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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 14.07.2005
Aktenzeichen: 4 Sa 114/05
Rechtsgebiete: HGB, ArbGG, VVG


Vorschriften:

HGB § 84
HGB § 84 Abs. 1
HGB § 84 Abs. 1 Satz 2
HGB § 86 Abs. 1
HGB § 86 Abs. 2
HGB § 86a
HGB § 86a Abs. 1
HGB § 92 Abs. 1
ArbGG § 2
ArbGG § 7 Abs. 4
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 72 Abs. 2
ArbGG § 72 a
VVG § 43
Zum (hier abgelehnten) Arbeitnehmerstatus eines Versicherungsvertreters und Inhabers einer Generalagentur zur Vermittlung von Versicherungen mit Ausschließlichkeitsstatus.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 Sa 114/05

Verkündet am: 14. Juli 2005

In dem Rechtsstreit

hat die Vierte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Burger sowie die ehrenamtlichen Richter Löchel und Hirschmann für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 4. November 2004 - 9 Ca 1975/03 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger macht unter Berufung auf seinen behaupteten, streitigen, Arbeitnehmerstatus die fehlende soziale Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung der Beklagten geltend.

Der am 0.0.1953 geborene Kläger war seit 01.01.1983 für die Beklagte tätig, im Zeitraum vom 01.10.1983 bis 30.06.1985 zunächst im Rahmen eines "Ausbildungsvertrages" zur Durchführung einer Fachausbildung als Inspektor für den Versicherungsaußendienst im Rahmen der Berufsförderung für Soldaten auf Zeit (Bl. 96 -98 d. A.) und sodann als Angestellter im Versicherungsaußendienst gemäß Arbeitsvertrag vom 27.06.1985 Bl. (79 - 93 d. A.), nach dem das zu zahlende Bruttogrundgehalt und der monatliche Spesenzuschuss in vollem Umfang mit den Provisionsansprüchen des Klägers verrechenbar waren. Mit Wirkung vom 01.04.1993 schlossen die Parteien einen Handelsvertretervertrag im Sinne des § 84 HGB (Bl. 33 - 35 d.A.), nach dem der Kläger nunmehr als selbstständiger Gewerbetreibender und Handelsvertreter mit anderen Provisionsbedingungen für die Beklagte tätig war. Der Kläger erzielte nach seinem Vorbringen zuletzt Einnahmen in Höhe von 2.960,71 € brutto/Monat.

Der Kläger hatte seit 1993 den Status eines Generalvertreters der Beklagten. Nach seinem Vorbringen zuletzt hatte er während der Zeit seiner Tätigkeit als Arbeitnehmer der Beklagten bis 1993 ein Büro in seinem Privathaus im Keller eingerichtet gehabt, wobei er über ein eigenes Büro etwa in der Direktion der Beklagten in R., die für ihn zuständig war, nicht verfügt habe. In zeitlichem Zusammenhang mit der Umwandlung seines Vertrages habe er zum 01.07.1993 auf deren Veranlassung ein eigenes Büro im Ort S., innerhalb seines örtlichen Zuständigkeitsbereiches, angemietet und eröffnet, dessen Kosten er aufgebracht habe, und einen Gewerbeschein beantragt und erhalten. Er erhielt auch für die Vertragsabschlüsse der in seinem Büro tätigen weiteren Personen jeweils Differenzprovision in Höhe der Differenz der an diese geflossenen Provisionen und der dem Kläger als Generalagenten zustehenden Provision.

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 23.04.2003, dem Kläger zugegangen am 25.04.2003, den mit ihm geschlossenen "hauptberuflichen Handelsvertretervertrag nebst allen Anlagen und Nachträgen" fristgerecht zum 31.10.2003 - mit der vorliegenden Klage macht der Kläger die Rechtsunwirksamkeit dieser Kündigung unter Berufung auf seinen tatsächlich bestehenden Arbeitnehmerstatus geltend.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der Anträge der Parteien im Ersten Rechtszug wird auf den ausführlichen Tatbestand des angefochtenen Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 04.11.2004, das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 28.12.2004 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses die Klage nach Beweisaufnahme insbesondere durch Einvernahme von fünf Zeugen mit der Begründung abgewiesen hat, dass die Klage zwar zulässig sei - da, nachdem von der behaupteten Arbeitnehmereigenschaft des Klägers sowohl die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts als auch der Erfolg der Klage in der Sache abhingen, insoweit allein vom tatsächlichen Vorbringen des Klägers auszugehen sei -, sie jedoch unbegründet sei, weil seit dem Zeitpunkt der Umgestaltung des Vertragsverhältnisses nach dem maßgeblichen tatsächlichen Geschäftsinhalt kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden habe. Weder hätten Vorgaben hinsichtlich Anfangs und Endes der Arbeitszeit - nach den Aussagen mehrerer Zeugen habe die Beklagte dem Kläger lediglich entsprechende Empfehlungen zu Terminsvereinbarungen gegeben - noch eines, vom Kläger überdies unschlüssig behaupteten, Abschlusses einer gewissen Zahl von Verträgen wöchentlich bestanden; auch habe der Kläger seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten können, wobei es mit dem Selbstständigenstatus des Handelsvertreters vereinbar sei, dass er einem fachlichen Weisungsrecht unterlegen sei. Auch die Organisationsrichtlinien der Beklagten enthielten keine über das auch im Rahmen eines Handelsvertretervertrags Zulässige hinausgehenden Weisungen. Die Zuweisung eines bestimmten Außendienstbezirks oder bestimmten Kundenkreises sei mit dem Status des selbstständigen Handelsvertreters vereinbar. Auch die vom Kläger nach den Organisationsrichtlinien bekannt zu gebende Arbeitsunfähigkeit hinsichtlich deren Beginns und deren Dauer sowie die Anzeige seiner Urlaubsplanung hätten seine Freiheit zur eigenständigen Festlegung der Urlaubszeiten und zur Gestaltung seiner Arbeitszeit nicht in entscheidender Weise beeinträchtigt. Die vom Kläger hervorgehobene Verpflichtung zur Verwendung des Arbeitsmaterials, der Software usw. der Beklagten habe keinen Einfluss auf seinen Rechtsstatus gehabt. Auch habe der Kläger die von ihm behauptete Pflicht zur Teilnahme an den regelmäßigen Besprechungen nicht nachweisen können, wobei eine Produktschulung auch für selbstständige Handelsvertreter durchaus üblich erscheine. Die von ihm behauptete Führung von Personalakten habe vom Kläger nicht unter Beweis gestellt werden können.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers mit Schriftsatz vom 27.01.2005, am selben Tag beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, zu deren Begründung er innerhalb der auf seinen Antrag verlängerten Frist vorgetragen hat, dass das Arbeitsgericht zum einen prozessuales Recht dadurch verletzt habe, dass es zu Unrecht die zum Beweis seines Vorbringens hinsichtlich seiner Weisungsgebundenheit und fehlenden Möglichkeit zur freien Gestaltung seiner Tätigkeit (Arbeitszeit, Sanktionen bei Nichteinhaltung von Weisungen und Anordnungen usw.) weiter benannten Zeugen nicht einvernommen habe. Zum anderen habe das Arbeitsgericht materielles Recht verletzt, als es nach dem vorliegenden Vortrag und dem Ergebnis der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme das Bestehen eines Arbeitnehmerstatus des Klägers verneint habe - dieser habe, wie erstinstanzlich vorgetragen, sowohl vor der Vertragsumgestaltung zum 01.04.1993 wie danach dieselbe Tätigkeit ausgeführt, wobei zu berücksichtigen sei, dass der Handelsvertretervertrag 1993 unter Druck zu Stande gekommen sei, als dem Kläger offenbart worden sei, dass ihm ansonsten in seinem Tätigkeitsgebiet andere Mitarbeiter - mit der Folge erheblicher wirtschaftlicher Verluste - vorgesetzt würden, wenn er der entsprechenden Vertragsänderung nicht zustimmen würde. Vor diesem Hintergrund sei es nicht entscheidungserheblich, dass auch nach dem Arbeitsvertrag, der bis 1993 bestanden hatte, Prüfungs-, Organisations- und Schulungsaufgaben vorgesehen gewesen seien, die nach dem Handelsvertretervertrag 1993 vom Kläger nicht mehr durchzuführen gewesen seien. Weiter sei zu berücksichtigen, dass der Kläger Ausschließlichkeitsvertreter der Beklagten gewesen sei und ihm vom zuständigen Regionaldirektor und erstinstanzlich vernommenen Zeugen F. entsprechende Zielvorgaben vorgegeben worden seien, ebenso, dass er verpflichtet gewesen sei, seine Computer-Hardware über eine von der Beklagten vorgeschriebene Leasing-Gesellschaft zu leasen und über ihn in B. eine Personalakte geführt worden sei usw.. Die erstinstanzliche Aussage des Zeugen F. sei auf Grund dessen Stellung und offensichtlich vorliegender erheblicher Abneigung gegen den Kläger mit Vorsicht zu bewerten. Deshalb liege tatsächlich eine Umgehung des Kündigungsschutzes vor.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 04.11.04, AZ: 9 Ca 1975/03, wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten durch die Kündigung der Beklagten vom 23.04.03 zum 31.10.03 nicht aufgelöst worden ist.

3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten über den 31.10.03 hinaus ungekündigt fortbesteht.

Die Beklagte trägt zur Begründung ihres Antrags auf Zurückweisung der Berufung vor, dass die erstinstanzlich nicht vernommenen, vom Kläger erneut - wie bereits im Klageschriftsatz - benannten, Zeugen G. und F. bis Ende 1994 bzw. bis 1984 im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten beschäftigt gewesen und seitdem ebenfalls als Generalagenten für diese tätig seien, weshalb nicht erkennbar sei, was diese - und andere - Zeugen zum streitgegenständlichen Thema aussagen könnten und sollten. Das Arbeitsgericht habe nach Vernehmung eines Teils der benannten Zeugen, die das Gericht für glaubwürdig gehalten habe, die Auffassung gewonnen, dass insbesondere Weisungen zur Arbeitszeit des Klägers seitens der Beklagten nicht erteilt worden seien. Weiteren Beweisantritten des Klägers fehle es nach wie vor durchgängig an der Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsachen; die Angaben des Klägers stellten wesentlich Anträge auf Ausforschungsbeweis dar. Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne materiellrechtlich aus der Tatsache, dass der Unternehmer neben Handelsvertretern auch Arbeitnehmer mit gleicher Aufgabenstellung einsetze, keine Folgerung hinsichtlich der Rechtsnatur des für den Unternehmer Tätigen gezogen werden. Der Handelsvertretervertrag 1993 sei nicht unter Druck, Drohung oder Zwang zu Stande gekommen, wie der erstinstanzlich vernommene Zeuge F. bestätigt habe. Auch die Tatsache, dass der Kläger als sog. Ausschließlichkeitsvertreter für die Beklagte tätig gewesen sei, stehe als Wettbewerbsverbot seiner Selbstständigkeit als Versicherungsvertreters nicht entgegen. Die Bereitstellung von Arbeitsmaterial entspreche den Vorschriften des Handelsvertreterrechts in § 86a HGB. Die Online-Anbindung des Klägers sei freiwillig gewesen - dieser hätte die Daten und Informationen auch auf dem Papierweg erhalten können, falls er dies gewollt hätte. Die Führung förmlicher Personalakten in B. hinsichtlich des Handelsvertretervertrages sei durch die erstinstanzliche Beweisaufnahme nicht bestätigt worden.

Der Kläger könne sich damit mangels Arbeitnehmerstatus hinsichtlich der erfolgten ordentlichen Kündigung nicht auf das Kündigungsschutzgesetz berufen.

Wegen des Sachvortrags der Parteien im Zweiten Rechtszug im Übrigen wird Bezug genommen auf die Schriftsätze vom 31.03.2005 und vom 18.05.2005 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 16.06.2005.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zunächst Bezug genommen wird (§ 69 Abs. 2 ArbGG), die Feststellungsklage(n) bereits deshalb abgewiesen, weil der Kläger mangels Arbeitnehmerstatus sich nicht auf das Kündigungsschutzgesetz berufen kann und die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.04.2003 damit nicht anfechtbar war.

1. a) Der, auch zweitinstanzlich erneut gestellte, Feststellungsantrag des Klägers unter Zf. 3. der Anträge ("..., dass das Arbeitsverhältnis ... über den 31.10.03 hinaus ungekündigt fortbesteht") ist, sofern es sich hierbei - was der Kläger nicht näher begründet - überhaupt um eine im Wege kumulativer Klagehäufung (§ 260 ZPO) weitergehend erhobene allgemeine Feststellungsklage handeln sollte, insoweit bereits unzulässig, da ein hierfür erforderliches entsprechendes umfassendes Feststellungsinteresse (§ 256 Abs.1 ZPO) vom Kläger unverändert nicht vorgetragen ist.

b) Das Arbeitsgericht ist im Ergebnis zu Recht auch vom Vorliegen eines sog. sic-non-Falles im Sinne der Rechtsprechung des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts ausgegangen, da bei dem gestellten punktuellen Antrag gemäß Zf. 2. der Anträge ("..., dass das Arbeitsverhältnis ... durch die Kündigung der Beklagten vom 23.04.03 ... nicht aufgelöst worden ist") Streitgegenstand der Klage nicht nur die Frage ist, ob das Vertragsverhältnis der Parteien durch diese Kündigung beendet worden ist, sondern auch, ob dieses Vertragsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist, da der Kläger sich nur in letzterem Fall, wie geschehen, auf das Kündigungsschutzgesetz berufen kann. Damit setzt die hierzu beantragte Feststellung voraus, dass im Zeitpunkt der Kündigung zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis im eigentlichen Sinn bestanden hat, weshalb bei dieser Antragstellung der Klageerfolg von den Tatsachen abhängt, die zugleich für die Bestimmung des Rechtswegs entscheidend sind, so dass wegen deren Doppelrelevanz die Gerichte für Arbeitssachen zur Entscheidung über einen Antrag, wie ihn der Kläger gestellt hat, zuständig sind (BAG, ständ. Rspr., vgl. zuletzt etwa U. v. 20.09.2000, B. v. 19.12.2000 und B. v. 17.01.2001, AP Nrn. 8, 9 und 10 zu § 2 ArbGG 1979 Zuständigkeitsprüfung, jeweils m. w. N.).

2. Der Kläger war sowohl nach den Vereinbarungen im Handelsvertretervertrag vom 11.03.1993 als auch nach dessen letztlich maßgeblicher praktischer Durchführung selbstständiger Handelsvertreter (Versicherungsvertreter) der Beklagten im Sinne der §§ 84 Abs. 1, 92 Abs. 1 HGB.

a) aa) Nach § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ist selbstständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

Im Bereich der Vermittlung von Geschäften und Versicherungen für Dritte stellt das Gesetz hinsichtlich der Abgrenzung zum unselbstständigen Angestellten allein auf diese beiden Merkmale ab. Eines Rückgriffs auf weitere Grundsätze zur Abgrenzung des Arbeitsverhältnisses vom Rechtsverhältnis etwa eines Freien Mitarbeiters bedarf es deshalb nicht.

Auch im Rahmen von § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB sind dabei alle Umstände des Falles in Betracht zuziehen und schließlich in ihrer Gesamtheit zu würdigen, wobei sich die heranzuziehenden Anknüpfungsmerkmale diesen gesetzlichen Unterscheidungsmerkmalen zuordnen lassen müssen.

Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Widersprechen sich Vereinbarungen und tatsächliche Durchführung, so ist letztere maßgebend, wobei es auf eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles ankommt (BAG, ständ. Rspr., vgl. zuletzt etwa die schriftsätzlich bereits zitierten Ue. v. 15.12.1999, AP Nr. 9 und 12 zu § 84 HGB, jeweils m. w. N.; ebenso U. v. 15.12.1999 - 5 AZR 770/98 - NZA 2000, S. 481 f; U. v. 15.12.1999 - 5 AZR 3/99 -, BB 2000, S. 1469 f; U. v. 20.09.2000, AP Nr. 8 zu § 2 ArbGG 1979 Zuständigkeitsprüfung; U. v. 20.08.2003, NZA 2004, S. 39 f; siehe auch LAG Nürnberg, U. v. 26.01.1999, etwa in AuR 1999, S. 160 f).

bb) Die Regelung in § 7 Abs. 4 SGB IV aF, auf die der Kläger sich bezieht, war hierbei unerheblich.

Förmlich stand dem bereits die ausdrückliche Bereichsausnahme für Handelsvertreter entgegen, wie die Beklagte in beiden Instanzen zu Recht eingewandt hat. Unabhängig von der, hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit verfassungsrechtlich angezweifelt gewesenen, Bereichsausnahme ist für die Anwendung des § 7 Abs. 4 SGB IV aF hier schon deshalb kein Raum, da die in dieser Vorschrift vorgesehen gewesenen Voraussetzungen, unter denen der Beschäftigungsstatus der betreffenden Person vermutet wird, dann ohne Bedeutung sind, wenn die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Parteien aus ihrem Rechtsverhältnis dem Rechtsanwender bereits bekannt sind, etwa auf Grund von Urkunden, unstreitigem Vorbringen, einer Beweisaufnahme oder amtlichen Ermittlungen. Dann waren diese Rechte und Pflichten ohne Rücksicht auf die bloßen Beweisanzeichen in § 7 Abs. 4 SGB IV aF rechtlich zu würdigen, weshalb in diesem Fall für eine tatsächliche Vermutung kein Raum ist. Letzteres ist hier der Fall, weshalb nicht entschieden zu werden braucht, ob diese Vorschrift im Arbeitsrecht und Arbeitsgerichtsprozess überhaupt Anwendung finden konnte (ständ. Rechtsprechung des BAG).

cc) Unmaßgeblich ist, dass der Kläger im Handelsvertretervertrag vom 11.03.1993 ausdrücklich als solcher und als Vermittlungsagent gemäß § 43 VVG sowie als selbstständiger Gewerbetreibender bezeichnet und er darauf hingewiesen worden war, dass er die vertraglichen Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu führen habe usw.. Für die materielle Rechtslage kommt es nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf die Bezeichnung, die die Parteien ihrem Vertragsverhältnis gegeben haben, nicht entscheidend an. Die Vertragsfreiheit besteht darin, beliebige gegenseitige Rechte und Pflichten begründen zu können, bedeutet aber nicht, in dieser Weise autonom begründete Rechtsbeziehungen beliebig einem bestimmten gesetzlich vorgegebenen Vertragstypus zuordnen zu können. Die Frage, wie die von den Vertragsparteien getroffenen Abreden rechtlich zu qualifizieren sind, entzieht sich deren Belieben. Die Zuordnung hat nach objektiv-rechtlichen Kriterien zu erfolgen, weshalb, wie ausgeführt, der wirkliche Geschäftsinhalt, der sich aus den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und aus deren tatsächlicher Durchführung ergibt, maßgeblich ist. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, so ist letztere maßgebend (BAG aaO).

b) Bei der sonach erforderlichen Gesamtwürdigung des Inhalts des Vertrages vom 11.03.1993 sowie insbesondere der tatsächlichen Umstände dessen Durchführung, des gelebten Vertrages, ist nicht entscheidend, ob dieser ursprünglich bei Vertragsabschluss, über zehn Jahre vor dessen Beendigung durch die streitgegenständliche Kündigung, unter - wie der Kläger auch in der Berufung akzentuiert - "Druck", auch im Hinblick auf sonst drohende wirtschaftliche Nachteile des Klägers o. ä., zu Stande gekommen gewesen wäre. Wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, war der Vertrag vom 11.03.1993 vom Kläger nicht etwa, innerhalb der vorgesehenen Fristen, angefochten worden. Eine ursprüngliche Intention der als solcher erfolgten Vertragsnovation ist für die objektive Einordnung der Vertragsdurchführung somit nicht von maßgeblicher - allenfalls peripher indizieller - Bedeutung.

3. Ausgehend von den obigen Grundsätzen hat das Arbeitsgericht zu Recht einen Status des Klägers als Arbeitnehmers verneint.

a) Der Kläger war seit dem Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages vom 11.03.1993 nach seinem eigenen Vorbringen Inhaber einer "Generalagentur" der Beklagten mit eigenen Büroräumen, die er, anders als zuvor während seines Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten bis zum 31.03.1993, auf eigene Rechnung, ohne Kostenbeteiligung der Beklagten, an einem anderen Ort (S.) als seinem Wohnsitz innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs angemietet hatte.

Unabhängig davon, ob die Bezeichnung seiner Agentur als "Generalagentur" (lediglich) auf den quantitativen Umfang seines Versicherungsbestandes zurückzuführen war, wie der Kläger zuletzt behauptet hat, oder auf die Möglichkeit der Beschäftigung von Untervertretern - so die Beklagte zuletzt (siehe Abschnitt D (Allgemeine Bestimmung) Ziff. 9. des Vertrages vom 11.03.1993) - , bestand damit keine örtliche Bindung des Klägers an von dieser vorgegebene Räumlichkeiten (Büroräume) der Beklagten und etwa deren organisatorische Infrastruktur - der Kläger trat nach Außen als selbstständiger Versicherungsagent der Beklagten, als Inhaber einer eigenen Agentur/eines eigenen Betriebes, zumal in der herausgehobenen Form einer "General"Agentur, auf und unterlag damit keinen örtlichen Bindungen und Weisungen hinsichtlich der Einbeziehung in eine vorgegebene Betriebsorganisation der Beklagten.

Unmaßgeblich ist insoweit, dass der Kläger, wie er hervorhebt, bereits während der Zeit seiner Beschäftigung als Arbeitnehmer der Beklagten über kein eigenes Büro in den Räumen etwa deren Bezirksdirektion in R., der er zugeordnet war, verfügt habe, sondern ebenfalls nur ein eigenes Büro in seinem Privathaus eingerichtet gehabt habe. Für die rechtliche Beurteilung und Einordnung des aktuellen Vertragsverhältnisses ist nicht die - aus Sicht des Klägers nicht unvergleichbare - Entwicklung der örtlichen (Büro)Situation von Bedeutung, sondern die Tatsache, dass er über eine eigenständige, auf eigene Rechnung angemietete, Büroinfrastruktur verfügte und insoweit weitgehend autonom auftrat und (potentiellen) Versicherungskunden etc. im Geschäftsverkehr gegenübertrat.

b) Der Kläger hatte, wiederum nach seinem eigenen Vorbringen, mit Aufnahme seiner Tätigkeit gemäß Vertrag vom 11.03.1993 einen eigenen Gewerbeschein beantragt und erhalten, was wiederum indiziell seine Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zunächst im formellen Sinne zum Ausdruck brachte.

c) aa) Der Kläger hat das Vorbringen der Beklagten nicht widerlegt, dass er mit der Vertragsänderung 1993 deutlich höhere Vergütungssätze sowohl hinsichtlich Abschlussprovisionen als auch Bestandspflegeprovisionen zu beanspruchen und erhalten hatte - jedenfalls teilweise ersichtlich aus den unterschiedlichen Provisionsregelungen des vorgelegten Vertrages vom 11.03.1993 und des Arbeitsvertrages vom 11.07.1985 - als diejenigen, die ihm während der Zeit seiner Tätigkeit als Arbeitnehmer der Beklagten zustanden - zumal nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages vom 11.07.1985 (Ziff. 4.2 Abs. 3 der Anl. Nr. 1 hierzu) die dortigen Provisionsansprüche in vollem Umfang mit den Ansprüchen auf die dort geregelte Grundvergütung und die Spesen verrechenbar waren (auch diese somit allererst verdient werden mussten).

bb) Weiter erhielt der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren zusätzlich Differenzprovisionen für die Vertragsabschlüsse der in seinem eigenen (Generalagentur)Büro tätigen weiteren Personen - wenngleich diese dort nicht auf Grund vertraglicher Beziehung zum Kläger unmittelbar tätig/eingesetzt gewesen seien - in Höhe der Differenz zwischen der diesen Personen und den ihm selbst als Generalagenten zustehenden höheren Provisionen.

cc) Der Kläger hat auch den Vortrag der Beklagten nicht widerlegt, dass er auf Grund seines Rechtsstatus auf Grund Vertrages vom 11.03.1993 Anspruch auf ein höheres und auch während einer längeren Arbeitsunfähigkeit, über sechs Wochen hinaus, zu zahlendes Bestandspflegegeld gehabt habe, anders als noch als Arbeitnehmer der Beklagten.

Ob diese im Ergebnis nicht unwesentlich höheren finanziellen Leistungen der Beklagten auf Grund des von ihr als Handelsvertretervertrag bezeichneten Vertrages vom 11.03.1993 im Gesamtpaket etwa als geeignet anzusehen gewesen wären, den gegenüber dem Arbeitsverhältnis fehlenden sozialen Schutz (Kündigungsschutz, Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall etc.) in vollem Umfang zu kompensieren, kann und muss im vorliegenden Zusammenhang der Würdigung des Rechtsstatus des Klägers insbesondere nach den tatsächlichen Umständen nicht entschieden werden - maßgeblich ist, dass die finanziellen Ansprüche des Klägers als Inhabers einer Generalagentur, auf Grund des Vertrags vom 11.03.1993, jedenfalls signifikant höher waren als diejenigen im vorangegangenen Arbeitsverhältnis mit der Beklagten.

d) Der Kläger konnte nach dem Vertrag vom 11.03.1993 Untervertreter auf eigene Rechnung beschäftigen - wobei er diese hiernach lediglich während der Dauer deren Beschäftigung, selbstverständlich, zu überwachen und auf ihre Zuverlässigkeit nach den versicherungsrechtlichen Bestimmungen zu überprüfen hatte (Abschnitt D Ziff. 9. dieses Vertrags). Ob der Kläger tatsächlich von dieser Möglichkeit Gebrauch machte und, auf welcher rechtlichen Basis seinerseits auch immer, weitere Personen selbst beschäftigte, ist insoweit irrelevant.

e) Der Kläger konnte seine Tätigkeit auch in zeitlicher Hinsicht "im Wesentlichen" (§ 84 Abs. 1 Satz 2 HGB) - was nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung ausschlaggebend ist - frei gestalten:

aa) Die vom Kläger hierzu benannten Zeugen F. und M. - letzterer nach seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung auf Veranlassung der Beklagten in seinem Generalagenturbüro in S. tätig - haben bei ihren Aussagen vor dem Arbeitsgericht, die dieses mit nachvollziehbaren Gründen als glaubhaft gewertet hat, dessen Vorbringen gerade nicht bestätigt, dass er Weisungen oder Vorgaben der Beklagten hinsichtlich seiner "Arbeitszeit" bzw. definitiv durchzuführender Kundenbesuche erhalten gehabt habe.

Die weiteren vom Kläger in der Berufung erneut und prononciert angezogenen Zeugen G. und F. sind wiederum nach dem eigenen Bekunden des Klägers selbst ebenfalls Inhaber von Generalagenturen der Beklagten in anderen Bezirken im Großraum R. - nach dem unwiderlegten Vorbringen der Beklagten in der Berufungsbeantwortung: seit 1984 (F.) bzw. seit 1995 (G.) - ; was diese Zeugen zur allein maßgeblichen tatsächlichen Situation des Klägers, in dessen Zuständigkeitsbereich/Büro in S. bzw. im nordwestlichen Landkreis R., aus eigener Wahrnehmung, bekunden können sollten, bleibt allerdings unerfindlich ...

bb) Im Übrigen gilt grundsätzlich, dass selbst dann, wenn das als solches streitige Vorbringen des Klägers hinsichtlich einer Vorgabe der Wahrnehmung täglicher Kundentermine um 16.00 Uhr, 17.00 Uhr, 18.00 Uhr und 20.00 Uhr als wahr unterstellt würde, hieraus keine die grundsätzliche Zeitsouveränität des Klägers, zumal in Richtung eines Arbeitsnehmerstatus, essentiell beeinträchtigende Einschränkung folgen würde: auch hiernach wäre der Kläger während der ganz überwiegenden Bürozeit seiner Generalagentur tagsüber frei gewesen, was Terminvereinbarungen, Kundenberatungszeiten usw. betraf. Selbst gewisse Vorgaben, (potentielle) Kunden in den späten Nachmittags-/frühen Arbeitsstunden aufzusuchen, zu Zeiten, zu denen berufstätige Versicherungskunden am ehesten persönlich erreichbar sind, ändert nichts daran, dass seine Zeiteinteilung auch sonach "im Wesentlichen" frei von Vorgaben gewesen wäre. Sich an den zeitlichen Möglichkeiten der Kunden zu orientieren, ist für den Versicherungsaußendienstbereich typisch und üblich - notwendig - , weshalb ein gewisser formeller oder informeller Druck auf den Kläger, spätnachmittags ff Termine wahrzunehmen, ihn nicht bereits allein deshalb in einer für den Arbeitnehmerstatus typischen Weise zeitlich einschränken würde (BAG, aaO).

Dass die Beklagte den Kläger wegen einer Nichtwahrnehmung von fest ritualisierten Beratungsgesprächen, deren Zeitpunkten und/oder Frequenz, sanktioniert hätte - wie dies bei Nichteinhaltung von Arbeitszeiten/unentschuldigtem Fehlen im Arbeitsverhältnis die regelmäßige Konsequenz (etwa im Wege der Abmahnung) ist -, behauptet auch der Kläger nicht - solches ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger erstinstanzlich vorgelegten Schriftverkehr mit der Bezirksdirektion der Beklagten in R., insoweit nicht einmal in einem etwa informellen/mittelbaren Sinn.

f) Auch ein gewisser Abschluss-/Umsatzdruck auf den Kläger, diesen selbst wiederum unterstellt, würde weder für sich betrachtet noch in Verbindung mit anderen Aspekten zu einem Arbeitnehmerstatus führen.

Der Vertrag vom 11.03.1993 enthält weder Umsatzvorgaben noch -erwartungen. Auch die Organisationsrichtlinien vom 03.01.1996 (Anl. K4, Bl. 124 f d. A.) sprechen lediglich davon, dass es "Zielstellung" sein "sollte", wöchentlich eine bestimmte Zahl von Lebensversicherungsanträgen (2) und sonstigen Anträgen (2 - 4) einzureichen.

Dass solche informellen Vorgaben - "Empfehlungen", "Erwartungen", wie es die Beklagte formuliert - und ein dadurch zweifellos veranlasster gewisser faktischer Abschluß-/Umsatzdruck auf den Kläger als Inhabers einer Generalagentur bereits derart weitgehende Vorgaben dargestellt haben sollten, dass ihm im Hinblick auf die notwendige Arbeitszeit kein erheblicher Spielraum mehr verblieben wäre (vgl. BAG, U. v. 15.12.1999, AP Nr. 12 zu § 84 HGB - II. 2. a) bb) der Gründe -; U. v. 26.05.1999, AP Nr. 104 zu § 611 BGB Abhängigkeit, m. w. N.), behauptet der Kläger nicht - weder ergibt sich dies wiederum aus der vorgelegten Korrespondenz mit der Bezirksdirektion der Beklagten noch liegen hierfür ein ausreichend konkreter Sachvortrag des Klägers oder Anhaltspunkte im Sachverhalt sonst vor. Auch hat der darlegungs- und beweispflichtige Kläger nicht behauptet - geschweige denn das entsprechende, bestreitende, Vorbringen der Beklagten widerlegt -, dass eine Nichteinhaltung der vorgetragenen, ihm vorgegebenen jährlichen Umsatzsteigerungen direkt oder indirekt sanktioniert worden wäre.

g) Die, als solche unstreitigen, Berichtspflichten des Klägers (wöchentliche Produktionsaufstellungen gemäß Ziff. 2. der Organisationsrichtlinien, deren Fehlen die Beklagte in der vorgelegten Korrespondenz mehrfach moniert hatte), halten sich im Rahmen der gesetzlich geregelten Berichtspflichten des § 86 Abs. 2 HGB, wonach auch Handelsvertreter typischerweise einer Tätigkeitskontrolle des Unternehmers unterworfen sind (BAG, u. a. U. v. 15.12.1999, AP Nr. 9 zu § 84 HGB - II. 2. b) der Gründe -).

h) Ein Zwang des Klägers zur Teilnahme an regelmäßigen - wöchentlichen - Schulungen ("Sonderschulungen zur Leistungssteigerung" am Montag bzw. am Donnerstagvormittag) bestand nicht:

Nach den Organisationsrichtlinien vom 03.01.1996 (dort Ziff. 6.) "sollte" "jeder Geschäftspartner ... grundsätzlich an jeder Schulung oder Besprechung" teilnehmen, bei "schriftlicher Einladung" der Direktion war "diese unbedingt wahrzunehmen", wobei im Falle von Krankheit oder Verhinderung aus sonstigen Gründen "eine persönliche Abmeldung" beim Bezirksdirektor und Zeugen F. als "unbedingt erforderlich" bezeichnet ist. Eine, zumal in irgendeiner Weise sanktionierte, generelle Teilnahmepflicht, außerhalb von - nicht vorgetragenen - Sonderfällen ausnahmsweise schriftlicher Einladung zu solchen Besprechungen, bestand hiernach nicht. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren wiederum selbst ausgeführt, dass er dann, wenn der Umsatz nicht den Erwartungen der Beklagten entsprochen gehabt habe, (lediglich) "zu Sonderschulungen (im Ergebnis: "Anschiss") zitiert" worden sei.

Nach Aussage des Zeugen M. vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger (auch insoweit) keine Anweisungen von der Beklagten erhalten. Nach Aussage des ebenfalls vom Kläger benannten Zeugen F. dort seien Schulungen "sowohl zentral als auch dezentral angeboten" worden, letztere "eher Informationsveranstaltungen", einmal wöchentlich, wobei es bei Nichterscheinen keine Repressalien gebe.

Dass überhaupt ein, zumal eben irgendwie sanktionierter, "Zwang" zur Teilnahme an "Schulungen", welcher Art auch immer, bestanden haben soll, über umsatzbezogene Gespräche mit dem Bezirksdirektor (in denen allerdings seitens der Beklagten ein nicht unerheblicher Leistungsdruck auf den Kläger ausgeübt/aufrechterhalten worden sein dürfte) und die auch für das Vertragsverhältnis eines Handelsvertreters im Versicherungsaußendienst typischen Berichtspflichten hinaus, lässt sich dem Vortrag des Klägers und zumal dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht entnehmen. Die Teilnahme an den Besprechungen oder Schulungen wurde nach allem offensichtlich enger gesehen bei geringerer Leistungszielerfüllung und umgekehrt.

Im Übrigen ist selbst eine weisungsmäßig vorgegebene Pflicht zum wöchentlichen Erscheinen in der Bezirksdirektion der Beklagten noch nicht ohne weiteres bereits geeignet, die grundsätzliche Freiheit zur Bestimmung der Lage der Arbeitszeit in derart gravierender Weise zu beeinträchtigen, dass dies mit dem Status des Selbstständigen schlechterdings unvereinbar wäre (vgl. BAG, U. v. 15.12.1999, AP Nr. 12 zu § 84 HGB - II. 2. a) aa) der Gründe -, m. w. N. zur früheren Rechtsprechung).

i) Der Kläger unterlag auch bei Krankheit/Arbeitsunfähigkeit und Urlaub nicht den Pflichten eines Arbeitnehmers.

Nach den Organisationsrichtlinien vom 03.01.1996 (dort Ziffern 8. und 9.) "sollte" eine Arbeitsunfähigkeit am Tag der Erkrankung fernmündlich bekannt gegeben werden - nur "bei Mitarbeitern im Angestelltenverhältnis" musste darüber hinaus bei einer Krankheit von mehr als drei Tagen spätestens am vierten Krankheitstag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in der Bezirksdirektion vorgelegt werden (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 EntgeltFG), während es bei "Geschäftspartnern" (also selbstständig tätigen Versicherungsvertretern) als "ebenfalls empfehlenswert" bezeichnet wurde, in gleicher Weise zu verfahren, "um evtl. Arbeits- und Organisationsvorgänge in der Direktion bzw. im Verwaltungscenter zu veranlassen" - . Auch beim Urlaub differenzieren die Organisationsrichtlinien deutlich zwischen angestellten Mitarbeitern und freien "Geschäftspartnern" - während bei Angestellten ausdrücklich auf die Notwendigkeit eines förmlichen schriftlichen Urlaubsantrags, zum Teil vier Wochen vor Urlaubsbeginn, und der ausdrücklichen Urlaubsgenehmigung abgestellt wird, ist hier für "selbstständige Geschäftspartner" festgelegt, dass es (lediglich) "wünschenswert" wäre, vor Urlaubsantritt eine schriftliche Urlaubsmeldung wegen der Zusendung von Post, Kundenschreiben vorzulegen.

Ein förmlicher - zumal wiederum bei Nichtbeachtung in irgendeiner Weise sanktionierter - Zwang zur Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei Krankheit und/oder förmlicher Genehmigung von Urlaub, wie ausdrücklich und gegenteilig bei angestellten Mitarbeitern geregelt, war bei selbstständig tätigen Versicherungsvertretern damit nicht gegeben; es waren im Wesentlichen lediglich informatorische Mitteilungen, auch in schriftlicher Form, in verwaltungsorganisatorischer Hinsicht und aus Gründen der Kundenbetreuung, im Rahmen der Interessenwahrungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 HGB, erbeten bzw. geregelt (siehe auch BAG, U. v. 15.12.1999, AP Nr. 9 zu § 84 HGB - II. 2. c) der Gründe -; BAG, U. v. 20.08.2003, aaO - II. 3. b) der Gründe -).

k) Weder aus dem Vertrag vom 11.03.1993 noch den maßgeblichen Organisationsrichtlinien vom 03.01.1996 ergab sich weiter ein Zwang des Klägers, die Arbeitsmaterialen der Beklagten (Werbeprospekte etc.) zu benutzen. Selbst wenn es dem Kläger, entsprechend seiner bestrittenen Behauptung, nicht freigestanden haben sollte - dies ggf. faktisch, zur problemlosen technischen Abwicklung der Vertragsabschlüsse/-betreuung, jedenfalls kaum vermeidbar gewesen sein sollte - , andere als die von der Beklagten für die Vertragsabwicklung zur Verfügung gestellten Antragsformulare sowie deren EDV-Hardware und -Software zu benutzen, hat die Beklagte mit diesen Unterlagen/dieser Ausstattung lediglich ihre gesetzlichen Pflichten gemäß § 86a Abs. 1 HGB erfüllt, wonach sie dem Handelsvertreter/Versicherungsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen ... zur Verfügung zu stellen hat. Für eine, atypische, Weisungsabhängigkeit des Klägers lässt sich daraus allerdings nichts Entscheidendes herleiten (vgl. BAG, U. v. 15.12.1999, AP Nr. 12 zu § 84 HGB - II. 2. f der Gründe -).

l) Auch die Tatsache, dass der Kläger Ausschließlichkeitsvertreter der Beklagten war und ihm ein bestimmter Bezirk zugewiesen war, spricht nicht für eine Arbeitnehmereigenschaft.

Nach der gesetzlichen Regelung ist es zulässig, Handelvertreter vertraglich allein an ein Unternehmen zu binden (§ 92a Abs. 1 HGB; vgl. BAG, Ue. v. 15.12.1999, aaO). Das mit dem Status des Einfirmenvertreters verbundene Wettbewerbsverbot folgt bereits aus der Interessenwahrungspflicht des § 86 Abs. 1 HGB (vgl. näher auch BAG, U. v. 15.12.1999, BB 2000, S. 1469/1471 - unter II. 2. c der Gründe, m. w. N. -).

Auch dies spricht somit nicht gegen den Status eines selbstständigen Außendienstmitarbeiters.

m) Selbst im Sinne etwaiger peripherer indizieller Bedeutung irrelevant ist es weiter, ob für den Kläger - etwa in der Zentrale der Beklagten in B. - "Personalakten" oder ein "Vertragsakt" geführt wurden, was allerdings auch Gegenstand der Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht war. Unabhängig davon, dass die Zeugin Sch. dort bekundet hat, dass Personalakten - enthaltend Bewerbungsunterlagen und die (Arbeits-?)Verträge - nur für die Angestellten geführt worden seien, und beim Kläger lediglich eine Vertragsakte mit seinem Handelsvertretervertrag vorhanden gewesen sei, während die Zeugin W. hierzu ausgesagt hat, dass die "Vertragsakte" des Klägers umfangreicher gewesen sei und es zusätzlich eine Personalakte des Klägers - bezogen auf welchen Vertragsstatus auch immer - gebe, ist das Vorhandensein irgendeiner schriftlichen Personaldokumentation hinsichtlich des Vertragsabschlusses und -inhaltes sowie -verlaufs - beim Arbeitsvertrag gewöhnlich als "Personalakt(en)" bezeichnet - hinsichtlich des Rechtsstatus des Vertragsverhältnisses im inhaltlichen Sinn auch nicht ansatzweise aussagekräftig - daraus als solchem ergibt sich, über einen schriftlichen Vertragstext, die Tatsache der Vertragsdokumentation, hinaus, hinsichtlich der maßgeblichen Durchführung des gelebten Vertrags in aller Regel kein Indiz für oder gegen einen Arbeitnehmerstatus.

n) Auch daraus, dass der Kläger zum einen während des Zeitraums des Bestehens des Arbeitsvertrags bis 1993 unstreitig inhaltlich im Wesentlichen den gleichen räumlichen Bereich betreut und die gleiche Tätigkeit wie seit 1993 ausgeführt hat - wenngleich eben (s.o.) mit anderen (niedrigeren) Provisionssätzen und -bedingungen und vor allem nicht als Inhaber einer Generalagentur mit externem Büro und eines Gewerbescheines -, und zum anderen die Beklagte, nach ihrem vom Kläger nicht widerlegten Vorbringen, gleichzeitig auch Arbeitnehmer mit gleicher Aufgabenstellung einsetzt/beschäftigt, wie sie dem Kläger übertragen war, lassen sich keine Folgerungen hinsichtlich der Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses des Klägers ziehen; entscheidend ist allein die im Einzelfall nach den konkreten Umständen zu bestimmende persönliche Abhängigkeit des Dienstnehmers (BAG, etwa U. v. 15.12.1999, AP Nr. 9 zu § 84 HGB - II. 2. k) der Gründe, m. w. N. -).

o) Nach allem steht zur Überzeugung auch der Berufungskammer fest, dass weder einzelne Aspekte der tatsächlichen Durchführung des Vertragsverhältnisses der Parteien für sich betrachtet noch jedenfalls deren Gesamtwürdigung bereits eine für ein Arbeitsverhältnis sprechende persönliche Abhängigkeit im Sinne der eingangs dargelegten Kriterien begründen.

Auch wenn der Kläger, als Ausschließlichkeitsvertreter, nach allem zweifellos einem starken Umsatz- und Leistungsdruck unterlag und mit der Novation seines früheren Arbeitsvertrags im Jahr 1993 aus seiner Sicht keine gravierenden, essentiellen, äußerlichen Veränderungen verbunden gewesen sein mögen, war er doch bereits nach den vertraglichen Bestimmungen des Handelsvertretervertrags vom 11.03.1993 sowie den Organisationsrichtlinien vom 03.01.1996 und vor allem nach den maßgeblichen tatsächlichen Umständen seit 1993 "nur" freier Versicherungsvertreter auf Grund Gewerbeanmeldung mit eigener Generalagentur im eigenen, angemieteten, Büro als selbständiger Betriebsstätte, mit anderen, besseren, finanziellen Bedingungen und jedenfalls der Möglichkeit, eigenes Personal zu beschäftigen und mit ersichtlich deutlich geringeren förmlichen Pflichten und Abhängigkeitselementen/-vorgaben (bei Arbeitsunfähigkeit, Urlaub, Risiken einer Nichteinhaltung vertraglicher Regelungen, ...), wie sie für den Status eines Arbeitnehmers im eigentlichen Sinne prägend sind (die Bedeutung und die fehlende Sanktionierung insbesondere von Berichtspflichten des Klägers scheint im übrigen auch eindrucksvoll auf aus der vorgelegten Notiz des Klägers vom 21.02.2002 (Anl. 6 der Beklagten zum Schriftsatz vom 08.01.2004), die sich auf das vielfach angemahnte Fehlen von Produktionsberichten des Klägers in der Vergangenheit bezieht).

Der Kläger war deshalb selbstständiger Versicherungsvertreter gemäß §§ 84 Abs. 1 Satz 2, 92 Abs. 1 HGB, weshalb das Kündigungsschutzgesetz auf das Vertragsverhältnis der Parteien keine Anwendung fand (§ 1 Abs. 1 KSchG) und - nachdem für eine Unwirksamkeit der angefochtenen Kündigung vom 23.04.2003 aus anderen Gründen außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes weder ein Sachvortrag des Klägers noch Anhaltspunkte im Sachverhalt sonst vorliegen - die Kündigung damit nicht angreifbar war, weshalb die Berufung des Klägers aus diesem Grund zurückzuweisen ist.

III.

Der Kläger hat damit die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

IV.

Da dem Rechtsstreit über die Klärung der konkreten Rechtsbeziehungen der Parteien hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen gemäß § 72 a ArbGG der Kläger hingewiesen wird, zulassen sollte.

Ende der Entscheidung

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