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Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 15.09.2006
Aktenzeichen: 11 Sa 974/05
Rechtsgebiete: BetrVG
Vorschriften:
BetrVG § 95 Abs. 3 | |
BetrVG § 99 Abs. 1 Satz 1 |
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 15. September 2006
In dem Rechtsstreit
hat die Elfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21. Juli 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Hopfner und Traub für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten vom 19.09.2005 gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts München vom 10.8.2005, Aktenzeichen: 22 Ca 14755/04 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten - soweit Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens - über die Wirksamkeit einer mit E-Mail der Beklagten vom 14. 10. 2004 angeordneten und mit Schreiben der Beklagten von 15.11.2004 konkretisierten Aufgabenzuweisung.
Der Auseinandersetzung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Kläger ist bei der Beklagten, einem EDV-Unternehmen mit weit mehr als 10 vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 10.08.1994 (Bl. 7/12 d.A.) seit 01.10.1994, zuletzt als Vertriebsleiter und Senior Account Manager gegen eine durchschnittliche jährliche Vergütung von rund 205.000 bis 262.000 Euro beschäftigt.
Mit der Klage vom 15.09.2005 verlangte der Kläger von der Beklagten eine Restprovisionszahlung aus einem Geschäft mit der D. GmbH vom 25./27.02.2004 in Höhe von 57.543,88 € nebst gesetzlichen Zinsen.
Mit E-Mail vom 14.10.2004 (Bl. 49 d.A.), näher erläutert mit Schreiben vom 15.11.2004 (Bl. 315/316 d.A.), wies die Beklagte dem Kläger geänderte Aufgaben zu und unterstellte ihn einem anderen Vorgesetzten als bisher. Bis 31.05.2005 war der Kläger als Senior Account Manager Herrn R. unterstellt, dessen Vorgesetzter der Vice-President der Beklagten, Herr K., war. Ab 01.06.2004 wurde der Kläger zum Vertriebsleiter ernannt (vgl. Bl. 48 d.A.) und dem Vice President direkt unterstellt. Er war Vorgesetzter eines Mitarbeiters M..
Mit E-Mail vom 14.10.2004 entband die Beklagte den Kläger während der Laufzeit seiner Zielvereinbarung (Bl. 48 d.A.) von seiner bisherigen Kundenzuständigkeit, wies ihm andere Kunden zu und unterstellte ihn Herrn S., dessen Vorgesetzter Herr M. ist. Herr M. ist direkt dem Vice President K. unterstellt. Die Beklagte kündigte dem Kläger eine neue Provisionsregelung (Compensation Plan) an.
Vor Ausspruch der geänderten Aufgabenzuweisung mit E-Mail vom 14.10.2004 hat die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat nicht beteiligt.
Mit seiner Klage hat der Kläger - soweit Gegenstand des Berufungsverfahrens - die gerichtliche Feststellung begehrt, dass die mit E-Mail der Beklagten vom 14. 2004 vorgenommene Versetzung des Klägers unwirksam ist.
Zur Begründung hat er in erster Instanz vorgetragen, die Maßnahme gemäß E-Mail vom 14. 10. 2004, konkretisiert mit Schreiben der Beklagten vom 15.11.2004, sei eine Versetzung im Sinn von § 95 Absatz 3 Satz 1 BetrVG, so dass der Betriebsrat habe zustimmen müssen. Mangels Zustimmung des Betriebsrats sei die Änderung der Aufgabenzuweisung seitens der Beklagten unwirksam.
Der Kläger hat - soweit Gegenstand des angegriffenen Teilurteils des Arbeitsgerichts München - beantragt,
1. ........................................
2. festzustellen, dass die mit E-Mail der Beklagten vom 14.10.2004 vorgenommene Versetzung des Klägers unwirksam sei;
3. .........................................
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und zur Begründung ausgeführt, die mit E-Mail vom 14. 10. 2004 ausgesprochene und mit Schreiben vom 15.11.2004 konkretisierte Maßnahme erfülle nicht die Voraussetzungen des Versetzungsbegriffs des § 95 Absatz 3 Satz 1 BetrVG. Es handele sich um eine ganz normale Weisung aus dem Arbeitsverhältnis gegenüber dem Kläger, die sich im zulässigen Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers bewege.
Das Arbeitsgericht München hat mit Teilurteil vom 10.8.2005 dem Feststellungsantrag stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die gegenüber dem Kläger mit E-Mail vom 14.10.2004 ausgesprochene und mit Schreiben vom 15.11.2004 konkretisierte Änderung der Aufgabenzuweisung und des Unterstellungsverhältnisses sei als eine den Kläger belastende Versetzung gemäß § 95 Absatz 3 BetrVG auch gegenüber dem Kläger unwirksam, weil die Zustimmung des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrats zu der Maßnahme aufgrund seiner von der Beklagten unterlassenen Beteiligung gemäß § 99 BetrVG fehle. Wegen der gravierenden Änderung des Unterstellungsverhältnisses um zwei Hierarchiestufen, aber auch wegen der Wegnahme des Großkunden D. GmbH und der Beseitigung der Vorgesetztenstellung bestehe kein Zweifel daran, dass die Änderungen in ihrer Gesamtheit eine erhebliche Veränderung des Gesamtbildes der Tätigkeit des Klägers bewirkten. Gerade die Einordnung eines Arbeitnehmers in die hierarchische Ordnung des Betriebs spiele für das Gesamtbild seine Tätigkeit eine herausragende Rolle.
Mit ihrer beim Landesarbeitsgericht München am 19.9.2005 eingegangenen Berufung vom selben Tag begehrt die Beklagte die Aufhebung des Teilurteils vom 10.8.2005 und die Abweisung der Klage soweit Gegenstand dieses Teilurteils.
Unter Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrags trägt die Beklagte vor, es sei keine Versetzung erfolgt, weil der Arbeitsbereich des Klägers nicht verändert worden sei. Dieser sei insbesondere dadurch definiert, dass dem Kläger jeweils auf das bei der Beklagten gültige Fiskaljahr (hier: 1.6.04 bis 31.5. 05) eine ausschließlich auf das jeweilige Fiskaljahr zeitlich befristete Kunden-Zuweisung übertragen worden sei. Vor wie nach der E-Mail vom 14. 10. 2004 sei Herr K. Vorgesetzter des Klägers gewesen. Es sei auch nicht richtig, dass der Kläger um mehrere Hierarchiestufen herabgesetzt worden sei. Dies könne nur sein, wenn auch Joblevel und Jobtitel sich geändert hätten. Der Kläger habe demgegenüber lediglich einen neuen Vorgesetzten und einen neuen Kundenkreis erhalten. Damit verbunden sei auch, dass der Kläger einen neuen Kompensationsplan erhalten habe. Der reine Vorgesetztenwechsels führe nicht zur Annahme eines anderen Arbeitsbereichs. Im Übrigen habe sich lediglich die Person geändert, der er zu berichten habe. Durch die Zuweisung eines anderen Kundenkreises verliere der Kläger auch nicht seine Verdienstchance. Auch mit diesem könne der Kläger variables Gehalt in Höhe von 85.606 € pro Jahr erzielen.
Die Beklagte beantragt in zweiter Instanz:
I. Das Teilurteil des Arbeitsgerichts München vom 10.8.2005, zugestellt am 18.8.2005 (Aktenzeichen: 22 Ca 14755/04), wird aufgehoben.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klagepartei.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung führt aus, er sei vor der Maßnahme direkt dem Vizepräsident K. unterstellt gewesen und habe selbst als nachgeordneten Mitarbeiter Herrn M. gehabt, den er in die weltweite Betreuung des Großkunden D. einzubinden gehabt habe. Nach der E-Mail vom 14. Oktober 2005 habe er diese Führungsrolle verloren und er sei nunmehr nicht mehr dem Vizepräsident, sondern Herrn S. unterstellt worden, der wiederum Untergebener von Herrn M. sei, der wiederum unmittelbar dem Vizepräsidenten unterstehe. Der Kläger trägt weiter vor, die Betreuung eines Großkunden sei Ausdruck einer besonderen innerbetrieblichen Wertschätzung. Diese finde darin ihren Niederschlag, dass der mit dieser Aufgabe betraute Arbeitnehmer in der Betriebshierarchie entsprechend hoch angesiedelt sei. Der Kläger bestreitet, dass die Änderung des Kundenkreises vom arbeitgeberseitigen Direktionsrecht gedeckt sein. Er macht geltend, mit der Beklagten am 18.8.2000 eine Vereinbarung für das Fiskaljahr 2005 geschlossen zu haben. Wenn überhaupt, so habe eine Änderungsmöglichkeit erst nach Ablauf der für dieses Fiskaljahr gültigen Vereinbarung bestanden.
Die Beklagte erwidert, entscheidender Punkt sei, dass sich an der Funktion des Klägers als Senior Account Manager nichts geändert habe. Es liege ausschließlich eine vom arbeitgeberseitigen Direktionsrecht gedeckte Veränderung der Arbeitsbedingungen vor. Der Kläger sei auch nicht um zwei Hierarchiestufen herabgesetzt worden. Vielmehr sei lediglich das Berichtswesen geändert worden.
Hinsichtlich des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze vom 4.11. 05 (Blatt 511), vom 17. 1. 2006 (Blatt 549) sowie vom 29.6.2006 (Blatt 590) ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht folgt der Entscheidung des Arbeitsgerichts München im Ergebnis und in wesentlichen Teilen der Begründung.
Unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens hält die Berufungskammer das angegriffene Urteil im Hinblick auf folgende Eckpunkte für zutreffend:
Die mit E-Mail vom 4.10.2004 an den Kläger gerichtete Weisung ist eine Versetzungsmaßnahme, die nach der vom Bundesarbeitsgericht vertretenen Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung wegen unterbliebener Beteiligung des Betriebsrats rechtsunwirksam ist.
Nach § 99 Absatz 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor jeder Versetzung zu unterrichten, ihm unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Gemäß § 95 Absatz 3 BetrVG ist Versetzung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, gleichgültig, ob er höhere, niedrigere oder gleichwertige Anforderungen an den Arbeitnehmer stellt.
Der Begriff des Arbeitsbereichs wird in § 81 Absatz 1 und 2 BetrVG durch die Aufgabe und die Verantwortung sowie die Art der Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs umschrieben. Es geht also um den konkreten Arbeitsplatz und seine Beziehungen zur betrieblichen Umgebung in räumlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht (Fitting u.a., 23. Auflage, § 99 Randziffer 103 m.w.N.). Welche Arbeitsbereiche in einem Betrieb vorhanden sind, ergibt sich aus dessen Organisation.
Durch die veränderte Einordnung des Klägers in die betriebliche Hierarchie in der Weise, dass einerseits unmittelbarer Vorgesetzter des Klägers nunmehr nicht mehr der Vizepräsident, sondern Herr S. ist, dem wiederum Herr M. übergeordnet ist, dass für den Kläger andererseits ein nachgeordneter Mitarbeiter weggefallen ist, hat sich die Einordnung des Klägers in den Arbeitsablauf des Betriebs signifikant verändert. Deshalb ist das von der Beklagten dem Kläger mit E-Mail von 14.10. 2004 zugedachte Tätigkeitsprofil als "anderer Arbeitsbereich" im Sinne des § 95 Absatz 3 BetrVG zu bewerten. Es ist zwar richtig, dass ein reiner Vorgesetztenwechsel nicht dazu führt, dass der Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsbereich im Sinn von § 95 Absatz 3 BetrVG erhält. Die vorliegende streitgegenständliche Maßnahme geht jedoch deutlich über den reinen Vorgesetztenwechsel hinaus.
Für die betriebsverfassungsrechtliche Bewertung der Maßnahme unerheblich ist die Frage, ob sich die angeordnete Veränderung individualrechtlich im zulässigen Rahmen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts hält (§§ 6 Abs. 2, 106 Abs. 1 GewO).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ArbGG.
III.
Da dem Rechtsstreit über die Klärung der streitgegenständlichen Fragen hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, besteht für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung. Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen gemäß § 72 a ArbGG hingewiesen wird, zulassen sollte.
Ende der Entscheidung
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