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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 27.11.2007
Aktenzeichen: 9 Sa 866/07
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 626 |
2. Bei einem vorsätzlichen Eigentumsdelikt zu Lasten des Arbeitgebers bedarf es vor Ausspruch der Kündigung keiner vorherigen Abmahnung.
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.05.2007 - 17 Ca 2953/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch eine außerordentliche Kündigung vom 25. März 2006 fristlos, hilfsweise durch eine ordentliche Kündigung vom 20. April 2006 zum 31. Mai 2006 beendet worden ist.
Der Kläger, geboren am 13. Mai 1969, ist bzw. war bei der Beklagten seit dem 1. Oktober 2002 zuletzt als Verkäufer, vorrangig im Bereich Baustoffe/Sanitär/Fliesen, im Baumarkt in Zittau in Teilzeit mit einer regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit von 130 Stunden bei einer Vergütung von zuletzt EUR 1.233,06 pro Monat beschäftigt.
Dem Kläger oblag es, Warenbestände mit einem Wert von monatlich bis zu EUR 30.000,00 zu betreuen und zu überwachen, nachzubestellen, einzuordnen, auszusortieren und zu verkaufen.
Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad von 50.
Im Rahmen einer Mitarbeiterbesprechung am 4./5. Januar 2006 wies der Marktleiter darauf hin, abgeschriebene Ware dürfe nur mit Genehmigung der Marktleitung von Mitarbeitern mitgenommen werden, wobei 10 % des Originalpreises zu entrichten seien. Um die Wichtigkeit dieser Anweisung zu unterstreichen, bezeichnete er sie als "Lebensversicherung" der Mitarbeiter. Der Kläger bestätigte am 20. Januar 2006, dass er u. a. diese schriftliche Anweisung zur Kenntnis genommen habe und sich danach verhalten werde.
Am 2. März 2006 fuhr der Kläger gegen 19.30 Uhr mit einem Paletteneinkaufswagen an die Ausgangskasse, um die aufgeladene Ware (u.a. Lamellentüren, Bretter, Zimmertüren und zwei Maschinen im Wert von EUR 145,00 sowie mehrere Kartons mit Fliesen) zu bezahlen. An der Kasse wurde durch eine Aushilfskassiererin - so der Kläger - oder durch den Kläger selbst - so die Beklagte - die Ware eingescannt bis auf die Fliesen. Der Kläger erklärte in diesem Zusammenhang gegenüber der Kassiererin, die Fliesen seien abgeschrieben und zudem - so die Beklagte - sie kosteten nichts.
Nachdem der Marktleiter am 4. März 2006 davon Kenntnis erlangt hatte, hörte er am 6. März 2006 den Kläger zu der Mitnahme der nichtbezahlten Fliesen an. Der Kläger gab dazu eine schriftliche Stellungnahme ab, in der es heißt, in den Kartons sei nur Fliesenbruch gewesen, der im Gedränge an der Kasse versehentlich nicht bezahlt worden sei. Er habe nicht die Beklagte schädigen wollen. Der Vorfall sei "ein ganz großer Fehler" gewesen, wobei er nicht mit Absicht gehandelt habe.
Mit Schreiben vom 7. März 2006 unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat über ihre Absicht, nach Zustimmung des Integrationsamtes das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen. Den Kündigungsgrund gab sie an mit: "1. Diebstahl/Manipulation, 2. vorsätzliche Vertragsverletzung, 3. hilfsweise: dringender Tatverdacht zu 1) und 2), 4. erheblicher Zweifel an der Zuverlässigkeit des Mitarbeiters". Dem Anhörungsschreiben waren beigefügt die handschriftliche Stellungnahme des Klägers, ein Gesprächsvermerk des Marktleiters zu dieser Stellungnahme und ein Protokoll des Marktleiters über den Vorgang. Der Betriebsrat bestätigte unter dem 8. März 2006 den Eingang des Unterrichtungsschreibens und vermerkte unter dem 10. März 2006, dass er keine Bedenken gegen die beabsichtigte Kündigung nach Zustimmung durch das Integrationsamt habe.
Auf Antrag der Beklagten vom 10. März 2006 erteilte das Integrationsamt mit Bescheid vom 23. März 2006 die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung. Der dagegen vom Kläger erhobene Widerspruch ist von der zuständigen Widerspruchsbehörde mit Bescheid vom 10. Januar 2007 zurückgewiesen worden mit der Begründung, ein Zusammenhang zwischen dem geltend gemachten Kündigungsgrund und der Behinderung bestehe nicht. Auch sei der von der Beklagten dargelegte Sachverhalt an sich geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Der Kläger hat dagegen Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht Dresden erhoben.
Mit Schreiben vom 25. März 2006, das dem Kläger am 27. März 2006 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos.
Dagegen hat der Kläger am 7. April 2006 Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Köln eingereicht.
Mit Schreiben vom 20. April 2006, das dem Kläger am 24. April 2006 zuging, kündigte die Beklagte zudem das Arbeitsverhältnis hilfsweise fristgerecht zum 31. Mai 2006. Den gegen den Zustimmungsbescheid des Integrationsamtes vom 11. April 2006 eingelegten Widerspruch hat die zuständige Widerspruchsbehörde mit Bescheid vom 18. April 2007 ebenfalls zurückgewiesen. Auch dagegen hat der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Dresden erhoben.
Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, die Beklagte habe gegenüber dem Betriebsrat und dem Ingrationsamt unzutreffende Angaben gemacht. Zwischen dem Zugang des Anhörungsschreibens beim Betriebsrat und der Abgabe der Stellungnahme habe keine Sitzung des Betriebsrats stattgefunden. Die Fliesen seien bereits als nicht verkaufsfähig aussortiert und aus dem Warenbestand ausgebucht gewesen. Derartige Ware könne von Mitarbeitern zu einem symbolischen Preis erworben werden, wobei nicht die Zustimmung des Marktleiters, sondern eines anderen Verkäufers einzuholen sei. Erforderlich sei die Zustimmung des Marktleiters dagegen, wenn die Ware zwar abgeschrieben, aber noch verkaufsfähig sei. In diesem Fall sei ein Betrag in Höhe von 10 % des Verkaufspreises zu entrichten. Im Übrigen habe der Marktleiter noch bei einer Mitarbeiterbesprechung erklärt, man solle nicht wegen jeder Kleinigkeit zu ihm kommen. Er sei der Ansicht gewesen, bei dem mitgenommenen Fliesenbruch habe es sich um eine solche Kleinigkeit gehandelt. Es habe sich bei dem Vorgang am 2. März 2006 um ein Versehen gehandelt, ohne dass jemand geschädigt worden sei. Er sei sich keiner Schuld bewusst gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 25. März 2006 und die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 20. April 2006 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, das für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen sei nachhaltig zerstört. Die strikte Anweisung des Marktleiters vom 4./5. Januar 2006 gelte für die Mitnahme jeglicher abgeschriebener Ware. An der Kasse habe am 2. März 2006 auch kein Gedränge geherrscht. In seiner ersten Stellungnahme habe der Kläger selbst sein Verhalten als "ganz großen Fehler" bezeichnet. Der Kläger habe mit Diebstahlsabsicht gehandelt.
Das Arbeitsgericht Köln hat durch Urteil vom 10. Mai 2007 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Sache sei entscheidungsreif, auch wenn über die Wirksamkeit der Zustimmung des Integrationsamtes noch nicht rechtskräftig entschieden sei. Sollte in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Zustimmungsbescheid aufgehoben werden, so könne der Kläger eine Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils im Wege einer Restitutionsklage erreichen. Die fristlose Kündigung vom 25. März 2006 sei wirksam. Der Diebstahl auch von geringwertigen Sachen zu Lasten des Arbeitgebers sei an sich als Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignet. Die Erklärung des Klägers, versehentlich seien die Fliesen an der Kasse nicht eingegeben worden, sei eine Schutzbehauptung. Nach seinem eigenen Vorbringen hätte er die Fliesen nicht ohne Zustimmung einer anderen Person, sei es auch (nur) die eines anderen Verkäufers, mitnehmen dürfen und zudem zumindest einen symbolischen Preis zahlen müssen. Auch bei Berücksichtigung der Dauer der Betriebszugehörigkeit müsse die fristlose Kündigung als rechtwirksam gelten. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigung angehört worden. Es könne dahinstehen, ob zwischen dem Erhalt des Anhörungsschreibens am 8. März 2006 und der schriftlichen Stellungnahme am 10. März 2006 eine Sitzung des Betriebsrats stattgefunden habe. Ein derartiger Mangel führe nicht zur Unwirksamkeit der Betriebsratsanhörung.
Das Urteil ist dem Kläger am 22. Juni 2007 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 20. Juli 2007 Berufung einlegen und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24. September 2007 - am 24. September 2007 begründen lassen.
Er trägt vor, bei den Fliesen habe es sich um Ausschussware gehandelt, die auf einem Abschriften-Mehrzweckbeleg abgeschrieben gewesen sei und ansonsten in den Abfallcontainer gegeben worden wäre. Soweit die Fliesen nicht gebrochen gewesen seien, hätten sie starke Farbfehler aufgewiesen und seien nicht verkäuflich gewesen. Er habe ohne Diebstahlsabsicht gehandelt und auch nicht gegen die Anweisung vom 4./5. Januar 2006 verstoßen. Am 2. März 2006 habe er als Diabetiker Probleme mit der Einstellung gehabt. Er habe auch danach nichts vertuschen wollen. Das Arbeitsgericht habe bei der Interessenabwägung nicht berücksichtigt, dass er als schwerbehinderter Arbeitnehmer nur geringe Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt habe. Jedenfalls sei die Beklagte nicht berechtigt, gerade an ihm ein Exempel zu statuieren, um damit andere Mitarbeiter von Verstößen gegen die Anweisung abzuhalten.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 10. Mai 2007 - 17 Ca 2953/06 - festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 25. März 2006 und die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 20. April 2006 beendet worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt ihr Vorbringen. In den Kartons, die der Kläger ohne vorherige Zustimmung des Marktleiters und ohne Bezahlung mitgenommen habe, hätten sich 12 Fliesen mit einem Stückpreis von EUR 3,00 befunden. Der Kläger habe mit Diebstahlsabsicht gehandelt. Das Vertrauensverhältnis sei irreparabel zerstört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselte Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.
Das Berufungsgericht hat der Kläger in der Berufungsverhandlung am 27. November 2007 zur Sachverhaltsaufklärung angehört . Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27. November 2007 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung ist zulässig.
Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 c ArbGG statthaft und wurde innerhalb der Fristen nach § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG eingelegt und begründet.
II. Die Berufung ist aber nicht begründet.
Mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht Köln der Kündigungsschutzklage nicht stattgegeben.
1. Der Umstand, dass die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung wegen des noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsgerichtsprozesses nicht bestandskräftig ist, steht einer abschließenden Entscheidung durch das Berufungsgericht nicht entgegen. Es steht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im pflichtgemäßen Ermessen der Arbeitsgerichte, ob sie den Kündigungsrechtsstreit aussetzen oder nicht, wenn ein verwaltungsgerichtlicher Rechtsstreit noch anhängig ist. Gegenüber dem vorrangigen Zweck einer Aussetzung - einander widersprechende Entscheidungen zu vermeiden - sind der Nachteil einer langen Verfahrensdauer und die daraus für die Parteien entstehenden Fragen abzuwägen. Unter Berücksichtigung auch des Beschleunigungsgrundsatzes nach § 9 Abs. 1, § 64 Abs. 8 und § 61 a ArbGG hat das Interesse der Parteien, die Verkündung möglicherweise einander widersprechender Entscheidungen zu verhindern, grundsätzlich zurückzutreten. Dem Kläger steht ggf. der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7 lit. b ZPO analog zur Seite, falls er später vor dem Verwaltungsgericht Dresden obsiegen sollte (vgl. zuletzt: BAG, Urteil vom 18. Januar 2007 - 2 AZR 759/05 -).
2. Durch die außerordentliche Kündigung vom 25. März 2006 ist das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis beendet worden.
Der Kläger hat binnen 3 Wochen nach Zugang der außerordentlichen Kündigung die Kündigungsschutzklage am 7. April 2006 beim Arbeitsgericht Köln eingereicht, die sodann demnächst iSd §§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 495, 270 Abs. 3 ZPO zugestellt worden ist.
a. Der Betriebsrat ist vor Ausspruch der Kündigung wirksam angehört worden.
Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass der Betriebsrat durch das Anhörungsschreiben und die ihm beigefügten Unterlagen zutreffend über die Sozialdaten des Klägers, die Kündigungsart und die Kündigungsgründe unterrichtet worden ist. Der Einwand des Klägers, zwischen dem Zugang des Anhörungsschreibens am 8. März 2006 und der Abgabe der abschließenden Stellungnahme des Betriebsrats am 10. März 2006 habe keine Betriebsratssitzung stattgefunden, ist nicht erheblich. Zutreffend hat die Beklagte auf die Grundsätze in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Januar 2003 - 2 AZR 707/01 - hingewiesen, wonach Mängel, die im Verantwortungsbereich des Betriebsrats entstehen, selbst dann nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung wegen fehlerhafter Anhörung führen, wenn die Arbeitgeberin im Zeitpunkt der Kündigung weiß oder erkennen kann, dass der Betriebsrat die Angelegenheit nicht fehlerfrei behandelt hat. Begründete Anhaltspunkte dafür, dass keine Stellungnahme des Betriebsratsgremiums, sondern für die Beklagte erkennbar nur eine persönliche Äußerung des Betriebsratsvorsitzenden vorlag, sind vom Kläger nicht vorgetragen worden.
b. Die Beklagte war berechtigt, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen.
Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei kann nach § 626 Abs. 2 BGB die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen, wobei die Frist mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat.
aa. Die Beklagte hat binnen der 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB die Kündigung erklärt.
Nach § 91 Abs. 2 SGB IX ist die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers innerhalb von zwei Wochen beim Integrationsamt zu beantragen. Nach § 91 Abs. 5 SGB IX kann dann auch nach Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB die Kündigung erfolgen, wenn sie unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung erklärt wird. Damit dehnt § 91 Abs. 5 SGB IX die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB aus (vgl. BAG, zuletzt Urteil vom 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 -).
Nach Erteilung der Zustimmung durch schriftlichen Bescheid des Integrationsamtes vom 23. März 2006 hat die Beklagte mit Schreiben vom 25. März 2006, das am 27. März 2006 dem Kläger zugegangen ist, unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern im Sinne des § 121 BGB, das Arbeitsverhältnis außerordentlich gekündigt.
bb. Das Verhalten des Klägers am 2. März 2006 stellt einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB dar.
aaa. Vollendete oder auch nur versuchte Eigentums- oder Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers stellen an sich einen geeigneten Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Tatbestände des Diebstahls und der Unterschlagung setzen Rechtswidrigkeit sowie Vorsatz voraus und sind strafbewehrt. Dem Arbeitnehmer muss die Widerrechtlichkeit seines Verhaltens deshalb bewusst sein. Auch der Diebstahl oder die Unterschlagung einer geringwertigen Sache ist an sich als Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignet (Prüfung auf der ersten Stufe des § 626 Abs. 1 BGB). Erst die Würdigung, ob dem Arbeitgeber deshalb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar ist (Prüfung auf der zweiten Stufe des § 626 Abs. 1 BGB), kann zu der Feststellung der Nichtberechtigung der außerordentlichen Kündigung führen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 -).
bbb. Nach der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2007 durch das Berufungsgericht ist die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger 2 Kartons Fliesen aus dem Baumarkt der Beklagten entwendet hat und ihm dabei die Widerrechtlichkeit seines Verhaltens bewusst gewesen sein muss.
Der Kläger hat bei der Anhörung eingeräumt, dass er 2 Kartons, in denen sich Fliesenbruch, aber auch ganze Fliesen mit Farbfehlern befanden, aus dem Baumarkt mit nach Hause genommen hat, um sie dort zur Anfertigung eines Fliesenspiegels zu verwenden. Die Mitnahme erfolgte eigenmächtig, also ohne Einverständnis des Marktleiters oder eines sonstigen dazu berechtigten Vertreters der Beklagten.
Aus den Gesamtumständen ergibt sich, dass dem Kläger die Widerrechtlichkeit seines Verhaltens bewusst gewesen sein muss.
Ihm war bekannt, dass bei der Beklagten die strikte Anweisung besteht, dass "abgeschriebene Ware" nur mit Genehmigung des Marktleiters von Mitarbeitern aus dem Baumarkt zur eigenen Verwendung mitgenommen werden darf und dass dabei 10 % des Originalpreises zu entrichten sind. Der Kläger hatte nicht einmal 2 Monate zuvor unter dem 20. Januar 2006 ausdrücklich schriftlich bestätigt, dass er den einseitigen Vermerk über die Mitarbeiterbesprechung am 4./5. Januar 2006 erhalten hatte, in dem als letzter Punkt die eindeutige Anweisung des Marktleiters aufgeführt ist. Um die besondere Bedeutung der Anweisung für die Mitarbeiter hervorzuheben, hatte sie der Marktleiter mit dem Kommentar versehen: "das ist Ihre Lebensversicherung." Da sich in der Anweisung keine Einschränkung befindet, gilt sie für alle abgeschriebenen Waren, unabhängig von dem Grund für die Abschreibung. Dies kann auch nur der Sinn einer solchen Anweisung sein, mit der der Diebstahl von Waren durch Mitarbeiter unterbunden werden soll. Ließe der Arbeitgeber eine andere Handhabung bei Bruchware oder fehlerhafter Ware zu, dann öffnete er Tür und Tor für alle möglichen Entschuldigungsversuche dahin, es habe sich nur um eine solche Ware gehandelt bzw. es sei irrig angenommen worden, es habe sich um eine solche Ware gehandelt.
Nach der Anhörung des Klägers kann auch nicht mehr die Rede davon sein, der Markleiter der Beklagten habe trotz der strikten Anweisung eine andere Handhabung zugelassen für "Kinkerlitzchen" . Bei dem von dem Marktleiter angeblich als "Kinkerlitzchen" bezeichneten Vorgang ging es darum, dass ein Karton Fliesen zu Bruch gegangen war, dagegen nicht, ob die Fliesen von einem Mitarbeiter für eigene Zwecke mitzunehmen waren.
Dem Kläger war bewusst, dass sich auf dem Einkaufswagen neben anderen Waren auch die Fliesen befanden. Denn er hat ausdrücklich die Aushilfskassiererin auf die Fliesen hingewiesen mit den Worten: "Die sind abgeschrieben". Ob er zusätzlich bemerkte, sie kosteten nichts, kann dahinstehen. Denn unabhängig von dem, was die Kassiererin unternahm oder unterließ, wusste er selbst, dass nicht die Abschreibung der Ware entscheidend war, sondern die Zustimmung des Marktleiters, die aber fehlte, und die er und nicht die Kassiererin bereits hätte einholen müssen, bevor er die Ware zur Kasse beförderte.
Für die Kenntnis der Widerrechtlichkeit seines Verhaltens spricht auch das wechselnde Vorbringen des Klägers. So hat er in der vorgerichtlichen Stellungnahme versucht, sein Handeln als ein Versehen im Gedränge an der Kasse darzustellen. Darin ist keine Rede davon, dass an der Kasse ein besonderer Hinweis auf die Fliesen erfolgte und er im Einklang mit einer vom Marktleiter geduldeten Handhabung bei der Mitnahme von Bruchware verfuhr. Im Gegenteil ist die Rede davon, es sei ein "ganz großer Fehler" von ihm begangen worden ohne Schädigungsabsicht.
ccc. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile war es der Beklagten nicht zumuten, das Arbeitsverhältnis auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist von 2 Monaten zum Monatsende fortzusetzen.
Zugunsten der Beklagten ist zu berücksichtigten, dass der Kläger durch den Diebstahl unabhängig von dem Schadensumfang in erheblicher Weise ihr Vertrauen zerstört hat (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 6. Juli 2000 - 2 AZR 454/99 ). Erschwerend kommt hinzu, dass sie mit der vertraglich geschuldeten Tätigkeit des Klägers als Verkäufer zusammenhing, und der Kläger die sich aus dem Arbeitsvertrag ergebende Obhutspflicht verletzt hat. Dabei kommt es nicht einmal auf die strafrechtliche Einordnung seines Verhaltens entscheidend an (vgl. BAG, Urteil vom 6. Juli 2000 - 2 AZR 454/99 -). Zu werten ist auch, dass die Beklagte mit nicht zu überbietender Deutlichkeit den Kläger noch am 20. Januar 2006 auf die Folgen einer Mitnahme von abgeschriebener Ware ohne vorherige Zustimmung des Marktleiters hingewiesen hatte ("das ist Ihre Lebensversicherung"). Bereits im September 2004 hatte sie in einer Mitarbeiterbesprechung, an der der Kläger teilgenommen hatte, anhand eines konkreten Vorgangs aufgezeigt, dass sie bei der eigenmächtigen Mitnahme von Waren mit einer fristlosen Kündigung reagierte.
Der Umstand, dass es sich um Bruchware und fehlerhafte Ware handelte, kann nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Immerhin handelte es sich um zwei Kartons. Ob die Ware insgesamt nicht mehr verkaufsfähig war - so der Kläger -, braucht nicht aufgeklärt zu werden. Jedenfalls konnte sie noch zur Anfertigung eines Fliesenspiegels verwandt werden, wie es der Kläger selbst vorhatte. Auch kann nicht der Einwand des Beklagtenvertreters einfach abgetan werden, es könne gerade für Fliesen mit Farbfehlern interessierte Käufer geben. Danach ist es nicht gerechtfertigt, den Fliesen jeglichen wirtschaftlichen Wirt abzusprechen. Unabhängig davon hatte nur die Beklagte das Recht, über diese Ware zu verfügen. Der Kläger war nicht befugt, sich daran selbst zu bedienen (vgl. BAG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 -).
Zu berücksichtigen ist auch, dass die Beklagte ein berechtigtes Interesse daran hat, in Diebstahlsfällen hart durchzugreifen. Die Betriebsdisziplin wird durch ein eigenmächtiges Übergehen des Marktleiters, der die Eigentumsrechte der Beklagten zu vertreten hat, gefährdet (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 -).
Demgegenüber müssen die Interessen des Klägers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist zurückstehen. Zugunsten des Klägers ist seine 3 1/2-jährige Betriebszugehörigkeit, seine Unterhaltspflicht gegenüber der Ehefrau sowie insbesondere seine Schwerbehinderung und die schwerwiegende Folgen einer fristlosen Entlassung in einer Region zu werten, in der hohe Arbeitslosigkeit besteht. Angesichts des bewussten Handelns des Klägers und auch der Verschleierungsversuche in der vorgerichtlichen Stellungnahme (Versehen durch Gedränge an der Kasse), kann die Beklagte geltend machen, es sei ihr nicht zuzumuten, den Kläger auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist in der Vertrauensstellung eines Verkäufers weiterzubeschäftigen.
Es geht der Beklagten nicht allein darum, beispielhaft in ihrem Betrieb zu demonstrieren, wie sie bei Eigentums- und Vermögensdelikten verfährt, und sich dafür gerade einen Schwerbehinderten auszusuchen. Das Exempel hatte sie bereits spätestens im Jahr 2004 statuiert, und zwar für den Kläger erkennbar.
c. Die Kündigung ist auch nicht etwa deshalb unverhältnismäßig, weil der Kläger zuvor nicht einschlägig abgemahnt worden war (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 6. Juli 2000 - 2 AZR 454/99 -). Zu Recht macht die Beklagte geltend, dass es bei einem vorsätzlichen Eigentumsdelikt zu Lasten des Arbeitgebers keiner vorherigen Abmahnung bedarf. Ein Arbeitnehmer in einem Warenhausbetrieb muss normalerweise ohne besonderen Hinweis durch den Arbeitgeber davon ausgehen, dass er mit einem Diebstahl oder Unterschlagung auch geringwertiger Sachen im Betrieb seines Arbeitgebers sofort seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt (vgl. BAG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 -). Hier war der Kläger durch die Entlassung eines anderen Mitarbeiters im Jahr 2004 und durch die Belehrung im Januar 2006 ("Lebensversicherung") mit nicht zu überbietender Deutlichkeit über das aufgeklärt worden, was konsequenterweise folgen musste, wenn sein Handeln aufgedeckt wurde.
Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge nach § 97 ZPO zurückzuweisen.
Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Die sich dabei stellenden Rechtsfragen sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung beantwortet.
Ende der Entscheidung
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