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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 29.11.2005
Aktenzeichen: 9 (3) Sa 1079/04
Rechtsgebiete: LPVG NW


Vorschriften:

LPVG NW § 72 a Abs. 2
1. Der Arbeitgeber hat den Personalrat bei der Anhörung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung gegenüber einem angestellten Arzt wegen sexuellen Mißbrauchs von Patientinnen über die Tatvorwürfe in ausreichendem Maße zu unterrichten. Dazu gehören Angaben über die äußeren Umstände der Untersuchungen, über die konkreten Beschwerden der Patientinnen sowie über die Art und Weise der dem Arbeitnehmer vorgeworfenen Untersuchungshandlungen.

2. Das Interesse des Arbeitgebers an einer Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers während des Kündigungsrechtsstreits überwiegt das Beschäftigungsinteresse Arbeitnehmers, wenn dieser wegen der Tatvorwürfe, die im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit standen, rechtskräftig zu einer erheblichen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer gegen das rechtskräftige Strafurteil Verfassungsbeschwerde eingelegt hat.


Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.06.2004 - 11 Ca 5168/03 - wie folgt abgeändert:

a) Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der außerordentlichen Kündigung mit Schreiben des beklagten Landes vom 16.04.2003 beendet wurde.

b) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

1. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/4 und das beklagte Land zu 3/4.

3. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 16. April 2003 beendet worden ist und ob das beklagte Land verpflichtet ist, den Kläger bereits während der Dauer des Kündigungsrechtsstreits weiterzubeschäftigen.

Der Kläger, geboren am 10. Dezember 1949, ist bzw. war bei dem beklagten Land seit dem 1. Oktober 1985 aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 23. September 1985 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Sinne des § 60 Abs. 1 WissHG beschäftigt. Er wurde als Arzt in der Klinik und Poliklinik für Neurologie eingesetzt. Am 26. November 1987 wurde ihm die Anerkennung als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie erteilt. Seit 1989 war er als Oberarzt in der genannten Klinik tätig. Am 24. Mai 1989 beschloss die Medizinische Fakultät der , ihm die venia legendi zu erteilen. Am 30. Mai 1997 verlieh der Rektor der dem Kläger die Bezeichnung außerplanmäßiger Professor. Der Kläger ist seit dem 1. August 1989 in die Vergütungsgruppe I a BAT eingruppiert und erhielt zuletzt eine durchschnittliche Vergütung in Höhe von etwa EUR 5.000,00 pro Monat.

Auf das Arbeitsverhältnis finden nach § 2 des Arbeitsvertrages der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und die zur Änderung und Ergänzung abgeschlossenen Tarifverträge Anwendung. Nach § 53 Abs. 3 BAT ist das Arbeitsverhältnis nicht mehr ordentlich kündbar.

Die Klinik und Poliklinik für Neurologie gehört zum Klinikum der Universität zu Köln, das als Anstalt des öffentlichen Rechts geführt wird. Nach § 111 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 Landespersonalvertretungsgesetz NRW (LPVG) werden für wissenschaftliche Mitarbeiter besondere Personalvertretungen gebildet, und zwar jeweils ein Personalrat bei der Hochschule und bei den medizinischen Einrichtungen der Hochschule. Nach § 111 Abs. 1 S. 3 LPVG handelt für die Hochschule (gegenüber dem Personalrat) der Rektor. Nach § 111 Abs. 2 LPVG handelt für das in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts geführte Klinikum (gegenüber dem Personalrat) der Ärztliche Direktor. Wissenschaftliche Mitarbeiter, die Aufgaben in dem Klinikum wahrnehmen, gelten personalvertretungsrechtlich auch als Beschäftigte dieses Klinikums; die Beschäftigteneigenschaft bei der U bleibt unberührt (§ 111 Abs. 2 S. 2 LPVG).

Im Jahr 2000 wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Patientinnen eingeleitet. Er habe in den Jahren 1999 und 2000 in der Klinik für Neurologie Sensibilitätsuntersuchungen vorgenommen und dabei mehrere Patientinnen in einer Weise körperlich berührt, die nicht mehr ärztlich angezeigt gewesen sei. Während des Ermittlungsverfahrens wurde der Kläger mit folgenden Aufgaben betraut, die einen Patientenkontakt ausschlossen: (1) Personalmanagement für studentische und ärztliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Erstellung von Stations- und Abteilungsbesetzungsplänen, Urlaubs- und Rotationsplänen, Erstellung von Arbeitszeugnissen und organisatorischen Aufgaben, (2) Klinikinternes Qualitätsmanagement, DRG-Beauftragter, Strahlenschutzbeauftragter, (3) wissenschaftliche Forschung in den Bereichen Verhaltensneurologie, Epileptologie und funktionelle Hirnbildung, Biostatistik, klinische Entscheidungsanalyse sowie seltene neurologische Erkrankungen, (4) Lehre mit 5 Veranstaltungen, (5) Abnahme von Prüfungen europäischer Gaststudenten des ERASMUS-Programms, (6) Beratung von Ärztinnen und Ärzten bei der Befundung von PET- und neuroradiologischen Bildern sowie Laborergebnissen. Nach der Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Landgericht Köln wurde er mit Wirkung ab dem 12. August 2002 von der Arbeit unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt.

Am 4. April 2003 verurteilte die 14. Große Strafkammer des Landgerichts Köln - AZ: 114 - 18/01 - den Kläger wegen sexuellen Missbrauchs von Kranken in Einrichtungen in vier Fällen (§ 174 a Abs. 2 StGB) zum Nachteil der Patientinnen Frau W , Frau N und Frau P zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. In einem weiteren Fall sprach es den Kläger frei, weil sich die Patientin Frau R zum Tatzeitpunkt nicht in stationärer Behandlung in der neurologischen Universitätsklinik Köln befunden habe, sondern sich zu einer privat vereinbarten ambulanten Untersuchung begeben habe. Bei dem strafrechtlich relevanten Verhalten des Klägers, nämlich dem Berühren von Brustwarzen sowie äußeren und inneren Genitalen mit der Stimmgabel (alle Fälle), dem vaginalen Eindringen mit einem oder zwei Fingern (Fall N ) sowie des Kraulens der Schambehaarung (Fall P ), habe es sich jeweils um sexuelle Handlungen im Sinne von § 184 c Abs. 1 Nr. 1 StGB gehandelt. Es habe für diese Handlungen in keinem Fall eine medizinische Indikation gegeben. Zudem hätten sich die Patientinnen - bis auf Frau R - vollständig entkleiden müssen, obwohl es jeweils völlig ausreichend gewesen wäre, die Unterhose für die entsprechend Untersuchungshandlung im Genitalbereich kurz herunterzuziehen. Der Kläger habe die Untersuchung nicht vorher mit den Patientinnen Frau W , Frau N und Frau R besprochen, gegenüber Frau P immerhin angekündigt. Er habe während der Untersuchung im Genitalbereich in keinem Fall Handschuhe getragen. Frau W habe in vollständig entkleidetem Zustand die neurologischen Übungen wiederholen müssen, ohne dass dies medizinisch angezeigt gewesen sei. Frau P habe nackt unter der Bettdecke liegen müssen, obwohl es dafür ebenfalls keine medizinische Begründung gegeben habe. Der Kläger habe in jedem Fall ausschließlich aus einer sexuellen Motivation heraus gehandelt. Er habe die sexuellen Handlungen, wegen derer er bestraft werde, unter Ausnutzung der Krankheiten der Patientinnen vorgenommen, indem er ihnen vorgespiegelt habe, die Handlungen seien Teil der medizinisch indizierten Untersuchungen oder Therapien. Neben der Freiheitsstrafe erkannte das Landgericht Köln auf ein Berufsverbot für die Dauer von 3 Jahren, soweit es um Patientinnen geht. Die hiergegen eingelegte Revision wurde vom Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 18. Februar 2004 verworfen. Der Kläger hat im Mai 2004 Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 18. Februar 2004, das Urteil des Landgerichts Köln vom 4. April 2003 sowie 4 Beschlüsse des Landgerichts Köln vom 24. September 2002, 15. Januar 2003 sowie 28. März 2003 eingelegt, durch die Befangenheitsgesuche verworfen worden waren. Im Hinblick auf diese Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Köln bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde des Klägers in der Hauptsache ausgesetzt. Zur Begründung heißt es, der Kläger habe mit der Verfassungsbeschwerde u. a. die Frage nach den verfassungsrechtlichen Grenzen der Auslegung und Anwendung des § 26 a StPO aufgeworfen, der es dem wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Richter in den dort genannten Fällen gestatte, selbst an der Entscheidung über ein gegen ihn gerichtetes Ablehnungsgesuch mitzuwirken.

Mit Bescheid vom 9. April 2003, dem Kläger am 11. April 2003 zugegangen, ordnete die Bezirksregierung Köln die sofortige Vollziehung ihrer Anordnung vom 5. März 2002 über das Ruhen seiner Approbation als Arzt an. Begründet wurde die sofortige Vollziehung damit, es liege im öffentlichen Interesse, den Kläger an der Ausübung seines Berufes während des Rechtsmittelverfahrens zu hindern. Es bestehe die Gefahr, dass er bei einer weiteren Berufstätigkeit erneut Patientinnen sexuell missbrauchen könne. Zudem habe er durch seine Taten das Ansehen der Ärzteschaft und das Vertrauen der Bevölkerung in die ärztliche Integrität schwer geschädigt. Der Fall habe außerordentliches Aufsehen in den Medien erregt. Es könne nicht hingenommen werden, dass der Kläger nach einer Kündigung seines Arbeitsverhältnisses anderweitig als Arzt arbeite. Mit Schreiben vom 17. April 2003 teilte die Bezirksregierung Köln dem beklagten Land mit, es sei die sofortige Vollziehung des Ruhens seiner Approbation als Arzt angeordnet worden. Nachdem der Kläger die Klage gegen die Anordnung des Ruhens seiner Approbation zurückgenommen hat, ist die Verfügung bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 16. April 2003 kündigte der Rektor der als Vertreter des beklagten Landes das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung.

Zuvor hatte er den Personalrat Wissenschaft der mit Schreiben vom 7. April 2003 zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung angehört. In dem Schreiben heißt es zu dem Kündigungsgrund:

"Herr Professor P , der seit dem 12. August 2002 wegen des laufenden Strafverfahrens beurlaubt worden ist, wurde vom Amtsgericht Köln mit Urteil 505 Gs 2427/00 vom 4. April 2003 wegen sexuellen Missbrauchs von Kranken und sexueller Nötigung zu drei Jahren Haft verurteilt."

Mit einem am 11. April 2003 beim Rektor der Universität eingegangenen Schreiben teilte der Personalrat Wissenschaft der mit, er erhebe keine Einwendungen gegen die Absicht, den Kläger außerordentlich zu kündigen.

Ebenfalls zuvor hatte er den Personalrat Wissenschaft des Klinikums mit Schreiben vom 7. April 2003 zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung mit der gleichen Angabe zu dem Kündigungsgrund angehört. Dieser hatte mit einem an den Ärztlichen Direktor des Klinikums, Herrn Professor L , gerichteten Schreiben vom 14. April 2003 mitgeteilt, er habe am 11. April 2003 beschlossen, keine Bedenken gegen die Kündigung zu erheben. Der Eingang bei dem Kaufmännischen Direktor des Klinikums ist auf den 15. April 2003 datiert und der bei dem Rektorat auf den 23. April 2003.

Über den Prozess war in der regionalen und überregionalen Presse berichtet worden. In der Ausgabe des Kölner-Stadtanzeigers vom 5./6. April 2003 wurde über die Urteilsverkündung wie folgt berichtet:

"Gericht folgte den Gutachtern

Arzt wegen sexuellen Missbrauchs zu drei Jahren Haft verurteilt

Die Staatsanwältin hatte dem Angeklagten im Plädoyer "rechtsfeindliche

Gesinnung und Täuschungsmanöver" vorgeworfen.

"Sie haben ausschließlich aus sexuellen Motiven gehandelt" - mit diesem Satz machte das Gericht seine Absicht unmissverständlich deutlich, den wegen sexuellen Missbrauchs angeklagten Arzt der Kölner Uniklinik für drei Jahre ins

Gefängnis zu schicken. Außerdem darf er anschließend drei Jahre lang keine Patientinnen behandeln. Damit ging das Gericht über den Antrag der Staatsanwältin hinaus, die zwei Jahre und acht Monate gefordert hatte. Nach mehr als sechsmonatiger Verhandlungsdauer stand nach Überzeugung des Gerichts fest, dass der 54-jährige Neurologieprofessor "ohne jegliche medizinische Indikation" drei Patientinnen im Intimbereich unter anderem mit einer Stimmgabel untersucht hatte. Der Arzt hatte den sexuellen Missbrauch bestritten und den Frauen Wahrnehmungsstörungen unterstellt. Im Schlusswort hatte er die Vorwürfe als "unglaublichen Quatsch" bezeichnet und unter Tränen seine Unschuld beteuert. Das Gericht sah das anders, zumal renommierte Sachverstände die Frauen als absolut glaubwürdig eingestuft hatten. Warum Patientinnen mit unterschiedlichen Erkrankungen (Epilepsie, Hirntumor) alle unter der selben Wahnvorstellung leiden sollten, sexuell missbraucht worden zu sein, wollte der Kammer daher nicht einleuchten: "Da war gar nichts, überhaupt nichts", unterstrich der Richter die Integrität der Opfer. Die Verteidigung hatte alle Gutachter mit dem Hinweis mangelnder Kompetenz und fehlerhafter Vorgehensweise abgelehnt. Die Sachverständigen hätten weniger nach gängiger Lehrmeinung als nach dem Motto "stramm behauptet ist halb bewiesen" gearbeitet. Auch einen dritten Gutachter, der erst während des Prozesses beauftragt worden war und den Angeklagten belastete, war von dem Arzt mit dem Argument abgelehnt worden, er sei nicht versiert genug, da er als Neurologe sich schließlich auf diesem Gebiet habilitiert habe. "Mit der Begründung haben Sie sich wissenschaftlich lächerlich gemacht", hielt das Gericht ihm entgegen. Der Arzt hat angekündigt, beim Bundesgerichtshof Revision einzulegen."

Mit der vorliegenden Klage, die am 5. Mai 2003 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, wendet sich der Kläger gegen die Kündigung.

Der Kläger macht geltend, die Kündigung sei unwirksam.

Die beiden Personalräte seien nicht ordnungsgemäß vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung angehört worden.

Zudem habe kein wichtiger Grund vorgelegen, der das beklagte Land zum Ausspruch der Kündigung berechtigt habe. Er bestreitet, die Patientinnen sexuell missbraucht zu haben. Vielmehr habe er sie lege artis untersucht und behandelt. Die Zeuginnen seien aufgrund ihrer Erkrankungen nicht aussagetüchtig gewesen.

Er könne als wissenschaftlicher Mitarbeiter weiterbeschäftigt werden, ohne als Arzt tätig werden zu müssen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitssverhältnis nicht aufgrund de außerordentlichen Kündigung mit Schreiben des beklagten Landes vom 16. April 2003 beendet worden ist,

2. das beklagte Land zu verurteilen, ihn zu ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens in der Klinik und Poliklinik für Neurologie der mit Tätigkeiten weiterzubeschäftigen, die seiner Eingruppierung in die Vergütungsgruppe I a der Anlage 1 a zum BAT entsprechen,

3. hilfsweise das beklagte Land zu verurteilen, ihn zu ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens im Klinikum der mit Tätigkeiten weiterzubeschäftigen, die seiner Eingruppierung in die Vergütungsgruppe I a der Anlage 1 a zum BAT entsprechen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land ist der Ansicht, beide Personalräte seien ordnungsgemäß angehört worden.

Es sei überzeugt, dass sich der Kläger in mehreren Fällen des sexuellen Missbrauchs an Patientinnen durch Vornahme sexueller Handlungen schuldig gemacht habe. Diese Überzeugung bestehe, nachdem das Landgericht Köln den Kläger verurteilt habe. Es habe den Ausgang des Strafverfahrens abgewartet, damit in einem rechtsstaatlichen Verfahren geklärt werde, ob die Vorwürfe zu Recht gegen den Kläger erhoben worden seien. Der Kläger habe sie stets bestritten.

Der sexuelle Missbrauch von Kranken in Krankenhäusern durch Beschäftigte in gehobener Stellung müsse grundsätzlich geeignet sein, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben. Der Kläger habe als Oberarzt ein besonderes Vertrauen bei den Patientinnen genossen. Der Kläger habe seine Position als Arzt ausgenutzt und die ihm gegenüber den Patientinnen obliegenden Pflichten wiederholt aufs Gröbste verletzt. Er besitze nicht die erforderliche charakterliche Eignung. Die Patientinnen müssten davor geschützt werden, dass sich solche Vorfälle wiederholten. Es sei für das beklagte Land auch nicht zumutbar, den Kläger in anderen Tätigkeitsbereichen des Klinikums einzusetzen, da damit das Vertrauen der Bevölkerung in die Verlässlichkeit medizinischer Einrichtungen weiter erschüttert werde. Über das Verhalten des Klägers sei in der Presse ausführlich berichtet worden. Die Bevölkerung differenziere nicht danach, ob der Kläger mit oder ohne Patientenkontakt weiterbeschäftigt werde. Zudem könne der Kläger im Bereich der klinischen Forschung, in dem er seit Bekanntwerden der Vorwürfe bis zu seiner Beurlaubung eingesetzt worden sein, nicht mehr tätig werden, weil seine Approbation ruhe.

Nachdem das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 22. März 2004 dem Kläger aufgegeben hatte, seinen Vortrag zu den Kündigungsgründen zu substantiieren, hat das beklagte Land mit Schriftsatz vom 27. April 2004 die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe im Zusammenhang mit der Behandlung der Patientinnen wie folgt beschrieben:

1. Patientin Frau R

Frau R habe sich am Vormittag des 14. Dezember 1999 wegen erheblicher Gelenkschmerzen in ein Bürogebäude der Universitätskliniken zu einer mit dem Kläger vereinbarten Untersuchung in Begleitung ihres Ehemannes begeben. Zunächst sei ein längeres Anamnesegespräch erfolgt, in dessen Verlauf der Kläger auch Fragen zur Orgasmusfähigkeit und dem Eheleben der Zeugin gestellt habe, die aber jegliche Probleme in diesem Bereich verneint habe. Bei der anschließenden Untersuchung, bei der sich die Zeugin bis auf den Slip habe ausziehen sollen, habe der Kläger Sensibilitätstests durchgeführt. Er habe sich auffallend lange mit den Brüsten der Patientin beschäftigt, die er zunächst mit einer Stimmgabel und dann mit den Händen untersucht habe. Der Patientin sei die Berührung wesentlich sanfter erschienen als es bei Untersuchungen durch einen Gynäkologen der Fall sei. Im weiteren Verlauf der Untersuchung habe der Kläger zur Überraschung der Patientin deren Slip heruntergezogen und ihre Beine angestellt. Sodann habe er mit den Händen - wobei er keine Handschuhe getragen habe - deren Schamlippen auseinandergezogen und die Stimmgabel an den äußeren Schamlippen, am Scheideneingang und an der Klitoris angesetzt. Dabei habe er die Zeugin gefragt, ob sie das spüre und ob sie an bestimmten Stellen mehr spüre als an anderen. Teilweise habe er diese Fragen mehrfach wiederholt. Der Patientin sei klar geworden, dass es sich nicht mehr um eine medizinisch indizierte Untersuchung gehandelt habe. Sie habe aufgrund ihrer Stellung, in der sie sich auf der Untersuchungsliege befunden habe, nicht gewagt, sich zu wehren, sondern nur einsilbig und verkrampft geantwortet, worauf der Kläger die Untersuchung abgebrochen habe.

2. Patientin Frau W

Am späteren Nachmittag des 3. Januar 2000 habe der Kläger Frau W untersucht, die mit Verdacht auf Multiple Sklerose in die Neurologische Klinik eingewiesen worden sei. Nach einem kurzen Anamnesegespräch und nachdem er den Ehemann um das Verlassen des Zimmers gebeten habe, habe der Kläger mit der Stimmgabel eine Sensibilitätsprüfung durchgeführt. Dabei habe die Patientin auf dem Rücken gelegen, wobei der Kläger die Stimmgabel zunächst im Beckenbereich angesetzt habe. Nachdem sich die Patientin auf Aufforderung des Klägers den Slip ausgezogen habe, habe er die Stimmgabel an der Innenseite und sodann auch im Genitalbereich der Zeugin angesetzt. Auf Bitten des Klägers habe sich die Patientin auf den Bauch gelegt. Der Kläger habe sie wiederum mit der Stimmgabel untersucht, wobei er sie gebeten habe, in mehreren Schritten die Beine zu spreizen und das Gesäß zu heben, bis sich die Zeugin in Knie-Ellenbogen-Lage befunden habe. Dann habe der Kläger, der auch bei dieser Untersuchung keine Handschuhe getragen habe, die äußeren Schamlippen der Patientin gespreizt und die Stimmgabel vaginal angesetzt, u.a. an den inneren Schamlippen. Dabei habe er immer wieder gefragt, ob die Patientin das merke. Er habe die Untersuchung erst beendet, als sie angegeben habe, nichts mehr zu spüren. Auch habe der Kläger mit der Zeugin, die unter einem zitternden Knie gelitten habe, diverse Übungen zur Gang- und Standprüfung durchgeführt, welche die Patientin zunächst nur mit Slip bekleidet durchgeführt habe und später auf Wunsch des Klägers in komplett entkleidetem Zustand wiederholt habe. Seit diesem Zeitpunkt lehne die Patientin vaginalen Geschlechtsverkehr in der Stellung "von hinten" ab, wobei sie gegenüber ihrem Mann lediglich angegeben habe, sie könne sich hierfür aufgrund eines Ereignisses in der Universitätsklinik nicht mehr öffnen.

3. Patientin Frau N

Am 19. Januar 2000 habe der Kläger die Patientin, die wegen starker Kopfschmerzen in die Klinik eingeliefert worden sei, im Rahmen eines längeren Anamnesegespräch ausführlich über ihr jetziges Sexualleben sowie über sexuelle Erlebnisse in der Kindheit befragt. Der Kläger habe die Zimmernachbarin der Patientin sowie eine Krankenschwester, die Frau N zu einem Termin in der Augenklinik habe abholen wollen, gebeten, vor dem Zimmer zu warten bzw. den Termin zu verschieben. Der Kläger habe Frau N aufgefordert, sich komplett auszuziehen und auf den Bauch zu legen. Sodann habe er sacht mit der Hand über ihren Körper gestrichen und dies auch fortgesetzt, nachdem die Zeugin sich auf seine Aufforderung hin auf den Rücken gedreht habe. Dabei habe er sie auch im Genitalbereich berührt. Sodann habe der Kläger die Stimmgabel genommen und sie auf verschiedenen Punkten am Körper angesetzt: an beiden Brustwarzen, am Schambein, an der Klitoris und in der Vagina. Danach habe er sie aufgefordert, sich in eine Knie-Ellenbogen-Lage zu begeben. In dieser Position sei er mit einem oder zwei Fingern vaginal in die Zeugin eingedrungen, wobei er den ganzen Finger eingeführt habe. Dabei habe er die Vagina der Patientin von innen abgetastet und sie gefragt, ob sie links oder rechts mehr spüre. Bei der Untersuchung habe der Kläger keine Handschuhe getragen. Er habe sich im Anschluss auch nicht im Krankenzimmer die Hände gewaschen. Die Patientin habe die Untersuchung als sehr schlimm empfunden und sich mit mehreren Mitarbeitern der Klinik darüber ausgetauscht. Sie leide bis heute an den Folgen der Untersuchung durch den Kläger. Ihr Grundvertrauen zu Ärzten sei gestört und sie wolle sich nicht mehr von männlichen Ärzten untersuchen lassen.

4. Patientin Frau P

Am 13. April 2000 habe der Kläger die Patientin, die am Vortrag aufgrund eines epileptischen Anfalls in die Klinik gebracht worden sei, im Verlauf eines ausführlichen Anamnesegesprächs befragt, ob sie einen Freund habe und wann sie zum erstenmal ihre Periode gehabt habe. Am nächsten Tag habe er begonnen, mit der Patientin verschiedene Therapieformen einzuüben, die eine anfallhemmende Wirkung entfalten sollten. Bei diesen Übungen habe die Patientin ihn duzen sollen und ihn zunächst an den Händen, bei späteren Sitzungen auch an den Armen und im Gesicht berühren sollen, was sie auch getan habe. Ab dem 17. April 2000 habe er als weitere Therapieform autogenes Training mit der Patientin eingeübt. Dabei habe sie sich ausziehen müssen, wobei sich der Kläger umgedreht habe. Sie habe sich sodann unter die Bettdecke gelegt. Der Kläger habe seine Hand unter der Decke auf ihren Bauch gelegt. Die Zeugin habe sich dann auf einzelne Körperteile konzentrieren sollen. Am 18. April 2000 habe er im Rahmen einer solchen Therapiesitzung seine Hand von dem Bauch der Zeugin genommen, sie zu ihren Schamhaaren geführt und begonnen, diese zu kraulen, bis ihm die Patientin erklärt habe, sie wolle das nicht. Bei anderer Gelegenheit hätten der Kläger und die Patientin, die bekleidet gewesen sei, gegenüber gesessen und sich an den Schultern berührt. Dabei habe der Kläger einen solch starken Druck auf die Schultern der Patientin ausgeübt, bis sie ihm mitgeteilt habe, dass sie dies störe. Bei einer weiteren Gelegenheit hätten der Kläger und die Patientin, die bekleidet gewesen sei, Rücken an Rücken gesessen. Der Kläger habe wiederum sein Gewicht so sehr auf die Patientin verlagert, bis sie sich beschwert habe. Während einer Nachuntersuchung, bei der er sich allein mit der Patientin im Krankenzimmer befunden habe, habe der Kläger mit der Stimmgabel eine Sensibilitätsuntersuchung bei der Patientin durchgeführt, die nackt in ihrem Bett gelegen habe. Dabei habe er die Stimmgabel an verschiedenen Körperteilen angesetzt, wobei die Zeugin habe sagen sollen, wann sie das Vibrieren nicht mehr spüre. Er habe die Stimmgabel an den Brustwarzen, an den Schamlippen und schließlich, nachdem er die Schamlippen auseinander gezogen habe, an der Scheide der Patientin angesetzt. Frau P habe weder an Empfindungsstörungen im Vaginalbereich gelitten noch über solche geklagt. Auch bei dieser Untersuchung habe der Kläger keine Handschuhe getragen. Es habe weder für das Berühren der Schamhaare noch für den Einsatz der Stimmgabel im Genitalbereich eine medizinische Indikation gegeben. Gleiches habe für den Umstand gegolten, dass sich die Patientin im Rahmen des Entspannungstrainings nackt unter die Bettdecke habe legen sollen.

Der Kläger habe bei den Handlungen eine ärztliche Untersuchung nur vorgetäuscht. Tatsächlich habe er die Patientinnen an den Brüsten und im Genitalbereich mit der Stimmgabel und mit den Fingern berührt, um sich sexuell zu erregen. Für die Durchführung von Untersuchungen mit der Stimmgabel im Genitalbereich hätte der Kläger ein gynäkologisches Konsil einholen müssen.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe bei den Patientinnen Frau R , Frau W , Frau N und Frau P Sensibilitätsuntersuchungen durchgeführt, die zur neurologischen Basisdiagnostik gehörten, die aber erhebliche Erfahrung erforderten, zeitaufwändig und anstrengend sowohl für die Patientin als auch für den Arzt seien. Sie gehörten zum international etablierten Untersuchungsstandard, also zum Kanon neurologischer und allgemeinmedizinischer Untersuchungen.

1. Patientin Frau R

Er habe die Patientin Frau R lege artis untersucht. Er habe weder ihre Brust abgetastet noch ihr die Unterhose heruntergezogen noch ihr Genitale berührt. Er habe unter anderem mit einer neurologischen 64-Hz-Stimmgabel das Vibrationsempfinden an den Extremitäten, am Brustkorb, am Becken und an den großen Muskeln geprüft, wie dies aufgrund der von der Patientin geschilderten Beschwerden indiziert gewesen sei.

2. Patientin Frau W

Bei Frau W habe zum Untersuchungszeitpunkt ein völlig unklares akutes Krankheitsbild vorgelegen. Später habe sich herausgestellt, dass ein wiederholter akuter Hirnentzündungsschub einer Multiplen Sklerose neben einer Sehnerventzündung vorgelegen habe. Er habe die Funktion der wichtigsten Hirnnerven geprüft, in den Achselhöhlen und in der Leiste nach Lymphknoten getastet, Oberarme, Oberschenkel und den Bauch auf Druckschmerzhaftigkeit sowie die Leber auf Größe geprüft und den Puls getastet. Zudem habe er die Haut der von ihm untersuchten Körperregionen inspiziert, den Muskeltonus und die grobe Kraft an den Beinen geprüft. Des Weiteren sei eine Prüfung auf leichte Lähmungen in Vorhalteversuchen, Störungen schneller Wechselbewegungen und der Feinmotorik sowie schließlich die Untersuchung der wichtigsten Muskeleigenreflexe, der Bauchhautreflexe und spastischer Zeichen erfolgt. Mit der neurologischen 64-Hz-Stimmgabel habe er außerdem das Vibrationsempfinden an Zehen- und Fingerkuppen, Schultern und Becken geprüft. Er habe Frau W gebeten, sich die Unterhose herunterzuziehen und sich mit gebeugten Knien auf die Seite zu drehen, weil er, wie stets bei der Frage, ob Multiple Sklerose vorliege, die Analreflexe habe prüfen müssen. Richtig sei, dass Frau W die Unterhose vollständig ausgezogen und sich ins Bett gekniet habe. Zu derartigen Fehlhandlungen komme es häufig im Rahmen einer neurologischen Aufnahmeuntersuchung, insbesondere bei auffassungs- und aufmerksamkeitsgestörten Patienten. Er habe bei der Untersuchung den Genitalbereich von Frau W weder mit der Hand noch durch Ansetzen der neurologischen 64-Hz-Stimmgabel berührt. Frau W sei auch nicht nackt durch den Raum gelaufen, noch habe sie nackt auf einem Bein gestanden. Die Diskrepanz zwischen den Angaben der Patientin und seinen sei unter anderem auf Zeitgitterstörungen zurückzuführen, die typischerweise bei Patienten mit Hirnstörungen aufträten.

3. Patientin Frau N

Auch bei der Zeugin N habe zum Zeitpunkt ihrer Untersuchung ein diagnostisch völlig unklares Krankheitsbild vorgelegen. Später habe sich herausgestellt, dass sich eine viele andere Organsysteme potenziell mitbetreffende hirnorganische Krankheit (Bourneville-Pringel-Krankheit, auch Tuberöse Sklerose genannt) mit einer weiteren hirnorganischen Krankheit (medikamentbedingte Hirnentwicklungs- und Persönlichkeitsreifestörung) und einer psychosomatischen Störung (akute Schmerzstörung in Verbindung mit psychischen Faktoren) überlagert hätten. Er habe sie zu Beginn einer ergänzenden körperlichen Untersuchung am 19. Januar 2000 weder ausführlich zu ihrem Sexualleben noch nach sexuellen Erlebnissen in der Kindheit befragt. Vielmehr habe er nach sexuellen Missbrauchserfahrungen in der Kindheit gefragt, weil solche in der Vorgeschichte von Patienten mit psychosomatischer Störung, die er damals bereits für sehr wahrscheinlich gehalten habe, stark gehäuft angegeben würden. Werde eine solche Traumatisierung berichtet, dürfe eine Untersuchung des Reithosenareals, wie sie bei Frau N wegen ihrer Bourneville-Pringle-Krankheit erforderlich gewesen sei, nur besonders behutsam angegangen werden, um eine Retraumatisierung zu vermeiden. Diese Untersuchung habe Vorrang vor der Doppler-Untersuchung der Hirnaterien gehabt, zu der die Krankenschwester die Patientin habe abholen wollen. Er habe zunächst eine gleichzeitige Inspektion und Sensibilitätsprüfung der Kopf- und Gesichtshaut durch oberflächlichstes Bestreichen mit den Mittelfingerkuppen vorgenommen. Danach habe er die Mundschleimhaut und das Zahnfleisch unter Zuhilfenahme eines Holzspatels und einer Taschenlampe inspiziert. Nachdem er die Patientin gebeten habe, sich zu entkleiden und auf den Bauch zu legen, habe eine gleichzeitige Hautinspektion und Sensibilitätsprüfung an Armen, Rücken und Beinen durch oberflächlichstes Bestreichen mit der Mittelfingerkuppe auf beiden Körperseiten in einem zu einem bestimmten Rückenmarkabschnitt gehörigen Hautareal stattgefunden. Danach habe er mittels der neurologischen 64-Hz-Stimmgabel das Vibrationsempfinden geprüft, und zwar sowohl die Oberflächen- als auch die Tiefensensibilität. Er habe weder die Brustwarzen noch das äußere Genitale der Patientin berührt noch einen oder mehrere Finger oder gar die Stimmgabel in ihre Scheide eingeführt. Er habe die Patientin gebeten, sich in die Knie-Ellenbogen-Lage zu begeben, damit er bei gleichzeitiger Hauptinspektion eine Sensibilitätsprüfung im Reithosenbereich durch oberflächlichstes Bestreichen mit den Daumenkuppen in den hufeisenförmig vom Kreuzbein zur Oberschenkelrück- und -innenseite ziehenden, aus den untersten Rückenmarkabschnitten mit Nerven versorgten Hautarealen habe vornehmen können. Anschließend habe er das Vibrationsempfinden am Sitzbeinhöcker und im großen Gesäßmuskel mittels der Stimmgabel geprüft, seitengetrennt die Tiefensensibilität geprüft durch mäßigen Druck auf das Sitzbein sowie eine visuelle Überprüfung der Geschwindigkeit und Effektivität der willkürlichen Anspannung und Entspannung des Analsphinkters und der Beckenbodenmuskulatur auf Aufforderung vorgenommen. Dies habe zum Kanon der neurologischen Untersuchungsmethoden gehört. Auch hier sei die Diskrepanz zu den Angaben der Patientin auf die Hirnstörungen bei der Patientin zurückzuführen.

4. Patientin Frau P

Bei der Patientin Frau P habe ein völlig unklares Krankheitsbild vorgelegen. Später habe sich herausgestellt, dass sie an drei hirnorganischen Krankheiten gelitten habe (ein mäßig bösartiger Hirntumor an der Spitze des linken Schläfenlappens, eine angeborene Hirnmissbildung mit relativer Minderentwicklung der linksseitigen Großhirnrinde einschließlich des Hippokampus, eine vom linken Hippokampus ausgehende Epilepsie mit 2 bis 3 Anfällen pro Woche), die sich mit ihrer jugendlich unreifen Persönlichkeit überlagert hätten. Ende Juni/Anfang Juli 2000 sei eine schwere, das ganze Hirn betreffende Funktionsstörung durch medikamentenspezifische Stoffwechselveränderungen und eine relative Überdosierung eines anfallshemmenden Medikaments hinzugekommen. Er habe an insgesamt 12 Tagen ausführliche Gespräche mit der Patientin über ihre Epilepsie, über daraus zu ziehende Konsequenzen für das Leben, über Untersuchungsmethoden, aktuelle Befunde, verschiedene Therapiemöglichkeiten einschließlich einer Hirnoperation geführt. Dabei habe er einige Tatsachen auus der entwicklungsbiologisch/gynäkologischen Vorgeschichte erfragen müssen, da epileptische Anfälle zu einer Verspätung der ersten Monatsblutung im Leben und zu Zyklusunregelmäßigkeiten führen könnten, was bei der Patientin auch der Fall gewesen sei. Geduzt habe er Frau P nur bei dem zunächst fremdsuggestiv geführten Autogenen Training, das er sowohl zur Stärkung ihres Selbstbewusstseins in Vorbereitung auf die Entscheidung über eine gefährliche, womöglich lebensnotwendige Hirnoperation als auch zur besseren Körperkontrolle und zur Vorbeugung von epileptischen Anfällen eingesetzt habe. Da bei hirnorganisch Kranken am zuverlässigsten durch den subjektiven Eindruck der Nacktheit die Bedingung für die Anwendung des Autogenen Trainings geschaffen werde, habe sie während der ersten beiden Sitzungen unbekleidet unter der Bettdecke gelegen. Um die Fähigkeit zu erreichen, die absehbar schwierige Lebensphase im Anschluss an die Operation zu meistern, habe es ihm gelingen müssen, ihr in einem schnellen Lernprozess zu vermitteln, dass sie nur selbst Herrin der Lage sei und entscheide, was mit ihr geschehe. Eine solche Befähigung gelinge einer wohlerzogenen Heranwachsenden niemals nachhaltig. Vielmehr müsse sie das Prinzip eigenverantwortlicher Zustimmung oder Ablehnung aktiv erleben. Daher habe er zu einer kurzen verhaltenstherapeutischen Übung mit einer negativen Verstärkungstechnik gegriffen, bei der die Patientin nicht gewusst habe, um was es gegangen sei. Das Wirkprinzip sei dabei ähnlich wie bei einem Witz, der auch nicht mehr greife, wenn man ihn vorher erkläre. Die erste derartige Übung habe am 18. April 2000 stattgefunden und habe lediglich aus einer kurzen gezielten Provokation bestanden, indem er seine bislang stets bewegungslos ruhende rechte Hand auf dem Bauch der Patientin leicht bewegt habe. Auch durch die Ausübung von Druck und Gewicht im Rahmen kurzer Verhaltensübungen habe er das Selbstwertgefühl der Patientin und ihre Fähigkeit zu autonomen Entscheidungen gefördert. Die einzige körperliche Nachuntersuchung habe etwa sechs Minuten gedauert, nachdem er die Patientin über Sinn und Umfang aufgeklärt und um Kooperation gebeten habe. Zunächst habe er an der bekleideten Patientin eine Stand- und Gangprüfung sowie eine Testung der Feinmotorik und Körperlateralität durchgeführt. Nachdem sich die Patientin bis auf BH und Unterhose entkleidet habe, habe er ihre Muskeleigenreflexe und eventuelle Primitivreflexe überprüft, wobei er die 64-Hz-Stimmgabel zur Testung ihr Vibrationsempfindens eingesetzt habe. Anschließend habe er die Haut der entkleideten Patientin von Kopf bis Fuß, zunächst in Bauch- und dann in Rückenlage, inspiziert. Er habe weder die Brustwarzen der Patientin noch ihr äußeres Genital oder gar ihre Vagina mit Händen oder der 64-Hz-Stimmgabel berührt. Die Diskrepanz der Angaben der Patientin zu seiner Schilderung sei auf Zeitgitterstörungen zurückzuführen, wie sie typisch bei Patienten mit Hirnstörungen seien.

Das Arbeitsgericht Köln hat durch Urteil vom 23. Juni 2004 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Verurteilung des Klägers durch das Landgericht Köln, das Berufsverbot und das Ruhen der Approbation seien als personenbedingter Grund an sich geeignet, den Ausspruch der Kündigung zu rechtfertigen. Zwar sei nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein nicht rechtskräftiges Strafurteil allein nicht geeignet, eine Tatkündigung zu rechtfertigen. Jedoch könne eine Weiterbeschäftigung unzumutbar werden, wenn die Voraussetzungen einer (betriebsbedingten) Druckkündigung vorlägen. Die Übertragung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall mache die Vorname eigener weiterer Ermittlungen und die vom Kläger beantragte Vernehmung der Patientinnen überflüssig. Kündigungsgrund sei neben der erstinstanzlichen (strafgerichtlichen) Verurteilung die Notwendigkeit einer Reaktion durch das beklagte Land auf den Öffentlichkeitsdruck, der es erfordere, das Ansehen der sich in öffentlicher Hand befindlichen Klinik, welches schon durch den Tatbestand der Verurteilung leide, und die Konsequenzen für ihren Ruf und das in sie gesetzte Vertrauen in der Öffentlichkeit wiederherzustellen. Im Falle einer Weiterbeschäftigung des Klägers - welcher Art auch immer im Rahmen der Eingruppierung, die einer Position mit Verantwortung entspreche - hätte der Ruf der Kliniken und ihr Ansehen sowie das Vertrauen nicht nur in die beim beklagten Land beschäftigten Ärzte, sondern auch ihrer übrigen in Leitungspositionen eingesetzten Mitarbeiter nachhaltigen Schaden nehmen können. Aus Sicht der Öffentlichkeit und der (potentiellen) Patienten wäre es unverständlich, wenn nach einer einschlägigen erstinstanzlichen Verurteilung die Weiterbeschäftigung eines Mitarbeiters auf leitender Ebene erfolge. Bei der Interessenabwägung sei zu Lasten des Klägers auch zu berücksichtigen, dass er im letzten Kammertermin am 23. Juni 2004 die von ihm bestrittenen Behandlungsmethoden als absolut lege artis verteidigt habe, so das Einführen eines unbehandschuhten Fingers in die Vagina einer Patientin der Klinik für Neurologie. Die Kammer sei aufgrund mangelnder Einsicht (des Klägers) daher zu der Ansicht gelangt, dass es - unabhängig von jeglicher medizinischer Plausibilität - dem Kläger auch für die Zukunft an der notwendigen Sensibilität für die Präsentation des beklagten Landes als Führungskraft fehle. Der Personalrat sei ordnungsgemäß angehört worden, da das beklagte Land den Personalrat über die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterrichtet habe.

Das Urteil ist dem Kläger am 30. September 2004 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 8. September 2004 Berufung einlegen und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30. Dezember 2004 - am 30. Dezember 2004 begründen lassen.

Der Kläger rügt weiterhin, die Personalräte seien nicht ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigung angehört worden. Ausweislich der Anhörungsschreiben seien die Personalräte nur über die strafgerichtliche Verurteilung des Klägers, nicht aber über die ihm vorgeworfenen Taten unterrichtet worden. Im Übrigen enthalte selbst die kurze Mitteilung über die strafgerichtliche Verurteilung mehrere Fehler. So seien das falsche Gericht (Amtsgericht statt Landgericht) und ein unrichtiges Urteilsaktenzeichen (505 Gs 2427/00 statt - 114 - 18/01 -) angegeben worden. Schwerer wiege der Umstand, dass die Personalräte dahin unterrichtet worden seien, er sei "wegen sexuellen Missbrauchs von Kranken und sexueller Nötigung" verurteilt worden, obwohl tatsächlich die Verurteilung "wegen sexuellen Missbrauchs von Kranken in Einrichtungen" erfolgt sei, wobei eine sexuelle Nötigung sowohl nach der Art der Tat als auch nach dem Ausmaß der Strafandrohung (Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bis zu 15 Jahren) erheblich schwerer wiege. Er bestreitet, dass die Personalräte vor Ausspruch der Kündigung mündlich über die ihm vorgeworfenen Straftaten im Einzelnen unterrichtet worden sind. Das beklagte Land begründe seine Kündigungsvorwürfe mit Ausführungen, die ersichtlich dem strafgerichtlichen Urteil entnommen worden seien. Da das strafgerichtliche Urteil aber erst nach Ausspruch der Kündigung am 9. August 2003 zugestellt worden sei, habe das beklagte Land bei der Anhörung noch keine Kenntnis von diesen ohnehin unzutreffenden Feststellungen des Strafgerichts haben können. Er bestreitet darüber hinaus, dass den Personalräten der Bericht des Kölner Stadtanzeigers vom 5./6. April 2003 über die strafgerichtliche Verurteilung durch das Landgericht Köln bei der Anhörung vorgelegt worden ist. Im Übrigen würden in dem Bericht nicht die Einzelheiten der ihm vorgeworfenen Taten geschildert. Zudem werde darin der Eindruck erweckt, er habe eine Stimmgabel als Sexspielzeug verwandt, obwohl es sich um ein anerkanntes neurologisches Untersuchungsinstrument handle.

Das Arbeitsgericht habe die verschiedenen Tatbestände einer personenbedingten Kündigung wegen mangelnder Eignung und einer betriebsbedingten Druckkündigung miteinander vermischt. Allein das zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch nicht rechtskräftige Strafurteil rechtfertige nicht eine personenbedingte Kündigung wegen mangelnder Eignung. Zudem sei in dem Strafurteil von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden. Sämtliche Untersuchungen und Behandlungen seien lege artis und in Übereinstimmung mit den einschlägigen Richtlinien von ihm durchgeführt worden. Die Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Druckkündigung hätten nicht vorgelegen. Es sei nicht einmal dargelegt worden, welche konkreten Nachteile sich für das beklagte Land bei einer Weiterbeschäftigung ergeben hätten. Presseberichte seien jedenfalls schon vom Grundsatz her nicht geeignet, eine betriebsbedingte Druckkündigung zu rechtfertigen. Im Übrigen lasse sich den Zeitungsberichten nicht entnehmen, dass die Presse eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses gefordert habe. Es sei auch nicht dargelegt worden, dass Patientinnen oder Patienten Bedenken gegen eine Behandlung in der neurologischen Klinik erhoben hätten, oder dass die Zahl der behandelten Patienten rückläufig sei. Das beklagte Land habe nichts unternommen, um Fehlvorstellungen aufgrund einer tendenziösen und von mangelnder Sachkenntnis geprägten Presseberichterstattung entgegenzutreten. Er habe in der erstinstanzlichen Kammerverhandlung am 23. Juni 2004 ausgeführt, das Einführen eines unbehandschuhten Fingers in die Vagina (nicht: bei einer Patientin der Klinik für Neurologie) könne als Untersuchungsmethode (nicht: Behandlungsmethode) unter neurologischen Gesichtspunkten lege artis sein. Denn es gebe keine kodifizierte Vorschrift des Inhalts, dass bei der Durchführung einer solchen Untersuchung Handschuhe durch das ärztliche Personal zu tragen seien.

Er trägt weiter vor, das beklagte Land sei verpflichtet, ihn bereits während der Dauer des Kündigungsrechtsstreits als wissenschaftlichen Mitarbeiter entweder in der Klinik und Poliklinik für Neurologie oder in einer anderen Einrichtung des Klinikums der weiterzubeschäftigen mit Tätigkeiten, die seiner Eingruppierung in die Vergütungsgruppe I a der Anlage 1 a zum BAT entsprächen. Er wolle aus Gründen des Selbstschutzes keinen Kontakt zu Patientinnen und Patienten haben. So könne er mit den Aufgaben betraut werden, die er bereits während des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens verrichtet habe. Er sei als hochqualifizierter Wissenschaftler in besonderem Maße darauf angewiesen, wenigstens im Bereich der wissenschaftlichen Forschung - mit dem Schwerpunkt funktionelle und Verhaltensneurologie - sowie der Lehre tätig zu bleiben. Er verweist auf sein umfangreiches wissenschaftliches Werk. Zudem sei die Beschäftigung für ihn von existenzieller Bedeutung. Im Internet seien zuletzt die Stelle einer/eines "Auditorin/Auditor" für das Koordinierungszentrum für klinische Studien (Stellenbeschreibung: Bl. 498 - 499 d. A.) und die Stelle einer/eines "Projektleiterin/Projektleiters" wiederum für dieses Koordinierungszentrum ausgeschrieben worden, wobei beide Stellen nach Vergütungsgruppe I b BAT bewertet seien. Er habe die für beide Stellen vorausgesetzte Qualifikation.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 23. Juni 2004 - 11 Ca 5168/03 -

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung mit Schreiben des beklagten Landes vom 16. April 2003 aufgelöst ist,

2. das beklagte Land zu verurteilen, ihn zu ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens in der Klinik und Poliklinik für Neurologie der mit Tätigkeiten weiterzubeschäftigen, die seiner Eingruppierung in die Vergütungsgruppe I a der Anlage 1 a zum BAT entsprechen,

3. hilfsweise das beklagte Land zu verurteilen, ihn zu ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens im Klinikum der mit Tätigkeiten weiterzubeschäftigen, die seiner Eingruppierung in die Vergütungsgruppe I a der Anlage 1 a zum BAT entsprechen,

4. äußerst hilfsweise das Verfahren bis zur Entscheidung des 2. Senates des Bundesverfassungsgerichts in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Klägers - AZ: 2 BvR 836/04 - auszusetzen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es trägt vor, die beiden Personalräte seien ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigung angehört worden.

Der Personalrat Wissenschaft der sei am 7. April 2003 durch einen Sachbearbeiter der Personalabteilung des Klinikums angehört worden. Herr R sei zur persönlichen Berichterstattung von dem Vorsitzenden dieses Personalrats eingeladen worden. Er habe dabei die Pflichtverletzungen geschildert, die dem Kläger zu Last gelegt worden seien. Welchen Wortlaut er hierbei verwandt habe, sei nicht mehr im Einzelnen zu ermitteln. Aus den Unterlagen könne jedoch rekonstruiert werden, dass Herr R dem Personalrat Wissenschaft der den zitierten Artikel aus dem Kölner Stadt-Anzeiger vom 5./6. April 2003 vorgelegt habe. Der Zeitungsartikel beinhalte sämtliche dem Kläger zur Last gelegten Vorwürfe, das Strafmaß, das Berufsverbot und die vom Kläger angekündigte Revisionseinlegung. Herr R habe dem Personalrat mitgeteilt, dass er aufgrund der Verurteilung keinen Zweifel daran habe, dass der Kläger die ihm zur Last gelegten Taten begangen habe. Ob Herr R auch die Namen der Patientinnen genannt habe, lasse sich nicht mehr ermitteln.

Am 8. April 2003 habe Herr R dem Vorsitzenden des Personalrats Wissenschaft der Universität das vom Rektor unterschriebene Anhörungsschreiben übergeben. Der Personalratsvorsitzende habe daraufhin bereits mündlich mitgeteilt, der Personalrat erhebe keine Einwände gegen die beabsichtigte Kündigung. Vorsorglich habe er mit Schreiben vom 8. April 2003 mitgeteilt, er habe "auf seiner gestrigen Sitzung" beschlossen, keine Einwendungen zu erheben.

Dem Vorsitzenden des Personalrats Wissenschaft des Klinikums habe Herr R am 8. April 2003 das vom Rektor der unterzeichnete Anhörungsschreiben samt dem Artikel aus dem Kölner Stadt-Anzeiger vom 5../6. April 2003 übergeben. Dem Vorsitzenden dieses Personalrats seien die Vorwürfe bereits bekannt gewesen, da er am 7. April 2003 an der Sitzung des Personalrats Wissenschaft der Universität als dessen Mitglied teilgenommen habe. Er habe anhand des Zeitungsartikels die Mitglieder des Personalrats Wissenschaft des Klinikums unterrichtet, die danach davon ausgegangen seien, dass der Kläger die ihm zur Last gelegten Pflichtverletzungen entsprechend der Verurteilung durch das Landgericht Köln auch begangen habe. Auf einer Sondersitzung am 11. April 2003, an der auch der Vorsitzende des Personalrats Wissenschaft der teilgenommen habe, habe der Personalrat Wissenschaft des Klinikums beschlossen, keine Bedenken gegen die beabsichtigte außerordentliche Kündigung zu erheben und dies mit dem an den Ärztlichen Direktor des Klinikums gerichteten Schreiben vom 14. April 2003 mitgeteilt. An der Sitzung habe auch der Kläger teilgenommen, der angehört worden sei. Der Kläger habe gebeten, der Kündigung zu widersprechen, da er auf die Bezüge angewiesen sei. Dem habe der Vorsitzende des Personalrats Wissenschaft der Universität entgegengehalten, der Kläger sei bereits seit längerer Zeit unter Fortzahlung der Bezüge beurlaubt gewesen. Für den Personalrat bestehe nunmehr keine Veranlassung, der Kündigung zu widersprechen, da er über keine besseren Erkenntnisquellen als das Strafgericht verfüge.

Für die außerordentliche Kündigung habe ein wichtiger Grund vorgelegen.

Sie sei als personenbedingte Druckkündigung wirksam. Die Berichterstattung in der regionalen und überregionalen Presse sei geeignet gewesen, die Reputation des beklagten Landes und des Klinikums der zu beeinträchtigen. Zunächst sei das beklagte Land seiner Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger dadurch in hohem Maße nachgekommen, dass es keine Verdachtskündigung nach Erhebung der Anklage erklärt habe. Nach der strafgerichtlichen Verurteilung hätte eine Weiterbeschäftigung des Klägers zu einer noch erheblicheren Beeinträchtigung der Reputation geführt. Es hätte mit einem nicht absehbaren wirtschaftlichen Schaden gerechnet werden müssen.

Als personenbedingte Kündigung sei sie auch wirksam, weil der Kläger aufgrund des vom Landgericht Köln ausgesprochenen Berufsverbotes und aufgrund des von Bezirksregierung Köln verfügten Ruhens der Approbation nicht mehr in der Lage sei, seine ärztliche Tätigkeit zu verrichten. Auch wenn das Strafurteil zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch nicht rechtskräftig gewesen sei, so sei doch die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Ruhens der Approbation durch Bescheid vom 9. April 2003 bereits verfügt gewesen.

Sie sei auch aus verhaltensbedingten Gründen wirksam. Schon der Umstand, dass ein nicht rechtskräftiges Strafurteil gegen den Kläger wegen sexuellen Missbrauchs von Patientinnen ergangen sei, stelle einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund dar. Der Kläger habe sich in den "Geruch" der sexuellen Belästigung gebracht und damit erheblich seine Pflicht verletzt, auch nur den Anschein zu vermeiden, er missbrauche seine herausgehobene Position und das in ihn durch Arbeitgeberin und Patienten gesetzte Vertrauen. Er habe ohne vorherige eingehende Aufklärung der Patientinnen und ohne Hinzuziehung des weiblichen Pflegepersonals Untersuchungen im Genital- und Analbereich von Patientinnen vorgenommen und dabei den Eindruck erweckt, es lägen mehr sexuell motivierte als medizinisch notwendige Handlungen vor. Die anhaltende Uneinsichtigkeit des Klägers ergebe sich aus seiner Erklärung in der mündlichen Verhandlung am 23. Juni 2004 vor dem Arbeitsgericht Köln, wonach das Einführen eines unbehandschuhten Fingers in die Vagina einer Patientin ohne Hinzuziehung von weiblichem Hilfspersonal absolut lege artis sei.

Jedenfalls rechtfertigten die Taten, wegen derer der Kläger inzwischen rechtskräftig verurteilt worden sei, eine verhaltensbedingte Kündigung. Es wiederholt dazu sein erstinstanzliches Vorbringen.

Eine Weiterbeschäftigung des Klägers im Klinikum der komme nicht in Betracht, da die Approbation des Klägers ruhe. Dies gelte auch für den Bereich der ärztlichen Forschung. Abgesehen davon würde eine Weiterbeschäftigung des Klägers zu nachhaltigen Schäden für das Klinikum der führen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 c ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

B. Die Berufung hat in der Sache auch teilweise Erfolg.

I. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes mit Schreiben vom 16. April 2003 aufgelöst worden.

1. Soweit das beklagte Land die Kündigung damit begründet, der Kläger habe die Patientinnen sexuell missbraucht, fehlt es an der erforderlichen Anhörung des Personalrats zu diesem Kündigungsgrund.

a) Nach § 72 a Abs. 2 LPVG ist dem Personalrat vor außerordentlichen Kündigungen anzuhören. Hierbei sind die Gründe, auf die sich die beabsichtigte Kündigung stützen soll, vollständig anzugeben. Hat der Personalrat gegen eine außerordentliche Kündigung Einwendungen, gibt er diese binnen einer Woche dem Leiter der Dienststelle schriftlich zur Kenntnis. Nach § 72 a Abs. 3 LPVG ist eine ohne Beteiligung des Personalrats ausgesprochene Kündigung unwirksam.

aa) Soweit der Personalrat Wissenschaft der zu beteiligen war, ist zunächst festzuhalten, dass das Beteiligungsverfahren nach dem Vorbringen des beklagten Landes am 7. April 2003 durch einen Sachbearbeiter aus der Personalabteilung des Klinikums eingeleitet worden ist.

Es ist nicht dargetan worden, inwiefern der Sachbearbeiter aus der Personalabteilung des Klinikums, also einer rechtlich selbständigen Anstalt, zur Einleitung des Anhörungsverfahrens überhaupt berechtigt war. Nach § 111 Abs. 1 S. 3 LPVG handelt für die Hochschule der Rektor. Für seine Vertretung gilt, da die Anwendbarkeit von § 8 Abs. 3 LPVG ausgeschlossen ist, nur die allgemeine Regelung nach § 8 Abs. 1 LPVG, wonach er sich durch seinen ständigen Vertreter oder den Leiter der für Personalangelegenheiten zuständigen Abteilung vertreten lassen kann, soweit dieser entscheidungsbefugt ist.

Gegen die Berechtigung zur Einleitung des Anhörungsverfahrens spricht auch der Umstand, dass der Rektor der Universität mit einem am 8. April 2003 beim Personalrat Wissenschaft der Universität eingegangenen Schreiben selbst das Anhörungsverfahren eingeleitet hat. In dem Schreiben fehlt jegliche Bezugnahme auf ein bereits am 7. April 2003 mündlich eingeleitetes Anhörungsverfahren.

bb) Soweit der Personalrat Wissenschaft des Klinikums zu beteiligen war, ist das Anhörungsverfahren am 8. April 2003 durch Schreiben des Rektors vom 7. April 2003 eingeleitet worden. Die Zustimmung hat der Personalrat mit einem am 15. April 2003 bei dem Kaufmännischen Direktor der eingegangenen Schreiben mitgeteilt.

b) Für die Anhörung der Personalräte nach § 72 a Abs. 2 LPVG gelten dieselben Grundsätze wie für die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG. Eine Kündigung ist danach nicht erst dann unwirksam, wenn eine Unterrichtung ganz unterblieben ist, sondern schon dann, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug nachkommt.

Diese Unwirksamkeit besteht unabhängig davon, ob und wie der Betriebsrat zu der mangelhaften Anhörung Stellung genommen hat. Die Stellungnahme des Betriebsrats ist nicht geeignet, Fehler des Arbeitgebers bei der Anhörung, die in zwei Verfahrensabschnitten abläuft, zu heilen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, z. B. Urteil vom 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 -).

Der Arbeitgeber hat der Arbeitnehmervertretung die Personalien des zu kündigenden Arbeitnehmers, die Kündigungsart sowie die Kündigungsgründe mitzuteilen. Die Kennzeichnung des Sachverhalts muss dabei so umfassend sein, dass der Personalrat ohne eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich ein Bild zu machen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, z. B. Urteil vom 5. April 2001 - 2 AZR 159/00 -). Die Kündigungsgründe dürfen nicht nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig umschrieben sein (vgl. BAG, Urteil vom 15. Dezember 1994 - 2 AZR 327/94 -) oder sich lediglich in einem Werturteil erschöpfen, ohne dass die für seine Bewertung maßgeblichen Tatsachen mitgeteilt wurden (vgl. BAG, Urteil vom 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 -). Zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information der Arbeitnehmervertretung gehört auch die Unterrichtung über dem Arbeitgeber bekannte und von ihm als für eine Stellungnahme des Betriebsrats/des Personalrats möglicherweise bedeutsam erkannte Tatsachen, die den Arbeitnehmer entlasten und gegen den Ausspruch einer Kündigung sprechen (vgl. BAG, Urteil vom 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 - und vom 6. Februar 1997 - 2 AZR 265/96 -). Eine bewusst und gewollt unrichtige oder unvollständige Mitteilung der für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers maßgebenden Kündigungsgründe ist wie eine Nichtinformation des Betriebsrats zu behandeln (vgl. BAG, Urteil vom 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 -).

Auf nicht mitgeteilte Tatsachen, die dem Arbeitgeber bei Einleitung des Anhörungsverfahrens bekannt waren, kann sich der Arbeitgeber im späteren Kündigungsschutzprozess nicht stützen. Insoweit besteht ein betriebsverfassungsrechtliches/personalvertretungsrechtliches Verwertungsverbot. Das gilt allerdings dann nicht, wenn die betreffenden Tatsachen lediglich der Erläuterung der mitgeteilten Kündigungsgründe dienen, den Kündigungsgrund als solchen aber unberührt lassen. Ein nur eingeschränktes Verwertungsverbot gilt für Tatsachen, die dem Arbeitgeber bei Einleitung des Anhörungsverfahrens und bei Ausspruch der Kündigung nicht bekannt waren. Derartige Tatsachen kann der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess nachschieben, wenn er das Anhörungsverfahren nachholt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: vgl. z. B. BAG, Urteil vom 27. März 2003 - 2 AZR 699/01 -). Verfügt der Betriebsrat allerdings bereits über den erforderlichen Kenntnisstand, um eine Stellungnahme abgeben zu können, und weiß dies der Arbeitgeber oder kann er es nach den gegebenen Umständen als sicher annehmen, wäre es reine Förmelei, dem Arbeitgeber noch eine detaillierte Begründung abzuverlangen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, z. B. Urteil vom 15. Dezember 1994 - 2 AZR 327/94 -). Dies gilt auch hinsichtlich der Kenntnis über die Tatvorwürfe, die einer Strafverurteilung zugrunde liegen, wobei das Wissen des Personalratsvorsitzendem dem Personalrat zuzurechnen ist (vgl. BAG, Urteil vom 18. November 1999 - 2 AZR 852/98 -). Allerdings muss es sich hierbei um den aktuellen, d. h. um den mit der konkret beabsichtigten Kündigung sachlich und zeitlich im Zusammenhang stehenden Kenntnisstand handeln (vgl. BAG, Urteil vom 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 -).

Da die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG nicht darauf abzielt, die Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung zu überprüfen, sondern sich darauf beschränkt, im Vorfeld der Kündigung auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen, sind an die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Anhörungsschreiben allerdings nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungslast im Kündigungsschutzprozess. Es gilt der Grundsatz der sogenannten "subjektiven Determinierung", demzufolge der Betriebsrat immer dann ordnungsgemäß angehört worden ist, wenn der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat. Teilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat objektiv kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen nicht mit, weil er die Kündigung darauf (zunächst) nicht stützen will oder weil er sie bei seinem Kündigungsentschluss für unerheblich oder entbehrlich hält, dann ist die Anhörung selbst ordnungsgemäß. Die in objektiver Hinsicht unvollständige Unterrichtung hat lediglich "mittelbar" die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge, wenn der mitgeteilte Sachverhalt zur Rechtfertigung der Kündigung nicht ausreicht, weil es dem Arbeitgeber verwehrt ist, Gründe nachzuschieben, die nicht Gegenstand der Betriebsratsanhörung waren (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, z. B. Urteil vom 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 -).

c) Durch die Anhörungsschreiben vom 8. April 2003 sind die Personalräte nicht über die einzelnen Tatvorwürfe unterrichtet worden. Vielmehr ist ihnen mitgeteilt worden, dass der Kläger zu einer 3-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Da nicht ersichtlich ist, dass die Angabe, er sei nicht nur wegen sexuellen Missbrauchs von Kranken, sondern auch wegen einer nach dem Strafmaß erheblich schwerwiegenderen sexuellen Nötigung verurteilt worden, bewusst und gewollt unrichtig war, führt diese Falschangabe allerdings nicht zur Unwirksamkeit der Personalratsanhörung.

d.) Auch bei einer gleichzeitigen Vorlage des Berichts aus dem Kölner Stadt-Anzeiger vom 5./6. April 2003 ist der Personalrat nur über die nicht rechtskräftige Verurteilung als solche, dagegen nicht in ausreichendem Maße über die Tatvorwürfe unterrichtet worden. Die Ausführungen in dem Zeitungsbericht, der Kläger habe ohne jegliche medizinische Indikation drei Patientinnen mit unterschiedlichen Erkrankungen (Epilepsie, Hirntumor) im Intimbereich unter anderem mit einer Stimmgabel untersucht und sie dabei sexuell missbraucht, versetzten den Personalrat nicht in der Lage, selbst die Stichhaltigkeit der Tatvorwürfe zu prüfen und sich ein Bild zu machen. Es fehlen in dem Zeitungsbericht jegliche Angaben über die äußeren Umstände der Untersuchungen, über die konkreten Beschwerden der Patientinnen sowie über die Art und Weise der dem Kläger vorgeworfenen Untersuchungshandlungen. Insbesondere fehlen auch Angaben über das Vorbringen des Klägers, soweit er im Unterleibsbereich Untersuchungen vorgenommen habe, seien diese nach den von Patientinnen geschilderten Beschwerden ärztlich angezeigt gewesen. Auf die Funktion einer 64-Hz-Stimmgabel bei neurologischen Sensibilitätsuntersuchungen ist nicht hingewiesen worden.

e.) Über die Behauptung des beklagten Landes, der Sachbearbeiter R habe bereits am 7. April 2004 den Personalrat Wissenschaft der Universität "mit eigenen Worten" über die von dem beklagten Land im Kündigungsschutzverfahren vorgetragenen Tatvorwürfe im Hinblick auf die beabsichtigte außerordentliche Kündigung unterrichtet, war nicht Beweis zu erheben.

Die Beweisantritte des beklagten Landes sind unzulässig. Denn sie sind auf eine Ausforschung der benannten Zeugen angelegt, so dass die Vernehmung einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dargestellt hätte.

Wird ein Beweis angetreten, bei dem es an der Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsachen fehlt und sollen durch die beabsichtigte Beweiserhebung erst die Grundlagen für substantiierte Tatsachenbehauptungen gewonnen werden, ist dieser Beweisantritt unzulässig und unbeachtlich. Gemäß § 373 ZPO muss die beweispflichtige Partei diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu denen der Zeuge vernommen werden soll. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder der Gegenwart angehörende Geschehnisse oder Zustände. Entsprechen die unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen nicht diesen Anforderungen, hat die Beweiserhebung aufgrund dieses unzulässigen Ausforschungsbeweisantritts zu unterbleiben (vgl. BAG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - 5 AZR 566/98 -).

Spätestens nachdem dem beklagten Land im Berufungsverfahren mit Beschluss vom 28. Juni 2005 ausdrücklich aufgegeben worden war, im Einzelnen vorzutragen, was diese "eigenen Worte" waren, oblag es ihm, sein Vorbringen zu substantiieren. Stattdessen hat es sein Vorbringen wiederholt, er habe die Pflichtverletzungen geschildert, die dem Kläger zu Last gelegt worden seien. Welchen Wortlaut er dabei verwandt habe, sei nicht mehr im Einzelnen zu ermitteln. Es habe aus den Unterlagen nur noch rekonstruiert werden können, dass Herr R den besagten Zeitungsartikel dem Personalrat am 7. April 2004 vorgelegt habe. Herr R habe zudem mitgeteilt, dass er aufgrund der Verurteilung keinen Zweifel habe, dass der Kläger die ihm zur Last gelegten Taten begangen habe. Es lasse sich nicht ermitteln, ob er die Namen der Patientinnen mitgeteilt habe.

Es kann nicht Aufgabe einer Beweiserhebung sein, festzustellen, ob und ggf. was ein Zeuge über das hinaus konkret erklärt oder vorgelegt hat, was die beweispflichtige Partei hat ermitteln können.

Gegen eine ausführliche Unterrichtung des Personalrats über die Tatvorwürfe spricht im Übrigen, dass das beklagte Land noch in der Klageerwiderung vom 30. Juli 2003 allein auf die nicht rechtskräftige Verurteilung des Klägers durch das Landgericht Köln abgestellt hatte. Erst nach gerichtlicher Auflage vom 22. März 2004 hat es mit Schriftsatz vom 27. April 2004 zu den Tatvorwürfe im Einzelnen vorgetragen, und zwar ersichtlich anhand von Feststellungen, die das Landgericht Köln in seinem bei der Anhörung der Personalräte noch nicht zugestellten Urteil getroffen hat. Es muss sich die Frage stellen, weshalb das beklagte Land nicht bereits in der Klageerwiderung vom 30. Juli 2003 die Tatvorwürfe im Einzelnen geschildert hat, wenn Bestandteil der Anhörung des Personalrats eine ausführliche Schilderung der einzelnen strafbaren Handlungen gewesen war.

Schließlich ist festzuhalten, dass sich aus dem Vorbringen des beklagten Landes nicht ergibt, ob und ggf. wie der Personalrat über die Einlassung des Klägers unterrichtet worden ist.

Auch über die Unterrichtung des Personalrats Wissenschaft des Klinikums zu den Kündigungsgründen war nicht Beweis erheben, da die Beweisantritte des beklagten Landes in gleicher Weise unzulässig waren.

Die Unterrichtung soll dadurch erfolgt sein, dass der Vorsitzende dieses Personalrats in der Sitzung am 11. April 2003 Erklärungen des Zeugen R vor dem Personalrat Wissenschaft der wiedergegeben hat. Auch dazu beschränkt sich das beklagte Land auf einen Hinweis auf die von ihm vorgetragenen Tatvorwürfe, ohne im Einzelnen darzustellen, was konkret erklärt worden ist.

Nach alledem muss davon ausgegangen werden, dass die Personalräte nicht in der erforderlichen Weise über die eigentlichen Tatvorwürfe, die der Strafverurteilung zugrunde liegen, unterrichtet worden sind. Dies hat zur Folge, dass sich das beklagte Land im vorliegenden Kündigungsschutzprozess zur Begründung der Kündigung nicht auf diese Tatvorwürfe stützen kann.

2.) Soweit das beklagte Land die Kündigung auf die zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs nicht rechtskräftige Verurteilung des Klägers stützt, fehlt es an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB, der das beklagte Land zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung berechtigte.

Das nicht rechtskräftige Strafurteil ist grundsätzlich nicht geeignet, eine Tatkündigung zu rechtfertigen. Vielmehr haben die Arbeitsgerichte im Kündigungsschutzprozess ohne Bindung an das Strafurteil den Sachverhalt selbst aufzuklären und zu bewerten. Ohne Rückkoppelung an die eigentlichen Tatvorwürfe ist das Strafurteil auch nicht geeignet, ein persönliches Defizit des Arbeitnehmers (fehlende Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Eignung) zu belegen, das als personenbedingter Grund zur Kündigung berechtigen würde. Sowohl unter dem Aspekt verhaltens- als auch unter dem personenbedingter Gründe ist immer auf die der Verurteilung zugrunde liegenden Taten oder - hier nicht von Bedeutung - den Verdacht der Tatbegehung abzustellen (vgl. BAG, Beschluss vom 16. September 1999 - 2 ABR 68/98 -).

3.) Soweit das beklagte Land im Anschluss an die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil die Kündigung als (betriebsbedingte) Druckkündigung rechtfertigt, fehlt es bereits an der erforderlichen Personalratsanhörung.

Weder aus den Anhörungsschreiben, noch aus dem Zeitungsartikel, noch aus dem Vorbringen des beklagten Landes über die behauptete Unterrichtung des Personalrats Wissenschaft der durch den Sachbearbeiter R ergibt sich, dass eine solche Begründung für die beabsichtigte Kündigung im Anhörungsverfahren - ausdrücklich - genannt worden ist.

Zudem fehlt es auch an den tatbestandlichen Voraussetzungen, die an eine Druckkündigung zu stellen sind (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 31. Januar 1996 - 2 AZR 158/98 -). Es ist von dem beklagten Land nicht vorgetragen worden, dass irgendeine Person oder Personengruppe unter Androhung von Nachteilen für das Klinikum der und damit für das beklagte Land die Entlassung des Klägers gefordert hat. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus dem Zeitungsbericht über die strafgerichtliche Verurteilung des Klägers.

4.) Auch soweit das beklagte Land die Kündigung mit der sofortiger Vollziehung des Ruhens des Approbation begründet, fehlt es an der erforderlichen Personalratsanhörung.

Aus dem Vorbringen des beklagten Landes ergibt sich nicht, dass die Personalräte über die Anordnung der Bezirksregierung vom 9. April 2003 im Anhörungsverfahren unterrichtet worden sind. Es ist im Übrigen davon auszugehen, dass diese Anordnung dem beklagten Land selbst vor Abschluss des Anhörungsverfahrens noch nicht bekannt gewesen ist. Denn die Bezirksregierung hat die Anordnung dem beklagten Land erst mit Schreiben vom 17. April 2003 mitgeteilt.

5.) Auch das Vorbringen des beklagten Landes, der Kläger habe sich in den "Geruch" der sexuellen Belästigung gebracht und damit erheblich seine Pflicht verletzt, auch nur den Anschein zu vermeiden, er missbrauche seine herausgehobene Position und das in ihn durch die Arbeitgeberin und die Patienten gesetzte Vertrauen, kann die außerordentliche Kündigung nicht rechtfertigen.

Soweit das beklagte Land dabei auf die strafgerichtliche Verurteilung abstellt, gelten die vorstehenden Ausführungen, wonach das nichtrechtskräftige Urteil allein nicht geeignet ist, eine verhaltens- oder personenbedingte Kündigung zu begründen.

Soweit das beklagte Land dabei darauf abstellt, der Kläger habe ohne vorherige eingehende Aufklärung der Patientinnen und ohne Hinzuziehung des weiblichen Pflegepersonals die Untersuchungen durchführt, fehlt es bereits an der vorherigen Anhörung der beiden Personalräte. Weder aus den Anhörungsschreiben, noch aus dem Zeitungsartikel, noch aus dem Vorbringen über die behaupteten Erklärungen des Sachbearbeiters R gegenüber dem Personalrat Wissenschaft der ergibt sich, dass dem Personalrat - ausdrücklich - ein solcher Sachverhalt als Kündigungsgrund genannt worden ist.

Im Übrigen müssten für eine Kündigung, die mit einem "Geruch" oder Verdacht begründet wird, die Anforderungen zum Zuge kommen, die für eine Verdachtskündigung gelten und die unstreitig nicht eingehalten worden sind. Insbesondere betrifft dies die erforderliche vorherige Anhörung des Klägers zu einem solchen Kündigungsgrund.

Nach alledem ist das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 16. April 2003 nicht beendet worden.

II.) Der Kläger hat allerdings keinen Anspruch gegen das beklagte Land auf Weiterbeschäftigung bereits vor rechtskräftigem Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens.

Das Interesse des beklagten Landes an einer Nichtbeschäftigung des Klägers überwiegt das Beschäftigungsinteresse des Klägers.

Nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1985 - GS 1/84 - begründet die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsschutzprozesses ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses. Dieses überwiegt in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht. Solange ein solches Urteil besteht, kann die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht begründen. Hinzukommen müssen dann vielmehr zusätzliche Umstände, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen. Dabei ist an solche Umstände zu denken, die auch im streitlos bestehenden Arbeitsverhältnis den Arbeitgeber zur vorläufigen Suspendierung des Arbeitnehmers berechtigen. Entsprechendes gilt für andere Fälle eines strafbaren oder schädigenden Verhaltens des Arbeitnehmers. Auch aus der Stellung des gekündigten Arbeitnehmers im Betrieb und der Art seines Arbeitsbereichs kann sich ein überwiegendes schutzwertes Interesse des Arbeitgebers ergeben, den betreffenden Arbeitnehmer wegen der Ungewissheit des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses von seinem Arbeitsplatz fernzuhalten.

Der Kläger ist inzwischen rechtskräftig wegen der Tatvorwürfe, die im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit für das beklagte Land stehen, zu einer ganz erheblichen Freiheitsstrafe und einem Berufsverbot verurteilt worden. Daran hat sich durch die Erhebung der Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht, die im Wesentlichen mit einer unzutreffenden Auslegung und Anwendung von § 26 a StPO begründet wird, nichts geändert. Die abschließende Bewertung des Sachverhalts durch die dafür zuständige und sachverständige Strafgerichtsbarkeit schlägt auch auf die arbeitsrechtliche Rechtslage durch (vgl. dazu: BAG, Beschluss vom 16. September 1999 - 2 ABR 68/98 -). Zudem ruht seine Approbation. Über die Straftaten ist in der Öffentlichkeit breit berichtet worden. Dadurch ist der Ruf der Klinik und der darin tätigen Bediensteten zwangsläufig beschädigt worden. Der Kläger bekleidet als Oberarzt mit einer Vergütung nach der Vergütungsgruppe I a BAT eine Spitzenposition des Angestelltendienstes.

Angesichts dessen besteht derzeit ein gravierendes Interesse des beklagten Landes an der Nichtbeschäftigung des Klägers. Eine ärztliche Tätigkeit scheidet schon wegen des Ruhens der Approbation aus. Aber auch jede andere der Vergütungsgruppe I a BAT entsprechende Beschäftigung kann dem beklagten Land nicht zugemutet werden. Es muss befürchten, dass damit der Ruf der neurologischen Klinik und der darin tätigen Bediensteten weiteren Schaden nimmt. Den Bediensteten kann auch nicht zugemutet werden, mit dem Kläger erneut zusammenzuarbeiten. Jegliche Tätigkeit in der Lehre oder bei der Prüfung von Studenten muss schon wegen des erforderlichen Vorbildcharakters des Lehrenden ausscheiden, den das Bundesarbeitsgericht zuletzt in der Entscheidung vom 27. Juli 2005 - 7 AZR 508/04 - nochmals angesprochen hat. Auch bei einer Beschäftigung des Klägers in einer anderen Einrichtung des Klinikums droht ein erheblicher Ansehensverlust. In den Augen der Öffentlichkeit könnte das dahin verstanden werden, dass selbst bei schwersten Dienstverfehlungen eine Arbeitgeberin des öffentlichen Dienstes einen Arbeitnehmer weiterhin "versorgt". Dabei gelten gerade für Bedienstete des öffentlichen Dienstes besondere Pflichten, soweit es um das Ansehen des Dienstherren geht (§ 8 BAT).

Das Interesse des Klägers, außerhalb einer ärztlichen Tätigkeit mit Patientenkontakt seiner Forschungstätigkeit nachzugehen und seinen Lebensunterhalt zu verdienen, muss angesichts dessen hinter dem Interesse des beklagten Landes an einer Nichtbeschäftigung vor rechtskräftigem Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zurückstehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das beklagte Land in der Vergangenheit dem Beschäftigungs- und Vergütungsinteresse des Klägers sehr weit entgegengekommen ist. Es hat ihn während des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens weiterbeschäftigt. Zudem hat es ihn für die Dauer der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Köln unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt. Damit hat es den Kläger über einen ganz erheblichen Zeitraum vor den nachteiligen Folgen geschützt, die sich angesichts der schwerwiegenden Tatvorwürfe bei einer rechtskräftigen Verurteilung zwangsläufig ergeben mussten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

Ende der Entscheidung

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