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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 08.11.2007
Aktenzeichen: 1 Sa 15/07
Rechtsgebiete: BGB, Erlass vom 28.06.04


Vorschriften:

BGB §§ 305 ff
Erlass vom 28.06.04 AmtsBl MV S 635 II 1.3
Die nach Erlass vom 28.06.2004 (IV 130-P 2164-2/04 - Amtsblatt für Mecklenburg-Vorpommern 2004, Seite 635 ff) an weibliche Mitarbeiter im Falle der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu zahlende Abfindung unterliegt einer Kürzungsmöglichkeit nicht nur im Falle der Inanspruchnahme der Regelaltersrente, sondern auch im Falle des Bezuges einer vorzeitigen, gegebenenfalls verkürzten Altersrente.
Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 22.08.2006 - 4 Ca 163/06 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision gegen diese Entscheidung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Höhe des Abfindungsanspruches der Klägerin auf der Grundlage des Erlasses zur Gewährung übertariflicher Leistungen für Angestellte und Arbeiter in der Landesverwaltung vom 28.06.2004 - IV 130-P 2164-2/04 (Amtsblatt von Mecklenburg-Vorpommern 2004, Seite 635 ff.).

Die Parteien schlossen einen Aufhebungsvertrag auf der Grundlage des obengenannten Erlasses im Wesentlichen mit dem Inhalt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2006 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 6.143,76 EUR, welchen die Klägerin unter dem Vorbehalt annahm, die Höhe der Abfindung sowie eventuelle Ansprüche nach dem Tarifvertrag zur sozialen Absicherung sowie mögliche Schadensersatzansprüche zu prüfen. Aufgrund dieser Vorbehaltserklärung gelangte das beklagte Land zunächst zu der Rechtsauffassung, der Auflösungsantrag sei nicht rechtswirksam zustande gekommen und forderte die Klägerin auf, die Arbeit wieder aufzunehmen.

In der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht Stralsund vom 01.06.2006 schlossen die Parteien den folgenden Teilvergleich:

"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Arbeitsverhältnis durch Auflösungsvertrag vom 07.03.2006/20.03.2006 mit Ablauf des 31.03.2006 aufgelöst worden ist und der Klägerin die Abfindung entsprechend dem Erlass vom 28.06.2004 - IV 130-P 2164-2/04 - in seiner jeweils geltenden Fassung zusteht.

2. Damit ist der Antrag zu 1 aus der Klageschrift vom 24.04.2006 erledigt.

3. ..."

Die Klägerin hat beantragt,

das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin eine Abfindung in Höhe von 24.550,20 EUR zuzüglich Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Stralsund hat der Klage in Höhe eines Betrages von 6.143,76 EUR stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat im Wesentlichen argumentiert, das beklagte Land habe dem Grunde und der Höhe nach in rechtlich nicht zu beanstandender Weise nach dem Erlass vom 28.06.2004 eine Kürzung des Abfindungsbetrages vorgenommen. Ein Verstoß gegen die §§ 305 ff. BGB sei im Übrigen nicht ersichtlich.

Gegen diese am 18.12.2006 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 17.01.2007 beim Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern eingegangene Berufung der Klägerin nebst Begründung - nach entsprechender gerichtlicher Fristverlängerung eingegangen am 05.03.2007.

Die Klägerin hält an ihrer Rechtsauffassung fest und trägt vor, die Auslegung des Erlasses vom 28.06.2004 führe zu dem Ergebnis, dass eine Kürzung des Abfindungsbetrages lediglich in Verbindung mit der Inanspruchnahme der Regelaltersrente vorgenommen werden könne. Bereits nach dem Wortlaut der einschlägigen Regelungen sei eine Kürzungsmöglichkeit im Falle eines vorzeitigen - verkürzten - Rentenbezuges gerade nicht vorgesehen. Außerdem verstoße der Erlass vom 28.06.2004 gegen die Grundsätze der allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Die Klägerin beantragt:

1. Unter Abänderung des am 22.08.2006 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Stralsund - 4 Ca 163/06 - wird das beklagte Land verurteilt, weitere 18.406,44 EUR nebst fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 08.05.2006 zu zahlen.

2. Das beklagte Land trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das beklagte Land beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten im Berufungsrechtszuge wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht Stralsund hat die Zahlungsklage in Höhe des Berufungsgegenstandes mit zutreffenden Erwägungen abgewiesen.

1.

Die Klägerin verfügt gegen das beklagte Land nicht über einen weitergehenden Abfindungsanspruch über den rechtskräftig ausgeurteilten Betrag hinaus auf der Grundlage des Erlasses vom 28.06.2004. Dort heißt es unter II 1. 3 - soweit hier von Bedeutung - wie folgt:

"Arbeitnehmer erhalten (abweichend vom Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 06.07.1992) für jedes volle Jahr der Beschäftigungszeit (§ 19 BAT-O, § 6 MTA-O bzw. § 52 MTW-O - ohne die nach ÜV Nr. 3 hierzu berücksichtigten Zeiten) das Einfache der letzten Bruttomonatsvergütung bzw. des letzten Bruttomonats-Tabellenlohnes, mindestens aber 5.112,92 EUR und höchstens das Zwölffache dieser Vergütung bzw. dieses Lohnes, aber nicht mehr als 30.677,51 EUR... In den Fällen, in denen die Differenz vom Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum Eintritt in eine Altersrente kleiner als 30 Monate ist, wird für jeden fehlenden Monat ein Abzug von 1.022,58 EUR vorgenommen. Für Frauen, die bis zum 63. Lebensjahr ausscheiden, führt ein Anspruch auf die Altersrente für Frauen nicht zum Wegfall oder zur Kürzung der Abfindung. Für die Berechnung einer eventuellen Kürzung wird in diesem Fall die nächstmögliche Altersrente zugrunde gelegt."

II 1. 4 des obengenannten Erlasses - Allgemeines Hinweise - lautet auszugsweise:

"Die Herausnahme der Altersrente für Frauen aus der Kürzungsregelung (§ 2 Abs. 5) ist auf folgende Rechtslage zurückzuführen:

Scheiden Männer oder Frauen nach Vollendung des 59. Lebensjahres aus und liegt der 30-Monatsregelung die frühestmögliche Altersrente zugrunde, fällt die Kürzung der Abfindung bei Männern geringer aus als bei Frauen. Frauen haben ab dem 60. Lebensjahr einen Anspruch auf die Altersrente für Frauen, während für Männer ein Anspruch auf Rente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit erst frühestens nach einem Jahr Arbeitslosigkeit entsteht. Um diese deutliche Belastung für Frauen zu vermeiden, wird die Altersrente für Frauen aus der Kürzungsregelung herausgenommen. Für die Berechnung einer eventuellen Kürzung wird in diesem Fall die nächstmögliche Altersrente (in der Regel die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit) zugrunde gelegt..."

Unter Berücksichtung der vorgenannten Voraussetzungen hat das beklagte Land den Abfindungsbetrag zu Recht auf den erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag gekürzt. Ein weitergehender Abfindungsanspruch steht der Klägerin nicht zu. Zur Begründung kann diesbezüglich im Wesentlichen auf die erstinstanzlichen Ausführungen in der streitbefangenen Entscheidung Bezug genommen werden.

Ergänzend ist in Ansehung der Berufungsbegründung lediglich anzumerken, dass der angefochtenen Entscheidung des Arbeitsgerichts Stralsund nach Auffassung der Kammer bei der Auslegung des Erlasses vom 28.06.2004 ein "Verstoß gegen Denkgesetze" auch nicht ansatzweise zu entnehmen ist.

Bereits aus den oben zitierten Hinweisen unter II 1. 4 des genannten Erlasses ergibt sich unmissverständlich, dass der Erlassgeber hinsichtlich weiblicher Mitarbeiter eine Kürzungsmöglichkeit von Abfindungszahlungen nicht nur bezogen auf die Regelaltersrente beabsichtigt hat, sondern vielmehr auch von einer Kürzungsnotwendigkeit im Falle einer vorzeitigen - gegebenenfalls verkürzten - Renteninanspruchnahme ausgegangen ist. Denn unter II 1. 4 - Allgemeine Hinweise - ist ausdrücklich von einem zu vermeidenden Nachteil für Frauen hinsichtlich der Kürzungsproblematik von Abfindungen die Rede, die von der Möglichkeit der Renteninanspruchnahme ab dem 60. Lebensjahr Gebrauch machen. Die genannten Hinweise wären völlig sinnentleert, wollte man den Erlass lediglich im Sinne einer Kürzungsmöglichkeit im Falle der Regelaltersrente für Frauen auslegen. Vielmehr verbieten die genannten Hinweise - entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin - geradezu eine dementsprechende Auslegung des Erlasses vom 28.06.2004.

2.

Die Klägerin kann den von ihr verlangten Anspruch auch nicht auf die §§ 305 ff. BGB stützen.

a)

Dem Auflösungsvertrag vom 07.03.2006 ist ein Verstoß gegen die Grundsätze der allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) nicht zu entnehmen. Zwar ist der Klägerin zuzugestehen, dass § 1 Abs. 2 des Auflösungsvertrages eine unklare Regelung zu ihrem Nachteil enthalten könnte. Diese rechtliche Überlegung ist jedoch mit Blick auf § 3 Abs. 1 des Auflösungsvertrages im gleichen Atemzug zu verwerfen, denn dort ist die konkrete Abfindungshöhe ausdrücklich benannt. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, weshalb der Auflösungsvertrag für die Klägerin eine unklare und für sie nachteilige Regelung enthalten soll. Im Zeitpunkt der Unterschriftsleistung musste der Klägerin unmissverständlich klar sein, dass das beklagte Land auf der Grundlage des Erlasses vom 28.06.2004 allenfalls gewillt war, anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von 6.143,76 EUR zu zahlen.

b)

Auch der zwischen den Parteien geschlossene Teilvergleich in der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht Stralsund vom 01.06.2006 verstößt - als schuldrechtliche Vereinbarung - nicht gegen die Grundsätze der allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB.

Der dort getroffenen Vereinbarung ist ebenfalls keine rechtlich erhebliche Unklarheit zu entnehmen. Vielmehr spiegelt sich dort der übereinstimmende Wille der Parteien wider, zum einen das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31.03.2006 als aufgelöst zu betrachten, und zum anderen die Rechtsfrage der konkreten Abfindungshöhe im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens entscheiden zu lassen. Irgendwelche - wie auch immer geartete - rechtlich relevante Unklarheiten sind insoweit nicht ersichtlich.

Nach alledem war wie erkannt zu entscheiden.

3.

Die Klägerin hat als unterlegene Partei die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 97 ZPO).

Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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