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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 10.12.2008
Aktenzeichen: 2 Sa 180/08
Rechtsgebiete: AZVO MV


Vorschriften:

AZVO MV § 3 Abs. 7
Wird eine Vereinbarung gemäß § 3 Abs. 7 Arbeitszeitverordnung M-V getroffen, kann der Arbeitgeber sich nicht darauf berufen, dass ein Zeitguthaben durch Unterrichtsausfälle bereits im jeweiligen Schuljahr ausgeglichen worden sei. § 3 Abs. 7 Arbeitszeitverordnung M-V geht von einem Ausgleich in einem anderen Schuljahr aus.
Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 09.04.2008 - 3 Ca 105/08 - wie folgt abgeändert:

1. Das beklagte Land wird verurteilt, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin unter Berücksichtigung der bisherigen Zeitguthaben

a) für das Schuljahr 2005/2006 insgesamt 130 Stunden

b) für das Schuljahr 2006/2007 insgesamt 78 Stunden gutzuschreiben.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 1/3, dem beklagten Land zu 2/3 auferlegt.

II. Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Erhöhung eines Arbeitszeitguthabens.

Die Klägerin ist bei dem beklagten Land seit 1997 als vollbeschäftigte Lehrkraft an der Beruflichen Schule des Landkreises Parchim beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst Anwendung.

Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des klageabweisenden Urteils des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 09.04.2008 - 3 Ca 105/08 - Bezug genommen.

Die Klägerin hatte erstinstanzlich zuletzt folgende Anträge gestellt:

1. Das beklagte Land zu verpflichten, für das Schuljahr 2004/2005 dem Arbeitszeitkonto der Klägerin 104 Stunden gutzuschreiben.

2. Das beklagte Land zu verpflichten, für das Schuljahr 2005/2006 dem Arbeitszeitkonto der Klägerin 130 Stunden gutzuschreiben und

3. das beklagte Land zu verpflichten, für das Schuljahr 2006/2007 dem Arbeitszeitkonto der Klägerin 78 Stunden gutzuschreiben.

Die Klägerin beantragt für den Fall des Unterliegens mit dem Klagantrag zu 2 hilfsweise,

4. das beklagte Land zu verpflichten, für das Schuljahr 2006/2007 dem Arbeitszeitkonto der Klägerin weitere 130 Stunden gutzuschreiben.

In den Entscheidungsgründen hat das Gericht ausgeführt, die Klage sei teils unzulässig, im Übrigen unbegründet.

Für einen Teil der begehrten Zeiten sei sie unbegründet, weil es an der Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos entsprechend dem Erlass fehle. Für einige Zeiten sei die Berechnung durch das beklagte Land auch zutreffend. Im Übrigen hätten sich die Parteien auf die Ansetzung der konkret geleisteten Stunden geeinigt. Sämtliche konkret geleisteten Stunden seien auch berücksichtigt worden, soweit sie nicht durch Freizeitausgleich bereits getilgt seien. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Dieses Urteil ist der Klägerin am 09.05.2008 zugestellt worden. Sie hat dagegen Berufung eingelegt, die am 05.06.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf Grund eines fristgerecht eingegangenen Antrages bis zum 09.08.2008 verlängert worden ist, ist die Berufungsbegründung am 08.08.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Die Klägerin ist der Auffassung, auf Grund der vorangegangenen Vereinbarungen habe auch im Schuljahr 2005/2006 ein Arbeitszeitkonto und damit die entsprechende Vereinbarung bestanden. Eine Regelung, dass über den vertraglich geschuldeten Umfang hinaus bereits geleistete Unterrichtsstunden deshalb gekürzt werden können, weil zu einem späteren Zeitpunkt Unterrichtsstunden ausfallen oder das Arbeitsvolumen sich aus organisatorischen Gründen verringere, enthalte die Vereinbarung nicht. Nachdem die Erhöhung der Arbeitszeit abstrakt vereinbart worden sei, müsse eine Anrechnung auf das Arbeitszeitkonto auch abstrakt erfolgen. Im Übrigen wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

1. das beklagte Land unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 09.04.2008 zu verpflichten, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin unter Berücksichtigung der bisherigen Zeitguthaben,

a) für das Schuljahr 2004/2005 insgesamt 104 Stunden,

b) für das Schuljahr 2005/2006 insgesamt 130 Stunden,

c) für das Schuljahr 2006/2007 insgesamt 78 Stunden gutzuschreiben.

2. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 1 b):

das beklagte Land zu verpflichten, für das Schuljahr 2006/2007 dem Arbeitszeitkonto weitere 130 Stunden gutzuschreiben.

Darüber hinaus wird beantragt:

3. Festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, bei einer befristeten Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung dem Arbeitszeitkonto der Klägerin die Stundenzahl gutzuschreiben, welche sich aus der Anzahl der Unterrichtsstunden ergibt, um welche das wöchentlich vereinbarte Arbeitszeitvolumen erhöht werden soll, multipliziert mit 52, soweit sich die Erhöhung auf das gesamte Schuljahr bezieht bzw. multipliziert mit 26, wenn das Arbeitszeitvolumen bezogen auf ein Schulhalbjahr erhöht werden soll.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es tritt der erstinstanzlichen Entscheidung bei.

Hinsichtlich jedes weiteren Vorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.

1. Soweit die Klägerin für das Schuljahr 2004/2005 eine Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto von insgesamt 104 Stunden beantragt, ist die Klage unbegründet.

Die Klägerin hat in der Vereinbarung vom 30. Mai 2005 auf dieses Guthaben verzichtet. Dies hat auch das Arbeitsgericht Schwerin in seiner Entscheidung zutreffend ausgeführt. In dem Protokoll heißt es ausdrücklich, dass die Klägerin sich für die Variante entschieden habe, in der es heißt: "Nach dieser Variante ist davon auszugehen, dass das Arbeitszeitkonto im Schuljahr 2004/05 ohne Anrechnungsstunden abschließt."

Dies kann nicht anders verstanden werden, als dass die Klägerin davon ausgeht, dass in diesem Zeitraum kein Zeitguthaben entstanden ist. Ein derartiger Verzicht war auch wirksam. In tarifliche Rechte der Klägerin ist dabei nicht eingegriffen worden. Die Klägerin hat mit dieser Vereinbarung nicht auf ein Zeitguthaben verzichtet, sondern sich mit der Betrachtungsweise einverstanden erklärt hat, dass das Zeitguthaben durch spätere Unterrichtsausfälle ausgeglichen worden ist.

2. Soweit die Klägerin eine Zeitgutschrift für das Schuljahr 2005/2006 von insgesamt 130 Stunden begehrt, ist die Klage begründet.

Die Klägerin hat unter dem 28.09.2005 einen Antrag auf flexible Gestaltung der Arbeitszeit für das vorliegende Schuljahr gestellt, der mit der Begründung abgelehnt worden ist, dass die zunächst anfallende Mehrarbeit von 2,5 Stunden in der Woche ab Mai 2006 wieder ausgeglichen werden könne. Mit dieser Begründung hätte der Antrag jedoch nicht abgelehnt werden dürfen. Die Klägerin ist im vorliegenden Fall so zu stellen, als hätte es die Vereinbarung gegeben, da die von der Beklagten vorgenommene Erhöhung nur auf Grund der Vereinbarng hätte gefordert werden dürfen.

Gemäß § 3 Abs. 7 Arbeitszeitverordnung im Land Mecklenburg-Vorpommern kann aus dienstlichen Gründen im Bereich der öffentlichen Schulen auf Antrag einer Lehrkraft deren persönliche Arbeitszeit um bis zu drei Wochenstunden für jeweils ein ganzes Schuljahr erhöht werden. Um eine derartige Erhöhung handelt es sich im vorliegenden Fall. Der Umstand, dass es ab Mai 2006 voraussichtlich zu Unterrichtsausfällen auf Grund von Klassenfahrten und Prüfungen kommen wird, ändert nichts daran, dass die Unterrichtsleistung grundsätzlich für ein gesamtes Schuljahr erhöht werden sollte.

Ein Ausgleich von Zeitguthaben, die in einem Schuljahr entstehen, mit Minusstunden, die im gleichen Schuljahr auf Grund von Unterrichtsausfällen entstehen, ist nach § 3 Abs. 7 Arbeitszeitverordnung schon deshalb nicht möglich, weil diese Vorschrift von einem Ausgleich durch Freistellung in einem anderen Schuljahr ausgeht. Auf § 3 Abs. 1 Arbeitszeitverordnung M-V kann das beklagte Land sich schon deshalb nicht berufen, da § 3 Abs. 7 Arbeitszeitverordnung M-V eine Sonderregelung enthält, die auf den vorliegenden Fall Anwendung findet.

Das beklagte Land kann sich schließlich auch nicht auf ein Direktionsrecht berufen, wonach es berechtigt sei, die Wochenarbeitszeit der Lehrkräfte flexibel zu gestalten mit der Folge, dass es nicht in Anahmeverzug gerate, wenn im Rahmen der Schulwoche die für das Vollarbeitszeitverhältnis maßgebliche Pflichtstundenzahl nicht gegenüber der jeweiligen Lehrkraft angeboten werde (so auch Blatt 9 der Berufungserwiderung vom 11.09.2008 ausgeführt). Woher das beklagte Land ein Direktionsrecht nimmt, wonach es berechtigt sei, die Regelung über Annahmeverzug außer Kraft zu setzen, ist nicht ersichtlich.

Hätte das beklagte Land Recht, so könnte es gegenüber einer Lehrkraft die Vergütung kürzen, wenn Unterricht ausfällt, weil die an sich zu unterrichtende Klasse sich auf einer Klassenreise oder in Prüfungen befindet. Dies wird weder praktiziert, noch wäre es rechtmäßig.

Aus der Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit unter Berücksichtigung der Schulferien kann nicht geschlossen werden, dass die Regelungen über den Annahmeverzug im Lehrerarbeitsverhältnis überhaupt nicht gelten. Selbst das beklagte Land geht davon aus, dass im vorliegenden Fall § 3 Abs. 7 Arbeitszeitverordnung einschlägig ist (Blatt 13 der Berufungserwiderung).

Die insoweit erhobene Klage ist auch nicht unzulässig, weil ein Teil der Ansprüche auf Zeitgutschrift aus dem Schuljahr 2005/2006 durch das beklagte Land bereits anerkannt sind. Mit der Formulierung "insgesamt" wird ausreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass bereits gut geschriebene Stunden in dem geforderten Betrag enthalten sind. Bei der Berechnung der Mehrarbeit konnte die Klägerin sich auch gemäß § 3 Abs. 7 Arbeitszeitverordnung auf ein ganzes Schuljahr beziehen, d. h. ohne Ausschluss der Sommerferien, wie es in der von dem Land getroffenen Vereinbarung erfolgt ist. Paragraf 3 Abs. 7 Arbeitszeitverordnung bezieht sich auf ein ganzes Schuljahr. Das ist die Zeit ab Ende der Sommerferien bis zum Ende der Sommerferien des darauf folgenden Jahres. Das sind im Durchschnitt zwölf Monate.

3. Nach den vorangegangenen Ausführungen besteht auch ein Anspruch auf Gutschrift eines Zeitguthabens in Höhe von 78 Stunden auf Grund der Vereinbarung vom 15.01.2007 (Blatt 121 d. A.). Für das Schuljahr 2006/2007 sollte die regelmäßige Arbeitszeit um 1,5 Unterrichtswochenstunden erhöht werden. Das sind richtigerweise auf ein Schuljahr bezogen 78 Stunden. Auf einen Ausgleich innerhalb des Schuljahres 2006/2007 konnte das beklagte Land sich angesichts der Fassung von § 3 Abs. 7 Arbeitszeitverordnung nicht berufen. Im Übrigen geht die Vereinbarung selbst auch von einem Ausgleich in einem späteren Schuljahr aus.

4.

Der unter 3 begehrte Feststellungsantrag ist unbegründet.

Warum bei jeder, auch eventuell nur um einen Monat befristeten Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung dem Arbeitszeitkonto der Klägerin die Stundenzahl gutzuschreiben sei, welche sich aus der Multiplizierung mit 52 bzw. 26 ergibt, ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 93 ZPO.

Zur Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG bestand kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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