Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 21.01.2009
Aktenzeichen: 3 Sa 190/08
Rechtsgebiete: TV-Ärzte


Vorschriften:

TV-Ärzte § 12
Ein Teilbereich im Sinne von § 12 Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte kann u.a. grundsätzlich nur im Falle der Unterstellung ärztlichen Personals angenommen werden.
Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom 07.05.2008 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Die Revision gegen diese Entscheidung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des beklagten Landes, den Kläger mit Wirkung ab dem 01.07.2006 bis einschließlich 30.04.2008 als Oberarzt gemäß § 12 Entgeltgruppe Ä 3 Stufe 3 der Anlage B1 zum Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom 30.10.2006 (künftig: TV-Ärzte) zu vergüten.

Der Kläger war spätestens seit dem 01.02.2001 auf der Grundlage der Tätigkeitsdarstellung und -bewertung vom 23.01.2001 (Blatt 39 bis 43, Band I d. A.) als Leiter des Hämatologischen Speziallabors und Kontrollleiter für die Stammzellproduktion gemäß dem Arzneimittelgesetz tätig. Der Kläger erhielt zuletzt eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 14 (E 14) TVÜ-L (entspricht Vergütungsgruppe I b BAT-O). Dem Kläger waren die Mitarbeiterinnen Dr. Knopp (Naturwissenschaftlerin; Zytogenetik) und Feltl (MTA; Zytogenetik) ständig unmittelbar unterstellt. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Kläger zudem die Mitarbeiterinnen Eisenberger (MTA; Zytologie und Histologie), Koppitz (MTA; Molekularbiologie), Buthmann (MTA; Zellbiologie) sowie Alscher-Freund (Arzthelferin; Stammzellproduktion) ständig unmittelbar unterstellt waren.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, den Kläger rückwirkend seit dem 01.07.2006 bis einschließlich 30.04.2008 in die Entgeltgruppe Ä 3 Stufe 3 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte) einzustufen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Tatsachenvortrages wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung vom 07.05.2008 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Rostock hat der Klage stattgegeben und im Wesentlichen argumentiert, die Klage sei als Feststellungsklage zulässig. Im Übrigen sei die Klage auch begründet. Der Kläger falle gemäß § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit der Protokollerklärung zu Absatz 1 TV-Ärzte unter den Geltungsbereich des benannten Tarifvertrages. Auch sei der Kläger als Oberarzt gemäß § 12 Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte zu vergüten. Denn die Entgeltgruppe Ä 3 setze eine Facharztqualifikation nicht voraus. Dem Kläger sei die Laborleitertätigkeit im tariflichen Sinne übertragen worden. Der Kläger habe zeitlich mindestens zur Hälfte diese Tätigkeit ausgeübt. Das von dem Kläger zu leitende Labor stelle einen Funktionsbereich im tariflichen Sinne dar.

Gegen diese am 15.05.2008 zugegangene Entscheidung richtet sich die am 16.06.2008 bei dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern eingegangene Berufung des beklagten Landes nebst der - nach entsprechender gerichtlicher Fristverlängerung - am 15.08.2008 bei dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern eingegangenen Begründung.

Das beklagte Land hält an der erstinstanzlichen Rechtsauffassung fest.

Die Klage sei unzulässig. Dem Kläger sei es möglich gewesen, eine Leistungsklage zu erheben, da der Leistungszeitraum (01.07.2006 bis 30.04.2008) festgestanden habe. Die Klage sei zudem unbegründet. Der Kläger unterfalle bereits nicht dem TV-Ärzte, da er nicht überwiegend Aufgaben in der Patientenversorgung wahrgenommen habe. Jedenfalls unterfalle der Kläger jedoch nicht der Entgeltgruppe Ä 3. Zum einen setze die benannte Entgeltgruppe die Facharztqualifikation voraus. Zum anderen könne das Hämatologische Labor nicht als "Funktionsbereich" im tariflichen Sinne verstanden werden. Insoweit fehle es bereits an dem notwendigen Merkmal eines wissenschaftlich anerkannten Spezialgebietes. Auch die tarifliche Begrifflichkeit des Teilbereiches sei nicht gegeben. Denn auch insoweit müsse es sich inhaltlich um ein Spezialgebiet handeln, was vorliegend gerade nicht der Fall sei. Selbst wenn man den "Teilbereich" abweichend von dem "Funktionsbereich" definieren wolle, so seien die Voraussetzungen hier gleichwohl nicht erfüllt. Dem Kläger sei die "medizinische Verantwortung" im tariflichen Sinne nicht übertragen worden. Die medizinische Verantwortung und damit auch die Leitung müsse sich auf den gesamten Bereich der Patientenbehandlung in dem betreffenden Bereich erstrecken. Dies schließe insbesondere die Verantwortung hinsichtlich der Durchführung der Patientenbehandlung für die in diesem Bereich dem Arzt unterstellten ärztlichen und nichtärztlichen Beschäftigten ein. Vorliegend habe der Kläger gerade nicht die Verantwortung hinsichtlich der Durchführung der Patientenbehandlung getragen. Außerdem sei dem Kläger die Laborleitung nicht auf Grund ausdrücklicher Anordnung übertragen worden. Schließlich sei der Kläger in den vergangenen Jahren nach der Vergütungsgruppe I b Fallgruppe 13 der Anlage 1a zum BAT-O vergütet worden. Eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe I a Fallgruppe 7 der Anlage 1a zum BAT-O habe er nicht geltend gemacht. Mithin greife die Ausschlussfrist nach § 70 BAT-O.

Das beklagte Land beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom 07.05.2008, Gz. 4 Ca 590/07, wird aufgehoben.

2. die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des beklagten Landes zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Berufung auf die dortigen Ausführungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten im Berufungsrechtszug wird auf die insoweit zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom 07.05.2008 - Aktenzeichen 4 Ca 590/07 - ist zulässig und begründet. Zwar ist die Klage als Feststellungsklage - entgegen der Auffassung des beklagten Landes - zulässig (I.). Jedoch ist die Klage unbegründet (II.).

I.

Das Arbeitsgericht Rostock hat rechtsfehlerfrei in Auswertung der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes die Zulässigkeit der Feststellungsklage bejaht. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen schließt sich das erkennende Gericht insoweit den Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung an.

II.

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger verfügt gegenüber dem beklagten Land nicht über einen Anspruch auf Vergütung nach § 12 Entgeltgruppe Ä 3 Stufe 3 TV-Ärzte für die Zeit vom 01.07.2006 bis zum 30.04.2008.

1.

Der Kläger unterfällt - entgegen der Auffassung des beklagten Landes - dem Geltungsbereich des TV-Ärzte.

Gemäß § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit der Protokollerklärung zu Nr. 1 TV-Ärzte findet der Tarifvertrag u. a. Anwendung auf Ärztinnen und Ärzte an einer Universitätsklinik, die in ärztlichen Servicebereichen in der Patientenversorgung eingesetzt sind (beispielhaft aufgeführt: Pathologie, Labor sowie Krankenhaushygiene). In solchen Bereichen müssen mithin Arbeitsleistungen erbracht werden, die nicht lediglich z. B. der Forschung und Lehre dienen, sondern in eine konkrete Patientenbehandlung der jeweiligen Klinik einmünden.

Die benannten Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Denn die von dem Kläger verrichteten Tätigkeiten als Leiter des Hämatologischen Speziallabors sowie als Kontrollleiter für die Stammzellproduktion gemäß AMG auf der Grundlage der Tätigkeitsdarstellung und -bewertung vom 23.01.2001 flossen zu mehr als 50 Prozent in die Patientenversorgung ein.

Dieses Ergebnis rechtfertigt sich - worauf das Arbeitsgericht Rostock zu Recht hingewiesen hat - aus dem insoweit substantiierten Vortrag des Klägers.

Im Einzelnen hat der Kläger zu den Ziffern 2 und 3 (Zellbiologie; Stammzellproduktion) detailliert wie folgt vorgetragen:

"Der zweite Bereich des Hämatologischen Speziallabors ist das Mildred-Scheel-Labor für Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation. Dieses Labor dient der arzneimittelrechtlichen Herstellung von Knochenmark- und Blutstammzelltransplantaten für (ziel)gerichtete Stammzellspenden (d. h. ein Transplantat wird gezielt für einen Patienten, der vor der Gewinnung bekannt ist, hergestellt). Ohne ein Labor dieser Art wäre der Betrieb der Station 2 KIM (Mildred-Scheel-Station für Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation) nicht möglich.

Die Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation ermöglicht die Behandlung eines Patienten mit so hochdosierten Chemotherapeutika, die alleine gegeben die Blutbildung so stark schädigen würden, dass der Patient versterben kann. Die Gewinnung der Stammzellen der Blutbildung, mit nachfolgender Aufbereitung und Lagerung in tiefkaltem flüssigen Stickstoff im Labor ermöglichen einen Wiederaufbau der patienteneigenen Blutbildung durch die Transplantation der Stammzellen nach Chemotherapie (autologe Stammzelltransplantation).

Ist das Knochenmark Ursprung der Tumorerkrankung (z. B. akute Leukämie), ist es notwendig, Blutstammzellen oder Knochenmark von einem gesunden Spender zu transplantieren. Auch diese Transplantate werden in ähnlicher Weise im Labor aufgearbeitet wie patienteneigene Transplantate. In diesen Fällen handelt es sich um sogenannte allogene Transplantate."

Diesem konkreten Tatsachenvortrag ist das beklagten Land - auch in der Berufungsinstanz - nicht, jedenfalls nicht substantiiert, entgegengetreten.

Ziffer 5 der benannten Tätigkeitsdarstellung (Patientenversorgung) erfüllt unstreitig die oben genannten Voraussetzungen.

Die in Ziffer 1 der Tätigkeitsdarstellung (Durchflusszytometrie) dienen - jedenfalls zum Teil - nach dem spezifizierten Vortrag des Klägers ebenfalls der Patientenversorgung. Der Kläger führt insoweit wie folgt aus:

"In der Einleitung des Kapitels über Akute Leukämien wird dargestellt, dass die Diagnostik seit 1976 auf morphologischen und Immunphänotypischen (durchflusszytometrischen) Kriterien beruht. Die aktuell zur Klassifizierung und Behandlungsstrategie der Leukämien angewendete WHO Klassifikation umfasst weiterhin die Tumorzyogenetik und Molekularbiologie.

Das von dem Kläger geleitete Hämatologische Speziallabor ist genau in diese Bereiche aufgegliedert um diese Diagnostik nach dem Stand der Medizinischen Wissenschaft zu ermöglichen. Der Vergleich der dazu unterstellten Arbeitsplatzinhaber aus dem Punkt 4.1 der Tätigkeitsbeschreibung vom 23.01.2001 bildet dies ab:

...

Alle diese diagnostischen Bereiche dienen primär der Patientenversorgung und erlauben nur in Summe die Klassifizierung, Risikoabschätzung zur Erstellung der Behandlungsstrategie und den Nachweis eines Rückfalls bei Patienten mit Leukämien und Lymphdrüsenkrebs (Lymphom)."

Auch diesem Vortrag ist das beklagte Land weder erstinstanzlich noch zweitinstanzlich detailliert entgegengetreten. Soweit das beklagte Land insoweit vorträgt, hinsichtlich Ziffer 1 der Tätigkeitsdarstellung sei in Höhe von 10 Prozent eine Tätigkeit für Forschung und Lehre zu berücksichtigen, so kann dieser Vortrag als zutreffend unterstellt werden, da unter Berücksichtigung der oben genannten Tatsachen zu Gunsten des Klägers von einem Tätigkeitsumfang zur Patientenversorgung in Höhe von jedenfalls 60 Prozent ausgegangen werden kann, wobei offen bleiben kann, ob Ziffer 4 (Qualitätssicherung) der Tätigkeitsdarstellung ebenfalls der Patientenversorgung zuzuordnen ist.

2.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes Rostock verfügt der Kläger gleichwohl nicht über einen Anspruch gegen das beklagte Land auf Vergütung nach § 12 Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte.

Gemäß § 12 TV-Ärzte sind Ärzte entsprechend ihrer nicht nur vorübergehend und zeitlich mindestens zur Hälfte auszuübenden Tätigkeit wie folgt eingruppiert:

 EntgeltgruppeBezeichnung
Ä 1 Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit
Ä 2 Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit
Ä 3 Oberarzt/Oberärztin
 Oberarzt ist derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik beziehungsweise Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist.
 Oberarzt ist ferner der Facharzt in einer durch den Arbeitgeber übertragenen Spezialfunktion, für die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung fordert.
Ä 4 Fachärztin/Facharzt, der/dem die ständige Vertretung des leitenden Arztes (Chefarzt) vom Arbeitgeber übertragen worden ist.

(Protokollerklärung: Ständiger Vertreter ist nur der Arzt, der den leitenden Arzt in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben vertritt. Das Tätigkeitsmerkmal kann daher innerhalb einer Klinik nur von einer Ärztin/einem Arzt erfüllt werden.)

Diesbezüglich haben die TdL und der Marburger Bund in der Niederschriftserklärung zum Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom 03.11.2006 - soweit hier von Bedeutung - folgendes festgehalten:

"Die Fachärztin oder Facharzt, die/der am 31.10.2006 den Titel Oberärztin oder Oberarzt führt, behält diese Berechtigung zum Führen des Titels. Eine Eingruppierung nach Ä 3 ist damit nicht verbunden. Die Überleitung erfolgt ausschließlich nach dem TVÜ-Ärzte, richtet sich also danach, ob und seit wann die Voraussetzungen des § 12 TV-Ärzte für eine Eingruppierung nach Ä 3 vorliegen. Eine vorherige missbräuchliche Entziehung der Tätigkeit ist nicht zulässig.

...

Bis zum 31.10.2006 wurde unter der Geltung des BAT/BAT-O zwischen Facharzt einerseits und Oberarzt andererseits nicht unterschieden. Die Eingruppierung Oberarzt wird zum 01.11.2006 neu geschaffen.

Die neue Eingruppierung "Oberärztin/Oberarzt" (Ä 3) entspricht vor allem dem Wunsch des Marburger Bundes in den Tarifverhandlungen. Die TdL hatte eine Zulagenregelung je nach Verantwortungsbereich des Facharztes angeboten.

Da vor dem 01.11.2006 keine tarifliche Eingruppierung Ä 3 besteht, muss in jedem Einzelfall bei der Überleitung festgestellt werden, ob die Voraussetzungen des § 12 TV-Ärzte für eine Eingruppierung nach Ä 3 vorliegen.

Die Führung des Titels "Oberarzt" vor dem 01.11.2006 kann ein Anhaltspunkt sein. Die notwendige positive Feststellung der Voraussetzungen wird dadurch aber nicht ersetzt. Die Vergabe des Titels "Oberarzt" erfolgte vor dem 01.11.2006 nach anderen Grundlagen als die Eingruppierung nach § 12 TV-Ärzte. Auch ist die Vergabe des Titels an den Kliniken und Standorten sehr unterschiedlich gehandhabt worden. Die ausschlaggebenden Kriterien können mit § 12 TV-Ärzte übereinstimmen, es können aber auch andere gewesen sein. Die Führung des Titels "Oberarzt" vor dem 01.11.2006 als solche ist kein abschließendes Kriterium.

Für die Überleitung in die Eingruppierung Ä 3 Oberarzt ist allein § 12 TV-Ärzte maßgebend.

..."

Unter Berücksichtigung der vorbenannten Maßgaben kommt danach eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe Ä 3 nur dann in Betracht, wenn der betreffende Arzt zeitlich mindestens mit der Hälfte der von ihm auszuübenden Tätigkeiten die Anforderungskriterien des eingruppierungsrechtlich "neu geschaffenen Oberarztes" erfüllt. Oberarzt ist demnach derjenige Arzt, dem entweder die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist (§ 12 Eg, Ä 3 Erste Alternative TV-Ärzte) oder aber derjenige Facharzt in einer durch den Arbeitgeber übertragenen Spezialfunktion, für die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung fordert (§ 12 Eg Ä 3, Zweite Alternative).

Um vorliegend abschließend klären zu können, ob die vorbenannten Voraussetzungen erfüllt sind, bedarf es zunächst zum Zweck einer näheren Konkretisierung einer Auslegung der nicht näher bestimmten Formulierungen der Entgeltgruppe Ä 3 in § 12 TV-Ärzte.

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages erfolgt dabei nach den für die Auslegung von Gesetzes maßgeblichen Vorgaben. Zu ermitteln ist danach der maßgebliche Sinn einer normativen Tarifregelung. Über den reinen (buchstäblichen) Wortlaut hinaus ist diesbezüglich der tatsächliche Wille der Tarifvertagsparteien und mithin der von ihnen beabsichtigte Zweck der Tarifnorm zu ergründen, sofern und soweit dieser Wille in der betreffenden normativen Tarifregelung seinen Niederschlag gefunden hat. Gegebenenfalls ist in diesem Zusammenhang auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, da sich regelmäßig nur danach und nicht aus der einzelnen Tarifnorm der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ermitteln lässt und nur aus dem Gesamtzusammenhang Rückschlüsse hinsichtlich des Sinns und des Zwecks einer Tarifnorm gewonnen werden können. Schließlich noch verbleibende Zweifel im Rahmen einer vorzunehmenden Auslegung können ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge mittels weiterer Kriterien wie z. B. der Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages oder aber der praktischen Tarifübung ausgeräumt werden.

Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung einer normativen Tarifregelung der Vorrang, welche zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (zutreffend BAG vom 18.05.2006 - 6 AZR 422/05 -; juris m. w. N.).

a)

Im Ergebnis der nach den vorstehenden Grundsätzen vorzunehmenden Auslegung handelt es sich bei dem Speziallabor der Abteilung Hämatologie und Onkologie der Universitätsklinik Rostock des beklagten Landes nicht um ein Funktionsbereich im Sinne der Entgeltgruppe Ä 3 in § 12 TV-Ärzte. Denn der Begriff des Funktionsbereiches fand bereits im BAT/BAT-O in dem Sinne Eingang in die tariflichen Vorgaben, als danach wissenschaftlich anerkannte Spezialgebiete innerhalb eines ärztlichen Fachgebietes (z. B. Nephrologie, Handchirurgie, Neuroradiologie, Herzkathederisierung; vgl. Protokollnotiz Nr. 5 zur Vergütungsgruppe I a Fallgruppe 7/Vergütungsgruppe I b Fallgruppe 10) gemeint waren, und zwar grundsätzlich entsprechend den Vorgaben der jeweiligen ärztlichen Weiterbildungsordnungen (vgl. LAG Hessen vom 29.01.1999, 13 Sa 1293/97; juris; Arbeitsgericht Düsseldorf vom 12.07.2007, 14 Ca 669/07; juris).

Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Tarifvertragsparteien nunmehr bei gleicher Formulierung eine abweichende inhaltliche Gestaltung hätten erreichen wollen. Entsprechende Protokollnotizen sind nicht vorhanden. Auch die Niederschriftserklärung der Tarifvertragsparteien erhält keine solchen Hinweise. Die Leitung des Hämatologischen Speziallabors sowie die Kontrollleitertätigkeit für die Stammzellproduktion gemäß AMG stellt jeweils kein entsprechendes Spezialgebiet innerhalb eines ärztlichen Fachgebietes im oben genannten Sinne dar. Dieses Ergebnis folgt dabei bereits aus dem Umstand, dass die vorgenannten Tätigkeiten nicht Gegenstand der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer des Landes Mecklenburg-Vorpommern sind und somit jeweils eine Anerkennung als Spezialgebiet in einem ärztlichen Fachgebiet unterbleiben muss.

b)

Auch wird der tariflich angezogene Begriff des Teilbereiches nach Ansicht der Kammer vorliegend nicht erfüllt.

Entgegen der Auffassung des beklagten Landes sind die Begriffe des Funktionsbereiches sowie des Teilbereiches zwar nicht einheitlich zu verstehen. Dieses Ergebnis folgt bereits aus der Verwendung des Wortes "oder", weil danach jedenfalls nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ohne Deutungswidersprüche zum Ausdruck kommt, dass mit der Formulierung Teilbereich zwangsläufig etwas anderes gemeint sein muss als mit der Formulierung Funktionsbereich (zutreffend Sächsisches LAG vom 04.06.2008, 9 Sa 658/07; juris).

Wie allerdings der tariflich neue Begriff des Teilbereiches im Sinne des durch die Tarifvertragsparteien Gewollten zu verstehen ist, ist im Einzelnen streitig (vgl. zum Sachstand Sächsisches LAG, a. a. O.).

Nach Ansicht der Kammer kommt die Bejahung eines Teilbereiches im Sinne von § 12 TV-Ärzte, Entgeltgruppe Ä 3 nur dann in Betracht, wenn er einem Funktionsbereich in seiner Bedeutung qualitativ gleichwertig ist. Denn es sind keine Anzeichen erkennbar, dass die Tarifvertragsparteien bezogen auf die Leitung einer organisatorisch unselbstständigen bzw. untergeordneten betrieblichen Einheit in gleichem Umfang eine eingruppierungsrechtliche Honorierung der Tätigkeit bezweckt haben, wie für die Leitung eines Funktionsbereiches mit der hervorgehobenen Bedeutung auf Grund der Übertragung zur Führung einer Gruppe mit der Verantwortlichkeit zur Bearbeitung eines Spezialgebietes im Sinne der Weiterbildungsordnung innerhalb eines ärztlichen Fachgebietes.

Da letzteres Merkmal auf Grund der eigenständigen Benennung für die Bejahung des Teilbereiches - wie bereits erläutert - nicht maßgeblich sein kann, hängt die Frage der notwendigen qualitativen Gleichwertigkeit davon ab, ob es sich insoweit um eine abgrenzbare organisatorische Einheit innerhalb einer übergeordneten Einrichtung handelt, der eine bestimmte Aufgabe mit eigener Zielstellung zugeordnet ist und der nichtärztliches sowie ärztliches Personal angehört.

Diesbezüglich kommt der räumlichen Unterbringung lediglich eine untergeordnete Bedeutung zu. Maßgeblich ist aus den vorbenannten Gründen vielmehr, ob die zu beurteilende Einheit mit zugeordnetem ärztlichen und nichtärztlichem Personal in einem übertragenen und abgrenzbaren Aufgabengebiet eigenständige Zielstellungen verfolgt.

Diese Vorgaben sind vorliegend nicht erfüllt.

Diesbezüglich kann es dahinstehen, ob es sich bei dem Hämatologischen Speziallabor einerseits und hinsichtlich der Kontrollleitung für die Stammzellproduktion gemäß AMG andererseits um eine insgesamt eigenständige Organisationseinheit im vorgenannten Sinn handelt. Denn jedenfalls kommt die Bejahung einer Gleichwertigkeit im vorgenannten Sinn bereits deshalb nicht in Betracht, weil es an einer Unterstellung ärztlichen Personals fehlt. Diesbezüglich kann zu Gunsten des Klägers auch nicht die Zuordnung der Naturwissenschaftlerin Dr. Knopp zum Hämatologischen Speziallabor gewertet werden. Denn maßgeblich für die Bejahung der Gleichwertigkeit im oben angegebenen Sinn ist insbesondere auch der Umstand, dass ein Arzt im Rahmen der Ausübung der Leiterfunktion nicht nur die Verantwortung für das eigene ärztliche Handeln, sondern vielmehr auch die Verantwortung für das Handeln ihm unterstellter Ärzte trägt. Gerade die zuletzt genannte Vorgabe ist vorliegend nicht erfüllt.

Aus diesem Grund kann es dahinstehen, ob § 12 Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte zwingend eine Facharztqualifikation - die der Kläger unstreitig nicht besitzt - voraussetzt.

Nach alledem ist wie erkannt zu entscheiden.

III.

Der Kläger hat als unterlegene Partei gemäß § 92 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revisionszulassung beruht auf dem Umstand, dass dem Rechtsstreit hinsichtlich der notwendigen Auslegung des § 12 TV-Ärzte grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

Zurück