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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 01.07.2008
Aktenzeichen: 9 Sa 383/08
Rechtsgebiete: TVöD, SGB III


Vorschriften:

TVöD § 22 Abs. 1
SGB III § 117
SGB III § 143 Abs. 3
Weder das Arbeitslosengeld nach § 117 SGB III noch eine Gleichwohlgewährung nach § 143 Abs. 3 SGB III stellen eine dem Krankengeld (§§ 44 ff. SGB V) entsprechende sozialversicherungsrechtliche Leistung dar.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 16. Januar 2008 - 6 Ca 1028/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land dem Kläger einen Krankengeldzuschuss nach § 22 Abs. 2 TVöD zu zahlen hat.

Der Kläger ist als Arbeitnehmer im Landesbetrieb S N -W beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD Anwendung.

Der Kläger ist seit dem 14. August 2006 arbeitsunfähig erkrankt. Der Anspruch des Klägers gegen das beklagte Land auf Entgeltfortzahlung nach § 22 Abs. 1 TVöD endete am 26. September 2006. Der Anspruch auf Krankengeld gegen die Krankenkasse war bereits am 1. September 2006 nach Gewährung für die Höchstbezugsdauer abgelaufen.

Die Bundesagentur für Arbeit gewährte dem Kläger ab dem 27. September 2006 bis zum 28. Mai 2007 Arbeitslosengeld gemäß § 117 SGB III. Für die Zeit ab dem 29. Mai 2007 hob sie die Bewilligung von Arbeitslosengeld auf wegen Beginns einer Rehabilitations-Maßnahme, für die nach dem Bescheid der Bundesagentur kein Anspruch auf Übergangsgeld bestand.

Mit der vorliegenden Klage, die am 14. März 2007 beim Arbeitsgericht Aachen eingegangen ist, verlangt der Kläger von dem beklagten Land Zahlung eines Krankengeldzuschusses für die Monate Oktober 2006 bis einschließlich Januar 2007 in Höhe von monatlich EUR 700,00 sowie eines von der Jahressonderzahlung 2006 einbehaltenen Betrages in Höhe von EUR 70,00.

Den Einhalt begründet das beklagte Land damit, es habe für die Zeit vom 27. September 2006 bis zum 30. September 2006 ohne Rechtsgrund Entgeltfortzahlung in Höhe von EUR 204,71 netto geleistet. Mit einem Teilbetrag des Rückzahlungsanspruchs habe sie gegen den Anspruch des Klägers auf Jahressonderzahlung in der angegebenen Höhe aufgerechnet.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes erster Instanz, den erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträgen und wegen der Gründe, die zur Abweisung der Klage durch das Arbeitsgericht Aachen geführt haben, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 16. Januar 2008 verwiesen.

Das Urteil ist dem Kläger am 18. Februar 2008 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 17. März 2008 Berufung einlegen und diese am 18. April 2008 begründen lassen.

Der Kläger ist weiter der Ansicht, bei der ihm ab dem 26. September 2006 von der Bundesagentur gewährten Unterstützung handle es sich um eine entsprechende gesetzliche Leistung im Sinne des § 22 Abs. 2 TVöD.

Er beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Aachen vom 16. Januar 2008 - 6 Ca 1028/07 - die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 2.870,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es ist der Ansicht, bei der Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit handle es sich nicht um eine entsprechende gesetzliche Leistung im Sinne des § 22 Abs. 2 TVöD.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nach § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und innerhalb der Fristen nach § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen das beklagte Land auf Zahlung des tariflichen Krankengeldzuschusses für den Zeitraum Oktober 2006 bis Januar 2007.

a. Nach § 22 Abs. 1 TVöD erhalten Beschäftigte bis zur Dauer von sechs Wochen Entgeltfortzahlung, wenn sie durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert werden. Dabei gilt als unverschuldete Arbeitsunfähigkeit auch die Arbeitsverhinderung in Folge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation im Sinne von § 9 Entgeltfortzahlungsgesetz.

Nach § 22 Abs. 2 TVöD erhalten die Beschäftigten nach Ablauf des 6-Wochen-Zeitraums für die Zeit, für die ihnen Krankengeld oder entsprechende gesetzliche Leistungen gezahlt werden, einen Krankengeldzuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den tatsächlichen Barleistungen des Sozialleistungsträgers und dem Nettoentgelt.

b. Voraussetzung für den Anspruch auf Krankengeldzuschuss nach Absatz 2 ist demnach, dass dem Beschäftigten "Krankengeld ... gezahlt" wird durch die gesetzlichen Krankenversicherungen nach §§ 44 ff. SGB V. Der Zahlung des sozialversicherungsrechtlichen Krankengeldes gleichgestellt sind entsprechende Leistungen aus der gesetzlichen Renten- oder Unfallversicherung. Die dem Krankengeld entsprechende Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist das Übergangsgeld nach § 20 SGB VI, das bei stationären medizinischen oder sonstigen Rehabilitationsmaßnahmen als ergänzende Leistung gezahlt wird. Entsprechende Leistungen werden ferner von den Unfallversicherungsträgern nach §§ 45 ff. SGB VII gewährt. Danach erhalten Unfallverletzte, solange sie infolge des Arbeitsunfalls arbeitsunfähig im Sinne der Krankenversicherung sind und keinen Anspruch auf Übergangsgeld haben, Verletztengeld. Schließlich ist eine entsprechende Leistung auch das Versorgungskrankengeld nach §§ 16 ff. Bundesversorgungsgesetz, das den Beschädigten (§§ 1 ff. BVG) gewährt wird, u. a. wenn sie wegen einer Gesundheitsstörung, die als Folge einer Schädigung anerkannt ist oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht ist, arbeitsunfähig im Sinn der Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung werden (vgl. dazu: Bredemeier/Neffke, TVöD/TV-L, 3. Aufl., § 22 Rdn. 36; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 22 Rdn. 156; Sponer/Steinherr, TVöD, § 22 Rdn. 223 f.).

c. Weder bei der Arbeitslosengeldgewährung nach § 117 SGB III noch bei einer nach § 143 Abs. 3 SGB III (Gleichwohlgewährung) handelt es sich um eine dem Krankengeld entsprechende sozialversicherungsrechtliche Leistung.

Das Arbeitslosengeld wird nicht gewährt wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit oder als ergänzende Leistung bei Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation. Vielmehr handelt es sich um eine Entgeltersatzleistung, die bei Arbeitslosigkeit und beruflicher Weiterbildung gewährt wird (§ 116 Nr. 1 SGB III).

Arbeitslos ist dabei nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III der Arbeitnehmer, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit). Der sozialversicherungsrechtliche Begriff der Beschäftigung unterscheidet sich dabei von dem arbeitsrechtlichen Begriff Arbeitsverhältnis. Auch bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis ist ein Arbeitnehmer beschäftigungslos, wenn das Beschäftigungsverhältnis faktisch sein Ende gefunden hat, namentlich weil der Arbeitsgeber seine (arbeitsrechtliche) faktische Verfügungsmöglichkeit nicht mehr wahrnimmt. Dies kann insbesondere auch dann der Fall sein, wenn sich - wie im vorliegenden Fall - ein langfristig arbeitsunfähig erkrankter Versicherter bei bestehendem Arbeitsverhältnis arbeitslos meldet (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 28. September 1993 - 11 RAr 69/92 -; HWK-Peters-Lange, Arbeitsrechtskommentar, 2. Aufl., § 143 SGB III Rdn. 5; Niesel-Brand, SGB III, 4. Aufl., § 119 Rdn. 10).

Auch bei der Zahlung von Arbeitslosengeld im Wege der Gleichwohlgewährung nach § 143 Abs. 3 SGB III handelt es sich um echte (reguläre) Zahlung von Arbeitslosengeld. Dies ergibt sich schon daraus, dass die allgemeinen materiellen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein müssen, also insbesondere Beschäftigungslosigkeit und Arbeitslosmeldung (vgl. HWK-Peters-Lange, a. a. O., § 143 SGB III Rdn. 20; Niesel-Düe, a. a. O., § 143 Rdn. 32). Unter diesen allgemeinen Voraussetzungen ist die Bundesagentur für Arbeit zur Bewilligung verpflichtet, wenn ein ruhensbegründender Sachverhalt - Anspruch auf Arbeitsentgelt oder Urlaubsabgeltung - vorliegt und der Arbeitnehmer diese Leistung von dem Arbeitgeber aber tatsächlich nicht erhält.

Die Bundesagentur für Arbeit hat durch Schreiben vom 5. Juni 2008 ausdrücklich auf diese gesetzlichen Regelungen hingewiesen und nochmals bestätigt, dass es sich bei den ab dem 27. September 2006 bis zum 28. Mai 2007 erbrachten Leistungen um ein reguläres Arbeitslosengeld gehandelt hat.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zahlung einer restlichen Jahressonderzuwendung für das Jahr 2006 in Höhe von EUR 70,00. Da das beklagte Land für die Zeit vom 27. September 2006 bis zum 30. September 2006 ohne Rechtsgrund an den Kläger Entgeltfortzahlung geleistet hat, war es berechtigt, mit einem Teilbetrag des sich daraus ergebenden Rückforderungsanspruchs gegen den Anspruch auf Jahressonderzuwendung in der angegebenen Höhe aufzurechnen.

Nach alledem hat das Arbeitsgericht zu Recht die Klage abgewiesen.

Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der sich keine grundsätzlichen Rechtsfragen stellten, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden sind.

Ende der Entscheidung

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