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Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 23.11.2006
Aktenzeichen: 3 Sa 644/06
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 613 a |
2. Bei unzureichender Unterrichtung kann das Widerspruchsrecht - bis zur Grenze der Verwirkung - auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 23.11.2006
In dem Rechtsstreit
hat die Dritte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Langejürgen und Böhler für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 25.04.2006 - 1 Ca 946/05 L - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um einen vom Kläger gegenüber der Beklagten geltend gemachten Anspruch auf Sozialplanabfindung.
Der Kläger trat am 01.12.1989 in die Dienste der Beklagten und wurde von dieser als Maschinenbediener beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des schwerbehinderten Klägers mit Zustimmung des Integrationsamts am 30.04.2004 betriebsbedingt zum 31.05.2005. Mit Schreiben vom selben Tage teilte sie dem Kläger mit, er erhalte zum Ausgleich der durch die Kündigung entstehenden Nachteile im Austrittsmonat eine Abfindung nach Maßgabe und in Anwendung des Interessenausgleichs vom März 2004 und des Sozialplans vom 17.01.1995 einschließlich Ergänzungen; auf der Basis der heutigen Daten ergebe sich voraussichtlich ein Betrag in Höhe von 38.167,00 Euro. Mit diesem Schreiben ist auf einen Interessenausgleich einschließlich Betriebsvereinbarung über einen Transfersozialplan vom 19.03.2004 Bezug genommen, nach dessen Nummer 3 zum Ausgleich bzw. zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile infolge der Betriebsänderung die Gesamtbetriebsvereinbarung Sozialplan vom 17.01.1995 angewendet wird und Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis arbeitgeberseitig beendet wird, eine Abfindung gemäß der vorgenannten Gesamtbetriebsvereinbarung Sozialplan erhalten. Nach Ziffer V Nr. 1 des Sozialplans vom 17.01.1995 erhalten Arbeitnehmer, die nach den vorstehenden Bestimmungen ausscheiden, wegen betriebsbedingter Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Verlust eines sozialen Besitzstandes eine Abfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG gemäß den nachstehenden Bestimmungen (...). Ziffer VI Nr. 1 und Nr. 2 des genannten Sozialplans sehen vor, dass Stichtag für die Berechnung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit der Tag der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist und dass der für die Berechnung der Abfindung maßgebliche Verdienst sich nach dem zuletzt maßgeblichen Bruttomonatsverdienst errechnet.
Der Kläger erhob gegen die Kündigung vom 30.04.2004 keine Kündigungsschutzklage.
Zum 01.11.2004 ging der Beschäftigungsbetrieb des Klägers auf Grund eines Betriebsinhaberwechsels auf die Firma A. GmbH über. Die Beklagte informierte den Kläger hierüber mit Schreiben vom 22.10.2004 (Anlage K5 zur Klage Bl. 11 - 14 d. A.).
Der Kläger erhob gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses bis zu dessen Ende am 31.05.2005 keinen Widerspruch und arbeitete bei der Firma A. GmbH weiter.
Am 20.05.2005 wurde über das Vermögen dieser Gesellschaft das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet, worüber die Firma A. GmbH die Arbeitnehmer mit einem Papier vom 06.06.2005 in formierte. Die Insolvenzeröffnung fand am 01.08.2005 statt.
Der Kläger machte den Anspruch auf Sozialplanabfindung mit Schreiben vom 10.06.2005 gegenüber der Beklagten geltend. Er verlangte mit Schreiben vom 06.07.2005 an die Beklagte "eine vollständige und wahrheitsgemäße Information über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs" und teilte mit, nach deren Eingang werde er die Entscheidung treffen, ob er dem Übergang widerspreche. Dies geschah sodann - nachdem die Beklagte auf das letztgenannte Schreiben nicht reagierte - mit Schreiben des Klägers vom 27.09.2005.
Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe ein Anspruch auf Zahlung der in der Höhe unstreitigen Abfindung nach den Grundsätzen der gesamtschuldnerischen Haftung gemäß § 613 a Abs. 2 S. 1 BGB auch gegenüber der Beklagten als Betriebsveräußerin zu, da der Anspruch auf Sozialplanabfindung bereits mit Ausspruch der Kündigung vom 30.04.2004 als aufschiebend bedingter Anspruch entstanden und mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.05.2005 fällig geworden sei. Im Übrigen ist er der Auffassung, die Information der Beklagten über den Betriebsübergang sei unzureichend. Deshalb habe er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses rechtzeitig widersprochen mit der Folge, dass sein Arbeitsverhältnis bis zu dessen Beendigung am 31.05.2005 bei der Beklagten verblieben sei.
Die Beklagte meint demgegenüber, der Anspruch auf Sozialplanabfindung sei erst mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers am 31.05.2005 entstanden. Somit scheide eine Haftung nach § 613 a Abs. 2 S. 1 BGB aus, da in diesem Zeitpunkt ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht mehr bestanden habe. Die Beklagte meint überdies, der Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses sei nach dessen Ende aus rechtlichen Gründen nicht mehr möglich gewesen. Selbst wenn dies nicht gelte, sei er verspätet erfolgt bzw. verwirkt.
Das Arbeitsgericht Regensburg hat mit Endurteil vom 25.04.2006, auf das hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts und des streitigen Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug, der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie der Einzelheiten der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an den Kläger 38.701,00 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen, und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Es hat zur Begründung darauf hingewiesen, beim geltend gemachten Anspruch auf Sozialplanabfindung handele es sich um einen aufschiebend bedingten Anspruch, der spätestens mit Wirksamkeit der Kündigung - nicht zwingend schon mit deren Zugang, jedoch zumindest mit Ablauf der dreiwöchigen Klageerhebungsfrist für die Kündigungsschutzklage, also wohl am 21.05.2004 - entstanden sei. Auch die Bedingung des tatsächlichen Ausscheidens wegen der betriebsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit des Verlustes eines sozialen Besitzstandes sei eingetreten. Daran ändere auch die genaue Berechnung der Abfindung im Monat des Ausscheidens nichts, da die einschlägigen Berechnungsgrundlagen alleine die Höhe des Anspruchs beträfen und Hinweise hinsichtlich der Fälligkeit seien, nicht jedoch Indizien hinsichtlich des Zeitpunkts des Entstehens des Anspruchs dem Grunde nach enthielten.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 22.05.2006 zugestellte Endurteil vom 15.04.2006 mit einem beim Berufungsgericht am 24.05.2006 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am letzten Tage der verlängerten Berufungsbegründungsfrist eingegangenen Schriftsatz vom 21.08.2006 begründet.
Sie bringt vor, ein Widerspruch nach Ende des Arbeitsverhältnisses sei nicht mehr möglich. Das Informationsschreiben vom 22.10.2004 sei nicht unvollständig oder fehlerhaft gewesen. Der Widerspruch des Klägers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses vom 27.09.2005 sei jedenfalls verfristet und verwirkt, auch wenn ein Widerspruchsrecht nach Ende des Arbeitsverhältnisses anzunehmen wäre. Vor allem aber sei der Abfindungsanspruch erst zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis, also mit dessen rechtlichem Ende entstanden. Schon deshalb bestehe keine Nachhaftung im Sinne von § 613 a BGB. Ein Anspruch aus eigener Arbeitgeberstellung der Beklagten scheide nach allem aus. Die Beklagte betont nachdrücklich, einen Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses könne nur derjenige ausüben, der noch im Arbeitsverhältnis stehe. Denn es müsse denklogisch noch ein mögliches Arbeitsverhältnis entweder mit dem Veräußerer oder mit dem Erwerber bestehen. Dies ergebe die teleologische und systematische Auslegung des Gesetzes. Beim Widerspruchsrecht gehe es darum festzustellen, bei welchem Arbeitgeber der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis fortsetzen wolle. Nach Ende des Arbeitsverhältnisses könne aber kein Fortsetzungswille mehr bestehen und damit auch kein Widerspruchsrecht. Das Gestaltungsrecht ergebe sich aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis. Andernfalls wären gesetzwidrige Ergebnisse die Folge, z. B. bei einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach dessen tatsächlichem Übergang auf den Erwerber durch diesen wegen Diebstahls oder im Falle einer betriebsbedingten Kündigung durch den Erwerber und nachfolgendem Ausscheiden unter Erhalt einer Abfindung, ebenso bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit dem Erwerber und der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit einem dritten Arbeitgeber.
Die Beklagte meint vorsorglich, das Informationsschreiben vom 22.10.2005 sei vollständig und fehlerfrei gewesen. Jedenfalls aber sei die Ausübung des Widerspruchsrechts verspätet erfolgt. Die Annahme einer grenzenlosen Widerrufsfrist widerspreche Treu und Glauben. Dieses Recht könne analog § 5 Abs. 3 S. 2 KSchG höchstens sechs Monate ab Betriebsübergang ausgeübt werden. Letzten Endes sei aber das Widerspruchsrecht verwirkt, weil der Kläger selbst laut Schreiben vom 06.07.2005 die Information vom 22.10.2004 für falsch gehalten habe. Dann habe er aber - da er keinen Anspruch auf Nachinformation habe -, dieses Recht verwirkt, weil er es nicht unmittelbar nach dem Beanstandungsschreiben vom 06.07.2005 ausgeübt habe, sondern erst mehr als zwei Monate später.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 25.04.2006 abzuändern und die Klage abzuweisen und "hilfsweise für den Fall der Zurückweisung der Berufung, die Revision zuzulassen".
Der Kläger beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Er wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag und weist darauf hin, mit dem Schreiben vom 22.10.2004 habe die Beklagte den Eindruck erweckt, der Kläger habe bereits eine Abfindung erworben. Er trägt vor, die verbliebene Beschäftigungszeit habe auf die Höhe der Abfindung keinen Einfluss gehabt, da sich die Sozialdaten des Klägers dadurch nur unwesentlich verändert hätten. Der Kläger hält seinen Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses für wirksam; ein solcher sei auch nach Ende des Arbeitsverhältnisses noch möglich. Er hegt den Verdacht, dass die Beklagte von vornherein eine "Teilbetriebsbestattung" der GmbH vorgehabt habe, da nur sieben Monate zwischen dem Betriebsübergang und der Insolvenz lägen. Der Kläger ist der Auffassung, sein Schreiben vom 06.07.2005 stehe einer Verwirkung des Widerspruchsrechts entgegen. Er hält daran fest, dass das Informationsschreiben vom 22.10.2004 fehlerhaft und unvollständig gewesen sei. Die Ausführungen zur wirtschaftlichen Lage seien unzureichend. Auch enthalte es keine Angabe zur Haftung der Beklagten. Schließlich sei der Kläger im genannten Schreiben unzulässig unter Druck gesetzt worden, sein Widerspruchsrecht nicht auszuüben. Er sei auf Grund dieses Schreibens davon ausgegangen, er werde bei einem Widerspruch kein Geld während der Kündigungsfrist und danach kein Arbeitslosengeld erhalten.
Hinsichtlich des sonstigen Vortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 21.08.2006 und 15.09.2006, des Klägers vom 07.09.2006 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 23.11.2006 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die Revision wurde unabhängig vom als Anregung zu wertenden "Hilfsantrag" zugelassen.
Das Berufungsgericht folgt dem Arbeitsgericht im Ergebnis darin, dass der Kläger gegenüber der Beklagten Anspruch auf die geltend gemachte Sozialplanabfindung hat. Dies beruht jedoch - entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts - nicht darauf, dass der Anspruch bereits mit Ausspruch der Kündigung vom 30.04.2004 oder spätestens mit Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage, also weit vor Betriebsübergang, entstanden wäre, sondern darauf, dass das Arbeitsverhältnis infolge wirksamen Widerspruchs des Klägers gemäß § 613a Abs. 6 BGB vom 27.09.2005 bei der Beklagten verblieben ist. Die Ausübung des Widerspruchsrechts war auch noch nach Ende des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31.05.2005 noch möglich. Sie scheitert nicht an der Monatsfrist des § 613 a Abs. 6 S. 1 BGB, weil die Unterrichtung über den Betriebsübergang gemäß Schreiben der Beklagten vom 22.10.2004 unzulänglich war und deshalb die genannte Frist nicht zu laufen begonnen hat. Schließlich ist die Ausübung des Widerspruchsrechts weder verspätet erfolgt noch verwirkt.
1. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kann der Anspruch auf Sozialplanabfindung nicht darauf gestützt werden, dass er bereits mit Ausspruch der Kündigung oder Ablauf der Klagefrist aufschiebend bedingt entstanden und das Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis bzw. der "Verlust des sozialen Besitzstandes" wegen "betriebsbedingter Beendigung des Arbeitsverhältnisses" im Sinne von Ziffer V. 1. der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 17.01.1995 lediglich ein "Zeitmoment" darstellte. Vielmehr ist der Abfindungsanspruch mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, d. h. mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31.05.2005 und damit nach Betriebsübergang entstanden.
Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und dem Zweck der Regelung, aber auch aus systematischen Erwägungen:
1. a) Der Wortlaut von Ziffer V. 1. der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 17.01.1995 stellt auf das "Ausscheiden" und die betriebsbedingte "Beendigung" ab, nicht aber auf den Erhalt einer Kündigung bzw. die Verwirklichung des Beendigungstatbestandes. Maßgebend ist somit der Ablauf der Kündigungsfrist.
b) Vor allem aber sprechen Sinn und Zweck der Regelung gegen die Erwägung des Arbeitsgerichts, bereits das auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzielende Rechtsgeschäft, hier also der Ausspruch der Kündigung, sei Entstehungsgrund für die Abfindung. Denn die Abfindungsregelung bezweckt den Ausgleich des Verlustes an sozialem Besitzstand, der durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht, nicht dagegen die Gewährung einer Kompensation für die Bereitschaft des Arbeitnehmers, das Arbeitsverhältnis aufzugeben bzw. auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage zu verzichten. Bereits in der Präambel der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 17.01.1995 ist der genannte Zweck - Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen durch personelle Maßnahmen - angesprochen. Somit liegt hier keiner jener Fälle vor, in denen die Abfindung nach dem erklärten Willen der sie vereinbarenden Parteien in erster Linie eine Gegenleistung des Arbeitgebers für die Einwilligung des Mitarbeiters in die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses darstellt (vgl. BAG vom 22.05.2003 - 2 AZR 250/02, zu II. 4. b der Gründe, BAG vom 19.01.2006 - 6 AZR 529/04, zu II. 1. c cc der Gründe). Vielmehr ergibt sich aus Sinn und Zweck der Sozialplanregelung in der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 17.01.1995, dass ein Abfindungsanspruch nur dann entstehen soll, wenn das Arbeitsverhältnis auf Grund betriebsbedingter Gründe endet. Dies haben die Betriebsparteien, wie ausgeführt wurde, ausdrücklich so vereinbart. Dem entspricht es, den Entstehungszeitpunkt des Abfindungsanspruchs auf den Zeitpunkt der betriebsbedingten Vertragsbeendigung zu legen. Erst ab diesem Zeitpunkt treten die zu mildernden wirtschaftlichen Nachteile bzw. der Verlust des sozialen Besitzstandes ein (vgl. BAG v. 27.01.2006 - 1 AZR 322/05; BAG v. 16.05.2000 - 9 AZR 277/99; BAG v. 25.09.1996 - 10 AZR 311/96).
c) Gegen die vom Arbeitsgericht vertretene Auffassung spricht auch die systematische Erwägung, dass der Anspruch nach dem Inhalt der Berechnungsvorschriften - Ziffer VI. der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 17.01.1995 erst dann korrekt und endgültig berechnet werden kann, wenn das Arbeitsverhältnis rechtlich beendet ist. Denn erst dann liegen die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das maßgebliche Verdienst endgültig fest. Ein Anspruch, der noch nicht bestimmbar ist, kann aber nicht - auch nicht aufschiebend bedingt - entstehen. Unter diesen Umständen kann der Zeitpunkt der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht lediglich ein für die Entstehung des Anspruchs unbeachtliches "Zeitmoment" und auch kein reiner Fälligkeitszeitpunkt sein.
2. Der streitgegenständliche Anspruch besteht jedoch entgegen der Auffassung der Beklagten deshalb, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB auf die Firma A. GmbH übergegangen, sondern infolge wirksamen Widerspruchs des Klägers hiergegen vom 27.09.2005 bei der Beklagten verblieben ist.
a) Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Widerspruch auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit Ablauf des 31.05.2005 noch möglich mit der Folge, dass er auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs zurückwirkt (BAG v. 14.12.2006 - 8 AZR 763/05; BAG v. 13.07.2006 - 8 AZR 305/05).
Voraussetzung eines wirksamen Widerspruchs ist nicht "denklogisch", dass das Arbeitsverhältnis mit dem Veräußerer oder dem Erwerber noch besteht. Denn aus Wortlaut und Systematik des § 613 a Abs. 6 BGB ergibt sich allein, dass im Zeitpunkt des Betriebsübergangs ein Arbeitsverhältnis bestehen muss. Nichts anderes ergibt sich aus Sinn und Zweck der Vorschrift. Denn entgegen der Auffassungen der Beklagten geht es bei der Ausübung des Gestaltungsrechts nicht nur zukunftsbezogen um die Frage, bei welchem Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis künftig fortgesetzt werden soll. Vielmehr soll das Widerspruchsrecht vor allem dem Arbeitnehmer ermöglichen, die Risiken eines Arbeitgeberwechsels zu vermeiden. Diese Risiken können sich, wie der vorliegende Fall zeigt, gerade auch nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses manifestieren. Das Argument der Beklagten, nur ein bestehendes Rechtsverhältnis könne gestaltet werden, geht fehl, da die Ausübung des Widerspruchsrechts zurückwirkt und damit das im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehende Arbeitsverhältnis ggf. gestaltet wird (BAG v. 13.07.2006 - 8 AZR 305/05).
Entgegen der Auffassung der Beklagten führt der Widerspruch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zu gesetzwidrigen Ergebnissen. Es gilt insoweit nichts anderes als in den sonstigen Fällen der Ausübung des Widerspruchsrechts nach dem Betriebsübergang und nach der tatsächlichen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses beim Betriebserwerber. Mit Recht hat das Bundesarbeitsgericht (vom 14.12.2006 - 8 AZR 763/05; vom 13.07.2006 - 8 AZR 305/05) darauf hingewiesen, dass eine Rückabwicklung bereits lange vollzogener Rechtsverhältnisse zwar zu Schwierigkeiten führen könne, andererseits eine Rückabwicklung nach der Ausübung von Gestaltungsrechten dem Bürgerlichen Recht nicht fremd sei und das Bürgerliche Recht sowie das Arbeitsrecht hierfür ein ausreichendes Instrumentarium zur Verfügung stellten. Entscheidend sei, dass die Rückwirkung zum Schutz des Ausübungsbefugten geboten sei. Dies gilt gerade auch für die von der Beklagten angenommenen "gesetzwidrigen Ergebnisse": Wenn z. B. der Arbeitnehmer, der beim Erwerber tatsächlich weitergearbeitet hat, dort einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung gesetzt hat, kommt es für die Frage der Wirksamkeit dieser Kündigung nach Ausübung eines zurückwirkenden Widerspruchsrechts, das zum rechtlichen Verbleib des Arbeitsverhältnisses beim Veräußerer führt, darauf an, ob das Arbeitsverhältnis durch den beim Erwerber gesetzten wichtigen Grund auch im Verhältnis zum Veräußerer rechtlich in einer Weise belastet wird, die eine Fortsetzung unzumutbar erscheinen lassen. Ist dies der Fall, so ist die fristlose Kündigung auch im Verhältnis zum Veräußerer wirksam, ansonsten besteht kein Grund für die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit diesem (wobei es für die Beurteilung des Kündigungssachverhalts auf den Zeitpunkt der Kündigung ankommt). Auch der von der Beklagten angesprochene Fall einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindungszahlung in dem Zeitraum, in dem es beim Erwerber tatsächlich fortgeführt wurde, ist mit den Mitteln des Bürgerlichen Rechts und des Arbeitsrechts lösbar, wobei Abfindungszahlungen ggf. nach dem Recht der ungerechtfertigten Bereicherung rückabgewickelt werden können.
b) Der Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses mit Schreiben vom 27.09.2005 ist nicht gemäß § 613 a Abs. 6 S. 1 BGB verfristet. Denn die einmonatige Widerspruchsfrist hat mangels ordnungsgemäßer Unterrichtung im Sinne von § 613 a Abs. 5 BGB nicht zu laufen begonnen (BAG v. 13.07.2006 - 8 AZR 305/05; BAG v. 14.12.2006 - 8 AZR 763/05).
Mit Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, nur eine Information in Textform genüge den formellen Anforderungen des § 613 a Abs. 5 BGB. Auf dieser Grundlage ist nach dem eigenen Vortrag der Beklagten davon auszugehen, dass es keine weiteren individuellen Informationsschreiben im Sinne von § 613 a Abs. 5 BGB an die betroffenen Arbeitnehmer gab.
Die demnach einzige den formellen Erfordernissen genügende Information des Klägers über den Betriebsübergang und seine Folgen krankt aber daran, dass sie keine Angaben über die Weiterhaftung der Beklagten enthält. Solche Angaben gehören jedoch nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zwingend zu den gebotenen Informationen über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs (§ 613 a Abs. 5 Nr. 3 BGB; vgl. BAG v. 13.07.2006 - 8 AZR 305/05, zu II. 1. d f (1) der Gründe).
Das Schreiben vom 22.10.2004 enthält ferner fehlerhafte Informationen über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs insoweit, als unter Ziffer 7 der Eindruck erweckt wird, die Erhebung eines Widerspruchs habe die Kürzung der Arbeitsentgeltansprüche gegenüber der Beklagten um die Einkünfte zur Folge, die der Arbeitnehmer für die verbleibende Dauer der Kündigungsfrist bei der Firma A. GmbH erzielen könnte. Dieser Eindruck wird verstärkt durch den Hinweis, dass im Falle eines Widerspruchs bei eventueller Arbeitslosigkeit die Höhe der Ansprüche auf Leistungen gegenüber der Agentur für Arbeit in Frage gestellt seien. Diese Hinweise lassen sich zwar für den rechtskundigen Adressaten mit der Rechtslage (noch) vereinbaren. Gleichwohl stellen sie keine neutrale Information dar, insbesondere wenn man bedenkt, dass sie sich vornehmlich an rechtsunkundige Laien richten. Sie sind so formuliert, dass bei diesem Personenkreis fast zwangsläufig der Eindruck entstehen muss, der Widerspruch habe eine Entgeltkürzung und einen Verlust von Arbeitslosengeldansprüchen zur Folge. Vor allem fehlt ein rechtlicher Hinweis darauf, dass die genannten Nachteile nicht gewissermaßen automatisch eintreten, sondern dass sie z. B. davon abhängen, ob die Erzielung von Zwischenverdienst bei der Firma A. GmbH böswillig erfolge, was im Falle des Klägers etwa dann ausgeschlossen wäre, wenn diese Firma gar nicht bereit gewesen wäre, ihn befristet bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu beschäftigen (vgl. BAG v. 19.03.1998 - 8 AZR 139/97). Ohne diese Einschränkung - hier: Kenntnis des Klägers von einer Bereitschaft der Firma A. GmbH, ihn befristet bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu beschäftigen - ist die Information in Ziffer 7 des Schreibens vom 22.10.2004 (Absatz 3) lückenhaft, missverständlich und letzten Endes fehlerhaft. Sie gibt die Folgen des Widerspruchs verzerrt wider, in der erkennbaren Absicht, den Arbeitnehmer von der Erhebung des Widerspruchs abzuschrecken. Das zeigt auch der vorletzte Satz des Schreibens vom 22.10.2004.
Da bis zur Erhebung des Widerspruchs mit Schreiben vom 27.09.2005 keine weitere Information über den Betriebsübergang in Textform gemäß § 613a Abs. 5 BGB gegeben wurde, hatte die Monatsfrist gemäß § 613a Abs. 6 S. 1 BGB noch nicht zu laufen begonnen, geschweige denn, dass sie abgelaufen wäre.
c) Das Widerspruchsrecht war bei Erhebung des Widerspruchs mit Schreiben vom 27.09.2005 nicht verwirkt; eine rechtsmissbräuchliche Ausübung dieses Gestaltungsrechts im Sinne von § 242 BGB liegt nicht vor.
Abgesehen davon, dass - entgegen der Auffassung der Beklagten - für eine zeitliche Begrenzung des Widerspruchsrechts auf sechs Monate nach Betriebsübergang analog § 5 Abs. 3 S. 2 KSchG kein Ansatzpunkt in § 613a Abs. 6 BGB gegeben ist, weil ein Arbeitgeber nicht schutzwürdig ist, wenn er nicht oder unzureichend gemäß § 613a Abs. 5 BGB informiert hat, fehlt der von der Beklagten angenommenen Verwirkung jedenfalls das Umstandsmoment. Die Beklagte durfte nicht darauf vertrauen, dass der Kläger im September 2005 keinen Widerspruch mehr erheben werde.
Im Zeitraum bis zum Schreiben vom 06.07.2005 ist nichts ersichtlich, was ein Vertrauen der Beklagten in ein unterbleibendes Widerspruchsrecht rechtfertigen würde. Die schlichte Weiterarbeit des Klägers bei der Erwerberin, der Firma A. GmbH, reicht hierfür nicht aus. Aber auch nach Erhalt des Schreibens des Klägers vom 06.07.2005 musste die Beklagte davon ausgehen, dass der Kläger die dort angekündigte Ausübung des Widerspruchsrechts wahrmachen werde, falls die gewünschten Informationen nicht gegeben würden. Der Kläger durfte ohne Nachteile etwa zweieinhalb Monate abwarten, ob diese Informationen kommen würden oder nicht, denn der Zeitraum zwischen dem Schreiben vom 06.07.2005 und der Erhebung des Widerspruchs mit Schreiben vom 27.09.2005 bildet keine ausreichende zeitliche Grundlage für einen Eintritt des Verwirkungstatbestandes.
Entgegen der Auffassung der Beklagten musste der Kläger nicht in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Erkenntnis, dass das Informationsschreiben vom 22.10.2004 fehlerhaft sei, das Widerspruchsrecht ausüben. Das Zuwarten mit dieser Ausübung ist nicht treuwidrig, obwohl der Kläger selbst von der Fehlerhaftigkeit der Information gemäß § 613 a Abs. 5 BGB ausging. Denn der Kläger hat im Schreiben vom 06.07.2005 hinreichend deutlich gemacht, dass es ihm darauf ankomme, durch weitere Informationen seine mehr oder weniger gesicherte Annahme der Fehlerhaftigkeit der Information überprüfen zu können. Diese weiteren Informationen, wie sie die Beklagte denn auch im Verlaufe des Rechtsstreits gegeben hat, hätten ihn in die Lage versetzt, seine Behauptung der Fehlerhaftigkeit zu verifizieren oder aber ggf. auch die Haltlosigkeit seiner Annahme einzusehen. Auch wenn der Kläger - worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat - den Widerspruch bereits im Juli 2005 hätte erheben können, hat er durch das Schreiben vom 06.07.2005 jedenfalls zunächst das Vertrauen der Beklagten darauf, er werde dem Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht mehr widersprechen, zerstört. Ein entsprechendes Vertrauen hätte allenfalls dadurch entstehen können, dass die Beklagte alsbald nach Erhalt des Schreibens vom 06.07.2005 den Kläger aufgefordert hätte, sich unverzüglich darüber zu erklären, ob er denn nun Widerspruch erhebe oder nicht.
d) Nach allem hat der Widerspruch des Klägers vom 27.09.2005 gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Firma A. GmbH zum 01.11.2004 bewirkt, dass das Arbeitsverhältnis bis zu dessen unzweifelhafter Beendigung zum Ablauf des 31.05.2005 mit der Beklagten fortbestanden hat. Daraus folgt, dass die Beklagte aus eigener Arbeitgeberstellung verpflichtet ist, an den Kläger die von diesem geltend gemachte Abfindung zu zahlen.
3. Hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung der geltend gemachten Zinsen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Ziffer III. 2. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
5. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage, ob der Widerspruch gemäß § 613 a Abs. 6 BGB noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhoben werden kann, gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen nach Maßgabe der folgenden.
Ende der Entscheidung
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