Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 05.12.2006
Aktenzeichen: 9 Sa 937/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 294
1. Erhält der Arbeitnehmer von der Krankenkasse die Mitteilung, der Arbeitgeber habe ihn abgemeldet, so gerät der Arbeitgeber nur dann in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung tatsächlich anbietet (§ 294 BGB). Er kann dabei verlangen, dass der Arbeitgeber die Abmeldung bei der Krankenkasse wieder rückgängig macht, und für den Fall der Weigerung die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts ankündigen.

2. Erklärt eine Mitarbeiterin aus dem Steuerberaterbüro des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, er sei fristlos entlassen, er müsse nicht mehr arbeiten und erhalte auch keinen Lohn, dann stellt dies keine Kündigung dar, sondern nur die Weitergabe einer von dem Arbeitgeber erteilten Meldung.


Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.06.2006 - 7 Ca 7601/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger aus Annahmeverzug Lohn für die Zeit ab dem 7. August 2005 bis zum 30. September 2005 zu zahlen hat.

Der Kläger, geboren am 7. Juli 1957, war bei der Beklagten seit dem 15. Mai 2004 als Koch beschäftigt, zu einem monatlichen Lohn in Höhe von EUR 1.390,90 brutto - so der Kläger - oder in Höhe von EUR 1.150,00 brutto zuzüglich freie Kost - so die Beklagte -.

Der Kläger war vom 15. Juli 2005 bis zum 6. August 2005 arbeitsunfähig erkrankt. Danach arbeitete er nicht mehr für die Beklagte, nachdem er von der Krankenkasse erfahren hatte, die Beklagte habe mitgeteilt, das Arbeitsverhältnis sei zum 14. Juli 2005 beendet worden.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, den erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträgen und wegen der Gründe, die die 7. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, die Klage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Teilurteils vom 21. Juni 2006 Bezug genommen.

Das Teilurteil ist dem Kläger am 12. Juli 2006 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 11. August 2006 Berufung einlegen und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 9. Oktober 2006 - am 9. Oktober 2006 begründen lassen.

Er trägt vor, am 15. Juli 2005 sei er letztmalig bei der Beklagten erschienen, der er mitgeteilt habe, dass er arbeitsunfähig erkrankt sei. Nachdem er am 5. August 2005 von der Krankenkasse erfahren habe, dass die Beklagte ihn abgemeldet habe und dabei mitgeteilt habe, sie habe das Arbeitsverhältnis zum 14. Juli 2005 gekündigt, habe er sich bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und vergebens versucht, die Beklagte telefonisch zu erreichen. Er habe davon ausgehen müssen, dass ihn die Beklagte nicht habe sprechen wollen. Am 12. August 2005 habe er die vorliegende Klage eingereicht u. a. mit dem Antrag auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch das Schreiben der Krankenkasse zum 14. Juli 2005 aufgelöst worden sei, und dem Antrag auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts für die Zeit ab dem 1. Juli 2005. Am 7. September 2005 habe er von einer Mitarbeiterin aus dem Büro der Steuerberater der Beklagten bei einer Nachfrage erfahren, er sei zum 14. Juli 2005 fristlos gekündigt, müsse nicht mehr arbeiten und erhalte auch keinen Lohn. Am 9. September 2005 sei ihm die Klageerwiderung der Beklagten zugegangen. Am 13. September 2005 habe er von der Krankenkasse eine Entgeltbescheinigung erhalten, in der die Beklagte angegeben habe, das Arbeitsverhältnis sei zum 14. Juli 2005 beendet worden. Da die Beklagte mehrfach zu erkennen gegeben habe, dass sie das Arbeitsverhältnis als beendet ansehe und seine Arbeitsleistung nicht annehme, habe er seine Arbeitsleistung nicht tatsächlich anbieten müssen.

Der Kläger beantragt zuletzt,

unter Abänderung des Teilurteils des Arbeitsgerichts Köln vom 21. Juni 2006 - 7 Ca 7601/05 - die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 2.539,90 brutto für den Zeitraum nach dem 6. August 2005 bis zum 30. September 2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Kläger habe für die Zeit ab dem 7. August 2005 tatsächlich seine Arbeitsleistung anbieten müssen. Sie behauptet, der Kläger sei nicht mehr leistungsbereit gewesen. Er habe am 14. Juli 2005 seine Arbeitsstelle mit der sinngemäßen Erklärung verlassen, "dann macht Euren Scheiß doch alleine".

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nach § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung des Klägers hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend die Klage auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 7. August 2005 bis zum 30. September 2005 abgewiesen.

Die Beklagte befand sich in diesem Zeitraum nicht in Annahmeverzug.

1. Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs richten sich nach §§ 293 ff. BGB.

a. Der Arbeitgeber gerät nach § 293 BGB in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Gemäß § 294 BGB muss die Leistung dem Gläubiger grundsätzlich so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden. Der Arbeitnehmer muss sich zur vertraglich vereinbarten Zeit an den vereinbarten Arbeitsort begeben und die nach dem Vertrag geschuldete Arbeitsleistung anbieten.

Nach § 295 BGB genügt ein wörtliches Angebot des Schuldners, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde, oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist. Dies ist z. B. der Fall, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Hausverbot erteilt hat oder ihm in anderer Weise ein Erscheinen am Arbeitsplatz unzumutbar macht (vgl. BAG, Urteil vom 7. Dezember 2005 - 5 AZR 19/05 -).

Hat der Arbeitgeber allerdings das Arbeitsverhältnis unwirksam gekündigt, so gerät er bei einer fristlosen Kündigung sofort und bei einer ordentlichen Kündigung nach Ablauf der Kündigungsfrist in Annahmeverzug, wenn er den Arbeitnehmer nicht auffordert, die Arbeit wieder aufzunehmen. Denn der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und ihm Arbeit zuzuweisen. Unterlässt er diese Mitwirkungshandlung, ist ein Arbeitsangebot des Arbeitnehmers nach § 296 BGB überflüssig (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, z. B. Urteil vom 13. Juli 2005 - 5 AZR 578/04 -).

b. Ist der Arbeitnehmer nicht leistungsfähig oder nicht leistungswillig, ist Annahmeverzug des Arbeitgebers nach § 297 BGB ausgeschlossen. Die subjektive Leistungsbereitschaft ist eine von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Verzugszeitraums vorliegen muss (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, z. B. Urteil vom 13. Juli 2005 - 5 AZR 578/04 -).

2. Danach war zur Begründung des Annahmeverzugs in dem genannten Zeitraum erforderlich, dass der Kläger tatsächlich seine Arbeitsleistung als Koch während der vereinbarten Arbeitszeit im Betrieb der Beklagten anbot.

Ein tatsächliches Angebot des Klägers war weder aufgrund einer von der Beklagten erklärten Kündigung entbehrlich noch genügte ein wörtliches Angebot.

a. Die Beklagte hatte gegenüber dem Kläger keine Kündigung erklärt, als die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit am 6. August 2005 endete. Vielmehr hatte sie ihn nur fälschlicherweise bei der Krankenkasse abgemeldet und dabei angegeben, dass Arbeitsverhältnis sei am 14. Juli 2005 durch arbeitgeberseitige Kündigung beendet worden. Sie hatte die Krankenkasse weder bevollmächtigt, in ihrem - der Beklagten - Namen gegenüber dem Kläger eine Kündigung auszusprechen, noch beauftragt, als Bote der Beklagten eine Kündigung dem Kläger zu überbringen. Als empfangsbedürftige Willenserklärung wird eine Kündigung aber nur wirksam, wenn sie dem Gekündigten als Erklärungsempfänger auch zugeht (§ 130 BGB).

Auch für den Kläger war klar, dass ihm gegenüber keine Kündigung erklärt worden war. Ausdrücklich hat er in der Klageschrift ausgeführt, ihm gegenüber sei weder eine mündliche noch eine schriftliche Kündigung erfolgt. Zudem zeigen die von ihm in der Klageschrift angekündigten Anträge auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch "erstellten Schriftsatz der Barmer Ersatzkasse" aufgelöst worden ist, und hilfsweise bei Zerrüttung auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses "frühestens nach Erhalt einer ordentlichen Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist", dass ihm der Zugang der Kündigung als Wirksamkeitsvoraussetzung bekannt war. Im Übrigen oblag es ihm, bei Zweifeln zuverlässigen Rechtsrat einzuholen.

b. Auch genügte kein wörtliches Angebot, da es für den Kläger nicht unzumutbar war, nach Beendigung des Arbeitsunfähigkeit am 7. August 2005 an seinem Arbeitsplatz zur vereinbarten Arbeitszeit zu erscheinen. Dort konnte er ggf. verlangen, dass die Beklagte die Abmeldung bei der Krankenkasse wieder rückgängig machte und für den Fall der Weigerung die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts ankündigen (vgl. dazu: HWK-Krause, Arbeitsrechtskommentar, § 618 BGB Rdn. 40).

Es kann daher dahinstehen, ob der Kläger nach dem Erhalt des Schreibens der Krankenkasse vom 5. August 2005 mehrmals vergeblich versucht hat, die Beklagte telefonisch zu erreichen.

c. Soweit der Kläger geltend macht, am 7. September 2005 habe ihm eine Mitarbeiterin aus dem Büro der Steuerberater der Beklagten erklärt, er sei zum 14. Juli 2005 fristlos entlassen, er müsse nicht mehr arbeiten und erhalte auch keinen Lohn, änderte dies nichts an der Erforderlichkeit eines tatsächlichen Arbeitsangebots für den danach liegenden Zeitraum.

Die behauptete Erklärung stellte erkennbar keine Kündigung dar, sondern - wie auch die Mitteilung der Krankenkasse - nur die Weitergabe einer dem Steuerberaterbüro von der Beklagten erteilten Meldung. Das Arbeitsverhältnis sollte nicht durch diese Erklärung beendigt werden, sondern es wurde nur Bezug genommen auf einen angeblichen, fast zwei Monate zurückliegenden Vorgang. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, dass der Steuerberater und seine Mitarbeiter von der Beklagten bevollmächtigt waren, im Namen der Beklagten eine Kündigungserklärung gegenüber dem Kläger abzugeben.

d. Der Kläger hat selbst dann seine Arbeitsleistung nicht tatsächlich angeboten, als ihm die Klageerwiderung der Beklagten am 9. September 2005 zugegangen war. In dieser hatte die Beklagte ausgeführt, eine wirksame Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei nicht erfolgt, und gerügt, der Kläger habe seine Tätigkeit eingestellt und sich auch nach Ende seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht mehr gemeldet. Deshalb sei der Kläger bei der Krankenkasse abgemeldet worden. Statt nunmehr seine Arbeitsleistung im Betrieb tatsächlich anzubieten, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 9. September 2005 auf die von ihm vorgetragenen Versuche verwiesen, die Beklagte telefonisch zu erreichen.

e. Schließlich änderte der Zugang der schriftlichen Kündigung vom 14. September 2005 nichts an der Erforderlichkeit eines tatsächlichen Arbeitsangebots für die Zeit bis zum 30. September 2005. Denn die ordentliche Kündigung war zum 30. September 2005 erklärt worden, so dass der Kläger gehalten war, bis dahin seine Arbeitsleistung zu erbringen.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge nach § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Die sich dabei stellenden Rechtsfragen sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung beantwortet.

Ende der Entscheidung

Zurück