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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 21.12.2004
Aktenzeichen: 9 (10) Sa 1086/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 611
Verpflichtet sich ein angestellter Programmierer, den Quellcode zu einer Software "im lauffähigem Zustand" herauszugeben, ist er nicht gehalten, auch eine Kommentierung des Quellcodes mitzuliefern.
Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 7. Juli 2004 - 2 Ca 1586/04 EU - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Abwicklung eines zwischen ihnen abgeschlossenen gerichtlichen Vergleichs.

Der Beklagte war bei der Klägerin als Programmierer vom 1. August 2001 bis zum 31. Juli 2003 beschäftigt. Aufgabe des Beklagten war es, ein Softwareprogramm für die A -AG, eine Kundin der Klägerin, zu entwickeln.

In einem vorangegangenen Rechtsstreit schlossen die Parteien am 19. Dezember 2003 folgenden Vergleich:

1. Die Parteien sind darüber einig, dass die mit dem Klageantrag zu

1) herausverlangten, zum Bereich der Hardware gehörenden Gegenstände im Eigentum des Beklagten stehen.

2. Der Beklagte verpflichtet sich, den Quellcode für die A -Studiomanager 3.0 Beta 1 Studioversion (Software) in lauffähigem Zustand auf Daten-CD`s an die Klägerin herauszugeben.

3. Zum Umfang der Herausgabepflicht gehören die von dem Beklagten entwickelten Bibliotheken in Form des reinen vorkompilierten Byte-Codes. Nicht erfasst ist insoweit der Quellcode zu diesen Bibliotheken, so dass deren Veränderbarkeit nicht möglich ist. Hingegen gewährleistet der Beklagte bei der Herausgabe der Software die Veränderbarkeit des A -Studiomanager-Programms.

4. Ebenfalls gehört zum Umfang der Herausgabepflicht die Herausgabe der Projektdateien; der Beklagte ist weiterhin verpflichtet, bei der Einrichtung des Visual Studios von Microsoft in eigener Person behilflich zu sein.

5. Die Herausgabe erfolgt am Dienstag, dem 23.12.03. Eine Entscheidung über die endgültige Abnahme ist binnen 4 Wochen ab diesem Zeitpunkt durch die Klägerin zu treffen. Im Falle der Ablehnung der Abnahme erfolgt die Beurteilung der Abnahmefähigkeit durch einen einvernehmlich zu bestellenden Sachverständigen.

6. Die Klägerin verpflichtet sich, an den Beklagten als Entgelt für die erbrachte Leistung EUR 8.350,00 zu zahlen, zur Hälfte fällig sofort und zur anderen Hälfte nach erfolgter Abnahme. Dabei gehen die Parteien davon aus, dass der Beklagte nicht umsatzsteuerpflichtiger Unternehmer ist. Sollte sich das Gegenteil erweisen, wird der Beklagte eine Rechnung unter Ansatz der gesetzlichen Mehrwertsteuer stellen, welche von der Klägerin bedient wird.

7. Weiterhin sind die Parteien darüber einig, dass aus dem per 31.07.2003 zwischen ihnen beendeten Arbeitsverhältnis keinerlei Resturlaubsansprüche mehr bestehen, sondern diese in Natur erfüllt sind.

8. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit beendet.

Der Beklagte übersandte die Daten-CD`s an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin, wo sie am 24. Dezember 2003 eingingen.

Mit Schreiben vom 28. Januar 2004 rügte die Klägerin, das Softwareprogramm sei mangelhaft, weil es nicht eine Kommentierung des Quellcodes enthalte und deshalb nicht fortgeschrieben werden könne.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte habe sie vor Abschluss des Vergleichs auf die fehlende Kommentierung des Quellcodes hinweisen müssen. Da er dies unterlassen habe und sie dadurch getäuscht habe, verlange sie mit der Klage Rückzahlung der bereits erbrachten ersten Hälfte des unter Ziff. 6 des Vergleichs vereinbarten Entgelts. Die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich sei unzulässig. Der Beklagte sei verpflichtet, den Quellcode mit Kommentierung an sie Zug um Zug gegen Zahlung von EUR 8.350,00 herauszugeben. Er sei zudem verpflichtet, die ihr bereits entstandenen und noch entstehenden wirtschaftlichen Schäden wegen der fehlenden Nutzbarkeit der Quellcodes zu ersetzen. Ihm sei es nicht gestattet, die Software ganz oder in Teilen entgeltlich oder unentgeltlich zu vertreiben.

Der Beklagte ist der Ansicht, er habe seine Verpflichtungen aus dem Vergleich erfüllt. Es sei weder vereinbart, dass der Quellcode mit Kommentierung herausgegeben werde, noch sei es üblich, dass zu einem Quellcode eine Kommentierung gehöre. Als er bei der Klägerin begonnen habe, habe er auch einen unkommentierten Quellcode vorgefunden und fortgeschrieben. Er habe im Übrigen davon ausgehen dürfen, dass er künftig das Programm fortschreiben werde. Auch wegen des erheblichen Zeitdrucks habe er davon absehen müssen, eine Kommentierung des Quellcodes zu verfassen. Die Klägerin habe an ihn die zweite Hälfte des unter Ziff. 6 des Vergleichs vereinbarten Entgelts zu zahlen, was er im vorliegenden Verfahren durch Widerklage geltend mache.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes erster Instanz und den erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträgen und den Gründen, die zur Abweisung der Klage und - auf Widerklage des Beklagten - zur Feststellung der Fälligkeit der zweiten Hälfte des Entgelts gemäß Ziffer 6 des Vergleichs nach erfolgter Abnahme durch die Klägerin geführt haben, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils vom 7. Juli 2004 verwiesen.

Das arbeitsgerichtliche Urteil ist der Klägerin am 9. August 2004 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 9. September 2004 Berufung einlegen lassen und diese am 11. Oktober 2004 (Montag) begründen lassen.

Sie wiederholt ihre Ansicht, der Beklagte habe sie bei Abschluss des Vergleichs darauf hinweisen müssen, dass eine Kommentierung des Quellcodes fehle. Zwar sei ein Softwareprogramm auch ohne Kommentierung des Quellcodes lauffähig. Jedoch sei das Programm wirtschaftlich nicht verwertbar, weil bei dem Erstellen der Kommentierung Aufwendungen in gleicher Höhe entstünden wie bei einer Neuprogrammierung. Der Beklagte habe arglistig gehandelt. Da er selbst bei Beginn des Arbeitsverhältnisses einen unkommentierten Quellcode vorgefunden habe, ihm daher der daraus resultierende zusätzliche Arbeitsaufwand bekannt gewesen sei, habe es auch für ihn selbstverständlich sein müssen, eine Kommentierung des Quellcodes zu liefern.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 7. Juli 2004 - 2 Ca 1586/04 EU - den Beklagten zu verurteilen, an sie EUR 4.175,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 31. Dezember 2003 zu zahlen,

festzustellen, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vor dem Arbeitsgericht Bonn vom 19. Dezember 2003 - 2 Ca 3555/03 EU - unzulässig ist,

den Beklagten zu verurteilen, den lauffähigen Quellcode mit Kommentierung in veränderbarem Zustand für die A - Studiomanager 3.0 Beta 1 Studioversion (Software) auf Daten-CDŽs an die Klägerin Zug um Zug gegen Zahlung von EUR 8.350,00 herauszugeben,

festzustellen, dass der Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, die der Klägerin entstandenen und entstehenden wirtschaftlichen Schäden wegen der fehlenden Möglichkeit der Nutzung des Quellcodes für den A - Studiomanager 3.0 Beta 1 Studioversion zu ersetzen,

festzustellen, dass es dem Beklagten nicht gestattet ist, die Software für den A - Studiomanager 3.0 Beta 1 Studioversion - sowie der aus ihr folgenden Version des Programms ganz oder in Teilen - entgeltlich oder unentgeltlich - zu vertreiben,

die Widerklage des Beklagten auf Feststellung, dass sie - die Klägerin - den Quellcode für die A -Studiomananger 3.0 Beta 1 Studioversion (Software) abgenommen hat und die zweite Hälfte des Entgelts gemäß Vergleich vom 19. Dezember 2003 im Verfahren 2 Ca 3555/02 EU zur Zahlung an den Beklagten fällig ist, abzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen, weder sei vereinbart worden, dass er eine Kommentierung des Quellcodes zu erstellen habe, noch habe dies der Zeitdruck zugelassen, unter dem er gestanden habe. Es sei nicht zwingend erforderlich, eine Kommentierung des Quellcodes zu erstellen. Er habe ein lauffähiges Programm der Klägerin geliefert. Abgesehen davon habe er annehmen dürfen, dass er auch künftig das Programm fortschreiben werde. Das erstellte Programm gelte als abgenommen, da die Klägerin nicht binnen 4 Wochen die Abnahme abgelehnt habe.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht Bonn in dem angefochtenen Urteil dargelegt, dass der Beklagte seine im gerichtlichen Vergleich vom 19. Dezember 2003 - 2 Ca 3555/03 - titulierte Pflicht auf Herausgabe eines Quellcodes in dem festgelegten Umfang zeitgerecht erfüllt hat, die Klägerin die Abnahme nicht fristgerecht abgelehnt hat und sie daher verpflichtet ist, neben der bereits erbrachten ersten Hälfte des Entgelts auch die weitere Hälfte an den Beklagten zu zahlen. Begründete Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte nach Abschluss des Vergleichs am 19. Dezember 2003 das Programm an Dritte vertreibe, bestünden nicht. Das Landesarbeitsgericht folgt dieser erstinstanzlichen Erkenntnis sowohl im Ergebnis wie in der Begründung.

Im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin in der Berufung sind lediglich noch die folgenden ergänzenden Darlegungen veranlasst:

1. Entscheidungserheblich ist für die Klageanträge zu 1 bis 4, ob der Beklagte die unter Ziff. 2 bis 5 des gerichtlichen Vergleichs vom 19. Dezember 2003 - 2 Ca 3555/03 - titulierte Verpflichtung auf Herausgabe des Quellcodes für die genannte Software vollständig erfüllt hat.

a. Das Klagebegehren setzt zunächst voraus, dass der genannte gerichtliche Vergleich Bestand hat. Denn Rechtsgrundlage für die gemäß Klageantrag zu 3 weiterhin geltend gemachte Herausgabepflicht des Beklagten bildet der gerichtliche Vergleich. Zwar hat die Klägerin in der Klageschrift erklärt, der Beklagte habe sie getäuscht und deshalb habe sie den Vergleich angefochten. Da ihre Klageanträge zu 1) bis 4) aber darauf abzielen, den Beklagten zu veranlassen, eine Kommentierung des Quellcodes nachzuliefern gegen Zahlung des im Vergleich festgelegten Entgelts, und ihn zu verpflichten, ihr den durch die unvollständige Lieferung entstandenen und entstehenden Schaden zu ersetzen, will sie tatsächlich an dem Vergleich mit dem von ihr geltend gemachten Inhalt festhalten. Mit dem Vorwurf, der Beklagte habe arglistig verschwiegen, dass eine Kommentierung des Quellcodes fehle, wird letztlich geltend gemacht, mangels eines entgegengesetzten Hinweises des Beklagten sei selbstverständlicher Inhalt des Vergleichs die Lieferung einer solchen Kommentierung, was sie auch nunmehr noch geltend machen könne.

b. Die im Vergleich titulierte Herausgabepflicht des Beklagten gilt als vollständig erfüllt.

aa. Die Parteien haben in dem gerichtlichen Vergleich vom 19. Dezember 2003 unter Ziffer 2 bis 4 im einzelnen den Umfang der Herausgabepflicht des Beklagten geregelt.

Diese Regelung ist - wie das Arbeitsgericht ausgeführt hat - nach mehrstündiger Beratung über diese Herausgabepflicht getroffen worden. Dabei ist nicht die Herausgabe eines Kommentars zum Quellcode in den Vergleich gesondert mit aufgenommen worden. Aus der Vereinbarung, der Quellcode sei "in lauffähigem Zustand" herauszugeben, kann nicht geschlossen werden, zwingender Inhalt der Herausgabepflicht sei eine Kommentierung des Quellcodes. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die gelieferte Programmversion auch ohne Kommentierung des Quellcodes lauffähig ist.

bb. Zudem ist die Beklagte mit dem Recht ausgeschlossen, die Mangelhaftigkeit des gelieferten Quellcodes geltend zu machen.

Die Parteien haben unter Ziffer 5 des gerichtlichen Vergleichs eine Regelung über die "endgültige Abnahme" des gelieferten Quellcodes binnen 4 Wochen ab Lieferung getroffen. Diese Regelung ist dahin auszulegen, dass nach Ablauf der Frist eine Mängelrüge ausgeschlossen sein sollte. Dafür spricht nicht nur die Wendung "endgültig", sondern auch die Regelung unter Ziffer 6 des Vergleichs über die Fälligkeit der zweiten Hälfte des Entgelts nach erfolgter Abnahme. Die Auslegung entspricht auch dem erkennbaren Sinn und Zweck der Bestimmung.

Es kann schwierig sein, Mängel einer Software aufzudecken, insbesondere wenn sie umfangreich und differenziert ist. Dies kann auch für einen Quellcode, also Computerdaten für eine Anpassungsprogrammierung für Endanwender, gelten. Es ist sachgerecht, wenn die Vertragsparteien deshalb eine längere Untersuchungsfrist der Beklagten eingeräumt hatten, innerhalb derer sie selbst die Vollständigkeit und Mangelfreiheit des gelieferten Quellcodes prüfen konnte bzw. durch beauftragte Unternehmen prüfen lassen konnte. Die Frist von 4 Wochen ab der Ablieferung am 24. Dezember 2003 war ausreichend. Denn ausweislich des von der Beklagten bereits mit der Klageschrift vorlegten Schreibens des Software-Unternehmens g vom 19. Januar 2004 war bereits zu diesem Zeitpunkt das Fehlen der Kommentierung/Dokumentation des Quellcodes festgestellt worden.

cc. Angesichts dieser Abnahmeregelung kann auch nicht die Rede davon sei, der Beklagte habe von sich aus bei Vergleichsabschluss auf die fehlende Kommentierung des Quellcodes hinweisen müssen, sein Schweigen sei arglistig gewesen und deshalb könne weiterhin die Mangelhaftigkeit geltend gemacht werden. Zum einen musste er davon ausgehen, dass die Klägerin - wie auch geschehen - binnen der Abnahmefrist feststellte, dass die Kommentierung fehlte. Zum anderen durfte er annehmen, dass die Beklagte - wie er - die Erstellung einer Kommentierung nicht als notwendiger Bestandteil einer Quellcode-Lieferung ansah. Denn bei Vertragsbeginn hatte sie ihn beauftragt, einen unkommentierten Quellcode fortzuschreiben. Schließlich hatte die Beklagte bei Abschluss des Vergleichs im einzelnen den Umfang ihres Herausgabeverlangens festhalten lassen, wozu eine Kommentierung des Quellcodes gerade nicht gehörte.

Da nach alledem die Herausgabepflicht des Beklagten als erfüllt anzusehen ist, sind die Klageanträge zu 1 bis 4 unbegründet.

2. Der Klageantrag zu 5 ist bereits unzulässig, da das erforderliche Feststellungsinteresse fehlt (§ 256 ZPO). Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts wird hingewiesen, die von der Klägerin im Berufungsverfahren nicht mehr gesondert angegriffen worden sind.

3. Zutreffend hat das Arbeitsgericht auf die Widerklage des Beklagten festgestellt, dass der genannte Quellcode als von der Klägerin abgenommen gilt und deshalb die zweite Hälfte des Entgelts gemäß Ziffer 6 des gerichtlichen Vergleichs vom 19. Dezember 2003 fällig ist.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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