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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 01.04.2009
Aktenzeichen: 9 Sa 105/09
Rechtsgebiete: GG, BetrVG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
BetrVG § 75 Abs. 1
Zur Wirksamkeit einer Regelung in einem Tarifsozialplan und einer Gesamtbetriebsvereinbarung, wonach Arbeitnehmer, die vor Abschluss der Verhandlungen zwischen Arbeitgeberin und Gewerkschaft sowie Gesamtbetriebsrat über einen Sozialplan das Arbeitsverhältnis bereits gekündigt hatten, keine Abfindung erhalten.
Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.11.2008 - 15 Ca 10458/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Abfindungsanspruch aus einem Sozialplan, nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 29. Juni 2007 das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 30. September 2007 gekündigt hatte.

Die Klägerin, 28 Jahre alt, war bei der Beklagten in deren Betrieb in K seit dem 1. August 2001 in der Organisationseinheit O (Projekt & Service Pool) beschäftigt zu einem Jahresbruttogehalt von zuletzt EUR 40.058,00.

Mit Schreiben vom 4. Dezember 2006 und 11. Dezember 2006 unterrichtete die Beklagte ihre Mitarbeiter darüber, ihre Gesellschafter hätten im Rahmen eines Konzepts zur Standortkonsolidierung endgültig und bindend beschlossen, die Standorte D , K , M und K bis Ende des dritten Quartals/Anfang des vierten Quartals 2008 zu schließen. In den nächsten vier Wochen würden die Zielstandorte für jeden einzelnen Mitarbeiter anhand der bislang von ihm verrichteten Aufgaben festgelegt. Bis Ende Januar 2007 werde der Betriebsrat umfassend unterrichtet, so dass ab Anfang Februar 2007 mit ihm zügig verhandelt werden könne.

Nach einer vertraulichen Informationsschrift vom 31. Januar 2007 sollten 11 Mitarbeiter der Organisationseinheit 9 von K nach M versetzt werden. Dies teilten der Vorgesetzte der Klägerin und auch der Bereichsleiter den Mitarbeitern dieser Organisationseinheit im März 2007 mit.

Andererseits unterrichte die Gewerkschaft ver.di die Mitarbeiter mit einer Mitteilung vom 12. Februar 2007 darüber, sie fordere in Übereinstimmung mit dem Gesamtbetriebsrat von der Beklagten den Abschluss eines Firmentarifvertrages zum Standortkonzept. Ihr gehe es nicht darum, die Folgen des Standortkonzepts für die Beschäftigten abzumildern, sondern die Arbeitsplätze an den bestehenden Standorten zu erhalten. Die Geschäftsleitung der Beklagten solle den Beschluss über die Schließung von bestimmten Standorten zurücknehmen.

Mit weiteren 15 Informationsschriften unterrichtete die Beklagte in den Monaten April 2007 bis September 2007 die Mitarbeiter über die Verhandlungen über die geplante Standortkonsolidierung mit Vertretern des Gesamtbetriebsrats und der Gewerkschaft ver.di, wobei sie zum Ausdruck brachte, der Beschluss ihrer Gesellschafter habe unverändert Gültigkeit, sie wolle beschleunigt über die Umsetzung mit dem Gesamtbetriebsrat und auch der Gewerkschaft ver.di, die Streikaktionen durchführe, ein Ergebnis erzielen.

In der Informationsschrift vom 6. September 2007 führte sie aus, in der einberufenen Einigungsstelle sei das Scheitern eines einvernehmlichen Interessenausgleichs festgestellt worden. Nunmehr habe sie die Möglichkeit, die Standortkonsolidierung zum 30. September 2008 umzusetzen. Es sei mit dem Gesamtbetriebsrat und der Gewerkschaft ver.di abgestimmt worden, einen Sozialplan bzw. einen Tarifsozialplan zu vereinbaren. Gegenstand der Verhandlungen würden Regelungen über wirtschaftliche Ausgleichsleistungen (Mobilitätshilfen, Fahrgeldzuschuss, Abfindungen etc.) und Umsetzungsregelungen sein. Sollten die Verhandlungen nicht bis Ende September 2007 abgeschlossen sein, sei ein Schlichtungsverfahren geplant. Vorsorglich sei eine Verhandlung vor der Einigungsstelle auf den 15. Oktober 2007 festgelegt worden.

Mit der Informationsschrift vom 13. September 2007 unterrichtete die Beklagte die Mitarbeiter darüber, sie werde in die Verhandlungen Absprachen aus den Sondierungsgesprächen einbringen über Erleichterungen für die betroffenen Mitarbeiter und die Einrichtung von Kontingentarbeitsplätzen (Telearbeitsplätze, Flextime-Arbeitsplätze und eine befristete Weiterbeschäftigung in K ).

Nach Einleitung eines Schlichtungsverfahrens schloss die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di am 18. Oktober 2007 einen Tarifsozialplan Standortkonsolidierung, in dem u. a. festgelegt wurde, dass die Beklagte einrichtete: 80 unbefristete und 40 auf Dauer von drei Jahren befristete Telearbeitsplätze mit einer Arbeitsverpflichtung von vier Tagen pro Woche zuhause und von einem Tag pro Woche an einem zugewiesenen Standort, 70 Flextime-Arbeitsplätze für die Dauer von 4,25 Jahren mit einer Arbeitsverpflichtung von zwei Tagen pro Woche zuhause und von drei Tagen an einem zugewiesenen Standort sowie 250 für die Dauer von zwei Jahren befristete Arbeitsplätze mit einer auf 80 % reduzierten Arbeitszeit bei einer Vergütungsreduzierung um 10 %. Nach Ablauf der zwei Jahre hat der von der 80/90-Regelung betroffene Arbeitnehmer das Recht, zurück in ein Vollzeitbeschäftigungsverhältnis oder in ein dauerhaftes Teilzeitarbeitsverhältnis (4 Arbeitstage) mit 80 % Vergütung zu wechseln.

Über die Auswahl der Arbeitnehmer für diese Arbeitsplätze hatte eine Findungskommission nach festgelegten Auswahlkriterien zu entscheiden. Danach konnten die betroffenen Arbeitnehmer bis zum 11. Januar 2008 erklären, ob sie das ihnen unterbreitete Vertragsangebot annahmen. Andernfalls war die Beklagte berechtigt, ab dem 1. Februar 2008 Änderungskündigungen bzw. Versetzungsanordnungen auszusprechen. Arbeitnehmer, die an einem neuen Standort arbeiten mussten, erhielten Mobilitätshilfen, Umzugsunterstützung und Fahrtkostenerstattung.

Unter Ziff. 7 des Tarifsozialplans ist bestimmt:

"Arbeitnehmer - mit Ausnahme der Auszubildenden -, deren Arbeitsverhältnis im Rahmen der Umsetzung der Standortkonsolidierung betriebsbedingt beendet wird (z. B. durch Aufhebungsvertag, Abwicklungsvertrag oder Kündigung), erhalten eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes gemäß nachstehender Regelungen:

7.1 Arbeitnehmer der betroffenen Standorte K , D , M und K , deren Arbeitsverhältnis aufgrund eines im Zeitraum vom 15.10.2007 bis zum 30.9.2008 aus betriebsbedingten Gründen abgeschlossenen Aufhebungsvertrages und/oder aufgrund einer im Zeitraum vom 15.10.2007 bis zum 30.9.2008 vom Arbeitgeber ausgesprochenen betriebsbedingten Änderungskündigung oder vom Arbeitnehmer ausgesprochenen Eigenkündigung beendet wird, erhalten eine Abfindung nach den Regelungen dieses Tarifsozialplans; der Arbeitgeber wird jedem betroffenen Arbeitnehmer auf dessen Verlangen den Abschluss eines Aufhebungsvertrages unter Vereinbarung einer Abfindung nach den Regelungen dieses Tarifsozialplans und unter Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfristen anbieten.

7.2 Arbeitnehmer der betroffenen Standorte K , D , M und K , deren Arbeitsverhältnis aufgrund eines im Zeitraum vom 1.10.2008 bis zum 30.9.2009 aus betriebsbedingten Gründen abgeschlossenen Aufhebungsvertrages und/oder aufgrund einer im Zeitraum vom 1.10.2008 bis zum 30.9.2009 vom Arbeitgeber ausgesprochenen betriebsbedingten Änderungskündigung beendet wird, erhalten eine Abfindung nach den Regelungen dieses Tarifsozialplans; in diesem Zeitraum begründet die Eigenkündigung des Arbeitnehmers keinen Abfindungsanspruch.

7.3 Die Abfindung ermittelt sich nach der Formel

a) Berechnungsformel:

Lebensalter x Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatsvergütung : 38

..."

Am 18. Oktober 2007 stimmten der Gesamtbetriebsrat und die örtlichen Betriebsräte dem abgeschlossenen Tarifsozialplan zu und traten der Vereinbarung bei.

Am 18. Oktober 2007 schlossen zudem die Beklagte und die Gewerkschaft ver.di eine freiwillige Tarifvereinbarung im Hinblick auf die Bereitschaft der Beklagten, die im Tarifsozialplan vorgesehene Abfindung für solche Arbeitnehmer zu erhöhen, die bis zum 30. September 2008 eine Aufhebungs-/Abwicklungsvereinbarung zwecks Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten trafen. Danach erhielten Arbeitnehmer, die eine solche Vereinbarung bis zum 31. März 2008 abschlossen, einen um EUR 20.000,00 erhöhten Abfindungsbetrag. Arbeitnehmer, die bis zum 30. September 2008 eine solche Vereinbarung abschlossen, erhielten einen um EUR 10.000,00 erhöhten Abfindungsbetrag.

Mit der vorliegenden Klage, die am 13. Dezember 2007 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, verlangt der Klägerin von der Beklagten Zahlung von EUR 15.988,08 brutto als Abfindung.

Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe ihr nach dem Tarifsozialplan einen Abfindungsbetrag in Höhe von EUR 15.988,08 zu zahlen. Der Anspruch bestehe gemäß dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG und dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG, da die Herausnahme der Arbeitnehmer, die vor dem 15. Oktober 2007 ihr Arbeitsverhältnis im Zusammenhang mit der Betriebsänderung gekündigt hätten, sachwidrig sei. Sie habe bei Ausspruch ihrer Eigenkündigung davon ausgehen müssen, dass der Standort K geschlossen werde. Es sei sachwidrig, in dem Sozialplan vom 18. Oktober 2007 rückwirkend nur die Arbeitnehmer zu begünstigen, die bis zum 15. Oktober 2007 selbst gekündigt hätten.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Ausschluss der Arbeitnehmer, die vor dem 15. Oktober 2007 selbst gekündigt hätten, sei rechtswirksam.

Das Arbeitsgericht Köln hat durch Urteil vom 17. November 2008 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Stichtagregelung in dem Tarifsozialplan sei sachgemäß und damit rechtswirksam.

Das Urteil ist der Klägerin am 2. Dezember 2008 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 30. Dezember 2008 Berufung einlegen und diese gleichzeitig begründen lassen.

Sie verweist auf die Informationen, die sie ab Dezember 2006 bis zum Ausspruch ihrer Eigenkündigung am 29. Juni 2007 von der Arbeitgeberin und ihrem Vorgesetzten über die Schließung des Standorts K und die Verlagerung der Organisationseinheit 9 von K nach M erhalten hat. Danach habe für sie festgestanden, dass ihr Arbeitsplatz im K Betrieb der Beklagten wegfallen werde. Ein Wechsel nach M sei für sie unzumutbar gewesen. Für die Organisationseinheit 9 habe es auch nach dem Tarifsozialplan vom 18. Oktober 2007 keinen vorübergehenden Fortbestand in Köln gegeben. Sie habe gekündigt, nachdem sie eine andere Beschäftigungsmöglichkeit gefunden habe. Die im Tarifsozialplan erfolgte Festlegung auf den 15. Oktober 2007 als Stichtag für Abfindungsansprüche bei Eigenkündigungen sei nicht sachlich gerechtfertigt. Ausweislich der freiwilligen Tarifvereinbarung habe auf Seiten der Beklagten ein Interesse daran bestanden, möglichst viele Arbeitsverhältnisse an den betroffenen Standorten K , D , M und K zu beenden.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 17. November 2008 - 15 Ca 10548/07 - die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 15.988,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt mit Rechtsausführungen das erstinstanzliche Urteil.

Sie trägt vor, in ihrem Unternehmen seien aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung vom 5. Juni 2001 betriebsbedingte Beendigungskündigungen bis zum 31. Dezember 2011 ausgeschlossen gewesen, so dass gegenüber der Klägerin allenfalls eine Änderungskündigung habe ausgesprochen werden können.

Der Stichtag 15. Oktober 2007 sei gewählt worden, weil zu diesem Zeitpunkt die Verhandlungen über den Tarifsozialplan und damit auch über das Tarifsozialplanvolumen abgeschlossen gewesen seien und die konkrete Umsetzung der Standortkonsolidierung bekannt geworden sei. Aufgrund von Verzögerungen durch die Tarifkommission sei es erst am 18. Oktober 2007 zur Unterzeichnung des Tarifsozialplans gekommen. Durch die Einrichtung von Kontigentarbeitsplätzen gemäß dem Tarifsozialplan habe nahezu der Hälfte der Mitarbeiter eine Beschäftigungsmöglichkeit angeboten werden können, die nicht mit einem Wohnortwechsel verbunden gewesen sei.

Die Tarifvertragsparteien seien davon ausgegangen, dass die Arbeitnehmer, die bereits vorher das Arbeitsverhältnis gekündigt hätten, eine Folgebeschäftigung erlangt oder jedenfalls in Aussicht hätten. Demgegenüber hätten sie die ab dem Stichtag ausgesprochenen Eigenkündigungen der Arbeitnehmer als direkte Reaktion auf die konkrete Umsetzung der Standortkonsolidierung durch den Tarifsozialplan eingeordnet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nach § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und wurde innerhalb der Fristen nach § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG eingelegt und begründet.

II. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht Köln einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Abfindung nach dem Tarifsozialplan vom 18. Oktober 2007 verneint.

1. Nach Abschnitt III Ziff. 7.1 des Tarifsozialplans vom 18. Oktober 2007, der gleichzeitig als Gesamtbetriebsvereinbarung vom 18. Oktober 2007 auch auf die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer Anwendung findet, haben Mitarbeiter des Standortes K , deren Arbeitsverhältnis im Rahmen der Umsetzung der Standortkonsolidierung aufgrund einer im Zeitraum vom 15. Oktober 2007 bis zum 30. September 2008 ausgesprochenen betriebsbedingten Änderungskündigung, eines betriebsbedingten Aufhebungsvertrages oder einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers beendet wird, einen Abfindungsanspruch nach Maßgabe des Tarifsozialplans. Die Beklagte hat jedem betroffenen Arbeitnehmer auf dessen Verlangen den Abschluss eines Aufhebungsvertrages unter Vereinbarung der Abfindung und unter Einhaltung der Kündigungsfrist anzubieten.

Nach dieser Regelung hat die Klägerin, der nach Abschnitt I Ziff. 1 unter den persönlichen Geltungsbereich des Tarifsozialplans und der Gesamtbetriebsvereinbarung fällt, keinen Abfindungsanspruch, da sie vor dem Stichtag 15. Oktober 2007 das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf von ihm angenommene Verlagerung seines Arbeitsplatzes im Zuge der Betriebsänderung selbst gekündigt hat.

2. Rechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der in dem Tarifsozialplan und der Gesamtbetriebsvereinbarung enthaltenen Stichtagregelung bestehen nicht.

a. Stichtagregelungen in nach dem Betriebsverfassungsgesetz vereinbarten Sozialplänen dürfen nicht gegen den in § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG normierten Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.

aa. Dabei ist zu beachten, dass die Betriebsparteien nach der Rechtsprechung des zuständigen Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts bei der Aufstellung von Sozialplänen einen weiten Ermessensspielraum haben, inwieweit sie die Nachteile einer Betriebsänderung für die betroffenen Arbeitnehmer ausgleichen oder mildern wollen. Sie können im Rahmen ihres Ermessens nach der Vermeidbarkeit der Nachteile unterscheiden und sind nicht gehalten, alle denkbaren Nachteile zu entschädigen. Sie haben allerdings den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG zu beachten, dem wiederum der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Er zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrunds ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (vgl. BAG, Urteil vom 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06 -).

bb. Stichtagregelungen kommen häufig in Sozialplänen vor und sind grundsätzlich zulässig. Meist dienen sie der Rechtssicherheit. Die mit ihnen bisweilen verbundenen Härten müssen hingenommen werden, wenn die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich vertretbar ist und das auch auf die zwischen den Gruppen gezogenen Grenzen zutrifft. Insbesondere sind sie sachlich gerechtfertigt, wenn sie dem Zweck dienen, die Leistungen auf diejenigen Arbeitnehmer zu beschränken, die von der Betriebsänderung betroffen sind und durch diese Nachteile zu besorgen haben (vgl. zuletzt: BAG, Urteil vom 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06 -).

b. Hiernach verstößt die mit Abschnitt III Ziff. 7 des Sozialplans verbundene Gruppenbildung nicht gegen § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG.

aa. Zunächst ist festzustellen, dass die Stichtagregelung unabhängig davon gilt, ob das Arbeitsverhältnis durch betriebsbedingte (Änderungs-)kündigung der Beklagten, durch betriebsbedingten Aufhebungsvertrag oder durch Eigenkündigung des Arbeitnehmers erfolgt. Die Betriebsparteien haben beachtet, dass nicht auf die Beendigungsform abgestellt werden darf (vgl. BAG, Urteil vom 30. November 1994 - 10 AZR 578/93 -, Urteil vom 13. Februar 2007 - 1 AZR 163/06 -, zuletzt: Urteil vom 20. Mai 2008 - 1 AZR 203/07 -).

bb. Die Differenzierung zwischen Arbeitnehmern, die ihr Arbeitsverhältnis vor dem 15. Oktober 2007 selbst gekündigt haben, und denjenigen, die danach kündigen, ist nach dem Zweck des Sozialplans sachlich begründet.

Die Betriebsparteien können eine typisierende Beurteilung dahin vornehmen, dass Arbeitnehmern, die vorzeitig, also zu einem früheren Zeitpunkt als durch die Betriebsänderung geboten, selbst kündigen, keine oder sehr viel geringere wirtschaftliche Nachteile drohen als den anderen Arbeitnehmern. Dem steht nicht entgegen, dass auch Arbeitnehmer, die einen neuen Arbeitsplatz gefunden haben, wirtschaftliche Nachteile erleiden können. Es liegt im Ermessen der Betriebsparteien, inwieweit sie auch diese Nachteile ausgleichen wollen (vgl. BAG, Urteil vom 13. Februar 2007 - 1 AZR 163/06 - und vom 15. Mai 2007 - 1 AZR 370/06 -).

Die Kündigung der Klägerin erfolgte vorzeitig.

Ab Dezember 2006 hatte die Beklagte in ihren Informationsschriften stets ausgeführt, der Betrieb Köln werde im Zuge der Standortkonsolidierung bis zum 30. September 2008 geschlossen. Auch in dem Tarifsozialplan vom 18. Oktober 2007 und der freiwilligen Tarifvereinbarung vom 18. Oktober 2007 wird dieser Umsetzungszeitpunkt genannt. Dies stand nicht im Widerspruch zu der Regelung in der freiwilligen Tarifvereinbarung, wonach sich die Abfindung erhöhte für Arbeitnehmer, die bis zum 31. März 2008 bzw. 30. September 2008 einen Aufhebungs- bzw. Abwicklungsvertrag mit der Beklagten abschlossen. Mit dieser Regelung, die auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages abstellt, sollte nicht der Zeitpunkt der Betriebsänderung vorverlagert werden, sondern ein Anreiz für eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschaffen werden, die gemäß Abschnitt III Ziff. 7.1 des Tarifsozialplans jedem betroffenen Arbeitnehmer auf dessen Verlangen anzubieten war.

Welche Auswirkungen die Standortkonsolidierung auf den Arbeitsplatz des Klägerin und der anderen in Köln beschäftigten Arbeitnehmer haben würde, stand zudem am 29. Juni 2007 abschließend noch nicht fest.

Zwar hatte die Beklagte stets bekundet, sie werde an ihrem Konzept der Standortkonsolidierung festhalten. Andererseits hatte sie bis zuletzt zum Ausdruck gebracht, über das "wie", also die Umsetzung, wolle sie verhandeln, und zwar sowohl mit dem Gesamtbetriebsrat als auch mit der Gewerkschaft ver.di, die für einen Erhalt aller Arbeitsplätze an den bisherigen Standorten eintrat. Mit ihrer Mitarbeiterinformation vom 6. September 2007 hatte die Beklagte insbesondere auf Regelungen über wirtschaftliche Ausgleichsleistungen wie Mobilitätshilfen und Fahrgeldzuschüsse bei einem Standortwechsel hingewiesen. Zudem hatte sie noch mit ihrer Mitarbeiterinformation vom 13. September 2007 erklärt, sie werde nach den bereits mit den Arbeitnehmervertretungen geführten Sondierungsgesprächen als Erleichterung für die Arbeitnehmer die Einrichtung von Kontingentarbeitsplätzen (Telearbeitsplätze, Flextime-Arbeitsplätze und befristete Weiterbeschäftigung in K ) in die Verhandlungen einbringen.

Angesichts dessen war es nicht ermessensfehlerhaft, den Abschluss der Verhandlungen über den Tarifsozialplan am 15. Oktober 2007 als Stichtag für abfindungsrelevante Beendigungserklärungen festzulegen.

Jede Sozialplanregelung muss Bestimmungen darüber treffen, welche Arbeitnehmer Abfindungen beim Verlust des Arbeitsplatzes erhalten sollen. Sie kann alle Arbeitnehmer einbeziehen, die schon auf die ersten Anzeichen einer möglichen Betriebsschließung hin ihr Arbeitsverhältnis selbst kündige, muss dies aber nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass regelmäßig nur ein begrenztes Sozialplanvolumen für die Verteilung zur Verfügung steht. So hat das Bundesarbeitsgericht bereits in der Vergangenheit eine Regelung, wonach als Stichtag der Tag galt, an dem der gebotene Versuch eines Interessenausgleichs endgültig gescheitert war, als sachlich vernünftig und rechtlich nicht zu beanstanden angesehen (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 30. November 1994 - 10 AZR 578/93 -).

Der im vorliegenden Fall gewählte Stichtag lag zwar nach dem endgültigen Scheitern des Interessenausgleichs am 4. September 2007. Jedoch hatte die Beklagte mit der Unterrichtung über das Scheitern des Interessenausgleichs gleichzeitig Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat und der Gewerkschaft ver.di über die Umsetzung des Konzepts zur Schließung des Betriebes K angekündigt und mitgeteilt, sie werde bereits in Sondierungsgesprächen abgestimmte Kontingentarbeitsplätze mit dauerhaften und befristeten Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in die Verhandlungen einbringen. Es handelte sich dabei um Regelungen über das "wie", die auch Inhalt eines vereinbarten Interessenausgleichs sein können (vgl. Fitting, BetrVG, 24. Aufl., §§ 112, 112 a BetrVG Rdn. 13). Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass erst mit dem Abschluss dieser Verhandlungen am 15. Oktober 2007 endgültig beurteilt werden konnte, wer aufgrund der Betriebsänderung oder aus anderen Gründen das Unternehmen verließ. Es kam nur noch zu einer Teilschließung des Betriebes in K . Nahezu der Hälfte der Mitarbeiter konnte eine Weiterbeschäftigung auf Kontingentarbeitsplätzen angeboten werden, womit regelmäßig ein Wohnwortwechsel vermieden wurde.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass als Stichtag der Tag festgelegt wurde, an dem die Verhandlungen abgeschlossen wurden. Auch wenn die Unterzeichnung des Tarifsozialplans erst am 18. Oktober 2007 erfolgte, so war doch davon auszugehen, dass ab dem 15. Oktober 2007 das Verhandlungsergebnis in der Belegschaft bekannt wurde.

Nach alledem stellt die Stichtagregelung keinen Verstoß gegen § 75 Abs. 1 BetrVG dar.

c. Soweit ein Arbeitnehmer aufgrund seiner Tarifbindung unmittelbar Ansprüche aus dem Tarifsozialplan herleiten kann, ergibt sich kein anderes Ergebnis.

Zwar haben auch die Tarifvertragsparteien beim Abschluss von Tarifverträgen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten (vgl. BAG, Urteil vom 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - und Urteil vom 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 -).

Jedoch ist der Ausschluss der Arbeitnehmer von Abfindungsansprüchen, die aufgrund einer vor dem 15. Oktober 2007 abgegebenen Beendigungserklärung ausscheiden, nach den vorstehenden Ausführungen als sachlich gerechtfertigt anzusehen.

3. Da die freiwillige Tarifvereinbarung vom 18. Oktober 2007 nur den nach dem Tarifsozialplan bestehenden Abfindungsanspruch für den Fall einer einvernehmlichen Regelung bis zum 30. September 2008 erhöhen soll, also das Bestehen eines Abfindungsanspruchs nach dem Tarifsozialplan voraussetzt, hat die Klägerin auch keinen Abfindungsanspruch nach dieser Zusatzregelung.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge nach § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision war zuzulassen. Der Rechtsstreit ist von grundsätzlicher Bedeutung für Stichtagregelungen in Tarifsozialplänen und/oder Sozialplänen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil kann von

Revision

eingelegt werden.



Ende der Entscheidung

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