Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 07.08.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 162/07
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 611
HGB § 84 Abs. 1 Satz 2
Ein Pianist, der auf der Grundlage eines Engagementvertrages gegen Honorar in einer Hotelhalle auf dem dort stehenden Klavier zu vertraglich festgelegten Stunden die ebenfalls vertraglich vereinbarte Tanz- und Unterhaltungsmusik spielt, verrichtet sein Klavierspiel trotz jahrelanger Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation nicht in persönlicher Abhängigkeit.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 162/07

Verkündet am: 7. August 2007

In dem Rechtsstreit

hat die Sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 31. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Hopfner und Lerchl für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers vom 19. Februar 2007 gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Passau vom 13. Dezember 2006 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Für den Kläger wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses in Verbindung mit der Wirksamkeit einer Kündigung.

Der Kläger war seit August 1996 in wechselndem zeitlichem Umfang auf der Grundlage verschiedener, zeitlich jeweils befristet abgeschlossener sog. Engagementverträge (vgl. Blatt 6 bis 11 der Akte) als Pianist im Hotel der Beklagten in ... tätig gewesen. Als Honorar hatten die Parteien DM 240,00 pro Tag zzgl. 15 % Mehrwertsteuer bzw. DM 280,00 pro Tag zzgl. 16 % Mehrwertsteuer vereinbart und so war vom Kläger auch jeweils abgerechnet worden.

Als ihm die Beklagte mit Schreiben vom 25. August 2006 (Blatt 38 der Akte) mitteilte, ihr Musikangebot aufgrund der wirtschaftlichen Lage auf 5 Tage reduzieren zu wollen und den Engagementvertrag zum 23. Dezember 2006 kündigte, hat der Kläger dagegen mit anwaltschaftlichem Schriftsatz vom 8. September 2006 Klage auf Feststellung erheben lassen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung der Beklagten vom 25. August 2006 nicht zum 23. Dezember 2006 aufgelöst wird, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus ungekündigt fortbesteht. Diese Begehren sind vor dem angerufenen Arbeitsgericht Passau aber erfolglos geblieben. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des klageabweisenden Endurteils vom 13. Dezember 2006 wird Bezug genommen.

Mit der am 21. Februar 2007 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung gegen diese seinem Prozessbevollmächtigten am 26. Januar 2006 zugestellte Entscheidung verfolgt der Kläger sein Kündigungsschutzbegehren weiter. Die Begründung dazu ist am 25. März 2007 eingegangen. Darin wird dem Erstgericht vorgehalten, den Kündigungsschutzantrag zu Unrecht abgewiesen und die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers verkannt zu haben. Für die Wertung einer Beschäftigung als abhängig sei ausschlaggebend, dass sie in persönlicher Abhängigkeit verrichtet werde. Diese äußerte sich regelmäßig in der Eingliederung des Beschäftigten in einem fremden Betrieb, sei es, dass er umfassend einem Zeit, Dauer und Ort der Arbeit betreffenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliege, sei es aber auch nur, insbesondere bei Diensten höherer Art, dass der Bedienstete funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess des Arbeitgebers teilhabe.

Von allen vom Erstgericht genannten Gründen für eine selbständige Tätigkeit des Klägers wird lediglich dem Umstand, dass der Kläger der Beklagten Rechnungen mit Mehrwertsteuer gestellt hatte, Bedeutung zugemessen. Bei allen anderen Gründen sei das aber nicht der Fall, so dass die vom Erstgericht unterlassene Gesamtschau zeige, der Kläger habe seine Dienstleistung in persönlicher Abhängigkeit erbracht. Von der Beklagten sei bestimmt worden, wann, wo, wie und was der Kläger zu tun habe. Dieser sei seit 2001, also über viele Jahre hinweg, mit seiner Arbeit fest in den Betrieb der Beklagten, also in eine fremde Arbeitsorganisation, eingebunden gewesen. Er habe mit seinem Klavierspiel funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess der Beklagten teilgenommen. Das Unternehmerrisiko und die Kosten der Arbeitsausführung habe die Beklagte getragen. Und von ihr seien auch bei der Kündigung die tarifvertraglichen Kündigungsfristen eingehalten worden.

Die ausgesprochene Kündigung wird als sozial ungerechtfertigt angesehen, der Kläger lässt die Möglichkeit einer Änderungskündigung einwenden. Das Kündigungsschutzgesetz sei anwendbar. Die Berufungsanträge lauten damit:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts Passau vom 13. Dezember 2006 (Az.: 1 Ca 1193/06) wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung der Beklagten vom 25. August 2006 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte lässt beantragen:

die Berufung des Klägers abzuweisen.

Den Überlegungen des Erstgerichts in der angefochtenen Entscheidung pflichtet sie bei, den Ausführungen in der Berufungsbegründung tritt sie entgegen. Betont wird, dass der Kläger zuletzt, also zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung, nur mehr an zwei Abenden in der Woche gespielt habe. Seine Dienstleistung sei im Engagementvertrag und in den Verlängerungen dazu beschrieben und bestimmt worden. Für die Beklagte sei es natürlich wichtig gewesen, Musikdarbietungen zu einer Zeit und an einem Ort anzubieten, wo sich Gäste im Hotel aufhalten. Das was (Klavier) und wie (kontinuierliches, abwechslungsreiches Spiel) sei einvernehmlich festgelegt worden und nicht durch Weisungen der Beklagten. Damit lasse sich aus alldem, auch nicht aus der Zusammenschau dieser Punkte, ableiten, dass das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis gewesen sei.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 25. März 2007 (Blatt 123 bis 128 der Akte), auf die Berufungsbeantwortung vom 25. Mai 2007 (Blatt 132 bis 136 der Akte) sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 31. Juli und vom 7. August 2007 (Blatt 147/148 und Blatt 149/150 der Akte).

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§ 64 Abs. 2 ArbGG) und auch sonst zulässige Berufung (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 11 Abs. 2 ArbGG) mit dem Ziel, das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien bestätigt und die ausgesprochene Kündigung damit dann als unwirksam festgestellt zu bekommen, muss erfolglos bleiben.

Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden. Der Engagementvertrag zwischen den Parteien ist nicht als Arbeitsverhältnis zu bewerten. Damit scheitert die ausgesprochene Kündigung auch nicht am Kündigungsschutz.

1. Das Erstgericht ist vom zutreffend umschriebenen Begriff des Arbeitnehmers ausgegangen, wie er in der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der Instanzgerichte herausgebildet worden ist (vgl. z.B. BAG AP Nr. 42, 60, 61 zu § 611 BGB-Abhängigkeit). Nach dieser Rechtsprechung unterscheidet sich das Arbeitsverhältnis vom Rechtsverhältnis des freien Mitarbeiters oder einer "Honorarkraft" durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete gegenüber dem zur Dienstleistung Berechtigten befindet. Der Arbeitnehmer erbringt seine Dienstleistung im Rahmen einer vom Arbeitgeber bestimmten Arbeitsorganisation. Ein typisches Abgrenzungsmerkmal nennt § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB. Danach ist selbständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und deshalb persönlich abhängig ist dagegen derjenige, der im Wesentlichen seine Tätigkeit und Arbeitszeit nicht selbständig bestimmen kann. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, daß ein Beschäftigter hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der besprochenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Wie die Parteien das Vertragsverhältnis bezeichnen ist nicht maßgeblich, vielmehr ist die vertragliche Beziehung nach ihrem Geschäftsinhalt objektiv einzuordnen. Dabei ist der wirkliche Wille der Parteien den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrages zu entnehmen. Bei einem Vollzug des Vertrages abweichend von der Vereinbarung ist die tatsächliche Durchführung maßgebend.

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers kann Inhalt, Durchführung, Zeitdauer und Ort der Tätigkeit belangen. Die Frage der persönlichen Abhängigkeit ist dabei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht abstrakt für alle Beschäftigten zu beantworten, sondern hängt vor allem von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab (BAG, aa0).

2. Diese Grundsätze sind vom Erstgericht auf den zwischen den Parteien geschlossenen Engagementvertrag zutreffend angewandt worden. Soweit der Kläger die Gesamtschau vermisst, vermag er damit seine zur Entscheidung gestellten Anträge nicht zu stützen. Gerade die erforderliche Gesamtschau ist es, die dieses Vertragsverhältnis als selbständig prägt und dem Kläger als Solo-Pianist bei der Beklagten die begehrte Arbeitnehmerstellung versperrt. Der Kläger hat auf der Grundlage seines Engagementvertrages die versprochene Leistung nicht in persönlicher Abhängigkeit erbracht. Inhalt und Umfang seiner Leistungen waren bereits vertraglich festgelegt worden: Tanz- und Unterhaltungsmusik in der Hotelhalle. Was er dabei im Einzelnen spielen wollte, ob laut oder leise, ob schnell oder langsam, stand ihm frei. Das Eingebundensein in die Organisation der Beklagten war eine Folge seiner übernommenen Leistung. Sein Musikinstrument (Klavier) konnte er nicht mit sich führen, sein Spiel war, wollte er dafür bezahlt werden, von Zuhörern abhängig und hier von der Beklagten gewünscht für ihre Gäste sowie für Zeiten, in denen sich diese Gäste in der Hotelhalle aufhalten. Daraus ergab sich dann der zeitliche Rahmen für die vom Kläger zu erbringende Leistung, wobei die Stunden ebenfalls vertraglich festgelegt worden sind. Dass der Kläger dabei verpflichtet war, pünktlich am Klavier zu erscheinen sowie kontinuierlich und abwechslungsreich zu spielen, ist ebenfalls eine Folge der übernommenen Verpflichtungen und kein Indiz für eine persönliche Abhängigkeit. Damit ist dann auch die streitbefangene Kündigung nicht zu beanstanden. Der vom Erstgericht gegebenen zutreffenden Begründung schließt sich die Berufungskammer ergänzend an (§ 69 Abs. 2 ArbGG) und so verbleibt es mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO bei der angefochtenen Klageabweisung.

Für den Kläger wird die Revision zugelassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

Zurück