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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 24.04.2007
Aktenzeichen: 9 Sa 28/07
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2
Von einer endgültigen Entschließung, den Betrieb stillzulegen, ist auszugehen, wenn die Gesellschafter einer GmbH die Stilllegung zu einem festen Termin beschlossen und den Geschäftsführer beauftragt haben, umgehend Verhandlungen über den Verkauf des Betriebsgeländes aufzunehmen, keine neuen Aufträge mehr anzunehmen, Massenentlassungsanzeige an die Bundesagentur für Arbeit zu erstatten, alle Arbeitnehmer zu kündigen, bis zum Stilllegungstermin sämtliche vorhandenen Aufträge abzuwickeln und für noch verbliebene Auftragsreste am Markt verfügbare Nachunternehmer zu suchen.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 30.11.2006 - 8 Ca 1425/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. Januar 2006 zum 31. August 2006 beendet worden ist.

Der Kläger, geboren am 2. Januar 1948, verheiratet, 1 Kind, ist bzw. war bei der Beklagten seit dem 5. September 1977 als Isolierer beschäftigt zu einer monatlichen Vergütung von zuletzt EUR 3.010,00.

Am 14. Dezember 2005 beschloss die Gesellschafterversammlung der Beklagten, den Geschäftsbetrieb zum 31. August 2006 einzustellen und bis dahin sämtliche Baustellen aufzugeben. Der Geschäftsführer wurde beauftragt, Verkaufsverhandlungen für das Betriebsgelände in T aufzunehmen.

Unter dem 21. Dezember 2005 erstattete die Beklagte, bei der ein Betriebsrat nicht bestand, eine Massenentlassungsanzeige bei der Bundesagentur für Arbeit. Darin gab sie an, bei ihr seien 25 Arbeiter, 8 Angestellte und 1 Auszubildender beschäftigt. Sie beantragte die Zustimmung zur Entlassung aller Arbeiter, darunter auch der Kläger, und einer Angestellten mit dem Hinweis auf die beschlossene Betriebsstilllegung. Mit Bescheid vom 2. Januar 2006 setzte die Bundesagentur für Arbeit das Ende der Entlassungssperre auf den 23. Januar 2006 fest.

Mit der vorliegenden Klage, die am 16. Februar 2006 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, wendet sich der Kläger gegen die Kündigung vom 24. Januar 2006, die ihm am 27. Januar 2006 zugegangen ist.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, den erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträgen und wegen der Gründe, die die 8. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, die Kündigungsschutzklage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 30. November 2006 Bezug genommen.

Das Urteil ist dem Kläger am 12. Dezember 2006 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 11. Januar 2007 Berufung einlegen und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 12. März 2007 - am 12. März 2007 begründen lassen.

Der Kläger bestreitet weiterhin, dass die beschlossene Betriebsstilllegung zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen hatte. Das erstinstanzliche Gericht habe nicht geprüft, ob die Stilllegungsentscheidung später auch tatsächlich umgesetzt worden sei und die Dauerbaustellen endgültig geschlossen worden seien. Die Beklagte habe dazu nur unsubstantiiert vorgetragen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 30. November 2006 - 8 Ca 1425/06 - abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24. Januar 2006 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, sie habe den Gesellschafterbeschluss vom 14. Dezember 2005 auch tatsächlich umgesetzt und den Betrieb zum 31. August 2006 stillgelegt.

Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung sei die Umsetzung gesichert gewesen. Neue Aufträge habe sie nicht mehr angenommen, sondern lediglich Instandhaltungsmaßnahmen aufgrund der bestehenden Rahmenverträge ausgeführt. Sofern sie aus den langfristig bestehenden Auftragsverhältnissen nicht vorzeitig entlassen worden wäre, hätte sie am Markt verfügbare Nachunternehmer beauftragt. Ihr Geschäftsführer habe aber durch Verhandlungen mit den Auftraggebern der vier Dauerbaustellen erreicht, dass die Beklagte einvernehmlich aus den Auftragsverhältnissen bis zum 31. August 2006 entlassen worden sei. So sei die größte Baustelle bei der D M l bereits zum 7. April 2006 beendet worden. Sie habe auf dem dortigen Firmengelände einen Aufenthaltscontainer für ihre Mitarbeiter unterhalten. Sowohl den Pachtvertrag für die Abstellfläche als auch den Mietvertrag für den Aufenthaltscontainer habe sie mit Schreiben vom 20. März 2006 gekündigt. Mit Schreiben vom 23. März 2006 habe sie zudem den erforderlichen Kraftstoffliefervertrag gekündigt. Die Baustelle bei der B Verbrennungsanlagen B sei ausweislich des Bestätigungsschreibens der Auftraggeberin vom 12. Juli 2006 vorzeitig zum 31. Juli 2006 beendet worden. Die Baustelle bei der C AG im Werk R O sei ebenfalls beendet worden. Mit Schreiben vom 11. Mai 2006 habe sie die Aufforderung der C AG, für einen zweijährigen Rahmenvertrag ein Angebot abzugeben, mit dem Hinweis auf die Betriebsstilllegung und eine bereits darüber erfolgte mündliche Information abschlägig beschieden. Schließlich sei auch die Baustelle bei der I W T GmbH & Co. KG nicht über den 31. August 2006 hinaus von ihr betrieben worden. Sie habe ausweislich eines Schreibens vom 19. Juli 2006 gegenüber dieser Auftraggeberin den zuvor mündlich mitgeteilten Entschluss bestätigt, ihren Betrieb zum 31. August 2006 stillzulegen.

Mit Schreiben vom 24. Januar 2006 habe sie fristgerecht zum jeweiligen Kündigungstermin die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer gekündigt, für die zuvor die Massenentlassungsanzeige erstattet worden sei. Die Arbeitsverhältnisse der weiteren Angestellten seien bis zur Betriebsstilllegung am 31. August 2006 beendet worden bis auf das Arbeitsverhältnis der kaufmännischen Angestellten Frau D , die wegen Abwicklungsarbeiten erst zum 30. September 2006 ausgeschieden sei.

Die Entlassung aller Arbeiter wegen der Betriebsstilllegung habe sie im Übrigen dem Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik NRW mit Schreiben vom 19. Juli 2006 mitgeteilt.

Mit dem Verkauf des Betriebsgeländes mit Zentralwerkstatt und Lager in T habe sie ausweislich eines schriftlichen Vertrages vom 7. Februar 2006 eine K Maklerin beauftragt. Ein Kaufvertrag sei bisher nicht zustande gekommen, weil eine Wohnbebauung nicht genehmigt worden sei. Einen Teil der Liegenschaft habe sie vermietet. Auf dem anderen Teil lagere sie vorübergehend die noch verbliebenen Maschinen, Geräte und Rohstoffe bis zur Veräußerung. Sie habe 30 % der Gerätschaften bereits verkauft.

Auch habe sie Dienstleistungsverträge über Mobilfunkgeräte sowie Abonnementverträge mit einem Buchverlag gekündigt, die Löschung ihres Eintrags in einem Firmenverzeichnis beantragt und sich an die zuständige Versicherung wegen der Beendigung von Lebensversicherungsverträgen für Arbeitnehmer gewandt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nach § 64 Abs. 2 c ArbGG statthaft und innerhalb der Fristen nach § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. Januar 2006 zum 31. August 2006 beendet worden.

Die Kündigung ist aus dringenden betrieblichen Gründen sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG.

Da der Kläger weit länger als 6 Monate bei der Beklagten beschäftigt war (§ 1 Abs. 1 KSchG), die Mindestbeschäftigtenzahl nach § 23 Abs. 1 KSchG im Betrieb der Beklagten erreicht war und der Kläger auch binnen 3 Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben hat (§ 4 S. 1 KSchG), ist die Wirksamkeit der Kündigung nach den Maßstäben des Kündigungsschutzgesetzes zu überprüfen.

1. Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die nach § 1 Abs. 2 KSchG einen Grund zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung abgeben können, gehören die Stilllegung des gesamtes Betriebes. Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Der Arbeitgeber muss endgültig entschlossen sein, den Betrieb stillzulegen. Demgemäß ist von einer Stilllegung auszugehen, wenn der Arbeitgeber seine Stilllegungsabsicht unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, etwaige Mietverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen kann, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, z. B. Urteil vom 7. Juli 2005 - 2 AZR 447/04 - und vom 24. August 2006 - 8 AZR 317/05 -).

2. Die Beklagte hatte zu dem Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung Ende Januar 2006 den endgültigen Entschluss gefasst, den Betrieb zum 31. August 2006 stillzulegen. Sie hat das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 14. Dezember 2005 vorgelegt. Danach haben die Gesellschafter unter TOP 5 a nicht nur die Stilllegung zu einem festen Termin (31.8.2006) beschlossen, sondern auch ein Konzept über Stilllegungsmaßnahmen festgelegt (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 - 2 AZR 447/04 -). Sie haben den Geschäftsführer beauftragt, bereits nach der Beschlussfassung Verhandlungen über einen Verkauf des Betriebsgeländes aufzunehmen und bis zu dem Stilllegungstermin sämtliche Baustellen aufzugeben. Da mit der Aufgabe sämtlicher Baustellen der Beschäftigungsbedarf für die Arbeitnehmer entfiel, beinhaltete das Konzept auch zwingend die Vorgabe, alle Arbeitnehmer zu entlassen.

Das Stilllegungskonzept der Beklagten hatte zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung auch bereits greifbare Formen angenommen. Die Beklagte hat dargelegt, dass sie nach der Beschlussfassung keine neuen Aufträge mehr angenommen hat. Die langfristig bestehenden vier Großaufträge konnte sie nicht sofort beenden. Vielmehr hat der Geschäftsführer entsprechend der Vorgabe in dem Stilllegungsbeschluss Verhandlungen mit den Auftraggeberinnen mit dem Ziel geführt, die Vereinbarungen bis zum 31. August 2006 zu beenden. Zudem hat sich der Geschäftsführer nach der Beschlussfassung bemüht, den Verkauf des Betriebsgeländes einzuleiten. Dies zeigt der Abschluss des Maklervertrages vom 7. Februar 2006. Entscheidende Bedeutung hat schließlich die Entlassung sämtlicher gewerblicher Arbeitnehmer durch Kündigung vom 24. Januar 2006 und die damit im Zusammenhang stehende Massenentlassungsanzeige an die Bundesagentur für Arbeit (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 - 2 AZR 447/04 -). Der Kläger hat keine begründeten Umstände vorgetragen, die dafür sprechen, dass die Beklagte nur zum Schein die Massenentlassungsanzeige erstattet hat und entgegen den darin gemachten Angaben die Arbeitnehmer tatsächlich nicht entlassen hat.

Auch die spätere Entwicklung bestätigt die im Kündigungszeitpunkt bestehende Prognose, wonach entsprechend dem Auslaufen der Kündigungsfristen der einzelnen Arbeitnehmer ständig bis zum 31. August 2006 der Beschäftigungsbedarf im Betrieb absinken würde. Aus den von der Beklagten vorgelegten Vertragsunterlagen und Schreiben ergibt sich, dass sie tatsächlich alle Baustellen bis zum 31. August 2006 aufgegeben hat, die noch nicht gekündigten Arbeitnehmer entlassen hat und ihre Geschäftstätigkeit endgültig eingestellt hat. Die inhaltliche Richtigkeit dieser Unterlagen hat der Kläger nicht hinreichend substantiiert bestritten.

3. Da aufgrund der Stilllegung das Beschäftigungsbedürfnis für sämtliche Arbeitnehmer und damit die Grundlage des Arbeitsverhältnisses als Austauschverhältnis entfallen ist, überwiegt das Beendigungsinteresse der Beklagten das Bestandsinteresse des Klägers (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 30. April 1987 - 2 AZR 184/86 -; HWK-Quecke, Arbeitsrechtskommentar, 2. Aufl., § 1 KSchG Rdn. 286).

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge nach § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Die sich dabei stellenden Rechtsfragen sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung beantwortet.

Ende der Entscheidung

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