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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 04.05.2006
Aktenzeichen: 9 Ta 128/06
Rechtsgebiete: BBiG


Vorschriften:

BBiG § 6
BBiG § 10
BBiG § 18
BBiG § 34
1. Der Ausbildende kann sich vorbehalten, vor jedem auswärtigen Blockunterricht des Auszubildenden erneut zu entscheiden, ob er die Unterbringungskosten übernimmt, die er nach dem Berufsbildungsgesetz nicht zu tragen hat.

2. Eine Vereinbarung zwischen Ausbildenden und Auszubildenden, wonach das gekündigte Berufsausbildungsverhältnis ohne praktische Berufsausbildung bis zum nächstmöglichen Prüfungstermin fortgesetzt wird, ist nach § 18 Berufsbildungsgesetz nicht rechtswirksam.

3. Dem Auszubildenden steht kein Anspruch auf Ausbildungsvorprüfung zu, wenn er sich nicht mehr für die praktische Berufsausbildung bereit hält und dem Ausbildenden nicht mehr die Teilnahme an der praktischen Berufsausbildung anbietet.

4. Der Auszubildende ist berechtigt, sich selbst zur Abschlussprüfung anzumelden. Die Prüfung ist nach §§ 34 Abs. 3 Berufsbildungsgesetz, 31 Abs. 4 Handwerksordnung für den Auszubildenden gebührenfrei, auch wenn er die Abschlussprüfung wiederholt.


Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 31. Januar 2006 - 2 Ha 21/05 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Der Antragsteller beantragt, ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren unter Beiordnung von Rechtsanwalt M aus R für eine beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin auf Ersatz von Unterbringungskosten in Höhe von EUR 452,40, Zahlung einer restlichen Ausbildungsvergütung für die Monate März 2005 bis Juni 2005 in Höhe von EUR 1.111,60, auf Erstattung eines Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrags in Höhe von EUR 106,15 und auf Ersatz einer Gebühr für die Lehrabschlussprüfung in Höhe von EUR 150,37 sowie auf Erteilung einer Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III.

Der Antragsteller, geboren am 26. Juni 1980, war bei der Antragsgegnerin aufgrund eines schriftlichen Berufsausbildungsvertrages ab dem 19. Oktober 2002 Auszubildender für den Ausbildungsberuf Kälteanlagenbauer. Die Ausbildungsvergütung betrug zuletzt EUR 377,90.

Der Antragsteller nahm am auswärtigen Blockunterricht der Berufsschule in G in der Zeit vom 12. Januar 2004 bis zum 30. Januar 2004, vom 15. März 2004 bis zum 2. April 2004 und vom 1. Juni 2004 bis zum 18. Juni 2004 teil. Die Antragsgegnerin buchte die Unterbringung des Klägers in einem Gästehaus und übernahm die Unterbringungskosten. In der Zeit vom 2. November 2004 bis zum 3. Dezember 2004 nahm der Kläger wiederum an einem Blockunterricht an der Berufsschule in G teil. Die Antragsgegnerin weigert sich, die Kosten für die von ihr nicht gebuchte Unterbringung des Klägers in dem Gästehaus zu übernehmen.

Der Antragsteller bestand im Januar 2005 nicht die Abschlussprüfung. Daraufhin verlangte der Antragsteller mit Schreiben vom 11. Januar 2005 eine Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses bis zum nächstmöglichen Prüfungstermin. Dazu war die Antragsgegnerin nicht bereit, die das Ausbildungsverhältnis mit Schreiben vom 31. Januar 2005 kündigte. Der Antragsteller machte die Unwirksamkeit der Kündigung vor dem zuständigen Ausschuss für Lehrlingsstreitigkeiten der Kälteanlagenbauer-Innung N geltend. Noch vor der Verhandlung vor dem Ausschuss vereinbarte der Antragsteller mündlich mit der Antragsgegnerin, dass er künftig nicht mehr "zur Arbeit erscheinen müsse, dafür jedoch monatlich noch EUR 100,00 erhalte, damit er sich vollzeitig auf die nächste Prüfung vorbereiten könne."

Der Antragsteller war bei der T Krankenkasse freiwillig versichert. Als Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung hatte er für den Monat Juni 2005 EUR 106,15 zu zahlen.

Der Antragsteller zahlte als Prüfungsgebühr für die Wiederholungsprüfung an die Kreishandwerkerschaft D EUR 150,37. Er bestand die Wiederholungsprüfung nicht, was ihm mit Schreiben vom 1. Juli 2005 mitgeteilt wurde.

Der Antragsteller ist der Ansicht, die Antragsgegnerin habe ihm die Kosten für die Unterbringung in dem Gästehaus vom 2. November 2004 bis zum 3. Dezember 2004 zu erstatten. Da sie zuvor 3-mal die Unterbringungskosten übernommen habe, bestehe der Anspruch aufgrund betrieblicher Übung.

Zudem habe sie ihm für die Monate März 2005 bis einschließlich Juni 2005 als restliche Ausbildungsvergütung EUR 1.111,60 (4 x EUR 277,90) zu zahlen. Die Vereinbarung über eine "Freistellung von der Arbeit" und eine Reduzierung der Ausbildungsvergütung auf EUR 100,00 sei unwirksam gewesen, weil sie mit den Pflichten nach dem Berufsbildungsgesetz nicht in Einklang stehe.

Die Prüfungsgebühr habe er zahlen müssen, weil ihn die Antragsgegnerin nicht zur Abschlussprüfung angemeldet habe.

Die Antragsgegnerin habe keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt. Daher habe sie den von ihm als freiwilliges Mitglied gezahlten Beitrag zu erstatten.

Das Arbeitsgericht Siegburg hat mit Beschluss vom 31. Januar 2006 Prozesskostenhilfe nur für die beabsichtigte Klage auf Erteilung der Arbeitsbescheinigung bewilligt. Zur Begründung hat es ausgeführt, für die beabsichtigte Zahlungsklage bestehe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Unterbringungskosten seien nicht zu ersetzen. In der Vergangenheit habe die Antragsgegnerin nur die Kosten für die von ihr selbst gebuchte Unterbringung des Antragstellers in dem Gästehaus übernommen. Daraus habe der Antragsteller nicht herleiten können, dass sie auch Kosten für eine von ihr nicht gebuchte Unterbringung des Antragstellers übernehmen werde. Für die Monate März 2005 bis Juni 2005 stehe dem Kläger keine weitere Ausbildungsvergütung zu, da die mündliche Vereinbarung über eine Freistellung und Reduzierung der Ausbildungsvergütung auf EUR 100,00 rechtswirksam gewesen sei. Die Erstattung des Krankenkassenbeitrages könne der Antragsteller nicht verlangen. Gleiches gelte für die Prüfungsgebühr.

Gegen den am 3. Februar 2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 3. März 2006 sofortige Beschwerde eingelegt, wobei er im Wesentlichen sein Vorbringen aus der Antragsschrift wiederholt.

Das Arbeitsgericht Siegburg hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die nach § 78 S. 1 ArbGG, 127 Abs. 2, 569 ZPO statthafte und zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht Siegburg das Prozesskostenhilfegesuch hinsichtlich der Zahlungsklage mit der Begründung abgewiesen, es fehle die nach § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht.

1. Der Antragsteller hat nicht schlüssig dargetan, dass ihm die Antragsgegnerin die durch die Unterbringung während des Blockunterrichts in der Zeit vom 2. November 2004 bis zum 3. Dezember 2004 entstandenen Kosten zu ersetzen hat.

Zu den vom Ausbildenden zu tragenden Kosten gehören grundsätzlich nicht die im Zusammenhang mit dem Berufsschulunterricht entstehenden Kosten. Im dualen Berufsbildungssystem müssen die Kosten für den theoretischen Ausbildungsteil grundsätzlich vom Auszubildenden selbst aufgebracht werden. Der Auszubildende hat selbst dann, wenn der Auszubildende am Blockunterricht einer auswärtigen staatlichen Berufsschule teilnehmen muss, diesem nicht die dadurch verursachten Fahrt-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten zu erstatten (vgl. BAG, Urteil vom 25. Juli 2002 - 6 AZR 381/00 -).

Aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin bei 3 vorangegangenen Blockunterrichts-Zeiträumen die Unterbringungskosten übernommen hatte, konnte der Antragsteller nicht schließen, die Antragsgegnerin werde auch bei künftigem auswärtigen Blockunterricht die Unterbringungskosten übernehmen. Bei den vorangegangenen 2- bis 3-wöchigen Blockunterrichts-Zeiträumen im Jahr 2004 hatte die Antragsgegnerin selbst die Unterbringung des Antragstellers in dem Gästehaus gebucht und sich zur Zahlung der Unterbringungskosten verpflichtet. Dabei hatte die Antragsgegnerin offensichtlich bereits mit Schreiben vom 8. April 2004, d. h. vor dem dritten Blockunterrichts-Zeitraum, zum Ausdruck bringen wollen, dass es sich um eine freiwillige Leistung handle. Dies ergibt sich aus dem vorgerichtlichen Schreiben vom 12. August 2005 der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers an die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin. Unabhängig davon musste der Antragsteller davon ausgehen, dass die Antragsgegnerin schon im Hinblick auf Häufigkeit und Dauer des auswärtigen Blockunterrichts und die deshalb zunächst nicht zu überschauende Höhe der Unterbringungskosten sich vorbehielt, vor jedem Blockunterricht erneut zu entscheiden, ob sie die Kosten übernahm, die sie nach dem Berufsbildungsgesetz nicht zu tragen hatte.

2. Der Antragsteller hat auch nicht schlüssig dargetan, dass die Antragsgegnerin ihm für die Monate März 2005 bis Juni 2005 die nach dem Ausbildungsvertrag geschuldete Ausbildungsvergütung zu zahlen hat.

Zwar war die mündliche Vereinbarung vom 21. Februar 2005, das Berufsausbildungsverhältnis ohne weitere praktische Berufsausbildung bis zum nächstmöglichen Prüfungstermin fortzusetzen, nach § 18 Berufsbildungsgesetz nicht rechtswirksam. Denn mit ihr wurde zuungunsten des Antragstellers von § 6 Abs. 1 Berufsbildungsgesetz abgewichen, wonach der Ausbildende dafür zu sorgen hat, dass dem Auszubildenden die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden. Bei der Ausbildungspflicht, die u. a. die Vermittlung des Prüfungsstoffs für die Abschlussprüfung betrifft, handelt es sich um die Hauptpflicht des Ausbildenden im Berufsausbildungsverhältnis (vgl. Braun/Mühlhausen/Munk/Stück, Berufsbildungsgesetz, § 6 Rdn. 3, 12). Die Nichtigkeit erfasst dabei die gesamte Vereinbarung, also auch die über die Reduzierung der Ausbildungsvergütung.

Dennoch bestand auf der Grundlage des weiter wirksamen Ausbildungsvertrages kein Anspruch auf die höhere Ausbildungsvergütung, weil sich der Antragsteller ausweislich der Vereinbarung vom 21. Februar 2005 nicht mehr für die praktische Berufsausbildung bereitgehalten hat und der Antragsgegnerin nicht mehr die Erfüllung seiner gesetzlichen und vertraglichen Pflicht zur Teilnahme an der praktischen Berufsausbildung angeboten hat.

Ein Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht grundsätzlich nur, wenn der Auszubildende an der praktischen Berufsausbildung teilnimmt. Denn der Ausbildungsvergütung kommt Entgeltcharakter für die mit der praktischen Ausbildung geleistete Arbeit zu (vgl. Braun/Mühlhausen/Munk/Stück, a.a.O., § 10 Rdn. 3). Unter § 12 Berufsbildungsgesetz hat der Gesetzgeber darüber hinaus bestimmt, dass in besonderen Fällen der Vergütungsanspruch besteht, obwohl die praktische Berufsausbildung nicht stattfindet. Dazu gehören neben der Freistellung für den Besuch des Berufsschulunterrichts (§ 7 Berufsbildungsgesetz) auch Fälle, in denen die Ausbildung ausfällt, der Auszubildende sich aber für die Berufsausbildung bereithält (§ 12 Abs. 1 Ziffer 2 a Berufsbildungsgesetz) oder der Auszubildende aus einem in seiner Person liegenden Grund unverschuldet verhindert ist, seine Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis zu erfüllen, z. B. bei Krankheit (§ 12 Abs. 1 Ziffer 2 b Berufsbildungsgesetz). Ein solcher Fall lag nicht vor. Ein Vergütungsanspruch aus Annahmeverzug setzt gleichfalls voraus, dass der Auszubildende die Erfüllung seiner Pflicht zur Teilnahme an der praktischen Berufsausbildung (vergebens) im Klagezeitraum tatsächlich angeboten hat (§ 294 BGB) und dabei auch tatsächlich ausbildungsbereit war. Dies war nach Abschluss der Vereinbarung vom 21. Februar 2005 nicht der Fall.

3. Der Antragsteller hat auch nicht schlüssig dargetan, dass er einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Erstattung des von ihm als freiwilligem Versicherten geleisteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrags in Höhe von EUR 106,15 hat.

Da die Ausbildungsvergütung Entgelt im Sinne des Sozialversicherungsrechts (§ 14 SGB IV) ist, ist der Auszubildende gesetzlich sozialversichert. Beitragspflicht und Beitraghöhe sowie die anteilige Belastung von Ausbilder und Auszubildendem bestimmen sich allein nach den gesetzlichen Vorschriften (vgl. dazu: Braun/Mühlhausen/Munk/Stück, a.a.O., § 10 Rdn. 41).

4. Schließlich fehlt es auch an einem schlüssigen Vorbringen, soweit es um die Erstattung von Prüfungskosten in Höhe von EUR 150,37 geht.

Nach §§ 34 Abs. 3 Berufsbildungsgesetz, 31 Abs. 4 Handwerksordnung ist die Prüfung für den Auszubildenden, der stets berechtigt ist, sich zur Abschlussprüfung selbst anzumelden (vgl. Braun/Mühlhausen/Munk/Stück, a.a.O., § 34 Rdn. 24), gebührenfrei. Dies gilt auch, wenn der Auszubildende die Abschlussprüfung gemäß §§ 34 Abs. 1 S. 2 Berufsbildungsgesetz, 31 Abs. 1 S. 2 Handwerksordnung wiederholt (vgl. Leinemann/Taubert, Berufsbildungsgesetz, § 34 Rdn. 32; Braun/Mühlhausen/Munk/Stück, a. a. O., § 34 Rdn. 23). Umstritten ist, ob diese Gebührenfreiheit auch gilt, wenn die Prüfung erst nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses stattfindet (für Gebührenfreiheit: vgl. Wohlgemuth, Berufsbildungsgesetz, 2. Aufl., § 34 Rdn. 12; a. A. Leinemann/Taubert, a.a.O., § 34 Rdn. 33, Braun/Mühlhausen/Munk/Stück, a.a.O., § 34 Rdn. 24). Als der Antragsteller die Abschlussprüfung ablegte, befand er sich noch in dem nach § 14 Abs. 3 Berufsbildungsgesetz verlängerten Ausbildungsverhältnis. Von einem Fortbestand des Ausbildungsverhältnisses, wenn auch ohne praktische Ausbildung und mit einer verringerten Ausbildungsvergütung, sind der Antragsteller und die Antragsgegnerin im Übrigen selbst bei Abschluss der mündlichen Vereinbarung vom 21. Februar 2005 ausgegangen. Die darin festgelegten Regelungen sollten bis zur "nächsten Prüfung" gelten.

Danach ist nicht ersichtlich, inwiefern die Antragsgegnerin verpflichtet sein soll, Prüfungsgebühren zu zahlen.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.



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