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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 13.03.2007
Aktenzeichen: 9 Sa 1314/06
Rechtsgebiete: ZPO, BUrlG


Vorschriften:

ZPO § 256
BUrlG § 7 Abs. 1
1. Zur Zulässigkeit eines Antrags auf Feststellung, dass der Urlaub aus dem Vorjahr nicht durch eine vom Arbeitgeber damals erklärte widerrufliche Freistellung erfüllt ist.

2. Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen fehlender Beschäftigungsmöglichkeit vorläufig von der Arbeit frei, so ist er auch bei vorheriger Ankündigung nicht berechtigt, für jeden Freistellungsmonat 1/12 des Jahresurlaubs als gewährten Urlaub anzurechnen.


Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 04.10.2006 - 4 Ca 1452/06 - wird kostenpflichtig mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass der Urlaub der Klägerin aus dem Jahr 2006 nicht durch die Freistellung im Jahr 2006 erfüllt worden ist.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, eine der Klägerin im Jahr 2006 gewährte widerrufliche Freistellung von der Arbeit auf deren Urlaubsanspruch mit der Maßgabe anzurechnen, dass pro Kalendermonat 2,5 Urlaubstage als gewährt galten.

Die Klägerin ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit Oktober 1988 als Sachbearbeiterin Datenverarbeitung beschäftigt zu einem Jahresgehalt in Höhe von EUR 52.000,00 brutto.

Die Klägerin war vom 1. Juli 1999 bis zum 31. Dezember 2005 beurlaubt für eine Beschäftigung als Arbeitnehmerin bei einer Tochtergesellschaft der Beklagten. Die Beurlaubung endete, nachdem sich die Klägerin weigerte, das ruhende Arbeitsverhältnis zu der Beklagten zu beenden, und sie das Arbeitsverhältnis zu der Tochtergesellschaft zum 31. Dezember 2005 gekündigt hatte.

Mit Schreiben vom 28. Dezember 2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, da es angesichts der angespannten Beschäftigungssituation bei ihr sehr schwierig sei, der Klägerin einen freien geeigneten Arbeitsplatz anzubieten, werde sie ab dem 1. Januar 2006 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung vorläufig freigestellt. Die Freistellung erfolge unter Anrechnung auf möglicherweise bestehende Urlaubsansprüche und unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung. Sobald sie einen freien Arbeitplatz für die Klägerin gefunden habe, werde die Klägerin eine Mitteilung erhalten.

Mit einem weiteren Schreiben vom 29. März 2006 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin nochmals, sie sei von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung vorübergehend freigestellt. Um einen Ausgleich zwischen den beiderseitigen Interessen zu gewährleisten, werde sie eine 1/12-Regelung praktizieren, was bedeute, dass ihr für jeden Freistellungsmonat 2,5 Urlaubstage angerechnet würden.

Nachdem die Beklagte die Klägerin aufgefordert hatte, ihre Urlaubsplanung für das Jahr 2006 mitzuteilen, teilte die Klägerin am 20. April 2006 mit, sie plane Urlaub in der Zeit vom 22. Mai 2006 bis zum 26. Mai 2006 (4 Tage), 24. Juli 2006 bis zum 18. August 2006 (20 Tage) und 2. Oktober 2006 bis 6. Oktober 2006 (4 Tage). Die verbleibenden 7 Tage habe sie für die 52. Kalenderwoche 2006 und die 1. Kalenderwoche 2007 eingeplant. Die Beklagte gab dazu keine Stellungnahme ab.

Die Klägerin war arbeitsunfähig erkrankt vom 14. September 2006 bis zum 20. September 2006 und vom 5. Oktober 2006 bis zum 25. Oktober 2006.

Gegen eine Versetzung auf einen Arbeitsplatz am Standort B mit Wirkung ab dem 1. November 2006 wandte sich die Klägerin mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht Bonn. Durch gerichtlichen Vergleich vom 10. Januar 2007 haben die Parteien vereinbart, dass die Klägerin ab dem 15. Januar 2007 als Seniorreferentin in einem Betrieb der Beklagten in B arbeitet, wobei sie wöchentlich an 2 Tagen in dem Betrieb präsent zu sein hat und an weiteren 2 Tagen zuhause mit Telearbeit beschäftigt wird. Der Freitag bleibt dienstfrei.

Mit der vorliegenden Klage, die am 11. April 2006 eingegangen ist, wendet sich die Klägerin gegen eine Anrechnung der Freistellung auf ihren Urlaubsanspruch.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, den erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträgen und wegen der Gründe, die die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Bonn bewogen haben, der Klage stattzugeben, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 4. Oktober 2006 verwiesen.

Das Urteil ist der Beklagten am 3. November 2006 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 29. November 2006 Berufung einlegen und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 5. Februar 2007 - am 16. Januar 2007 begründen lassen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Klage auf Feststellung, dass für die Zeit der Freistellung kein Urlaub angerechnet werde, sei bereits unzulässig. Die Klägerin hätte ihren Urlaubsanspruch mit einer Leistungsklage im Jahr 2006 durchsetzen müssen. Zu einer Konkretisierung ihres Urlaubsanspruchs sei die Klägerin durchaus in der Lage gewesen, was die Mitteilung vom 20. April 2006 zeige. Nunmehr sei der Zeitraum für die Gewährung des Urlaubs bereits verstrichen. Die Klage sei auch unbegründet, weil sie den Urlaubsanspruch der Klägerin durch die Freistellung im Jahr 2006 erfüllt habe. Sie habe es der Klägerin überlassen, in dem Freistellungszeitraum die Urlaubstage festzulegen. Sie habe der von der Klägerin mitgeteilten Urlaubsplanung nicht widersprochen. Die Klägerin habe sich während der Freistellung erholen können. Im Übrigen sei zu beachten, dass ein noch offener Urlaubsanspruch mit Ablauf des Urlaubszeitraums am 31. Dezember 2006 verfallen sei und somit das verfolgte Klageziel ohnehin überholt sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 4. Oktober 2006 - 4 Ca 1452/06 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass festgestellt wird, dass ihr Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2006 nicht durch die Freistellung im Jahr 2006 erfüllt worden ist.

Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, sie könne Feststellung begehren, dass die Freistellung nicht auf den Urlaubsanspruch angerechnet werden könne. Die Beklagte habe ihr auch nicht Urlaub in den Zeiträumen gewährt, die sie in ihrer Mitteilung vom 20. April 2006 genannt habe. So habe sie kurz nach dem geplanten Beginn ihres Sommerurlaubs zu einem Vorstellungsgespräch in B erscheinen müssen. Der Urlaub sei auch nicht verfallen. In einem weiteren gerichtlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht Bonn verlange sie von der Beklagten, ihr den vollen Urlaub aus dem Jahr 2006 nunmehr im Jahr 2007 zu gewähren.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat die Klägerin die Klage dahin geändert, festzustellen, dass der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2006 nicht durch die Freistellung im Jahr 2006 erfüllt worden ist. Die Beklagte hat erklärt, sie stimme der Klageänderung, die nicht sachdienlich sei, nicht zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Der in Höhe von unstreitig 35 Tagen entstandene Urlaubsanspruch für das Jahr 2006 ist durch die Freistellung im Jahr 2006 nicht erfüllt worden.

1. Der in der Berufungsinstanz zuletzt gestellte Feststellungsantrag ist zulässig.

a. Dieser anders lautende Antrag beinhaltet keine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO. Vielmehr hat die Klägerin den Klageantrag ohne Änderung seines Inhalts lediglich sprachlich klarer gefasst (vgl. dazu: Thomas-Putzo-Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 263 Rdn. 4 m. w. N.). Auch mit dem zunächst gestellten Antrag wollte die Klägerin die Feststellung erreichen, dass ihr für das Jahr 2006 entstandener Urlaubsanspruch durch die Freistellung im Jahr 2006 nicht erfüllt worden ist.

b. Für den Feststellungsantrag besteht auch das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

Zwar ist zwischen den Parteien nicht nur streitig, ob der Urlaub durch Freistellung im Jahr 2006 erfüllt worden ist, sondern auch, ob im Falle der Nichterfüllung der Urlaub mit Ablauf des 31. Dezember 2006 verfallen ist und ob ggf. die Beklagte Schadensersatz für den verfallenen Urlaubsanspruch zu leisten hat.

Jedoch ist anerkannt, dass das nach § 256 ZPO erforderliche rechtliche Interesse auch dann zu bejahen ist, wenn die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, jedenfalls den Streit über einen Teil des Rechtsverhältnisses zu klären (vgl. BAG, Urteil vom 21. Januar 2003 - 9 AZR 600/01 - NzA 2003, 930 f.).

Im vorliegenden Verfahren wird verbindlich geklärt, ob der Urlaubsanspruch durch Freistellung im Jahr 2006 erfüllt worden ist. Ist er erfüllt worden, so ist die bei dem Arbeitsgericht Bonn später anhängig gemachte Klage auf Gewährung des Urlaubs 2006 im Kalenderjahr 2007 zwingend abzuweisen. Ist er nicht erfüllt worden, hat das Arbeitsgericht Bonn nur noch die nachrangige Frage zu klären, ob der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres 2006 bzw. des Übertragungszeitraums verfallen ist und ob ggf. die Beklagte Schadensersatz zu leisten hat. Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung am 13. März 2007 im Zuge der Erörterung einer vergleichsweisen Regelung bereits darauf hingewiesen, dass möglicherweise das Urlaubsbegehren der Klägerin vom 20. April 2006 als verzugsbegründendes Mahnschreiben anzusehen ist (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 24. September 1996 - 9 AZR 364/95 - und Urteil vom 18. November 2003 - 9 AZR 95/03 -; HWK-Schinz, Arbeitsrechtskommentar, 2. Aufl., § 7 BUrlG Rdn. 134).

Im Übrigen ist die Entscheidung geeignet, den Parteien auch für künftige Fälle eine Richtschnur zu geben (vgl. dazu: Thomas-Putzo-Reichold, a.a.O., § 256 Rdn. 16). Wenn in dem Schreiben der Beklagten vom 29. März 2006 allgemein davon die Rede ist von "einem Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei solchen Sachverhalten" und einer "1/12 Regelung", dann muss damit gerechnet werden, dass die Beklagte auch künftig bei vergleichbaren Freistellungen der Klägerin wiederum ihren jetzigen Rechtsstandpunkt vertritt.

2. Der Feststellungsantrag ist auch begründet.

a. Die Erfüllung von Urlaubsansprüchen durch den Arbeitgeber bedarf der unwiderruflichen Befreiung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht. Nur dann ist es dem Arbeitnehmer möglich, anstelle der geschuldeten Arbeitsleistung die ihm auf Grund des Urlaubsanspruchs zustehende Freizeit uneingeschränkt zu nutzten. Dass ist nur dann gewährleistet, wenn der Arbeitnehmer während der Freistellung nicht damit rechnen muss, zur Arbeit gerufen zu werden (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, z. B. Urteil vom 14. März 2006 - 9 AZR 11/05 -).

b. Die Beklagte hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt im Jahr 2006 von der Arbeit unwiderruflich freigestellt. Die Freistellung erfolgte gemäß Schreiben vom 28. Dezember 2005 vielmehr "vorläufig". Sobald die Beklagte einen freien Arbeitsplatz für die Klägerin gefunden hatte, sollte die Freistellung durch Mitteilung der Beklagten beendet werden. Auch wenn die Beklagte angegeben hatte, es sei für sie schwierig einen freien geeigneten Arbeitsplatz zu finden, musste die Klägerin dennoch täglich damit rechnen, dass sie kurzfristig zu einem Vorstellungsgespräch geladen wurde.

An dieser Lage änderte sich nichts durch das Schreiben der Beklagten vom 29. März 2006. Auch darin wird wiederholt, dass sich (weiterhin) die Suche nach einem freien Arbeitsplatz sehr schwierig gestalte und deshalb eine vorübergehende Freistellung erfolgt sei. Auch im Zusammenhang mit der Anrechnungsregelung (2,5 Urlaubstage pro Freistellungsmonat) hat die Beklagte keinen Zeitraum festgelegt, in dem die Klägerin unwiderruflich von der Arbeit freigestellt sein sollte.

Eine unwiderrufliche Freistellung ist nicht für die Zeiträume erklärt worden, für die die Klägerin mit E-Mail vom 20. April 2006 Urlaub angemeldet hatte. Weder enthielt die Aufforderung der Beklagten an die Klägerin, ihre Urlaubsplanung mitzuteilen, einen Hinweis darauf, für die von der Klägerin mitgeteilten Zeiträume gelte eine Urlaubsgenehmigung als erteilt, noch hat die Beklagte nach Erhalt der Nachricht eine derartige Erklärung abgegeben. Ihr Schweigen hatte keinen Erklärungsinhalt. Zu beachten ist, dass die Urteilserteilung eine Willenserklärung ist, die nach § 130 BGB des Zugangs bedarf (vgl. BAG, Urteil vom 23. Januar 1996 - 9 AZR 554/93 -; HWK-Schinz, a.a.O., § 7 BUrlG Rdn. 3). Im Übrigen zeigt die Aufforderung zu einem Vorstellungsgespräch in dem Zeitraum, für den die Klägerin Sommerurlaub angemeldet hatte, dass die Beklagte keinesfalls von einer unwiderruflichen Freistellung der Klägerin in Übereinstimmung mit deren Urlaubswünschen ausging. Im Übrigen hätte sich die Beklagte mit einer entsprechenden Urlaubserteilung in Widerspruch zu ihrer Ankündigung gesetzt, für jeden Kalendermonat Freistellung 2,5 Urlaubstage als erfüllt anzusehen. Die Urlaubsplanung der Klägerin basierte darauf, dass der Klägerin bis zum 22. Mai 2006 noch kein Erholungsurlaub für das Jahr 2006 gewährt worden war. Hingegen vertrat die Beklagte die Ansicht, der Klägerin seien ab Januar 2006 pro Kalendermonat 2,5 Urlaubstage aus dem Jahr 2006 gewährt worden.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge nach § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Die sich dabei stellenden Rechtsfragen sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung beantwortet.

Ende der Entscheidung

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