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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 06.06.2006
Aktenzeichen: 9 Sa 92/06
Rechtsgebiete: AVR, BGB


Vorschriften:

AVR § 14 Abs. 5
AVR § 15 Abs. 1
AVR § 16 Abs. 2
BGB § 626
1. Die Schließung des zentralen Labors in einem Krankenhaus stellt keine wesentliche Einschränkung der Einrichtung im Sinne des § 15 Abs. 1 AVR dar.

2. Eine außerordentliche betriebsbedingte Beendigungskündigung ist in Extremfällen, in denen das Arbeitsverhältnis als Austauschverhältnis auf Dauer sinnentleert ist, gegenüber nach § 14 Abs. 5 AVR ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern zulässig.

3. Der Krankenhausträger kann bei Schließung des Zentrallabors verpflichtet sein, eine nach § 14 Abs. 5 AVR ordentlich unkündbare Medizinisch-Technische Assistentin des Labors (MTA-L) in den Bereichen Radiologie, Funktionsdiagnostik, Patientenaufnahme und Ambulanzen weiterzubeschäftigen, ggf. verbunden mit einer Herabgruppierung. Zu diesem Zweck kann er auch gehalten sein, einen geeigneten Arbeitsplatz frei zu kündigen.


Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16. November 2005 - 9 Ca 3103/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung der Beklagten vom 17. März 2005 zum 30. September 2005, hilfsweise durch außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 6. Juni 2005 zum 31. Dezember 2005 beendet worden ist.

Die Klägerin, geboren am 7. März 1952, alleinstehend, ist bzw. war aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 26. Oktober 1983 seit dem 1. Januar 1984 bei dem Genossenschaft der C nach der Regel des H A e. V. als Rechtsträger des Krankenhauses der A in K und nach Betriebsübernahme seit dem 1. Januar 2001 bei der Beklagten als Leitende Medizinisch-Technische Assistentin des Zentrallabors (MTA-L) beschäftigt. Unter § 2 des Arbeitsvertrages ist bestimmt, dass auf das Arbeitsverhältnis die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des D C (AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung anwendbar sind. Die Klägerin war in die Vergütungsgruppe IV b eingestuft und erhielt zuletzt eine Grundvergütung in Höhe von 2.486,35 € pro Monat. In dem Krankenhaus werden mehr als 600 Arbeitnehmer beschäftigt.

Mit Schreiben vom 17. März 2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30. September 2005 mit der Begründung, das Zentrallabor werde zum 30. September 2005 eingestellt und ab diesem Zeitpunkt übernehme ein externer Dienstleister die Laborleistungen. Die bei der Beklagten gebildete Mitarbeitervertretung hatte unter dem 14. März 2005 der beabsichtigten Kündigung mit der Begründung widersprochen, die nach den AVR ordentlich unkündbare Klägerin könne aufgrund ihrer Ausbildung als MTA in der Radiologie (MTA-R) eingesetzt werden.

Mit der vorliegenden Klage, die am 31. März 2005 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, wendet sich die Klägerin gegen die ordentliche Kündigung. Sie macht geltend, zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung habe noch nicht festgestanden, dass der externe Dienstleister die Laborleistungen künftig erbringe. Der Lieferungs- und Leistungsvertrag mit dem Labor S sei erst am 29. Juli/1. August 2005 abgeschlossen worden. Im Übrigen sei nach § 14 Abs. 5 AVR eine ordentliche betriebsbedingte Beendigungskündigung durch den Dienstgeber ausgeschlossen, es sei denn, die Einrichtung werde aufgelöst oder wesentlich eingeschränkt (§ 15 Abs. 1 AVR). Da hier nur das Labor mit 10 Arbeitnehmern betroffen sei, liege ein solcher Ausnahmefall nicht vor.

Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 6. Juni 2005 vorsorglich das Arbeitsverhältnis wegen Schließung des Labors auch außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 31. Dezember 2005 kündigte, wendet sich die Klägerin mit der am 22. Juni 2005 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klageerweiterung zudem gegen diese Kündigung. Auch dem Ausspruch dieser Kündigung hatte zuvor die Mitarbeitervertretung widersprochen mit dem Hinweis, die Klägerin könne nach zumutbaren Umschulungen bzw. Fortbildungen als MTA-R weiterbeschäftigt werden oder auch in der im Krankenhaus fortbestehenden Laboreinrichtung mit Blutbank.

Die Klägerin ist der Ansicht, nach § 15 Abs. 2 AVR sei eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung nur zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe zulässig, nicht aber als Beendigungskündigung. Sie könne nach der Schließung des Labors als MTA-R eingesetzt werden. Am 23. März 1971 habe sie nach der Ausbildung am Strahleninstitut der A K die Abschlussprüfung abgelegt und die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung Medizinisch-Technische Assistentin erworben. Diese Erlaubnis habe nach dem MTA-Gesetz vom 21. Dezember 1958 sowohl für die Tätigkeit als MTA-L als auch für eine als MTA-R gegolten. An dieser Erlaubnis habe sich durch das Inkrafttreten der MTA-Gesetze vom 8. September 1971 und 2. August 1993 nichts geändert, da in den jeweiligen Übergangsbestimmungen der späteren Gesetze der Fortbestand der Erlaubnis ausdrücklich vorgesehen sei. Sie benötige lediglich nach § 18 a der geltenden Röntgenverordnung eine Aktualisierung ihrer Fachkunde im Strahlenschutz, die sie in einem 3-wöchigen Lehrgang erwerben könne. Zum 1. Januar 2006 seien 2 MTA-R-Stellen zu besetzen gewesen. Sie könne aber auch in der zum Bereich der Funktionsdiagnostik gehörenden Endoskopie als MTA-F eingesetzt werden, da sie aufgrund ihrer Ausbildung auch für eine solche Tätigkeit qualifiziert sei. In dieser Abteilung sei zum 30. Juni 2005 ein Arbeitsplatz nach dem Ausscheiden einer Mitarbeiterin frei geworden, den die Beklagte ihr zuweisen könne.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die ordentliche Kündigung vom 17. März 2005 zum 30. September 2005 noch durch die außerordentliche Kündigung vom 6. Juni 2005 zum 31. Dezember 2005 beendet worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, sie habe bereits vor Ausspruch der Kündigung beschlossen, mit Wirkung zum 1. Oktober 2005 die Laborleistungen auf den externen Dienstleister zu übertragen, nachdem dieser zuvor bereits für andere K Krankenhäuser die entsprechenden Leistungen übernommen habe.

Die ordentliche Kündigung sei zulässig, da die Schließung des Labors das Leistungsbild der Einrichtung ändere und daher eine wesentliche Einschränkung bedeute.

Vorsorglich habe sie das Arbeitsverhältnis außerordentlich gekündigt. Eine solche Kündigung müsse nach § 626 BGB zulässig sein, weil sie keine Möglichkeit mehr habe, die Klägerin weiterzubeschäftigen. Sie betreibe keine Laboreinrichtung mit Blutbank über den 30. September 2005 hinaus. Als MTA-R könne die Klägerin nicht eingesetzt werden, weil sie nach den Übergangsbestimmungen in der geltenden Röntgenverordnung bis zum 1. Juli 2004 eine Aktualisierung ihrer Fachkunde im Strahlenschutz hätte nachweisen müssen. Da die Aktualisierung nicht erfolgt sei, müsste die Klägerin zunächst vollständig neu ausgebildet werden, was 3 Jahre dauere. Im Übrigen gebe es in der Radiologie keine freien Arbeitsplätze. Es seien lediglich 2 Mitarbeiterinnen vorübergehend zu vertreten, die sich in Erziehungsurlaub befänden. In der Endoskopie beschäftige sie neben zwei Pflegehelfern ausschließlich ausgebildete Krankenschwestern und Krankenpfleger. Der Arbeitsplatz der teilzeitbeschäftigten Mitarbeiterin Frau F sei nach deren Ausscheiden nicht neu besetzt worden, da die Stelle gestrichen worden sei. Die Arbeitsplätze der Pflegehelfer in der Endoskopie seien besetzt. Im Übrigen verdienten sie nur 1.444,60 € brutto pro Monat und damit deutlich weniger als zuletzt die Klägerin. Es bestünden auch in anderen Abteilungen keine Arbeitsplätze, für die die Klägerin fachlich qualifiziert sei. Zudem seien die Arbeitsplätze besetzt.

Das Arbeitsgericht Köln hat durch Urteil vom 16. November 2005 der Klage stattgeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die ordentliche Kündigung sei nach den Bestimmungen der AVR unzulässig, da weder eine Auflösung noch eine wesentliche Einschränkung des Krankenhauses stattgefunden habe. Von der Laborschließung seien nur etwa 2 % der Mitarbeiter betroffen. Auch die außerordentliche Kündigung sei unwirksam, da nach den Bestimmungen der AVR eine außerordentliche betriebsbedingte Beendigungskündigung grundsätzlich ausgeschlossen sei. Ein Extremfall, der nach § 626 BGB dennoch zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung berechtigen müsse, liege nicht vor. Das Arbeitsverhältnis sei nicht sinnentleert. Vielmehr könne die Klägerin als MTA-R unter ständiger Aufsicht und Verantwortung eines Arztes weiterbeschäftigt werden. Auch seien im August 2005 in der Verwaltung Arbeitsplätze neu besetzt worden, die der Klägerin nach einer ggf. 6-monatigen Einarbeitung hätten zugewiesen werden können. Ferner könne die Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten mit bestimmten Arbeiten in der Endoskopie beauftragt werden. Soweit kein freier Arbeitsplatz zur Verfügung stehe, müssten ggf. eine Arzthelferin oder ein Krankenpflegehelfer gekündigt werden, um sodann deren Tätigkeit der Klägerin zuzuweisen.

Das Urteil ist der Beklagten am 5. Januar 2006 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 26. Januar Berufung einlegen und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13. März 2006 - am 13. März 2006 begründen lassen.

Sie ist weiterhin der Ansicht, die ordentliche Kündigung sei nach § 15 Abs. 1 AVR zulässig. Die Schließung des Labors stelle eine wesentliche Einschränkung der Einrichtung dar. Die Auslegung der Richtlinien sei an der Regelung über die Auflösung von Betriebsabteilungen nach § 15 Abs. 5 KSchG zu orientieren. Im Übrigen liege auch ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB vor, der jedenfalls die außerordentliche Kündigung rechtfertige. Ein Einsatz als MTA-R komme nicht in Betracht. Die Klägerin verfüge nicht über die erforderlichen Kenntnisse im Strahlenschutz. Auch könne von ihr - der Beklagten - nicht verlangt werden, dass sie einen Facharzt für Radiologie damit beauftrage, jeden einzelnen Arbeitsschritt der Klägerin zu beaufsichtigen. Im Jahr 2005 sei keine MTA-R unbefristet neu eingestellt worden. Auch scheide ein Einsatz in der Funktionsdiagnostik aus. Dort beschäftige sie Fachkrankenpfleger und Fachkrankenschwester, die nach ihrer krankenpflegerischen Ausbildung zusätzlich in einem Zeitraum von 2 Jahren weitergebildet worden seien, wobei die Unterrichtung in Theorie insgesamt 720 Stunden und die praktische Anleitung insgesamt 2400 Stunden beansprucht habe. Da die Klägerin nicht in der Funktionsdiagnostik beschäftigt worden sei, habe sie auch nicht durch (langjährige) Tätigkeit ein vergleichbares Wissen erworben. Die Klägerin könne ferner nicht ausschließlich mit der Abnahme von Elektrokardiogrammen (EKG) beschäftigt werden, da dies die Personalplanung für die Arbeitsschichten nicht zulasse. Ein Einsatz der Klägerin in der Patientenaufnahme oder in den Ambulanzen scheide aus. In der Patientenaufnahme beschäftige sie Sachbearbeiterinnen mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung oder mit Fachhochschulabschluss. Sie seien anders als die Klägerin für die Abklärung der Versicherungsverhältnisse der Patienten und für die Abrechnung der erbrachten Leistungen gegenüber den Krankenkassen befähigt. In den Ambulanzen beschäftige sie Arzthelferinnen mit abgeschlossener Ausbildung, die den dort anfallenden Schriftverkehr (Arztbriefe) erledigten, Hilfestellung bei den Untersuchungen gäben und organisatorische Arbeiten (z. B. OP-Belegung, Abrechnung der Leistungen) erfüllten. Sie verdienten monatlich zwischen 2.000,00 € und 2.500,00, € wohingegen die Klägerin zuletzt unter Berücksichtigung aller Zuschläge eine Vergütung in Höhe von etwa 3.100,00 € pro Monat erzielt habe. Im Jahr 2005 habe sie im Pflegedienst 12 Kräfte eingestellt, von denen 9 über eine krankenpflegerische Ausbildung verfügten. Bei den weiteren 3 Kräften handle es sich um Pflegehelfer, die befristet für höchstens 2 Jahre als geringfügig Beschäftigte eingesetzt würden.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 16. November 2005 - 9 Ca 3103/05 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist weiterhin der Ansicht, die Voraussetzungen für eine nach § 15 Abs. 1 AVR zulässige Kündigung lägen nicht vor. Sie könne als MTA-R weiterbeschäftigt werden, sobald sie in einem 3-wöchigen Lehrgang die Kenntnisse im Strahlenschutz aktualisiert habe. Die Beklagte habe im Jahr 2006 2 MTA-R-Kräfte weiterbeschäftigt, die bis zum 31. Dezember 2005 befristet eingestellt gewesen seien. Im Bereich der Funktionsdiagnostik könne sie einfache vor- oder nachbereitende Tätigkeiten und einfache Funktionsprüfungen wie z. B: das Elektrokardiogramm, die Ergometrie und die Spirometrie erledigen. Bei der Beklagten sei jeweils eine Kraft ausschließlich für das Elektrokardiogramm zuständig. Nach einer Anlernzeit von nicht einmal 3 Monaten könne sie zudem in der Patientenaufnahme, in den Ambulanzen, bei der DRG-Erfassung oder der Erfassung von Fallpauschalen sowie für alle ungelernten Tätigkeiten eingesetzt werden, ggf. unter Herabstufung um eine Vergütungsgruppe entsprechend § 15 Abs. 2 S. 2 AVR. Die Beklagte sei auch verpflichtet, für sie gegebenenfalls einen besetzten Arbeitsplatz frei zu machen. In vergleichbaren anderen Kölner Krankenhäusern seien die dort beschäftigten MTA-L nach Vergabe der Laborleistungen an einen externen Dienstleiter mit anderen Tätigkeiten weiterbeschäftigt worden.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 c ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht Köln hat zutreffend entschieden, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die ordentliche Kündigung vom 17. März 2005 noch durch die vorsorgliche außerordentliche Kündigung vom 6. Juni 2005 aufgelöst worden ist.

Die Klägerin hat gegen beide Kündigungen innerhalb der nach §§ 4 S. 1, 13 Abs. 1 S. 2 KSchG geltenden Frist von 3 Wochen Kündigungsschutzklage erhoben.

1. Die ordentliche Kündigung vom 17. März 2005 ist unzulässig.

Nach § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 26. Oktober 1983 i. V. m. § 14 Abs. 5 AVR ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Dienstgeber ausgeschlossen, soweit in § 15 AVR nichts anderes bestimmt ist. Unter § 15 Abs. 1 AVR ist bestimmt, dass eine ordentliche Beendigungskündigung nur zulässig ist, wenn der Mitarbeiter nicht weiterbeschäftigt werden kann, weil die Einrichtung, in der er tätig ist, wesentlich eingeschränkt oder aufgelöst wird.

Da die Einrichtung weder aufgelöst noch wesentlich eingeschränkt worden ist, ist die ordentliche Beendigungskündigung unzulässig.

Eine wesentliche Einschränkung des Krankenhauses als Einrichtung im Sinne des § 15 Abs. 1 AVR liegt nicht vor, weil durch die Schließung des zentralen Labors das Leistungsangebot der Einrichtung nicht verändert worden ist und zudem nur für etwa 2 % der Mitarbeiter die bisherigen Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen sind.

Bei den Richtlinien für Arbeitsverträge (AVR) handelt es sich um Kollektivvereinbarungen besonderer Art, in denen allgemeine Bedingungen für die Vertragsverhältnisse der bei den Kirchen beschäftigten Arbeitnehmer durch paritätisch zusammengesetzte Arbeitsrechtliche Kommissionen festgelegt worden sind. Diesen Regelungen kommt allerdings keine normative Wirkung zu, so dass sie auf das Arbeitsverhältnis nur kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden. Gleichwohl erfolgt die Auslegung der AVR nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nach den gleichen Grundsätzen, wie sie für die Tarifauslegung maßgeblich sind (vgl. BAG, Urteil vom 23. September 2004 - 6 AZR 430/03 -).

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 15 Abs. 1 AVR muss die organisatorische Maßnahme zu einer wesentlichen Einschränkung der Einrichtung geführt haben, aufgrund derer der Beschäftigungsbedarf entfallen ist. Die Auflösung eines Einrichtungsteils kann danach die Zulässigkeit einer ordentlichen Kündigung nur begründen, wenn sie zugleich eine wesentliche Einschränkung der Einrichtung darstellt. Ob eine wesentliche Einschränkung der Einrichtung vorliegt, kann nach dem Inhalt der Maßnahme und/oder der Auswirkung der Maßnahme auf die Beschäftigungsmöglichkeiten her zu beurteilen sein. Da nach beiden Gesichtspunkten im vorliegenden Fall eine wesentliche Einschränkung der Einrichtung zu verneinen ist, kann dahinstehen, welche dieser Betrachtungsweisen im Rahmen des § 15 Abs. 1 AVR zu gelten hat. Die Schließung des Labors stellt inhaltlich keine wesentliche Einschränkung des Krankenhauses dar, da sich daraus keine Änderung des Leistungsangebots ergibt. Die Einrichtung ist auf die Untersuchung und Behandlung von Patienten ausgerichtet, wobei dem Labor nur eine Hilfsfunktion zukommt. Die Patienten werden nach externer Vergabe der Laborleistungen in demselben Umfang wie zuvor durch Ärzte behandelt und untersucht und durch Pflegekräfte betreut. Da nur 2 % der Beschäftigten des Krankenhauses im Labor beschäftigt worden sind, kann auch nach der Auswirkung der Maßnahme auf die Beschäftigungsmöglichkeiten von einer wesentlichen Einschränkung der Einrichtung nicht die Rede sein.

2. Die außerordentliche Kündigung vom 6. Juni 2005 ist nicht rechtswirksam.

a. Die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung ist nicht bereits unzulässig.

Nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 2 AVR ist auch eine außerordentliche betriebsbedingte Beendigungskündigung ausgeschlossen, da danach dem ordentlich unkündbaren Mitarbeiter aus in seiner Person oder in seinem Verhalten liegenden wichtigen Grunde fristlos gekündigt werden kann. Nach § 15 Abs. 2 S. 1 AVR ist dem Dienstgeber eine Kündigung des Dienstverhältnisses nicht gestattet, wenn weder eine ordentliche Kündigung nach § 15 Abs. 1 AVR noch eine außerordentliche Kündigung nach § 16 Abs. 2 AVR zulässig ist. Zugelassen ist nach § 15 Abs. 2 S. 2 AVR aus sonstigen wichtigen Gründen nur eine Änderungskündigung zum Zweck der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe, wenn eine Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht möglich ist oder der Mitarbeiter dauernd außerstande ist, die vertraglich geschuldeten und für die Vergütungseinstufung maßgeblichen Arbeitsleistungen zu erbringen.

Damit ist jedoch nicht jede außerordentliche Beendigungskündigung aus betrieblichen Gründen nach § 626 BGB ausgeschlossen. Es muss zulässig sein, in Extremfällen, in denen das Arbeitsverhältnis als Austauschverhältnis auf Dauer sinnentleert ist, weil Arbeitsleistung nicht mehr erbracht werden kann und deshalb auf unzumutbar lange Zeit Vergütung ohne Gegenleistung gezahlt werden müsste, eine außerordentliche betriebsbedingte Beendigungskündigung mit notwendiger Auslauffrist nach § 626 BGB auszusprechen. Dabei sind aber die Anforderungen an die Wirksamkeit einer solchen Kündigung erheblich. Schon nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine ordentliche Kündigung nur aus dringenden betrieblichen Erfordernissen möglich und eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers, ggf. nach zumutbaren Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen, muss, soweit möglich, an einem anderen Arbeitsplatz in der Einrichtung oder einer anderen Einrichtung des Dienstgebers erfolgen. Für eine außerordentliche Kündigung müssen die Anforderungen deutlich darüber hinausgehen (vgl. zur entsprechenden Regelung nach § 55 Abs. 2 BAT: BAG, Urteil vom 24. Juni 2004 - 2 AZR 215/03 -, wonach die Intensität der Bindung der in einem Beamtenverhältnis angenähert ist).

Es müssen verschärfte Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers gestellt werden. Ihn trifft die Pflicht, mit allen zumutbaren Mitteln, gegebenenfalls auch durch eine entsprechende Umorganisation und das Freimachen geeigneter Arbeitsplätze, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu versuchen. Der Arbeitgeber hat deshalb, wenn der ordentlich unkündbare Arbeitnehmer entsprechende Vorstellungen für seine Weiterbeschäftigung entwickelt, substantiiert darzulegen, weshalb trotz der gegenüber dem Unkündbaren bestehenden besonderen Pflichten eine Weiterbeschäftigung nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sein soll. Dazu gehört auch die Nutzung von erreichbaren Beschäftigungsmöglichkeiten beim Rechtsträger (vgl. zur Rechtslage nach § 55 Abs. 2 BAT: BAG, Urteil vom 24. Juni 2004 - 2 AZR 215/03 -).

b. Die nach alledem zulässige außerordentliche Kündigung vom 6. Juni 2005 ist jedoch unwirksam, weil zum Kündigungszeitpunkt kein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB vorlag.

Aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich nicht, dass für sie zu diesem Zeitpunkt trotz der gegenüber der Klägerin als Unkündbaren bestehenden besonderen Pflichten eine Weiterbeschäftigung der Klägerin nach Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Dezember 2005 nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Die Klägerin hat im Berufungsverfahren Beschäftigungsmöglichkeiten für die Zeit ab dem 1. Januar 2006 vornehmlich in den Bereichen Radiologie, Funktionsdiagnostik, Patientenaufnahme und Ambulanzen aufzeigt. Aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich nicht, dass keine der von der Klägerin aufgezeigten Tätigkeiten in Betracht kommen kann.

aa. Die Klägerin besitzt weiterhin die Erlaubnis zur Bezeichnung als MTA, wobei die im Jahr 1971 nach dem MTA-Gesetz vom 21. Dezember 1958 erteilte Erlaubnis auch für den Bereich Radiologie gilt. Nach § 13 Abs. 1 MTA-Gesetz vom 8. September 1971 galt die am 23. März 1971 nach der Ausbildung am Strahleninstitut der AOK Köln erteilte Erlaubnis auch als Erlaubnis im Sinne des § 1 Nr. 1, 2 der gesetzlichen Neufassung. Durch § 13 Abs. 1 MTA-Gesetz vom 2. August 1993 ist wiederum bestimmt, dass eine nach § 1 oder § 3 MTA-Gesetz vom 8. September 1971 erteilte Erlaubnis auch als Erlaubnis im Sinne des § 1 Nr. 1, 2 der gesetzlichen Neufassung gilt. Als nach § 1 MTA-Gesetz vom 8. September 1971 erteilte Erlaubnis muss auch die gelten, die der Gesetzgeber in der Übergangsbestimmung zu der damaligen Gesetzesfassung ausdrücklich als Erlaubnis anerkannt hatte. Dies hat die Beklagte auch in der Vergangenheit nicht anders gesehen, als sie die Klägerin weiter als MTA im Laborbereich beschäftigt hat.

Mithin kann die Klägerin alle unter § 9 Abs. 1 Nr. 2 MTA-Gesetz vom 2. August 1993 aufgeführten Tätigkeiten verrichten, wobei für die technische Durchführung von Röntgenstrahlung am Menschen zusätzlich die Bestimmungen der Röntgenverordnung über erforderliche Fachkunde und Kenntnisse im Strahlenschutz gelten. Nach § 18 a Abs. 1 RöV gilt die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz regelmäßig als erworben durch eine für den jeweiligen Anwendungsbereich geeignete Ausbildung, praktische Erfahrung und die erfolgreiche Teilnahme an von der zuständigen Stelle anerkannten Kursen. Ausdrücklich ist unter § 18 a Abs. 1 RöV bestimmt, dass mit der Erlaubnis nach § 1 Nr. 2 MTA-Gesetz vom 2. August 1993 der erforderliche Fachkundenachweis für alle unter § 9 Abs. 1 Nr. 2 MTA-Gesetz vom 2. August 1993 aufgeführten Tätigkeiten als erbracht gilt. Allerdings muss nach § 18 Abs. 2 RöV die Fachkunde im Strahlenschutz mindestens alle 5 Jahre durch eine erfolgreiche Teilnahme an einem von der zuständigen Stelle anerkannten Kurs oder anderen von der zuständigen Stelle als geeignet anerkannten Fortbildungsmaßnahmen aktualisiert werden. Diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin derzeit nicht. Die in der Übergangsbestimmung vorgesehene Möglichkeit, die Aktualisierung der vor 1973 erworbenen Fachkunde bis zum 1. Juli 2004 nachzuweisen, ist nicht genutzt worden. Sie kann deshalb derzeit nicht für die Tätigkeiten, die den Fachkundenachweis erfordern, eingesetzt werden. Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich aber aus der Röntgenverordnung nicht, dass nach Ablauf des 5 Jahreszeitraum eine (bloße) Aktualisierung der Fachkunde im Strahlenschutz durch Kurse nach § 18 Abs. 2 RöV ausgeschlossen ist. Dabei müssen für die Beklagte auch längere Kurs- und Einarbeitungszeiten zumutbar sein, wobei zu berücksichtigen ist, dass sie die Kündigungsfrist von 6 Monaten bereits für die Fortbildung der Klägerin hätte nutzen können.

Da ab dem 1. Januar 2005 in Elternzeit beschäftigte MTA-R zu vertreten waren, bestand auch die Möglichkeit zur Beschäftigung, ohne dass zu diesem Zeitpunkt eine Freikündigung eines Arbeitsplatzes erforderlich war.

bb. Die Klägerin kann zudem im Bereich Funktionsdiagnose jedenfalls für einfache Funktionsprüfungen wie Elektrokardiogramm, Ergometrie und Spirometrie eingesetzt werden, ggf. auch übergangsweise bis zum Erwerb der Fachkunde im Strahlenschutz. Die Beklagte hat nicht substantiiert dargelegt, dass es für sie unzumutbar ist, den Einsatz der Klägerin nur für solche Tätigkeiten einzuplanen, und gleichzeitig vorzusehen, dass während dieser Zeit für die Arbeiten, die nur ausgebildete Fachkrankenschwester und Fachkrankenpfleger erledigen können, eine entsprechend befähigte Fachkraft bei Bedarf zur Verfügung steht. Sollte sich dadurch ein Personalüberhang ergeben, kann dieser ggf. durch Kündigung eines ordentlich kündbaren Mitarbeiters abgebaut werden.

cc. Schließlich kann die Klägerin auch in den Bereichen Patientenaufnahme und Ambulanzen weiterbeschäftigt werden, ggf. verbunden mit einer Herabgruppierung.

In den AVR ist ausdrücklich eine Änderungskündigung zum Zwecke der Herabgruppierung für den Fall vorgesehen, dass eine Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht mehr möglich ist. Es kann daher nicht allein darauf abgestellt werden, ob zum Kündigungszeitpunkt am 6. Juni 2005 Arbeitsplätze der Vergütungsgruppe IV b frei waren oder absehbar zum 1. Januar 2005 frei wurden. Vielmehr war die Beklagte gehalten, ggf. der Klägerin einen frei werdenden Arbeitsplatz mit einer niedrigeren Vergütungsstufe, für den die Klägerin die fachlichen Voraussetzungen nach einer Einarbeitung erfüllte, zuzuweisen oder sogar einen solchen Arbeitsplatz frei zu kündigen.

Auch nach den Erläuterungen des Personalleiters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 6. Juni 2006 ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin nach einer Einarbeitung nicht in der Patientenaufnahme oder in einer der Ambulanzen weiterbeschäftigt werden kann. Als Leiterin des Zentrallabors war sie mit organisatorischen Aufgaben befasst. Ferner verfügt sie über EDV-Kenntnisse. Es kann nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass sie nach einer Einweisung die in der Patientenaufnahme von kaufmännischen Angestellten durchzuführende Erfassung von Daten und Erstellung von Abrechnungen übernehmen kann oder in den Ambulanzen den Schriftverkehr und die organisatorische Aufgaben erledigen kann und nach einer Einarbeitung auch Hilfestellungen dem behandelnden Arzt geben kann.

Nach alledem ist das Arbeitsverhältnis weder durch die ordentliche Kündigung vom 17. März 2005 noch durch die außerordentliche Kündigung vom 6. Juni 2005 beendet worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Revision war zuzulassen wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits für die Auslegung des § 15 Abs. 1 AVR.

Ende der Entscheidung

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