Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 21.03.2006
Aktenzeichen: 9 Sa 1450/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 140
Zur Umdeutung einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine - wirksame - ordentliche Kündigung innerhalb der sog. Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 22.09.2005 - 3 (7) Ca 1907/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand

und

Entscheidungsgründe:

Wegen des Sachverhalts wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Parteien streiten darüber, ob eine von dem Beklagten mit Schreiben vom 31. Mai 2005 erklärte außerordentliche Kündigung in eine ordentliche Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist nach § 15 des Rahmentarifvertrages für den Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau zum 3. Juni 2005 umzudeuten ist und - für den Fall des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses über den 3. Juni 2005 hinaus - um Vergütungsansprüche des Klägers aus Annahmeverzug.

Die nach dem Beschwerdewert an sich statthafte Berufung des Klägers ist in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden. Sie ist damit zulässig.

Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung, die sich das Berufungsgericht zu Eigen macht, der Klage stattgegeben. In Ergänzung zu der Begründung des Arbeitsgerichts und im Hinblick auf die Ausführungen in der Berufungsbegründung weist das Berufsgericht auf folgende nach seiner Auffassung maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte hin:

1. Die Voraussetzungen für eine Umdeutung einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung werden durch § 140 BGB bestimmt. Dabei ist davon auszugehen, dass im Normalfall die ordentliche Kündigung als ein "Minus" in der außerordentlichen Kündigung enthalten ist (vgl. BAG, Urteil vom 24. Juni 2004 - 2 AZR 656/02 -). Es kommt folglich darauf an, ob der Kündigende Tatsachen vorgetragen hat, die darauf hindeuten, dass die Umdeutung in eine ordentliche Kündigung nach den gegebenen Umständen seinem mutmaßlichen Willen entsprach und dieser Wille dem Gekündigten auch erkennbar geworden ist. Bei der Ermittlung des hypothetischen Willens des Kündigenden ist auf die wirtschaftlichen Folgen abzustellen, die mit der unwirksamen Erklärung bezweckt waren. Die Umdeutung einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung kommt danach in Betracht, wenn sich aus der Erklärung des Kündigenden als wirtschaftlich gewollte Folge ergibt, das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall zu beenden, und wenn dies dem Gekündigten erkennbar war (vgl. BAG, Urteil vom 13. August 1987 - 2 AZR 599/86 -). Die Umdeutung bedarf keines besonderes Antrages, aber des Vortrags entsprechender Tatsachen (vgl. BAG, Urteil vom 10. Mai 1984 - 2 AZR 87/83 -).

2. Greift das Kündigungsschutzgesetz noch nicht ein, weil der Arbeitnehmer nicht länger als 6 Monate bei dem Arbeitgeber beschäftigt ist (§ 1 Abs. 1 KSchG), so ist von der tatsächlichen Vermutung auszugehen, dass der Arbeitgeber, dessen außerordentliche Kündigung von der Rechtsordnung nicht anerkannt wird, den hypothetischen Willen zur ordentlichen Kündigung hat und dies dem Arbeitnehmer in der Regel auch erkennbar ist (vgl. BAG, Urteil vom 10. Mai 1984 - 2 AZR 87/83 -; KR-Friedrich, 6. Aufl., § 13 KSchG Rdn. 79).

3. In Kenntnis des noch fehlenden Kündigungsschutzes konnte und musste der Kläger aus den gesamten Umständen unschwer erkennen, dass der Beklagte das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall, sei es auch nur zum nächstzulässigen Kündigungstermin, beenden wollte.

Sinn der sog. Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG ist es, dem Arbeitgeber Gelegenheit zu geben, den Arbeitnehmer zunächst kennen zu lernen, ohne durch das Verbot sozial ungerechtfertigter Kündigung gleich gebunden zu sein. Sie hat also Erprobungszweck (vgl. HWK-Quecke, Arbeitsrechtkommentar, § 1 KSchG Rdn. 7). Bei der Beurteilung der Erprobung gelten typischerweise als wesentliche Bewertungskriterien das Arbeitsverhalten des Arbeitnehmers und auch seine Zusammenarbeit mit den anderen Arbeitnehmern.

Der Beklagte hatte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses in dem Schreiben vom 31. Mai 2005 damit begründet, der Kläger habe sich nicht einwandfrei gegenüber anderen Arbeitnehmer verhalten. Er habe sie genötigt, die Arbeitsstelle vorzeitig zu verlassen, und ihnen beim Abladen nicht geholfen. Durch sein Verhalten habe er das Betriebsklima erheblich gestört.

Angesichts dieser Begründung konnte auch für den Kläger kein Zweifel bestehen, dass der Beklagte auf jeden Fall das Arbeitsverhältnis beendeten wollte. Er brachte mit dem Schreiben zum Ausdruck, dass sowohl sein Arbeitsverhalten zu beanstanden sei, weil er vorzeitig die Arbeitsstelle verlassen habe, als auch seine Zusammenarbeit mit den anderen Arbeitnehmern nicht den Anforderungen genüge. Der Hinweis, er habe das Betriebsklima erheblich gestört, bedeutete, dass er ein für den Beklagten nicht hinnehmbares Verhalten an den Tag gelegt hatte, was eine Weiterbeschäftigung ausschließen musste. Welches Interesse sollte ein Arbeitgeber an einer Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers haben, der bereits im ersten Monat nach Beginn des Beschäftigungsverhältnisses durch sein Verhalten erhebliche Unruhe in den Betrieb hineingebracht hatte ?!

Der Kläger hat keine begründeten Gesichtspunkte vorgetragen, die dieser Annahme widersprechen. Sein Vorbringen, das Schreiben vom 31. Mai 2005 habe er als "letzte Warnung" verstehen müssen, ist angesichts des Umstandes, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Schreiben fristlos kündigte, nicht nachvollziehbar.

4. Die ordentliche Kündigung ist nicht nach § 242 BGB unwirksam, weil es an einer vorherigen Abmahnung fehlte.

Durch das Kündigungsschutzgesetz hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen und die Wirkungen des Grundsatzes von Treu und Glauben konkretisiert und abschließend geregelt, soweit es um den Bestandsschutz und das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes geht. Da der Gesetzgeber bestimmte Arbeitnehmer vom Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes ausgenommen hat, darf die Anwendung des § 242 BGB nicht dazu führen, den Kündigungsschutz auf solche Arbeitnehmer auszudehnen (vgl. KR-Friedrich, a.a.O., § 13 KSchG Rdn. 233 m.w.N.).

Das Erfordernis einer vorherigen Abmahnung vor ordentlichen verhaltensbedingten Kündigungen gilt für bestandsgeschützte Arbeitsverhältnisse. Demgegenüber ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, einem Arbeitnehmer, der sich in seinen Augen während der gesetzlichen Wartezeit nicht bewährt hat, eine weitere Erprobungschance einzuräumen. Jedem Arbeitnehmer muss auch bewusst sein, dass gerade während der gesetzlichen Wartezeit Leistungs- und/oder Verhaltensmängel, die der Arbeitgeber als schwerwiegend ansieht, zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen.

5. Da das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung zum 3. Juni 2005 wirksam beendet worden ist, bestehen keine Ansprüche des Klägers auf Vergütung aus Annahmeverzug für die Zeit danach.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück