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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 11.04.2006
Aktenzeichen: 9 Sa 1546/05
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 626 |
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 18. Oktober 2005 - 4 Ca 136/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, die Entfernung von 3 unter dem 20. Dezember 2004 erteilten Abmahnungsschreiben, die Überlassung eines Dienstfahrzeugs und die Entschädigung für einen Entzug des Dienstfahrzeugs sowie über Vergütungsansprüche für die Monate Januar 2005 bis Mai 2005.
Der Kläger, geboren am 21. März 1956, ist bzw. war bei der Beklagten aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 2. Februar 2004 (Bl. 7 - 8 d. A.) als Disponent zu einem monatlichen Gehalt in Höhe von EUR 3.500,00 brutto beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag ist u. a. unter Ziff. 5 Folgendes bestimmt:
"Die Firma E stellt Herrn H einen Firmenwagen zur Verfügung (Bruttoanschaffungspreis, d. h. einschl. Mehrwertsteuer EUR 20.000,00). Herr H zahlt für das Firmenfahrzeug den jeweils gültigen "geldwerten Vorteil" zur Zeit 1 % vom Bruttolistenpreis für die private Nutzung. Herr H beteiligt sich selbst mit EUR 200,00 monatlich an den Kosten des Firmenfahrzeugs. Insoweit erfolgt eine Anrechnung auf die 1 %- Regelung."
Der Kläger ist mit einem Grad von 50 schwerbehindert.
Mit Schreiben vom 20. Dezember 2004 mahnte die Beklagte den Kläger ab, weil er sich in einem am 19. Dezember 2004 geführten telefonischen Gespräch in ungehörigem Ton gegenüber ihr geäußert habe, wobei es um die Frachtpapiere für eine Fahrt am 20. Dezember 2004 gegangen sei. Mit einem weiteren Schreiben vom 20. Dezember 2004 mahnte sie ihn ab, weil er am 18. Dezember 2004 gegenüber dem Fahrer R geäußert habe, er sei nicht mehr bereit, für ihn die Frachtpapiere fertig zu machen, und er sich zudem in der Vergangenheit auch gegenüber dem Kunden S im Ton vergriffen habe. Mit einem dritten Schreiben vom 20. Dezember 2004 rügte sie, der Kläger habe am 19. Dezember 2004 schriftlich die Gewährung von 27 Urlaubstagen in der Zeit vom 12. Dezember 2004 bis zum 27. Januar 2005 verlangt, ohne dies zuvor mit ihr abzustimmen. Das Arbeitsverhältnis werde fristlos gekündigt, falls er nicht spätestens am 21. Dezember 2004 die Arbeit wieder aufnehme. Nachdem der Kläger im Betrieb erschienen war, genehmigte die Beklagte allerdings am Nachmittag des 20. Dezember 2004 den beantragten Urlaub. Der Kläger löschte an diesem Tag auf Aufforderung der Beklagten an seinem dienstlichen Computer das von ihm eingegebene Passwort, damit der Rechner von ihr genutzt werden konnte.
Unter dem 28. Dezember 2004 beantragte die Beklagte bei dem Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Sie begründete die beabsichtigte Kündigung mit dem Verhalten des Klägers, das sie in den Schreiben vom 20. Dezember 2004 gerügt hatte. Zudem gab sie an, der Kläger habe in der Zeit vom 24. November 2004 bis zum 3. Dezember 2004 auf seinem dienstlichen Personalcomputer aus dem Internet Bilddateien mit pornografischem Inhalt heruntergeladen, was am 28. Dezember 2004 festgestellt worden sei.
Nachdem das Integrationsamt die Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung mit Bescheid vom 12. Januar 2005 erteilt hatte, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 13. Januar 2005 das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich.
Die vorliegende Klage, die zunächst die Entfernung der Schreiben vom 20. Dezember 2004 aus der Personalakte und die Überlassung eines Dienstfahrzeugs betraf, ist am 10. Januar 2005 beim Arbeitsgericht Aachen eingegangen. Der Kläger bestreitet die Richtigkeit der in den Schreiben vom 20. Dezember 2004 gemachten Vorwürfe. Er habe sich nicht in einem ungehörigen Ton gegenüber der Beklagten, anderen Mitarbeitern oder Kunden geäußert. Die Frachtpapiere, die für die Fahrt des Fahrers W bestimmt gewesen seien, habe er rechtzeitig ausgefertigt. Der Urlaub habe ihm zugestanden und sei durch die Beklagte am 20. Dezember 2004 auch bewilligt worden. Die Beklagte sei nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet, ihm ein Firmenfahrzeug zur Nutzung zu überlassen. Da er aufgrund einer Anweisung der Beklagten vor dem Urlaubsantritt das Dienstfahrzeug habe zurückgeben müssen, sei sie verpflichtet, ihm eine Entschädigung für die vorenthaltene Nutzung in Höhe von monatlich EUR 200,00 zu gewähren.
Mit der am 20. Januar 2005 eingegangenen Klageerweiterung wendet sich der Kläger gegen die Kündigung vom 13. Januar 2005 und macht geltend, es habe kein wichtiger Grund vorgelegen, der die außerordentliche Kündigung rechtfertigen könne. Die in den Schreiben vom 20. Dezember 2004 erhobenen Vorwürfe träfen nicht zu. Auch habe er nicht andere Mitarbeiter aufgefordert, von der Beklagten einen höheren Lohn zu verlangen. Schließlich habe er auch keine Bilddateien mit pornografischem Inhalt auf seinem dienstlichen Computer heruntergeladen. Vielmehr seien ihm Bilddateien per E-Mail zugeschickt worden, die danach automatisch in einem auf der Festplatte zu Sicherungszwecken eingerichteten Ordner abgespeichert worden seien. Die hilfsweise ordentliche Kündigung sei unwirksam, weil es an der erforderlichen vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes fehle. Da die Beklagte zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt habe und mithin das Kündigungsschutzgesetz Anwendung finde, sei die ordentliche Kündigung auch wegen fehlender sozialer Rechtfertigung unwirksam.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 13. Januar 2005 beendet worden ist,
2. die Beklagte zu verurteilen, die beiden Abmahnungen vom 20. Dezember 2004 und das Aufforderungsschreiben mit Kündigungsandrohung vom 20. Dezember 2004 aus der Personalakte zu entfernen,
3. die Beklagte zu verurteilen, ihm den Besitz an seinem Dienstfahrzeug Marke Chrysler, amtliches Kennzeichen AC - TE 40, einzuräumen oder ihm ein vergleichbares Dienstfahrzeug zur Verfügung zu stellen,
4. die Beklagte zu verurteilen, ihm beginnend mit dem Monat Januar 2005 bis zum Zeitpunkt der Überlassung eines Dienstfahrzeugs eine monatliche Entschädigung in Höhe von EUR 200,00 netto zu zahlen,
5. die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Monat Januar 2005 restliche EUR 1.983,33 brutto und EUR 133,00 netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2005 zu zahlen,
6. die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Monat Februar 2005 EUR 3.500,00 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2005 zu zahlen,
7. die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Monat März 2005 EUR 3.500,00 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2005 abzüglich EUR 1.591,54 netto Arbeitslosengeld zu zahlen,
8. die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Monat April 2005 EUR 3.500,00 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Mai 2005 abzüglich EUR 1.540,20 netto Arbeitslosengeld zu zahlen,
9. die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Monat Mai 2005 EUR 3.500,00 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2005 abzüglich EUR 1.591,54 netto Arbeitslosengeld zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, die in den Schreiben vom 20. April 2004 erhobenen Vorwürfe träfen zu. Der Kläger habe sich in der Vergangenheit häufiger in einem unangemessenen Ton gegenüber Kunden und Mitarbeitern geäußert. Auch habe er sich als der Macher in dem Unternehmen aufgespielt, eine interne Preiskalkulation an einen Auftraggeber weitergegeben, Mitarbeiter bei der Organisation des Palettenrücklaufs nicht hinreichend unterstützt und Mitarbeiter dahin beeinflusst, einen höheren Lohn zu verlangen. Nachdem sie erfahren habe, dass der Kläger auf seinem dienstlichen Computer Bilddateien mit pornografischem Inhalt heruntergeladen und abgespeichert habe und Ausdrucke der Dateien im Kollegenkreis gezeigt habe, habe sie sich entschlossen, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Sie ist der Ansicht, die Zustimmung des Integrationsamtes zur außerordentlichen Kündigung beinhalte gleichzeitig auch die Zustimmung zur hilfsweise ordentlichen Kündigung. Den Dienstwagen habe der Kläger freiwillig herausgegeben. Lohnansprüche für die Zeit nach Zugang der Kündigung stünden dem Kläger nicht zu, da das Arbeitsverhältnis wirksam fristlos gekündigt worden sei. Sie habe zum Kündigungszeitpunkt nur 9 Arbeitnehmer beschäftigt.
Das Arbeitsgericht Aachen hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Es hat zur Begründung ausgeführt, die außerordentliche Kündigung sei unwirksam. Mit Ausnahme des Vorwurfs, der Kläger habe unberechtigt Bilddateien auf seinem dienstlichen Computer heruntergeladen, seien alle von der Beklagten angeführten Kündigungsgründe verwirkt. Sei lägen außerhalb der 2-Wochen-Frist nach § 626 Abs. 2 BGB. Außerdem seien sie als Kündigungsgründe verbraucht, soweit sie zunächst der Beklagten (nur) als Anlass für Abmahnungen gedient hätten. Da es bei der Beklagten keine Regelung über die private Nutzung des Internets am Arbeitsplatz gebe und der Kläger auch nicht einen ganz erheblichen Teil seiner Arbeitszeit für die private Nutzung des Internets aufgewandt habe, könne das Herunterladen und Speichern von Dateien aus dem Internet ohne vorherige Abmahnung zum Ausspruch einer Kündigung nicht berechtigen. Dies gelte auch, soweit Bilddateien mit pornografischem Inhalt heruntergeladen worden seien. Die hilfsweise ordentliche Kündigung sei unwirksam, weil es an der erforderlichen vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes fehle. Die drei Schreiben vom 20. Dezember 2004 seien aus der Personalakte zu entfernen. Soweit sie in einem dieser Schreiben dem Kläger vorwerfe, er habe sich gegenüber ihr in einem unangemessenen Ton geäußert, fehle es an einem Beweisantritt. Soweit sie in einem weiteren Schreiben ausführe, der Kläger habe sich in der Vergangenheit gegenüber dem Kunden S im Ton vergriffen, sei der Vorwurf zu unbestimmt.
Das dritte Schreiben vom 20. Dezember 2004 zu der kurzfristigen Urlaubsbeantragung gebe ein schiefes Bild, weil der Urlaub tatsächlich von der Beklagten genehmigt worden sei. Nach dem Arbeitsvertrag sei die Beklagte verpflichtet, dem Kläger einen Dienstwagen zur privaten Nutzung zu überlassen, wobei der private Nutzungsanteil mit monatlich EUR 200,00 zu bemessen sei.
Schließlich schulde die Beklagte aufgrund Annahmeverzugs die vom Kläger verlangte Vergütung für die Monate Januar 2005 bis einschließlich Mai 2005.
Das Urteil ist der Beklagten am 24. November 2005 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 6. Dezember 2005 Berufung einlegen und diese zugleich begründen lassen.
Die Beklagte ist der Ansicht, der Vorwurf, der Kläger habe sich in der Vergangenheit in unangemessenem Ton gegenüber ihr - der Beklagten - sowie gegenüber Kunden und Mitarbeitern geäußert, sei nicht verwirkt. Sie habe vor Ausspruch der Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes einholen müssen. Gleiches gelte für den eigenmächtigen Urlaubsantritt am 20. Dezember 2004, den sie am gleichen Tag nach einer heftigen Auseinandersetzung mit dem Kläger nachträglich genehmigt habe. Am 28. Dezember 2004 sei festgestellt worden, dass auf der Festplatte des ausschließlich von dem Kläger genutzten dienstlichen Computers Bildmaterial mit pornografischem Inhalt abgespeichert gewesen sei. Der Kläger habe die Bilddateien nicht nur während der Arbeitszeit aus dem Internet heruntergeladen und abgespeichert, sondern zum Teil auch anderen Mitarbeitern zugänglich gemacht und diese dadurch von der Arbeit abgehalten. Sein Verhalten wiege schwer, zumal von ihm als gut bezahltem Mitarbeiter in exponierter Stellung ein überdurchschnittlicher Arbeitseifer und eine überdurchschnittliche Loyalität habe erwartet werden können. Mit der Berufsbegründung vom 1. Dezember 2005 und Schriftsatz vom 22. Februar 2006 hat sie angekündigt, sie werde "in Kürze" das "vollständige Bildmaterial" dem Berufungsgericht überlassen, damit es sich ein umfassendes Bild darüber machen könne, in welchem Umfang Bilddateien mit pornografischem Inhalt auf der Festplatte abgespeichert worden seien. In der Verhandlung am 11. April 2006 hat sie 22 Bilder mit pornografischem Inhalt überreicht mit der Behauptung, sie seien auf der Festplatte des Klägers abgespeichert und am 10. April 2006 ausgedruckt worden. Es befänden sich noch weitere Bilder gleichen Inhalts auf der Festplatte.
Die Zustimmung des Integrationsamtes zu der außerordentlichen Kündigung müsse als gleichzeitige Zustimmung zu der hilfsweisen ordentlichen Kündigung gelten.
Mit den Schreiben vom 20. Dezember 2004 seien zu Recht Verhaltensverstöße des Klägers unter Androhung einer Kündigung gerügt worden.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Aachen vom 18. Oktober 2005 - 4 Ca 136/05 - die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für richtig und verweist im Übrigen auf sein erstinstanzliches Vorbringen. Er hat in der mündlichen Verhandlung am 11. April 2006 bestritten, die von der Beklagten vorgelegten Bilder als Dateien aus dem Internet heruntergeladen und auf der Festplatte seines dienstlichen Computers abgespeichert zu haben. Zudem hat er die verspätete Vorlage der Bilder gerügt.
Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung ist, soweit sie entsprechend den gesetzlichen Anforderungen auch begründet worden ist, zulässig.
Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b, c ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.
II. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die fristlose Kündigung vom 13. Januar 2005 nicht beendet worden.
Es bestand kein wichtiger Grund, der die Beklagte zum Ausspruch der fristlosen Kündigung berechtigte.
Da der Kläger binnen 3 Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben hat, ist die Wirksamkeit der Kündigung nach den Maßstäben des § 626 BGB zu prüfen.
Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund deren dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei kann die Kündigung nach § 626 Abs. 2 BGB nur innerhalb von 2 Wochen erfolgen, nachdem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat.
a. Soweit die Beklagte die Kündigung auf die in den beiden Abmahnungsschreiben vom 20. Dezember 2004 erhobenen Vorwürfe stützt, hat sie mit den darin erklärten Abmahnungen auf eine Kündigung wegen der Gründe, die Gegenstand dieser Abmahnungen waren, verzichtet (vgl. BAG, Urteil vom 10. November 1989 - 2 AZR 215/88-; HWK-Quecke, Arbeitsrechtskommentar, § 1 KSchG Rdn. 201).
Mit diesen Schreiben hat die Beklagte den Kläger wegen eines ungehörigen Tons gegenüber ihr - der Beklagten - sowie gegenüber einem Mitarbeiter und einem Kunden abgemahnt und ihm für den Wiederholungsfall eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses angekündigt.
b. Soweit die Beklagte dem Kläger vorwirft, er habe am 20. Dezember 2004 einen nicht genehmigten Urlaub angetreten, hat sie ebenfalls darauf verzichtet, eine Kündigung darauf zu stützen. Denn sie hat dem Kläger noch im Verlauf des 20. Dezember 2004 den von ihm beantragten Urlaub bewilligt. Bis dahin hatte der Kläger keinen kündigungsrelevanten Pflichtenverstoß begangen, da die Beklagte ihm eine Kündigung nur für den Fall in Aussicht gestellt hatte, dass er auch nicht am 21. Dezember 2004 seine Arbeit antrat.
c. Die anderen behaupteten Äußerungen des Klägers gegenüber Fahrern von Kühlfahrzeugen und gegenüber Kunden sowie die weiteren Beanstandungen lagen vor den Vorfällen, die in den Abmahnungsschreiben vom 20. Dezember 2004 gerügt worden waren. Sie waren von der Beklagten nach eigenem Vorbringen als geschäftsschädigendes Verhalten gerügt worden. Es war nicht einmal eine Kündigung für den Wiederholungsfall angedroht worden.
d. Auch das Vorbringen der Beklagten über eine unerlaubte Nutzung des dienstlichen Computers kann die Kündigung nicht rechtfertigen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer das Internet während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken in erheblichem zeitlichen Umfang nutzt und damit seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. Er kann dann nicht darauf vertrauen, der Arbeitgeber werde dies tolerieren. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber keine klarstellende Nutzungsregelung für den Betrieb aufgestellt hat. Der Arbeitnehmer kann weiter nicht damit rechnen, der Arbeitgeber sei damit einverstanden, dass er für sich umfangreiche pornografische Dateien aus dem Internet herunterlädt. Der Arbeitgeber hat ein Interesse daran, von Dritten nicht mit solchen Aktivitäten seiner Mitarbeiter in Verbindung gebracht zu werden (vgl. BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 - 2 AZR 581/04 -).
Ausgehend davon hat die Beklagte nicht hinreichend dargetan, dass ein wichtiger Grund für eine Kündigung vorlag. Zunächst ist festzuhalten, dass bei der Beklagten keine ausdrückliche Regelung über die private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit bestand. Daher oblag es der Beklagten, darzulegen, dass der Kläger in erheblichem zeitlichen Umfang während der Arbeitszeit das Internet genutzt hat und/oder umfangreiche pornografische Dateien aus dem Internet heruntergeladen und abgespeichert hat. Es fehlen aber jegliche Angaben über den zeitlichen Umfang der privaten Nutzung des Internets. Auch ist nicht dargetan worden, dass der Kläger umfangreiche pornografische Dateien aus dem Internet heruntergeladen und abspeichert hat. Die Beklagte hat erstinstanzlich in der Klageerwiderung vom 8. März 2005 ohne Angabe der Zahl der Bilddateien ausgeführt, einige der abgespeicherten Dateien zeigten Bilder mit erotischem Inhalt, der überwiegende Teil enthalte pornografisches Bildmaterial. Auch in dem Berufungsverfahren hat die Beklagte in Kenntnis der genannten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts die Zahl der abgespeicherten Bilddateien mit pornografischem Inhalt nicht überprüfbar dargetan. Vielmehr hat sie sich darauf beschränkt, 22 Bilder mit pornografischem Inhalt vorzulegen, wobei jegliche Angabe darüber fehlt, von welcher Internet-Seite sie zu welchem Zeitpunkt heruntergeladen worden sind. Der Zeitpunkt ist insbesondere auch deshalb von Bedeutung, weil der Kläger ab dem 20. Dezember 2004 keinen Zugriff auf den Computer mehr hatte, sondern dieser ausschließlich der Beklagten und ggf. anderen von ihr beauftragten Personen zur Verfügung stand, und die Bilddateien nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten erst am 28. Dezember 2004 vorgefunden wurden.
Da es schon an einer hinreichend substantiierten Darlegung fehlt, ist nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass die Beklagte auch keinen geeigneten Beweis für die Richtigkeit ihrer Behauptung angetreten hat, der Kläger habe auf der Festplatte des dienstlichen Computers umfangreiche pornografische Dateien abgespeichert. Nach § 371 Abs. 1 S. 2 ZPO ist der Beweis durch Vorlage der Datei auf dem Speichermedium anzutreten, wenn ein elektronisches Dokument Gegenstand des Beweises ist.
e. Soweit die Beklagte vorträgt, der Kläger habe anderen Mitarbeitern einen Teil der Bilddateien mit pornografischem Inhalt zur Kenntnis gebracht und sie dadurch von der Arbeit abgehalten, fehlt es ebenfalls an einem hinreichenden Vortrag. Sie hat nicht dargelegt, wann, welchem Mitarbeiter, welche Bilddateien übermittelt worden sind und welcher Arbeitszeitausfall dadurch entstanden ist. Soweit sie auf das Beschäftigtenschutzgesetz verweist, ist festzuhalten, dass nicht dargetan worden ist, welcher Beschäftigte sich durch Übermittlung welcher Bilddateien belästigt gesehen hat.
Nach alledem hat das Arbeitsgericht zutreffend das Vorliegen eines an sich geeigneten Grundes für eine fristlose Kündigung verneint.
2. Das Arbeitsverhältnis ist auch nicht durch die hilfsweise ordentliche Kündigung beendet worden.
Die Kündigung ist unwirksam, weil die nach § 85 SGB IX erforderliche vorherige Zustimmung des Integrationsamtes fehlt.
Das Integrationsamt hat ausweislich des Bescheides vom 12. Januar 2005 nur die Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses erteilt. Es entsprach damit dem von der Beklagten gestellten Antrag, in dem es abschließend heißt, das Arbeitsverhältnis werde nach erteilter Zustimmung außerordentlich gekündigt. Ein Hinweis auf eine hilfsweise ordentliche Kündigung fehlt.
Die Umdeutung der Zustimmung des Integrationsamtes zur außerordentlichen Kündigung in eine solche zur ordentlichen Kündigung scheidet aus. §§ 87 - 89 SGB IX einerseits und § 91 SGB IX andererseits stellen unterschiedliche materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Voraussetzungen für die Zustimmung auf. Während die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung im Normalfall in das pflichtgemäße Ermessen des Integrationsamtes gestellt ist, das unter Abwägung der geltend gemachten Kündigungsgründe einerseits und dem Schutzzweck des Schwerbehindertenrechts abzuwägen hat, handelt es sich bei der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung um eine sogenannte gebundene Entscheidung. Nach § 91 Abs. 4 SGB IX soll das Integrationsamt die Zustimmung erteilen, wenn die Kündigung aus einem Grund erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht. Zudem unterscheiden sich die jeweiligen Verfahren auch deutlich in verfahrensrechtlicher Hinsicht (vgl. zur vergleichbaren Rechtslage nach §§ 18, 19, 21 SchwbG a.F.: BAG, Urteil vom 16. Oktober 1991 - 2 AZR 197/91 -).
3. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Entfernung der drei Schreiben vom 20. Dezember 2004 aus der Personalakte.
Die diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts treffen in jeder Hinsicht zu.
a. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 242 BGB, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte verlangen. Eine missbilligende Äußerung des Arbeitgebers in Form einer Abmahnung ist geeignet, den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen und seinem Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen. Deshalb kann der Arbeitnehmer die Beseitigung dieser Beeinträchtigung verlangen, wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt wird oder keine schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht (vgl. z. B. BAG, Urteil vom 30. Mai 1996 - 6 AZR 537/95-).
b. Das Schreiben vom 20. Dezember 2004, mit dem die Beklagte rügt, der Kläger habe sich am 19. Dezember 2004 gegenüber ihr im Ton vergriffen, ist aus der Personalakte zu entfernen, weil die Richtigkeit des Vorwurfs nicht feststeht. Die Beklagte, die für die Richtigkeit der Vertragsverletzung beweispflichtig ist (vgl. HWK-Quecke, a.a.O., § 1 KSchG Rnd. 207 m.w.N.), hat keinen Beweis für die Richtigkeit dieses Vorbringens angetreten.
c. Das Schreiben vom 20. Dezember 2004, mit dem zunächst ein konkretes Fehlverhalten gegenüber einem Mitarbeiter gerügt wird, und es dann allgemein heißt, ein Kunde habe der Beklagten angetragen, dass sich der Kläger im Ton vergriffen habe, ist aus der Personalakte zu entfernen, weil die letztere Pflichtverletzung nicht genau bezeichnet ist. Genauso wie unrichtige Tatsachenbehauptungen sind pauschale Vorwürfe, die weder hinreichend genaue zeitliche Angaben noch Einzelheiten und Umstände der angesprochenen Vorfälle enthalten, dazu geeignet, den Arbeitnehmer in ungerechtfertiger Weise in seinem beruflichen Fortkommen zu behindern. Es besteht die Gefahr, dass sie sich zu einem späteren Zeitpunkt in einer Beurteilung niederschlagen, ohne dass dabei der zugrundeliegende Anlass gewürdigt wird (vgl. dazu: LAG Köln, Urteil vom 12. August 2005 - 4 Sa 412/05 - m.w.N.).
d. Das Schreiben vom 20. Dezember 2004, mit dem die Beklagte einen eigenmächtigen, mit betrieblichen Gründen nicht in Einklang zu bringenden Urlaubsantritt rügt, ist aus der Personalakte zu entfernen, weil die Beklagte den Urlaub noch am 20. Dezember 2004 genehmigt hat. Damit hat sie die Berechtigung des Klägers zum Fernbleiben von der Arbeit anerkannt. Die Genehmigung zeigt zudem, dass der Urlaub auch mit den betrieblichen Erfordernissen in Einklang gebracht werden konnte.
4. Da das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht beendet worden ist, besteht weiterhin die Verpflichtung der Beklagten nach Ziff. 5 des Arbeitsvertrages vom 2. Februar 2004, dem Kläger einen Firmenwagen auch zur privaten Nutzung zu überlassen. Zudem hat sie dem Kläger für die Zeit der Vorenthaltung der privaten Nutzung den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Mit den Feststellungen des Arbeitsgerichts in dem Urteil vom 18. Oktober 2005 über die Höhe des monatlichen Nutzungsausfalls und über den Zeitraum, für den der Nutzungsausfall zu gewähren ist, hat sich die Beklagte im Berufungsverfahren nicht gesondert auseinandergesetzt. Soweit sie diese Feststellungen angreifen wollte, hätte es solcher Ausführungen bereits in der Berufungsbegründung bedurft. Die bloße Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen konnte die erforderliche Auseinandersetzung nicht ersetzen (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 15. August 2002 - 2 AZR 473/01 -).
5. Ebenfalls ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Vergütung für die Monate Januar 2005 bis einschließlich Mai 2005 in der vom Kläger geltend gemachten Höhe zu zahlen. Der Vergütungsanspruch des Klägers besteht für die Zeit bis zum Zugang der Kündigung nach § 611 BGB i.V.m. § 1 BUrlG, da sich der Kläger in dem von der Beklagten genehmigten Erholungsurlaub befand. Für die Zeit ab Zugang der fristlosen Kündigung besteht der Vergütungsanspruch aufgrund Annahmeverzugs der Beklagten nach § 615 BGB, ohne dass es eines Arbeitsangebots des Klägers bedurfte (vgl. BAG, Urteil vom 9. August 1984 - 2 AZR 374/83 -). Mit den Feststellungen des Arbeitsgerichts über die Höhe des Vergütungsanspruchs und über die Höhe des anzurechnenden Arbeitslosengeldes hat sich die Beklagte im Berufungsverfahren nicht gesondert auseinandergesetzt.
Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge nach § 97 ZPO zurückzuweisen.
Ende der Entscheidung
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