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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 29.11.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 659/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 296 S. 1
BGB § 615 S. 1
Im Leiharbeitsverhältnis tritt Annahmeverzug ein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach beendetem Arbeitseinsatz keine neue Arbeit zuweist. Anderes kann nur gelten, wenn der Arbeitgeber Arbeit hat und diese zuweisen will, der Arbeitnehmer aber nicht erreichbar ist.
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 02.03.2005 - 2 Ca 4228/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Wegen des Sachverhalts wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers für die Zeit vom 3. Juni 2004 bis zum 18. Juni 2004.

Die nach dem Beschwerdewert an sich statthafte Berufung der Beklagten ist in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden. Sie ist damit zulässig.

Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung, die sich das Berufungsgericht zu Eigen macht, der Klage stattgegeben. In Ergänzung zu der Begründung des Arbeitsgerichts und im Hinblick auf die Ausführungen in der Berufungsbegründung weist das Berufungsgericht auf folgende nach seiner Auffassung maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte hin:

1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte bei ihrer Rüge, der Kläger habe entgegen § 340 Abs. 3 ZPO in der Einspruchsschrift Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht vorgebracht, übersieht, dass der Kläger bereits vor dem Erlass des ersten Versäumnisurteils durch das Arbeitsgericht Aachen am 10. September 2004 durch Schriftsatz vom 3. September 2004 zu der Klageerwiderung im Einzelnen Stellung genommen hatte und damit kein Anlass zu weiterem Vorbringen bestand. Welches Vorbringen zur Begründung eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil nötig ist, richtet sich nach der Lage, in der sich der Prozess befindet (vgl. Thomas-Putzo-Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 340 Rdn. 5).

2. Nach § 611 Abs. 1 BGB schuldet die Beklagte dem Kläger die vereinbarte Vergütung für die Zeit, in der er bei der Entleiherin eingesetzt worden ist. Zwischen den Parteien ist bis zur letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren nicht streitig gewesen, dass der vom Kläger verlangte Stundenlohn in Höhe von EUR 11,00 für die Tätigkeit eines gelernten Konstruktionsmechanikers der Fachrichtung Schweißtechnik nach dem Arbeitsvertrag, in dem auf eine Entgeltgruppe E verwiesen wird, als vereinbart gilt. Diese Vereinbarung bleibt auch dann gültig, wenn der Kläger die von der Beklagten erwartete Befähigung am ersten Einsatztag nicht nachgewiesen hat.

3. Nach § 615 S. 1 BGB schuldet die Beklagte dem Kläger die vereinbarte Vergütung für die Zeit nach dem ersten Einsatz bis einschließlich 18. Juni 2004.

a. In diesem Zeitraum bestand das Arbeitsverhältnis der Parteien fort.

Die Beklagte hat keinen geeigneten Beweis dafür angetreten, dass sie das Arbeitsverhältnis des Klägers form- und fristgerecht zu einem davor liegenden Zeitpunkt gekündigt hat. Es kann dahinstehen, ob sie am 3. Juni 2004 ein Kündigungsschreiben an den Kläger bei der Post aufgegeben hat. Eine Kündigung wird als Willenserklärung erst wirksam mit dem Zugang (§ 130 Abs. 1 BGB), den der nachzuweisen hat, der sich auf den Zugang beruft, also hier die Beklagte (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 130 Rdn. 21).

b. Der Kläger war nicht gehalten, der Beklagten seine Arbeitsleistung ab dem 4. Juni 2004 tatsächlich oder wörtlich anzubieten.

Nach § 296 Satz 1 BGB ist selbst ein wörtliches Angebot entbehrlich, wenn für eine Mitwirkungshandlung des Gläubigers im Sinne des § 295 Satz 1 Alt. 2 BGB eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist und der Gläubiger diese Handlung nicht rechtzeitig vornimmt. Danach hat der Arbeitgeber als Gläubiger der Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und ihm konkrete Arbeit zuzuweisen. Er hat dessen Arbeitseinsatz fortlaufend zu planen und zu konkretisieren (vgl. BAG, Urteil vom 19. Januar 1999 - 9 AZR 679/97 -; HWK-Arbeitsrechtkommentar, § 615 BGB Rdn. 37 m.w.N.).

Dies gilt auch für das Leiharbeitsverhältnis, für das der Gesetzgeber ausdrücklich unter § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG vorgesehen hat, dass eine von § 615 S. 1 BGB abweichende Aufhebung oder Beschränkung des Anspruchs auf Vergütung aus Annahmeverzug nicht zulässig ist. Endet der Einsatz eines Leiharbeitnehmers, ist es Aufgabe des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer einen neuen Arbeitseinsatz zuzuweisen. Das Risiko der Nichteinsetzbarkeit soll nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers den Arbeitgeber treffen. Das gilt auch, wenn ein Entleiher einen weiteren Einsatz des Arbeitnehmers ablehnt mit der Begründung, er verfüge nicht über die erforderliche Qualifikation, und ein anderer Arbeitseinsatz nicht möglich ist.

Danach tritt Annahmeverzug im Leiharbeitsverhältnis ohne weiteres ein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach einem beendeten Arbeitseinsatz keine neue Arbeit zuweist. Anderes kann nur gelten, wenn der Arbeitgeber Arbeit hat und diese zuweisen will, der Arbeitnehmer aber nicht erreichbar ist.

Es ist zwischen den Parteien nicht streitig, dass die Beklagte dem Kläger keinen anderen Arbeitseinsatz für die Zeit ab dem 4. Juni 2004 zugewiesen hat, obwohl er erreichbar war. Vielmehr hat sie das Arbeitsverhältnis für gescheitert erklärt und damit zum Ausdruck gebracht, sie werde ihm keinen Arbeitsplatz mehr zur Verfügung stellen.

Begründete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger es abgelehnt hätte, auf einen anderen Einsatzstelle die vertraglich festgelegte Arbeit zu verrichten, bestehen nicht.

4. Der Anspruch ist auch nicht verfallen, da eine rechtzeitige Geltendmachung nach der vereinbarten Ausschlussfrist durch das Schreiben vom 10. Juli 2004 erfolgte, selbst wenn die Ansprüche auf Vergütung für die Zeit vom 3. Juni 2004 bis zum 18. Juni 2004 bereits mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 18. Juni 2004 fällig geworden sein sollten.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge nach § 97 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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