik, ob im Rahmen der Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen im Sinne der §§ 99 ff. BetrVG ein allgemeiner, ohne die Voraussetzung eines groben Verstoßes bestehender, Unterlassungsanspruch anzuerkennen ist, braucht im vorliegenden Verfahren nicht nachgegangen zu werden.

Dem Antragsteller steht nämlich bereits aufgrund der Vorschrift des § 23 Abs. 3 BetrVG ein Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin zu, der auch im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes bis zur Entscheidung über die Hauptsache einstweilen durch Unterlassungsverfügung gesichert werden kann.

Die Antragsgegnerin hat das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers aus §§ 99, 100 BetrVG dadurch in grober Weise verletzt, dass sie die dem Hauptsacheverfahren zugrundeliegenden Versetzungen der drei Arbeitnehmer ohne Beteiligung des Antragstellers vorgenommen hat und darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht ausdrücklich erklärt hat, an dieser mitbestimmungswidrigen Praxis auch hinsichtlich aller anderen Arbeitnehmer des E Betriebsteils festhalten zu wollen, den Antragsteller also bei den geplanten Versetzungen insgesamt nicht beteiligen zu wollen.

Bestätigt wird diese Haltung der Antragsgegnerin dadurch, dass sie im Beschwerdeverfahren die Abgabe einer Erklärung des vom Antragsteller geforderten Inhalts, dass sie versichere, das zwischenzeitlich eingeleitete Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß §§ 99 Abs. 4 bzw. 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung durchzuführen, auf Anfrage des Gerichts ausdrücklich abgelehnt hat.

aa) Dem Antragsteller steht hinsichtlich der geplanten Schließung des Betriebsteils in E und der Eingliederung der Arbeitnehmer in den Betrieb in R ein Mitwirkungsrecht aus §§ 99, 100 BetrVG zu.

Es handelt sich bei diesen Maßnahmen um Versetzungen im Sinne der Legaldefinition des § 95 Abs. 3 BetrVG. Das folgt schon daraus, dass den betroffenen Arbeitnehmern ein anderer, räumlich nicht unerheblich entfernter Arbeitsort zugewiesen wird.

Selbst wenn man der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des BAG (BAG, Beschluß v. 18.02.1986 - 1 ABR 37/84, AP Nr. 33 zu § 99 BetrVG 1972 und Beschluß v. 8.08.1989 - 1 ABR 63/88, AP Nr. 18 zu § 95 BetrVG 1972) nicht folgen wollte und reine Betriebsverlagerungen mit der in der Schutzschrift der Antragsgegnerin in Bezug genommenen Auffassung (LAG Berlin, Beschluß v. 22.11.1991 - 6 TaBV 3/91, LAGE Nr. 12 zu § 95 BetrVG 1972) nicht als Versetzungen einordnen wollte, sondern zusätzlich oder stattdessen eine Änderung der Arbeitsaufgabe fordern würde, ergäbe sich im vorliegenden Fall nichts anderes. Denn die Antragsgegnerin plant nicht lediglich eine räumliche Verlegung einer ansonsten intakt bleibenden organisatorischen Einheit. Vielmehr soll nach ihren eigenen Aussagen zunächst der bestehende Betriebsteil in E vom Restbetrieb in K abgespalten und danach unter Verlust seiner Identität in den erheblich größeren Betrieb in R eingegliedert werden. Damit ist wegen der Einbindung in eine fremde neue Betriebsorganisation für die betroffenen Arbeitnehmer des Betriebsteils E in jedem Fall eine erhebliche Änderung der Umstände gegeben, unter denen die Arbeit zu leisten ist.

Die demnach begrifflich eröffnete Anwendbarkeit des § 99 BetrVG wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß die geplante Maßnahme zugleich eine Betriebsänderung darstellt.

Der Systematik des Betriebsverfassungsgesetzes ist an keiner Stelle zu entnehmen, dass sich Mitbestimmungsrechte nur aus einer von zwei im Einzelfall konkurrierenden Vorschriften ergeben könnten, nicht aber zugleich aus beiden jeweils unabhängig voneinander. Gegen die Rechtsansicht der Antragsgegnerin spricht schon die gesetzestechnische Aufführung beider Mitbestimmungsrechte in unterschiedlichen Abschnitten des Vierten Teils des Betriebsverfassungsgesetzes. Hätte der Gesetzgeber eine regelungsbedürftige Konkurrenz zwischen diesen Vorschriften über Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gesehen, wäre es ein Leichtes gewesen, eine Kollisionsklausel vorzusehen. Es ist im übrigen methodisch auch nicht ersichtlich, weshalb sich die Intensität von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats allein durch die Zahl der von einer "Massenversetzung" betroffenen Arbeitnehmer verringern sollte. Schließlich vermag die Auffassung der Antragsgegnerin nicht zu erklären, wie bei der Versetzung einer größeren Zahl von Arbeitnehmern zu verfahren sein soll, die zwar als "Massenversetzung" von § 99 BetrVG nicht mehr erfaßt würde, aber gleichwohl noch nicht für eine Verlegung des gesamten Betriebs oder Betriebsteils im Sinne von § 111 S. 3 Nr. 2 BetrVG ausreicht.

Aus der damit vorliegenden Versetzung erwächst dem Antragsteller auch das Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG. Denn es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß bei Versetzungen von einem Betrieb in einen anderen Betrieb sowohl der Betriebsrat des abgebenden als auch des aufnehmenden Betriebs nach §§ 99, 100 BetrVG zu beteiligen ist, wenn nicht der betroffene Arbeitnehmer mit der Versetzung einverstanden ist (vgl. BAG, Beschluß v. 20.09.1990 - 1 ABR 37/90, AP Nr. 84 zu § 99 BetrVG 1972).

Hieran ist festzuhalten.

Die Antragsgegnerin hat zu einem etwaigen Einverständnis der betroffenen Arbeitnehmer nichts vorgetragen.

Die Zuständigkeit des Antragstellers für die Ausübung des Widerspruchsrechts ist auch nicht etwa auf den Gesamtbetriebsrat übergegangen.

Diesem steht ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen nämlich nicht zu. Es ist schlechterdings nicht vorstellbar, dass eine personelle Einzelmaßnahme das Unternehmen als ganzes betreffen könnte (s. BAG, Beschluß v. 20.09.1990 - 1 ABR 37/90, AP Nr. 84 zu § 99 BetrVG 1972; BAG, Urteil v. 26.01.1993 - 1 AZR 303/92, AP Nr. 102 zu § 99 BetrVG 1972). Anhaltspunkte dafür, dass sich an dieser Einschätzung durch die möglicherweise bestehende originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats zum Abschluß eines Interessenausgleichs im vorliegenden Fall etwas ändern könnte, sind nicht ersichtlich, da es sich hierbei um eine gänzlich andere Fragestellung handelt.

cc) In der Weigerung der Antragsgegnerin, den Antragsteller dem bestehenden Mitbestimmungsrecht entsprechend im Verfahren nach §§ 99, 100 BetrVG zu beteiligen, liegt auch ein grober Verstoß im Sinne einer erheblichen, also besonders schwerwiegend gegen die Vorschriften des BetrVG verstoßenden Pflichtverletzung:

Die Antragsgegnerin hat nicht nur in einem Einzelfall, was nach einer vertretenen Auffassung bereits ausreichen würde (vgl. LAG Berlin, Beschluß v. 4.12.1998 - 6 TaBV 6/98 u. 7/98, 7 TaBV 7/98, n.v., zitiert nach juris) , sondern beharrlich die Einhaltung der Mitbestimmungsrechte des Antragstellers verweigert.

Ihre Berufung auf Entscheidungen des BAG, wonach das Handeln nach einer vertretbaren Rechtsansicht in einer schwierigen und bisher ungeklärten Rechtsfrage den Vorwurf eines groben Verstoßes ausschließen kann (BAG, Beschluß v. 8.8.1989 - 1 ABR 63/88, AP Nr. 18 zu § 95 BetrVG 1972), entlastet sie im vorliegenden Fall nicht. Denn es entspricht ständiger und soweit ersichtlich unangefochtener Rechtsprechung, dass der Gesamtbetriebsrat keine originäre Kompetenz bei personellen Einzelmaßnahmen besitzt (vgl. BAG, Beschluß v. 20.09.1990 - 1 ABR 37/90, AP Nr. 84 zu § 99 BetrVG 1972; BAG, Urteil v. 26.01.1993 - 1 AZR 303/92, AP Nr. 102 zu § 99 BetrVG 1972).

Hierbei handelt es sich also keinesfalls um eine schwierige und ungeklärte Rechtsfrage.

Es ist der Antragsgegnerin zwar zuzugeben, dass die auf einem anderen Gebiet angesiedelte Frage, nämlich inwieweit sich eine etwa bestehende originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für einen Interessenausgleich in den folgenden Sozialplanverhandlungen fortsetzen kann, umstritten ist.

Diese Problematik hat die Antragsgegnerin dann allerdings nur aufgrund ihres vorangegangenen Fehlschlusses zur Verdrängungswirkung des Mitbestimmungsrechts bei Betriebsänderungen gegenüber der Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen nach §§ 99, 100 BetrVG auf die Frage der Zuständigkeit des Antragstellers für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts übertragen.

Ein derartiger jenseits berechtigter Diskussion liegender Fehlschluß ist aber rechtlich nicht geschützt (vgl. Fitting, BetrVG, 20. Aufl. 2000, § 23 Rn. 66; Oetker, in: GK-BetrVG, 7. Aufl. 2002, § 23 Rn. 172) und kann die Antragsgegnerin folglich auch nicht vom Vorwurf eines groben Verstoßes entlasten.

dd) Der Anspruch aus § 23 Abs. 3 BetrVG kann auch nicht mit dem von der Antragsgegnerin angeführten Hinweis auf eine angebliche Spezialität des Rechtsschutzes über § 101 BetrVG abgelehnt werden. Denn wie das Arbeitsgericht unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zutreffend ausführt, enthält § 101 BetrVG keine abschließende Regelung des vorbeugenden Rechtsschutzes. Vielmehr besteht der Anspruch des Betriebsrats auf die künftige Beachtung seiner Mitbestimmungsrechte neben dem Anspruch nach § 101 BetrVG (BAG, Beschluß v. 17.03.1987 - 1 ABR 65/85, AP Nr. 7 zu § 23 BetrVG 1972; vgl. auch LAG Köln, Beschluß v. 13.08.2002 - 12 Ta 244/02, AP Nr. 37 zu § 99 BetrVG 1972).

b) Dem Antragsgegner steht auch ein Verfügungsgrund zur Seite. Ohne den Erlaß der begehrten einstweiligen Verfügung hätte die Gefahr bestanden, dass das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers wegen der geplanten Schließung des E Betriebsteils im Ergebnis vereitelt würde. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

Aus den genannten Gründen war auch die Androhung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung gerechtfertigt.

Die Voraussetzungen für den Erlaß der einstweiligen Verfügung sind auch nicht durch die von der Antragsgegnerin eingeleiteten Maßnahmen nach §§ 99, 100 BetrVG nachträglich entfallen. Denn der Verfügungsgrund hat sich damit nicht erledigt. Die für die Annahme des Verfügungsgrundes maßgebliche Gefahr des faktischen Leerlaufens des Mitbestimmungsrechts des Antragstellers hätte nur durch die Verpflichtungserklärung der Antragsgegnerin zur Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die beim Arbeitsgericht Köln anhängig zu machenden Anträge gemäß §§ 99 Abs. 4, 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG ausgeräumt werden können. Nachdem sich die Antragsgegnerin allerdings geweigert hat, eine entsprechende Erklärung abzugeben, bestehen die Gefahren eines Leerlaufens des Mitbestimmungsrechts des Antragstellers unverändert fort.

3. Der Beschluß ergeht gerichtskostenfrei (§ 12 Abs. 5 i.V.m. 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG).

4. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben (§§ 92 Abs. 1 S. 3, 85 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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