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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 30.01.2008
Aktenzeichen: 9 Ta 24/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 117
ZPO § 329 Abs. 2 S. 2
1. Erinnert der Antragsteller das Gericht daran, über sein PKH-Gesuch zu entscheiden, so entspricht es nicht dem Gebot der prozessualen Fairness, eine sofortige Entscheidung ohne Angaben von Gründen zu verweigern und sodann erst nach Instanzende auf einen nicht mehr behebbaren Mangel des Gesuchs hinzuweisen, der zur Zurückweisung des Gesuchs führen muss.

2. Eine Aufforderung, die formgerechnete Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 Abs. 2, 3 ZPO) binnen einer bestimmten Frist einzureichen, ist förmlich zuzustellen.


Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 7. Dezember 2007 - 10 Ca 2455/07 - aufgehoben.

2. Das Prozesskostenhilfegesuch wird zur erneuten Entscheidung an das Arbeitsgericht Köln zurückverwiesen.

Gründe:

I. Die Klägerin hat mit der am 29. August 2003 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klageschrift Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Zahlungsklage beantragt.

Im Hauptsacheverfahren haben ein Gütetermin am 7. Oktober 2003 und ein Kammertermin am 8. August 2007 stattgefunden. In dem Kammertermin am 8. August 2007 haben die Parteien einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, wobei sich die Beklagte einen Widerruf des Vergleichs bis zum 17. August 2007 vorbehielt. Sie hat den Vergleich nicht widerrufen.

Nachdem die Klägerin am 6. November 2007 an die Bescheidung des Prozesskostenhilfeantrags erinnert hatte, hat der damals zuständige Richter ihren Prozessbevollmächtigten aufgefordert, bis zum 24. Oktober 2007 (berichtigt: 24. November 2007, Samstag) die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzureichen. Diese Erklärung ist am 27. November 2007 (Dienstag) beim Arbeitsgericht Köln eingegangen.

Mit Beschluss vom 7. Dezember 2007 hat der zuständige Richter den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen mit der Begründung, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sei mehr als drei Monate nach Beendigung des Verfahrens eingereicht worden.

Gegen den am 10. Dezember 2007 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 19. Dezember 2007 sofortige Beschwerde mit der Begründung eingelegt, ihr Prozessbevollmächtigter habe im Kammertermin am 8. August 2007 ausdrücklich auf das Prozesskostenhilfegesuch hingewiesen. Das Gericht habe nur erklärt, es wolle nicht über das Prozesskostenhilfegesuch entscheiden, ohne auf die fehlende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hinzuweisen.

Der Richter beim Arbeitsgericht Köln hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen mit der Begründung, das Beschwerdevorbringen rechtfertige keine Abänderung.

II. Die nach § 127 Abs. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Unrecht das Prozesskostenhilfegesuch mit der Begründung zurückgewiesen, die Klägerin habe erst nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse samt Belegen eingereicht.

1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass eine nachträgliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich nur in Frage kommen kann, wenn bereits vor Abschluss der Instanz ein vollständiges Prozesskostenhilfegesuch bei Gericht eingegangen. Dazu gehört neben dem Antrag auch die ordnungsgemäß ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 Abs. 3 und 4 ZPO). Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Instanzende ist aber zum einen möglich, wenn das Gericht zuvor über den Antrag hätte positiv entscheiden können. Zum anderen kann eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch nachträglich erfolgen, wenn der Antrag vor Instanzende mit unvollständigen Angaben und Unterlagen eingereicht worden ist, das Gericht aber eine Frist zur Nachreichung von fehlenden Unterlagen und Belegen zu dem Prozesskostenhilfegesuch gesetzt hat. Eine nach dem Ende der Instanz ablaufende Nachfrist muss allerdings eingehalten werden, anders als eine vor dem Ende der Instanz ablaufende Nachfrist (vgl. BAG, Beschluss vom 3. Dezember 2003 - 2 AZB 19/03 -).

2. Diese Verfahrensweise setzt allerdings voraus, dass das Arbeitsgericht seinerseits das Prozesskostenhilfegesuch ordnungsgemäß behandelt hat. Nach Eingang des Gesuchs darf das Gericht nicht bis zum Instanzende zuwarten und dann den Antrag wegen Unvollständigkeit des Gesuchs und/oder der Unterlagen zurückweisen. Vielmehr hat es den Antragsteller rechtzeitig unter Fristsetzung auf Mängel des Gesuchs hinzuweisen (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 18. März 2003 - 4 Ta 446/02 -). Dies muss erst recht gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Antragsteller vor Instanzende ausdrücklich das Gericht daran erinnert hat, über das PKH-Gesuch zu entscheiden. Es entspricht nicht dem Gebot der prozessualen Fairness, in einem solchen Fall eine sofortige Entscheidung ohne Angabe von Gründen zu verweigern und sodann erst nach Instanzende auf einen nicht mehr behebbaren Mangel des Gesuchs hinzuweisen. Hätte das Gericht in der Kammerverhandlung am 8. August 2007 das Prozesskostenhilfegesuch unter Hinweis auf die fehlende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zurückgewiesen, so hätte der Kläger noch bis zum Ablauf der Frist für den Widerruf des Vergleichs am 17. August 2007 und damit vor Instanzende diese Erklärung samt Belegen einreichen und sofortige Beschwerde gegen den das PKH-Gesuch zurückweisenden Beschluss einlegen können.

3. Es kommt hinzu, dass das Arbeitsgericht noch nach Instanzende dem Kläger eine Frist zur Einreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gesetzt hat. In einem solchen Fall ist unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes das Gericht insoweit gebunden, als es bei fristgerechter Erfüllung der Auflage die Erklärung nicht mehr als verspätet behandeln darf (vgl. dazu: LAG Niedersachsen MDR 1993, S. 91; Zöller-Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 117 Rdn. 2 b).

4. Zwar hat der Kläger die ihm mitgeteilte Frist nicht eingehalten, da die Erklärung erst nach dem 26. November 2007 (Montag) beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist. Jedoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine wirksame Fristsetzung erfolgt ist. Nach § 329 Abs. 2 S. 2 ZPO sind nicht verkündete richterliche Verfügungen, die eine Frist in Lauf setzen, förmlich zuzustellen (vgl. dazu. Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 329 Rdn. 47). Eine förmliche Zustellung ist aber nicht erfolgt. Es kann daher dahinstehen, ob nicht noch weitere Mängel vorliegen (bloße Paraphe des Richters unter dessen handschriftlich gefertigte Verfügung, dazu: Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 329 Rdn. 47, fehlende Unterschrift hinsichtlich der Abänderung der zunächst falsch bezeichneten Frist (24.11.07 statt 24.10.07) und fehlende Wiedergabe des Namens des die Verfügung erlassenden Richters in der übersandten Abschrift (siehe Leseabschrift, Bl. 2 PKH-Beiheft), vgl. dazu: Zöller-Stöber, a.a.O., § 189 Rdn. 12: Ausschluss einer Heilung von Zustellungsmängeln nach § 189 ZPO).

Nach alledem hat das Arbeitsgericht zu Unrecht das Prozesskostenhilfegesuch wegen verspäteter Abgabe der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zurückgewiesen.

Das Arbeitsgericht wird nunmehr zu entscheiden haben, ob die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und die Klägerin bedürftig ist.

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein gesetzlicher Grund.

Ende der Entscheidung

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