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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 10.12.2008
Aktenzeichen: 2 Sa 263/08
Rechtsgebiete: TV-Ärzte


Vorschriften:

TV-Ärzte § 12
Für die Forderung einer abgeschlossenen Zusatzweiterbildung durch den Arbeitgeber gem. § 12 TV-Ärzte (Entgeltgruppe Ä 3) reicht es aus, wenn sich die Forderung nach der Zusatzweiterbildung aus den Umständen ergibt. Insbesondere ist maßgeblich, ob eine Ausübung der übertragenen Spezialfunktion ohne Zusatzweiterbildung nach den Umständen des Einzelfalles denkbar wäre.
Tenor:

I. 1. In Abänderung des Urteils vom 31.07.2008 - Az. 3 Ca 745/08 - des Arbeitsgerichts Rostock wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin seit dem 01.09.2007 Vergütung nach der Vergütungsgruppe Ä 3 des TV-Ärzte zu bezahlen.

2. Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 6.060,00 EUR brutto zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus 500,00 EUR seit dem 01.10.2007

aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.11.2007

aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.12.2007

aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.01.2008

aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.02.2008

aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.03.2008

aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.04.2008

aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.05.2008

aus weiteren 515,00 EUR seit dem 01.06.2008

aus weiteren 515,00 EUR seit dem 01.07.2008

aus weiteren 515,00 EUR seit dem 01.08.2008

und aus weiteren 515,00 EUR seit dem 01.09.2008 zu bezahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem beklagten Land auferlegt.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist seit 1984 bei dem beklagten Land bzw. dessen Rechtsvorgängern als Ärztin an der Klinik für Innere Medizin, Abteilung Pathophysiologie beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages (Blatt 9 d. A.) bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT-O) vom 10.12.1990 und den diesen ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für die TdL geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber geltenden sonstigen Tarifverträge nach dem Arbeitsvertrag Anwendung.

Die Klägerin ist seit 1990 Fachärztin für Pathophysiologie. Sie ist gem. Urkunde der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern vom 22.06.2005 auf Grund nachgewiesener Weiterbildung berechtigt, die Zusatzbezeichnung "Schlafmedizin" zu führen. Die Klägerin leitet seit August 2006 das Schlaflabor an der Klinik für Innere Medizin. Hinsichtlich der Übertragungsschreiben wird auf Blatt 12 und 13 d. A. Bezug genommen.

Die Klägerin erhält eine Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 2 Stufe 3 des Tarifvertrages-Ärzte und verdient gegenwärtig 4.800,00 EUR brutto monatlich. Mit der Klage werden Ansprüche der Klägerin auf eine Eingruppierung nach Entgeltgruppe Ä 3 Stufe 1 seit September 2007 geltend gemacht. Auf das anwaltliche Geltendmachungsschreiben vom 05.03.2008 (Blatt 16 d. A.) wird Bezug genommen.

Eine Klage auf Feststellung, dass das beklagte Land verpflichtet sei, seit 01.09.2007 Vergütungsgruppe nach der Vergütungsgruppe Ä 3 des TV-Ärzte zu bezahlen und einen Zahlungsantrag auf Zahlung der Differenz zwischen der Vergütungsgruppe Ä 2 und Ä 3 für die Monate September bis April 2008 hat das Arbeitsgericht Rostock durch Urteil vom 31.07.2008 - 3 Ca 745/08 - abgewiesen. In den Gründen hat es ausgeführt, die Klägerin trage keine über ihre fachärztliche Tätigkeit hinausgehende medizinische Verantwortung für einen Teil- oder Funktionsbereich. Paragraf 12 TV-Ärzte sei dahin auszulegen, dass der nach Ä 3 zu vergütende Arzt Aufsichts- und Weisungsbefugnis über nachgeordnete Ärzte habe. Der Klägerin sei jedoch kein Arzt oder Facharzt unterstellt, sondern lediglich ein Assistenzarzt im Rotationssystem zugeordnet.

Eine Eingruppierung nach der 2. Alternative der Entgeltgruppe Ä 3 im § 12 TV-Ärzte setze voraus, dass das beklagte Land eine Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung gefordert habe. Eine derartige Forderung liege jedoch nicht vor. Im Übrigen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Dieses Urteil ist der Klägerin am 01.08.2008 zugestellt worden. Sie hat dagegen Berufung eingelegt, die am 01.09.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Die Berufungsbegründung ist am 01.10.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr sei die medizinische Verantwortung übertragen worden. Es gäbe in ganz Mecklenburg-Vorpommern kein Schlaflabor, dessen Leiter nicht Schlafmediziner wäre und damit über eine Zusatzqualifikation nach der Weiterbildungsordnung verfüge. Die Klägerin sei bereits im Akkreditierungsantrag von 2004 ausdrücklich als Verantwortliche für medizinische Belange gelistet worden.

Die Klägerin beantragt,

1. In Abänderung des erstinstanzlichen Urteils vom 31.07.2008, AZ 3 Ca 745/08 des Arbeitsgerichts Rostock, wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin seit 01.09.2007 Vergütung nach der Vergütungsgruppe Ä 3 des TV -Ärzte zu bezahlen.

2. Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 6.060,00 EUR brutto zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus 500,00 EUR seit dem 01.10.2007

aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.11.2007

aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.12.2007

aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.01.2008

aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.02.2008

aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.03.2008

aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.04.2008

aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.05.2008

aus weiteren 515,00 EUR seit dem 01.06.2008

aus weiteren 515,00 EUR seit dem 01.07.2008

aus weiteren 515,00 EUR seit dem 01.08.2008 und

aus weiteren 515,00 EUR seit dem 01.09.2008 zu bezahlen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es tritt der erstinstanzlichen Entscheidung bei.

Hinsichtlich der weiteren Ausführungen der Parteien wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts Rostock ist die zulässige Klage begründet.

Der TV-Ärzte findet auf Grund der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, da das beklagte Land an den Tarifvertrag gebunden ist. Die maßgebliche Tarifnorm in § 12 TV-Ärzte für die Entgeltgruppe Ä 3 lautet wie folgt:

"Oberarzt ist derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist.

Oberarzt ist ferner der Facharzt in einer durch den Arbeitgeber übertragenen Spezialfunktion, für die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung fordert."

Mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht Rostock einer Eingruppierung nach dem ersten Absatz dieser Vorschrift abgelehnt. Die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche setzt voraus, dass dem Oberarzt mindestens ein weiterer Arzt unterstellt ist. Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Assistenzarzt, der in dem Schlaflabor weiter tätig ist, ist der Klägerin lediglich im Rotationsprinzip zugeordnet.

Der zweite Absatz der Eingruppierungsvorschrift ist jedoch erfüllt. Die Klägerin ist Fachärztin und verfügt über eine Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern (Blatt 11 d. A.). Bei der Leitung des Schlaflabors handelt es sich auch um eine durch den Arbeitgeber übertragene Spezialfunktion. Die Leitung eines Schlaflabors ist ein spezieller Teil der Medizin, der nicht allein durch das Innehaben einer Facharztausbildung abgedeckt werden kann.

Nach dem Vortrag der Parteien ist auch davon auszugehen, dass das beklagte Land für die übertragene Spezialfunktion eine Weiterbildung in "Schlafmedizin" fordert. Dem beklagten Land ist Recht zu geben, dass eine ausdrückliche Forderung wonach der Leiter des Schlaflabors über eine Zusatzweiterbildung in "Schlafmedizin" verfügen muss, nicht existiert. Diese Forderung ergibt sich jedoch aus den Umständen. Es ist nicht vorstellbar, dass die Beklagte einen Arzt mit der Leitung des Schlaflabors beauftragt, der für diesen speziellen Medizinzweig nicht den vorgesehenen Weiterbildungsnachweis der Ärztekammer besitzt. Immerhin wirbt das beklagte Land in dem Internetauftritt für das Schlaflabor auch mit der Qualifikation der Klägerin (vgl. Anlage K 9, Blatt 26 d. A.).

Man könnte auch die Auffassung vertreten, die Forderung der Weiterbildung durch den Arbeitgeber müsse ausdrücklich erfolgen. Es sollte damit nämlich ausgeschlossen werden, dass der Arbeitgeber sich einem Höhergruppierungsverlangen ausgesetzt sieht, das ihm aus fiskalischen Gründen unerwünscht ist. Mindestens ebenso unbefriedigend wäre es aber, wenn der Arbeitgeber sich der Höhergruppierung allein dadurch entziehen könnte, indem er von einer ausdrücklichen Forderung absieht, bei der Stellenbesetzung aber nur Bewerber mit der Zusatzweiterbildung berücksichtigt.

Schließlich hätte die gegenteiligte Auffassung die Konsequenz, dass die Höhergruppierung letztlich in das Belieben des Arbeitgebers gestellt ist, da er über das Steuerungsmittel der ausdrücklichen Forderung verfügt. Dann wäre es aber nicht erforderlich gewesen, tarifliche Kriterien für eine Eingruppierung von Oberärzten festzusetzen, da es letztlich ohnehin dem Belieben des Arbeitgebers überlassen bleibt, ob er eine höhere Vergütung zahlen will.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 91 ZPO.

Die Revision wird gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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