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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 21.02.2006
Aktenzeichen: 9 Sa 1164/05
Rechtsgebiete: SGB IV


Vorschriften:

SGB IV § 28 o Abs. 1
Grob fahrlässige Verletzung der Verpflichtung nach § 28 o Abs. 1 SGB IV, dem Arbeitgeber die zur Durchführung des Meldeverfahrens und der Beitragszahlung erforderlichen Angaben zu machen (hier: unrichtige Mitteilung des Arbeitnehmers, seine selbständige Erwerbstätigkeit übersteige vom zeitlichen Aufwand und vom durchschnittlichen regelmäßigen Einkommen her seine Tätigkeit als Arbeitnehmer).
Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15. Juni 2005 - 11 Ca 223/05 - wie folgt abgeändert:

a) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 3.115,75 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2004 zu zahlen.

b) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

c) Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin und die Beklagte zu je 1/2.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte der Klägerin nachentrichtete Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung zu erstatten hat.

Der Beklagte war aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages ab dem 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2004 bei der Klägerin als Online-Redakteur mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,25 Stunden und einem Jahresgehalt von zunächst DM 39.000,00 (13 Monatsgehälter á DM 3.000,00) beschäftigt. Nach Abzug der Werbungskosten verblieben ihm für das Jahr 2001 DM 37.780,00 aus seiner Tätigkeit als Arbeitnehmer.

Zuvor hatte der Beklagte in den Jahren 1999 und 2000 an 2 - 3 Tagen pro Woche als freier Mitarbeiter für die Online-Redaktion gearbeitet. Zudem hatte er als freier Mitarbeiter redaktionelle Beiträge für mehrere Tageszeitungen und Zeitschriften sowie für Radiosendungen der ARD verfasst. Die Tätigkeiten für andere Auftraggeber als den D beanspruchten wöchentlich eine Arbeitszeit von 30 bis 40 Stunden. Der Beklagte erzielte im Jahr 2000 aus seiner Tätigkeit als freier Mitarbeiter Einnahmen in Höhe von DM 64.018,71, davon die Hälfte aus der Tätigkeit für die Online-Redaktion. Nach Abzug der Betriebsausgaben verblieb ihm ein Einkommen in Höhe von DM 49.925,24.

Unter dem 17. April 2001 gab der Beklagte eine Erklärung zur Sozialversicherung gegenüber der Klägerin ab, nachdem er von der Klägerin darauf hingewiesen worden war, wenn er nicht hauptberuflich selbständig tätig sei, müsse sie ihn rückwirkend ab 1. Januar 2001 bei der gesetzlichen Krankenkasse anmelden und Beiträge abführen. In der Erklärung gab er an, er sei privat kranken- und pflegeversichert. Er sei hauptberuflich selbständig. Der zeitliche Aufwand und das durchschnittliche regelmäßige Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit würden die Tätigkeit bei der Klägerin überwiegen. Ausdrücklich versicherte er, alle Angaben vollständig und richtig gemacht zu haben. Er sei darüber informiert, dass er bei unvollständigen oder unrichtigen Angaben den entstehenden Schaden aus Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen zu tragen habe. In diesem Zusammenhang verpflichtete er sich, Änderungen oder Ergänzungen zu den vorstehenden Angaben unverzüglich mitzuteilen.

Nach einer Betriebsprüfung forderte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte von der Klägerin mit Bescheid vom 25. November 2004, insgesamt EUR 12.425,62 als Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Beklagten abzuführen, und zwar EUR 3.071,22 für das Jahr 2001, EUR 2.295,50 und EUR 864,78 für das Jahr 2002, EUR 3.452,90 für das Jahr 2003 sowie EUR 2.741,22 für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis zum 30. September 2004. Zur Begründung heißt es darin, der Beklagte habe der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungspflicht unterlegen. Soweit neben der selbständigen Tätigkeit eine (unselbständige) Beschäftigung mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von weniger als 18 Stunden und einem monatlichen Arbeitsentgelt von weniger als der Hälfte der monatlichen Bezugsgröße ausgeübt werde, werde vermutet, dass die selbständige Erwerbstätigkeit hauptberuflich ausgeübt werde und daher keine Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungspflicht als Arbeitnehmer vorliege. Diese Vermutung gelte als widerlegt, wenn das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt aus der Beschäftigung das monatliche Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit übersteige. Für den Beklagten lägen neben den Lohnunterlagen der Klägerin auch die Einkommenssteuerbescheide 2001 und 2002 vor. Aus diesen gehe hervor, dass das Entgelt aus nichtselbständiger Arbeit das Einkommen aus selbständiger Arbeit weit übersteige. Der überwiegende Lebensunterhalt werde somit nicht durch die privat versicherte selbständige Tätigkeit bestritten. Deshalb würden die Pflichtbeiträge für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2002 nachgefordert. Für die Zeit ab dem 1. Januar 2003 werde davon ausgegangen, dass das tatsächliche Entgelt aus selbständiger Arbeit die Bezüge bei der Klägerin ebenfalls unterschreite, da bereits die im Voraus durch Schätzung der privaten Versicherung gemeldeten Entgelte das von der Klägerin zu meldende Entgelt unterschritten.

Die Klägerin hat gegen diesen Bescheid Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben mit der Begründung, die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherungspflicht habe nicht bestanden.

Ausweislich der Steuerbescheide erzielte der Beklagte im Jahr 2001 an Einkünften aus selbständiger Tätigkeit DM 16.375,00 und aus unselbständiger Arbeit DM 37.780,00, im Jahr 2002 an Einkünften aus selbständiger Tätigkeit EUR 11.673,00 und aus unselbständiger Tätigkeit EUR 19.885,00, im Jahr 2003 an Einkünften aus selbständiger Tätigkeit EUR 24.035,00 und aus unselbständiger Tätigkeit EUR 20.128,00 sowie im Jahr 2004 an Einkünften aus selbständiger Tätigkeit EUR 26.947,00 und aus unselbständiger Tätigkeit EUR 22.456,00.

Mit der vorliegenden Klage, die am 7. Januar 2005 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, verlangt die Klägerin von dem Beklagten Erstattung der Arbeitnehmerbeiträge in Höhe von insgesamt EUR 6.212,81.

Sie hat vorgetragen, der Beklagte habe die ihm nach § 28 o Abs. 1 SGB IV obliegende Auskunftspflicht vorsätzlich, zumindest aber grob fahrlässig verletzt, als er ihr im April 2001 mitgeteilt habe, sein Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit überwiege sein Einkommen aus der nichtselbständigen Tätigkeit. Es hätten damals keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass er mehr Einkommen aus seiner selbständigen Tätigkeit als aus seiner nichtselbständigen erzielen werde.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie EUR 6.212,81 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 1. Dezember 2004 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, er habe im April 2001 aufgrund der Verhältnisse in den Vorjahren davon ausgehen dürfen, dass seine Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit die Einkünfte bei der Klägerin überwiegen würden. Tatsächlich habe er im Jahr 2001 auch mehr Zeit für die selbständige Tätigkeit aufgewandt als für die unselbständige. Aufgrund erhöhter Betriebsausgaben seien in diesem Jahr von den Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von DM 34.261,07 nur DM 16.375,31 als Gewinn verblieben. Dieses Ergebnis sei erst am 17. Dezember 2002 festgestellt worden. Auch in den folgenden Jahren 2002 bis 2004 sei er zeitlich mehr durch die selbständige Tätigkeit als durch die unselbständige beansprucht worden. Im Jahr 2002 habe er aus der selbständigen Tätigkeit Einnahmen in Höhe von EUR 23.778,48 erzielt, von denen ihm nach Abzug der Betriebsausgaben EUR 11.673,51 als Gewinn verblieben seien. In den Jahren 2003 und 2004 hätten eindeutig seine Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit die aus der unselbständigen überwogen.

Das Arbeitsgericht Köln hat durch Urteil vom 15. Juni 2005 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe seine Auskunftspflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt. Unstreitig sei der Beklagte in den Jahren ab 2001 zeitlich mehr durch die selbständige Tätigkeit als durch die unselbständige beansprucht worden. Bei der gebotenen vorausschauenden Betrachtungsweise habe der Beklagte zu der Einschätzung gelangen dürfen, dass auch die Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit die aus der nicht selbständigen Tätigkeit übertreffen würden. Wenn dies in den Jahren 2001 und 2002 anders eingetreten sei, müsse dies als eine "Durststrecke" angesehen werden, die an der Gesamtbewertung nichts ändere. Für die Jahre 2003 und 2004 bestehe ohnehin keine gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherungspflicht.

Das Urteil ist der Klägerin am 29. Juli 2005 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 17. August 2005 Berufung einlegen und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29. Oktober 2005 - am 31. Oktober 2005 (Montag) begründen lassen.

Sie trägt vor, der Beklagte habe im April 2001 nicht davon ausgehen können, dass im Jahr 2001 und in den Folgejahren seine Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit die aus der unselbständigen überwiegen würden. Jedenfalls hätte der Beklagte sie im Verlauf des Jahres 2001 darauf hinweisen müssen, dass seine Einschätzung falsch gewesen sei. Sie könne nicht darauf verwiesen werden, gegen den Bescheid des Sozialversicherungsträgers zu klagen und dabei den mühseligen und langwierigen Rechtsweg vor den Sozialgerichten auszuschöpfen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15. Juni 2005 - 11 Ca 228/05 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie EUR 6.212,81 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 1. Dezember 2004 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, selbst wenn er im April 2001 die Einkommensentwicklung falsch eingeschätzt habe, so habe er jedenfalls die Auskunftspflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung hat in der Sache auch teilweise Erfolg.

1. Die Klägerin hat einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der nachentrichteten Arbeitnehmerbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für das Jahre 2001 in Höhe von EUR 1.535,61.

a. Gemäß § 28 g S. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber, der gemäß § 28 e Abs. 1 SGB IV im Außenverhältnis allein auf den gesamten Sozialversicherungsbeitrag haftet, gegen den Arbeitnehmer einen Anspruch auf den von diesem zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages. Dieser Anspruch kann nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden. Ein unterbliebener Abzug darf nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, danach nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist. Auch bei schuldlosem Unterbleiben können die Beitragsanteile grundsätzlich nur durch Abzug vom Lohn realisiert werden. Der Arbeitgeber kann daher nicht von einem ausgeschiedenen Arbeitnehmer die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen verlangen, deren Abzug vom Arbeitslohn er vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterlassen hatte. Dies gilt nach § 28 g S. 4 SGB IV nicht, wenn der Arbeitnehmer seinen Auskunfts- und Vorlagepflichten nach § 28 o Abs. 1 SGB IV vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.

Da ein Abzug vom Gehalt bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht erfolgt ist, kann der geltend gemachte Anspruch nur bestehen, wenn der Beklagte seinen Auskunfts- und Vorlagepflichten nach § 28 o Abs. 1 SGB IV vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.

b. Nach § 28 o Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die zur Durchführung des Meldeverfahrens und der Beitragszahlung erforderlichen Angaben zu machen und, soweit erforderlich, Unterlagen vorzulegen.

Der Beklagte hat grob fahrlässig seine Auskunftspflicht für das Jahr 2001 verletzt, als er im April 2001 gegenüber der Klägerin erklärte, die selbständige Erwerbstätigkeit übersteige von dem zeitlichen Aufwand und dem durchschnittlichen regelmäßigen Einkommen her die Tätigkeit bei der Klägerin.

aa. Zwar brauchte der Beklagte bei der Abgabe der Erklärung nicht allein auf die Verhältnisse seit Beginn des Arbeitsverhältnisses am 1. Januar 2001 abstellen, sondern durfte bei einer vorausschauenden Betrachtungsweise auch die Entwicklung im vorangegangenen Jahr 2000 einbeziehen. Der Beklagte hat nachvollziehbar dargetan, dass er bei der Einschätzung der Einkünfte aus seiner selbständigen Tätigkeit auf einen längeren Zeitraum abstellen musste. Die selbständige redaktionelle Tätigkeit für verschiedene Zeitschriften und den Hörfunk der ARD konnte innerhalb eines Jahres Schwankungen sowohl hinsichtlich des zeitlichen Aufwandes als auch hinsichtlich der erzielten Honorare unterliegen.

Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 29. September 1997 - 10 RK 2/97 -) zur Beurteilung der Versicherungspflicht eines Arbeitnehmers, der zugleich auch einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht. Danach ist auf die Umstände abzustellen, die dem Zeitraum des Zusammentreffens von Versicherungspflichttatbestand und der selbständigen Erwerbstätigkeit möglichst unmittelbar vorhergehen und eine Vorausschau auf die Zukunft zulassen.

bb. Jedoch hätte der Beklagte bei zutreffender Würdigung der Verhältnisse im Jahr 2000 nicht angeben dürfen, dass der zeitliche Aufwand und das durchschnittliche regelmäßige Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit die Tätigkeit bei der Klägerin übersteigen würden.

Der Beklagte hat angegeben, er habe im Jahr 2000 an 2 - 3 Tagen als freier Mitarbeiter für die Online-Redaktion des D gearbeitet. Daneben habe er wöchentlich 30 bis 40 Stunden für andere Auftraggeber gearbeitet. Trat nun im Jahr 2001 an die Stelle der Tätigkeit als freier Mitarbeiter für den D die Beschäftigung als Arbeitnehmer bei der Klägerin im Umfang von 19,25 Stunden pro Woche, so überwog zwar der zeitliche Aufwand für die selbständige Erwerbstätigkeit, wenn er - wie er angibt - weiterhin 30 bis 40 Stunden pro Woche für andere Auftraggeber arbeitete. Jedoch konnte er nicht zur Einschätzung gelangen, seine Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit für andere Auftraggeber würden seine Einkünfte als Arbeitnehmer bei der Klägerin übersteigen. Aus der Tätigkeit als freier Mitarbeiter des Deutschlandfunks hatte er im Jahr 2000 die Hälfte seines Gesamteinkommens erzielt, also DM 32.009,35 vor Abzug der Betriebsausgaben. Es war ihm bekannt, dass er im Jahr 2001 bei der Klägerin 13 Monatsgehälter á DM 3.000,00 brutto, also DM 39.000,00 beziehen würde. Daher musste er davon ausgehen, dass er bei gleichbleibenden Einkünften aus der selbständigen Erwerbstätigkeit ein deutlich höheres Einkommen aus seiner Tätigkeit als Arbeitnehmer erzielen würde. Der Beklagte hat keine begründeten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass er zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung im April 2001 von einer Steigerung seiner Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit gegenüber dem Jahr 2000 ausgehen konnte, geschweige denn von einer noch höheren, als sie sich bei den weiteren Einkünften durch den Wechsel von der Tätigkeit als freier Mitarbeiter zu einer als Arbeitnehmer ergeben hatte. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich nach Abzug der Betriebsausgaben bei den Einkünften aus der selbständigen Erwerbstätigkeit ein noch stärkeres Übergewicht des Arbeitskommens ergibt, auch nach Abzug der Werbungskosten.

Sofern dem Beklagten die Unrichtigkeit seiner Erklärung nicht bewusst war, hat er jedenfalls grob fahrlässig die Auskunftspflicht verletzt. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 277 Rdn. 5). Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass bei einer bloßen Aufschlüsselung der im Jahr 2000 erzielten Einkünfte auch für den Beklagten im April 2001 feststehen musste, er werde im Jahr 2001 nicht höhere Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit erzielen als ihm als Arbeitnehmer zufließen würden. Von der Relevanz seiner Erklärung für die Beurteilung der gesetzlichen Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung wusste er durch das Begleitschreiben der Klägerin. Aufgrund des deutlichen Hinweises in dem Erklärungsvordruck musste ihm auch klar sein, dass er bei einer unrichtigen Angabe zum Ersatz des Schadens verpflichtet war, der sich aus der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen ergab.

Die Klägerin hat dargetan, dass ihr aufgrund der unrichtigen Auskunft des Klägers für das Jahr 2001 ein vom Beklagten zu erstattender Schaden in Höhe von EUR 1.535,61 entstanden ist. Hätte der Beklagte die Erklärung richtig beantwortet, so hätte sie ihn entsprechend dem Hinweis in dem Begleitschreiben zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung angemeldet und die Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, wobei die Arbeitnehmeranteile von dem monatlichen Gehalt des Beklagten jeweils abgezogen worden wären.

2. Die Klägerin hat auch einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der nachentrichteten Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für das Jahr 2002 in Höhe von EUR 1.580,14.

Die Auskunftspflicht nach § 28 o Abs. 1 SGB IV besteht nicht nur bei Beginn des Beschäftigungsverhältnisses, sondern für die gesamte Dauer der Beschäftigung. Der Arbeitnehmer hat von sich aus Änderungen unaufgefordert dem Arbeitgeber mitzuteilen, wenn sie für ihn erkennbar für die Versicherungspflicht relevant sind, insbesondere frühere Angaben nicht mehr zutreffen (vgl. Krauskopf-Baier, Soziale Krankenversicherung und Pflegeversicherung, § 28 o SGB IV Rdn. 6). Zur Abgabe entsprechender Auskünfte hatte er sich auch ausdrücklich in der schriftlichen Erklärung vom 17. April 2001 verpflichtet.

Er hat die Pflicht schuldhaft verletzt, als er der Klägerin spätestens Ende 2001/Anfang 2002 nicht mitteilte, seine Einkünfte aus der Beschäftigung als Arbeitnehmer überstiegen seine Einkünfte aus der selbständigen Erwerbstätigkeit. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Beklagte die Bruttoeinkünfte aus seiner selbständigen Tätigkeit für das Jahr 2001 ermitteln. Sie lagen mit DM 34.261,07 deutlich unter den bei der Klägerin erzielten Bruttobezügen in Höhe von DM 39.000,00. Der Unterschiedsbetrag musste sich noch vergrößern, wenn die um die Betriebsausgaben verringerten Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit mit den um die Werbungskosten gekürzten Bezügen bei der Klägerin verglichen wurden.

Auch diese Pflichtverletzung erfolgte jedenfalls grob fahrlässig, weil einfachste, ganz naheliegende Überlegungen vom Beklagten nicht angestellt worden sind und das nicht beachtet worden ist, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste.

Hätte er seine Pflicht erfüllt, so hätte ihn die Klägerin danach zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung angemeldet und im Jahr 2002 die Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, wobei der Beklagte im Wege des Gehaltsabzuges mit den Arbeitnehmerbeiträgen belastet worden wäre.

3. Die Klägerin hat allerdings keinen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten auf Erstattung von Arbeitnehmerbeiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für die Jahre 2003 und 2004.

Aus dem von der Klägerin eingereichten Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 25. November 2004 ergibt sich, dass diese die Versicherungspflicht für das jeweilige Kalenderjahr gesondert geprüft hat und dabei auf die in dem betreffenden Kalenderjahr gegebenen Verhältnisse abgestellt hat.

Die Erklärung des Beklagten vom 17. April 2001 ist bezogen auf die Jahre 2003 und 2004 aber zutreffend.

In diesen beiden Jahren überwog die selbständige Tätigkeit des Beklagten hinsichtlich des zeitlichen Aufwandes und des durchschnittlichen regelmäßigen Einkommens die Tätigkeit bei der Klägerin.

Der Beklagte hat vorgetragen, bis zur Beendigung seiner Anstellung bei der Klägerin habe der zeitlich Aufwand für die selbständige Tätigkeit seinen Beschäftigungsumfang bei der Klägerin überwogen. Auch ergibt sich aus seinen durch die Einkommenssteuerbescheide belegten Einkommensangaben, dass in beiden Jahren seine Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit seine Bezüge bei der Klägerin überstiegen. Im Jahre 2003 standen den um die Werbungskosten bereinigten Arbeitseinkünften in Höhe von EUR 20.128,00 Einkünfte aus selbständiger Arbeit (nach Abzug der Betriebsausgaben) in Höhe von EUR 24.035,00 gegenüber. Im Jahr 2004 beliefen sich diese Arbeitseinkünfte auf EUR 22.456,00 und diese Einkünfte aus selbständiger Arbeit auf EUR 26.947,00. Damit überwogen in beiden Kalenderjahren die Einkünfte aus selbständiger Arbeit das Arbeitskommen um etwa 20 %.

Damit hat der Beklagte die von der Klägerin gestellte Frage nach der Tätigkeit mit überwiegendem zeitlichen Aufwand und überwiegendem Einkommen bezogen auf die Kalenderjahre 2003 und 2004 zutreffend beantwortet. Die Klägerin hatte nicht entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts danach gefragt, ob die selbständige Erwerbstätigkeit nach diesen Kriterien deutlich die Arbeitnehmertätigkeit übersteige (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 29. September 1997 - 10 RK 2/97 -). Es kann daher dahinstehen, ob die selbständige Erwerbstätigkeit die unselbständige im Sinne dieser Rechtsprechung deutlich überwiegt, wenn der Arbeitszeitaufwand um mindestens 50 % (30 - 40 Stunden im Vergleich zu 19,25 Stunden pro Woche) und das erzielte Einkommen um etwa 20 % höher liegen.

Hat der Beklagte aber die an ihn gestellte Frage bezogen auf die gesondert zu betrachtenden Zeiträume 2003 und 2004 korrekt beantwortet, liegt keine Verletzung der Aufklärungspflicht vor.

Die Klägerin hätte ihn für die Jahre 2003 und 2004 nach den von ihr in dem Erklärungsvordruck genannten Kriterien nicht als versicherungspflichtigen Arbeitnehmer gemeldet.

4. Der Zinsanspruch ist im erkannten Umfang nach § 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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