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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 20.06.2007
Aktenzeichen: 7 Sa 1188/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 307
BGB § 310 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 Sa 1188/06

Verkündet am: 20. Juni 2007

In dem Rechtsstreit

hat die Siebte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13. Juni 2007 durch den Richter am Arbeitsgericht Dr. Künzl sowie die ehrenamtlichen Richter Tauber und Endler für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 18. Sept. 2006 - 8 Ca 1343/06 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

II. Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Lohn für Januar 2006 und um Schadenersatz.

Die Klägerin war vom 1. März 2004 bis 31. Jan. 2006 beim Beklagten in dessen Apotheke in den A. in R. als PTA bei einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 1.700.- € beschäftigt. Im Nachtrag zum Arbeitsvertrag (Bl. 165 d. A.) war eine Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Quartalsende vereinbart.

Die Klägerin nahm in der Zeit von 6. bis 8. Okt. 2004, vom 10. bis 12. Nov. 2004 und vom 19. bis 20. Jan. 2005, jeweils an Wochenenden, an einer Ausbildung zur "Fachberaterin Dermokosmetik" teil. Die dafür angefallenen Kosten, einschließlich der Reisekosten, trug der Beklagte. Er zahlte ihr auch die Vergütung an den Tagen der Fortbildung.

Unter dem Datum 4. Apr. 2005 schlossen die Parteien eine "Fortbildungs- und Rückzahlungsvereinbarung", auf Grund derer die Klägerin zur Erstattung der Fortbildungskosten in voller Höhe verpflichtet sein sollte, wenn sie innerhalb eines Jahres nach dem Ende der Ausbildung ausschied; schied sie innerhalb des zweiten Jahres nach der Ausbildung aus, sollte sie die Kosten anteilig, gemindert um 1/12 für jeden Monat, den sie über ein Jahr hinaus im Betrieb des Beklagten verblieben war, zurückzahlen. Auf den Vertragstext (Bl. 7 f. d. A.) wird Bezug genommen.

Die Klägerin kündigte ihr Arbeitsverhältnis im Dezember 2005 zum 31. Jan. 2006. Mit Schreiben vom 22. Dez. 2005 bestätigte der Beklagte das Ende des Arbeitsverhältnisses zum vorgenannten Zeitpunkt.

Von der Januarvergütung der Klägerin zog der Beklagte einen Betrag von 1.128,70 € als "Vorschuss" ab.

Mit ihrer am 30. März 2006 beim Arbeitsgericht Regensburg eingegangenen und dem Beklagten am 5. Apr. 2006 zugestellten Klage vom 28. März 2006 begehrt die Klägerin die Auszahlung des einbehaltenen Lohnes für Januar 2006.

Sie hält die erst nach dem Ende der Ausbildung abgeschlossene Rückzahlungsverpflichtung bereits deswegen für unwirksam. Darüber hinaus sei die Bindungsdauer, wie sie meint, zu lang.

Sie hat beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin netto € 1.128,70 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält die Bindungsfrist angesichts des viermonatigen Lehrganges für angemessen. Die Klägerin habe durch den Fortbildungskurs auch einen geldwerten Vorteil erlangt. Da sie nach dem Ende der Ausbildung mit dem Arbeitszeitkonto im Minus gelegen sei, habe sie den Wunsch geäußert, die Fortbildungszeit als Arbeitszeit vergütet zu erhalten. Daraufhin sei die Rückzahlungsvereinbarung geschlossen worden. Dabei sei den Parteien klar gewesen, eine Umsatzsteigerung könne man erst in ca. 2 Jahren erwarten.

Insgesamt habe er, worauf der Beklagte verweist, 3.122,50 € aufgewandt.

Weiter behauptet der Beklagte, ihm sei aufgrund der vorzeitigen Vertragsbeendigung der Klägerin ein erheblicher Schaden entstanden. An ihrer Stelle habe er zwei Mitarbeiterinnen fortbilden lassen müssen.

Mit Schriftsatz vom 26. Juni 2006, beim Arbeitsgericht am 30. Juni 2006 eingegangen und der Klägerin am 4. Juli 2006 zugestellt, hat der Beklagte Widerklage erhoben.

Er hat beantragt

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten € 3.122,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Sie verweist auf das Einverständnis des Beklagten mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Jan. 2006.

Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 18. Sept. 2006 wie folgt entschieden:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.128,70 netto zu zahlen.

2. Die Widerklage wird abgewiesen.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 4.251,20 festgesetzt.

4. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Hinsichtlich der rechtlichen Erwägungen wird auf die Entscheidungsgründe des Ersturteils (Bl. 118 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 10. Okt. 2006 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 10. Nov. 2006, beim Landesarbeitsgericht am selben Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese innerhalb der auf seinen Antrag vom 7. Dez. 2006 bis 10. Jan. 2007 verlängerten Frist, mit Schriftsatz vom 9. Jan. 2007, eingegangen am 10. Jan. 2007, begründet.

Er hält an seiner Ansicht der Angemessenheit der Bindungsfrist fest. Die Klägerin könne ihr Wissen auch bei einem anderen Arbeitgeber einsetzen. Durch diese Ausbildung habe sie erhebliche Vorteile.

Den Schadenersatz hält er wegen der vorzeitigen Vertragsbeendigung für gerechtfertigt.

Er beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 26.07.2006, Aktenzeichen 8 Ca 1343/06 wird abgeändert und nach den Schlussanträgen 1. Instanz erkannt und zwar wie folgt:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin wird im Rahmen der Widerklage verurteilt, an den Beklagten € 3.122,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält an ihrer Ansicht einer unangemessenen Bindungsfrist fest.

Hinsichtlich des Schadenersatzanspruches erkennt sie weder eine Anspruchsgrundlage noch sieht die einen Schaden als begründet an.

Wegen des Sachvortrages der Parteien im Einzelnen wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 28. März 2006 (Bl. 1 ff. d. A.), vom 20. Juli 2006 (Bl. 108 ff. d. A.) und vom 27. Feb. 2007 (Bl. 176 ff. d. A.) sowie des Beklagten vom 26. Juni 2006 (Bl. 91 ff. d. A.), vom 28. Juni 2006 (Bl. 63 ff. d. A.), vom 9. Jan. 2007 (Bl. 154 ff. d. A.) und vom 25. Mai 2007 (Bl. 201 ff. d. A.) und auf die Sitzungsprotokolle vom 26. Juli 2006 (Bl. 112 ff. d. A.) und vom 13. Juni 2007 (Bl. 207 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft und in rechter Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 2 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage als unbegründet abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht folgt den Ausführungen des Arbeitsgerichts in Teilen und nimmt diese vorweg in Bezug (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Nachfolgend wird insbesondere hinsichtlich der Berufungsangriffe lediglich ergänzend und zusammenfassend Stellung genommen:

1. Zur Klage

Die Klägerin kann die in Abzug gebrachte Vergütung für Januar 2006 (1.128,70 € netto) vom Beklagten ausbezahlt verlangen (§ 611 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag). Ungeachtet der vom Beklagten bereits nicht beachteten Pfändungsfreigrenzen (§§ 394 BGB, 850c ZPO), die den tatsächlich vorgenommenen Abzug ohnehin in tatsächlicher Höhe nicht zuließen, stand ihm auch kein Rückzahlungsanspruch wegen der übernommenen Kosten der Fortbildung der Klägerin zu. Die zwischen den Parteien getroffene Rückzahlungsregelung ist wegen unangemessener Benachteiligung der Klägerin unwirksam (§§ 307 Abs. 1, 306 Abs. 1, 2 BGB).

a. Die zwischen den Parteien getroffene Rückzahlungsvereinbarung verstößt gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Klägerin wird durch diese formularmäßige Regelung (§ 305 Abs. 1 BGB) unangemessen benachteiligt (vgl. dazu BAG v. 11. 4. 2006 - 9 AZR 610/05, AP BGB § 307 Nr. 16; Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht [nachfolgend: ErfK], 7. Aufl., § 611 BGB Rz. 554; Thüsing in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 2. Aufl., § 611 BGB Rz. 463; Schmidt, NZA 2004, 1002). Ihr ist, ohne einen entsprechenden geldwerten Vorteil erlangt zu haben, über einen unangemessen langen Zeitraum eine Kündigungsmöglichkeit genommen.

aa. Die zwischen den Parteien getroffene Rückzahlungsvereinbarung §§ 305 ff. BGB zu überprüfen; sie war nach dem 1. Jan. 2003 abgeschlossen worden. Nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB unterfallen Dauerschuldverhältnisse, wie das Arbeitsverhältnis ab 1. Jan. 2003, unabhängig wann der Vertrag abgeschlossen worden war, dem neuen Recht. Dies gilt ebenso für die hier neben dem Arbeitsvertrag gesondert getroffene Rückzahlungsvereinbarung.

bb. Bei der Rückzahlungsvereinbarung handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 BGB). Der Vertrag war auf Initiative des Beklagten zustande gekommen, wobei dieser einen Formularvertrag der Fa. L. verwandt hatte. Dieser Vertrag war vorformuliert und sollte standardmäßig für eine Vielzahl von Verträgen (mindestens 3; vgl. BAG v. 25. 5. 2005 - 5 AZR 572/04, AP BGB § 310 Nr. 1) Verwendung finden. Davon ist bei der Vorformulierung durch die Fa. L auszugehen, die diesen Vertrag auch anderen Arbeitgebern, die Arbeitnehmer auf ihre Schulungen senden, zur Verfügung stellt. Dass nicht der Beklagte selbst, sondern ein Dritter den Vertrag vorformuliert hatte ist dabei ohne Belang (BGH v. 16. 11. 1990 - V ZR 217/89, NJW 1991, 843).

cc. Die Verbraucherstellung von Arbeitnehmern (§ 13 BGB; vgl. dazu ErfK/Preis, a.a.O., §§ 305 - 310 BGB, Rz. 26 m.w.N.) gestattet die Anwendung von §§ 310 Abs. 3 (insbes. Nr. 2) BGB (BAG v. 25. 5. 2005, a.a.O.). Dies ist vorliegend nicht deshalb ausgeschlossen, da die Klägerin die betreffende Rückzahlungsregelung gewollt hätte. Denn der Beklagte hatte bereits vor dem Arbeitsgericht klargelegt, der Vertrag sei auf seine Initiative zustande gekommen (Bl. 113 d. A.).

dd. Die vom Beklagten verwandte Rückzahlungsklausel ist daran zu messen, ob sie den Arbeitnehmer als Vertragspartner des die Klausel verwendenden Arbeitgebers "unangemessen benachteiligt" (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dies ist nicht schon deswegen der Fall, da ihr ohne Ausnahme für jeden Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Rückzahlungspflicht für entstandene Ausbildungskosten auferlegt wäre. Die Rückzahlung greift nach § 3 Abs. 1 der Fortbildungs- und Rückzahlungsvereinbarung nur bei Arbeitnehmerkündigung. Allerdings enthält die Rückzahlungsvereinbarung zu lange Bindungsfristen, weswegen sie nach § 307 Abs. 1 Satz 1; 306 Abs. 2 BGB unwirksam ist.

aaa. Formularmäßige Vertragsbestimmungen sind nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen, wenn der Verwender (hier: der Beklagte) durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners (hier: der Klägerin) durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die dahingehende Feststellung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen beider Vertragspartner voraus. Dabei sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen unter Anwendung eines generellen, typisierenden, vom Einzelfall losgelösten Maßstabs zu berücksichtigen. Im Rahmen der vorzunehmenden Inhaltskontrolle gilt es Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen, wobei zu sehen ist, ob der Klauselinhalt angesichts der konkreten Art des Rechtsgeschäfts generell und unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners bedingt (BAG v. 11. 4. 2006, a.a.O.; BAG v. 4. 3.. 2004 - 8 AZR 196/03, AP BGB § 309 Nr. 3).

bbb. Rückzahlungsabreden von Aus- und Fortbildungskosten bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach durchgeführter Ausbildung stellen auch nach der Schuldrechtsmodernisierung nicht generell eine unangemessene Benachteiligung eines Arbeitnehmers dar. Das Bundesarbeitsgericht hatte in seiner Rechtsprechung vor Geltung der §§ 305 ff. BGB zur allgemeinen Inhaltskontrolle von Rückzahlungsklauseln dahingehende einzelvertragliche Vereinbarungen, grundsätzlich für zulässig erachtet (BAG v. 24. 6. 2004 - 6 AZR 383/03, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 34). Die dort entwickelten Grundsätze sind weiterhin zur Feststellung der Unangemessenheit zu beachten.

Danach kann eine derartige Zahlungsverpflichtung ausnahmsweise wegen einer übermäßigen Beeinträchtigung der arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) unwirksam sein, sofern das Rückzahlungsverlangen einerseits bei verständiger Betrachtung einem billigenswerten Interesse des Arbeitgebers widerspricht und der Arbeitnehmer auf der anderen Seite mit der Fortbildungsmaßnahme keine angemessene Gegenleistung erhalten hat. Die Frage des für den Arbeitnehmer Zumutbaren ist nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts, welcher die erkennende Kammer folgt, auf Grund einer Güter- und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln (BAG v. 11. 4. 2006, a.a.O.; BAG v. 5. 12. 2002 - 6 AZR 539/01, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 32). So geht das Interesse des die Ausbildung finanzierenden Arbeitgebers dahin, die von den ausgebildeten Arbeitnehmern erworbene Qualifikation möglichst lange im Betrieb nutzen zu können (BAG v. 19. 2. 2004 - 6 AZR 552/02, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 33), um einen Ausgleich für seine finanziellen Aufwendungen zu erlangen. Demnach kann er von einem sich vorzeitig abkehrenden Arbeitnehmer die Kosten der Ausbildung ganz oder zeitanteilig zurückverlangen. Dem stehen die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers gegenüber, seinen Arbeitsplatz ohne Belastung mit Kosten frei wählen zu können. Die Abwägung der widerstreitenden Interessen muss sich vor allem daran orientieren, ob und inwieweit der Arbeitnehmer mit der Aus- oder Fortbildung einen geldwerten Vorteil erlangt (std. Rspr., vgl. BAG 11. 4. 2006, a.a.O.; BAG v. 16. 3. 1994 - 5 AZR 339/92, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 18).

ee. Nach den vorstehenden, vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätzen, welchen die erkennende Kammer folgt, ist die hier zugrunde liegende Rückzahlungsvereinbarung unwirksam. Die gewählte Bindungsfrist ist in Ansehung der finanziellen Aufwendungen des Beklagten und der Vorteile der Klägerin aus der Fortbildung unangemessen lang.

aaa. Es kann dahinstehen, ob eine nach Ende der Ausbildung abgeschlossene Rückzahlungsvereinbarung überhaupt noch Rückzahlungsansprüche der ausgebildeten Arbeitnehmerin auslösen kann. Dies unterstellt, konnte der Beklagte, der im Termin vom 26. Juni 2006 auch zugegeben hatte, dass die Rückzahlungsvereinbarung auf seine Initiative zurückgegangen war, die Klägerin keinesfalls 2 Jahre binden.

Die Klägerin hatte eine 9-tägige Ausbildung durchlaufen, für die nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 5. 12. 2002, a.a.O., wo über eine längere [einmonatige] Fortbildungsmaßnahme entschieden worden war) nur eine Bindungsfrist von maximal 6 Monaten angemessen ist; die vom Beklagten erbrachte Leistung (Entgeltzahlung und Kostenübernahme) steht außer Verhältnis zur verlangten Gegenleistung (Bindung an den Betrieb). Die erkennende Kammer schließt sich dieser Ansicht des Bundesarbeitsgerichts an. Auch die Höhe der vom Beklagten aufgewendeten Kosten verlangt hier kein anderes Ergebnis i.S. der Annahme der Angemessenheit einer längeren Bindungsfrist.

bbb. Für die Angemessenheit ist auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Rückzahlung von Ausbildungskosten zurückzugreifen. Danach liegt hier - entgegen der Annahme des Beklagten - eine nur 9-tägige Ausbildung vor (BAG v. 6. 9. 1995 - 5 AZR 241/94, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 23). Zeiten zwischen den Kursblöcken sind danach nicht zu berücksichtigen. Dieser Ansicht schließt sich die erkennende Kammer an.

Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, die Klägerin habe zwischen den einzelnen Kursen das theoretisch Erlernte praktisch geübt. Die Klägerin hatte in dieser Zeit auch ihre vertragliche Tätigkeit für den Beklagten ausgeübt und schon allein dafür ihre vertragliche Vergütung erhalten. Diese Zeit kann nicht als Ausbildung, die Vergütung nicht als Ausbildungskosten angesehen werden.

ff. Vorliegend kann die Frage, inwieweit eine zu lang bemessene Bindungsfrist trotz § 306 Abs. 2 BGB auf ein angemessenes Maß reduziert werden kann (verneinend dazu insbes. BAG v. 11. 4. 2006, a.a.O.), dahinstehen. Denn die Klägerin hatte jedenfalls die äußerste zulässige Bindungsfrist von 6 Monaten, sogar eine Frist von einem Jahr, eingehalten.

b. Darüber hinaus trägt der Beklagte nicht vor, welche Vorteile die Klägerin auf dem Arbeitsmarkt durch die ihr zuteil gewordene Ausbildung erlangt hatte. Er behauptet lediglich - ohne tatsächliche Fundierung - sie habe "erhebliche Vorteile" erlangt. Es wird jedoch weder vorgetragen, noch ist es der Kammer ersichtlich, dass PTAŽs mit der von der Klägerin erhaltenen Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt gesucht sind und ggf. auch höhere Verdienstchancen haben, als PTAŽs ohne diese Ausbildung, kann auch von daher keine längere als eine 6-monatige Bindungsfrist als angemessen angesehen werden.

2. Zum Schadenersatzanspruch

Der Beklagte hat keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen der durch die Klägerin erfolgten Vertragsbeendigung zum 31. Jan. 2006. Soweit der Beklagte den geltend gemachten Anspruch auf die nicht eingehaltene Kündigungsfrist stützt (§§ 280, 619a BGB), fehlt es an einem schuldhaften Fehlverhalten der Klägerin und an einem nachvollziehbar dargestellten Schaden wegen dieses Fehlverhaltens.

a. Ein zunächst gegebenes schuldhaftes Fehlverhalten der Klägerin (Nichteinhaltung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist) ist letztlich schon deswegen auszuschließen, da sich der Beklagte mit der Vertragsbeendigung zum 31. Jan. 2006 einverstanden erklärt hatte (Schreiben vom 22. Dez. 2006, Anlage K 2, Bl. 6 d. A.).

Der Beklagte trägt zwar vor, nur den Zeitpunkt der Vertragsbeendigung bestätigt zu haben. Dies trifft nach dem reinen Wortlaut der Erklärung zu. Doch konnte und durfte die Klägerin die Erklärung nur so verstehen, er sei auch mit der Kündigung einverstanden. Ansonsten hätte wohl ein Hinweis auf die nicht zutreffend eingehaltene Frist erfolgen müssen.

b. Im Übrigen trägt der Beklagte nicht vor, welcher Schaden ihm gerade wegen der vorzeitigen Vertragsbeendigung entstanden war. Ungeachtet der offenen Frage weshalb er wegen der Kündigung der Klägerin zwei andere Kräfte zur Fortbildung hatte senden müssen, liegt in den daraus erwachsenen Kosten kein ersatzfähiger Schaden. Dieser wäre auch und in gleicher Höhe bei Einhaltung der Kündigungsfrist zum 31. März 2006 entstanden.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben. Ein Anlass, die Revision zuzulassen (§72 ArbGG) bestand nicht. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72a ArbGG) wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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