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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 23.10.2008
Aktenzeichen: 3 Sa 302/07
Rechtsgebiete: BGB, BetrVG, KSchG


Vorschriften:

BGB § 626
BetrVG § 102
KSchG § 1
Kündigungsgründe die dem Kündigenden bei Ausspruch der Kündigung noch nicht bekannt waren, können jedenfalls dann uneingeschränkt nachgeschoben werden, wenn sie bereits vor Zugang der Kündigung entstanden sind und der bestehende Betriebsrat insoweit ordnungsgemäß angehört worden ist.

Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles kann es gerechtfertigt sein, eine außerordentliche Kündigung vor dem Hintergrund des ultimaratio Prinzips trotz ganz erheblicher Verletzung arbeitsvertraglicher Verpflichtungen als rechtsunwirksam anzusehen, wenn die Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ruhen.


Tenor:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 16.10.2007 - 1 Ca 2648/06 - wird auf die Berufung der Beklagten teilweise abgeändert.

Der Tenor wird zur Klarstellung wie folgt neu gefasst.

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 13.07.2006 nicht aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31.12.2006 fortbestanden hat.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger trägt zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3 die Kosten des Rechtsstreits.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Der Kläger trägt zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3 die Kosten des Berufungsverfahrens.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen sowie ordentlichen Kündigung vom 13.07.2006 und um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen sowie ordentlichen Kündigung vom 08.12.2006.

Der am 22.11.1950 geborene und verheiratete Kläger war seit dem 01.01.1999 bei der Beklagten Verkaufsleiter im Werbeaußendienst in der Regionaldirektion Schwerin beschäftigt.

Ab April 2005 war der Kläger zunächst durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Mit Bescheid vom 14.03.2006 gewährte die Deutsche Rentenversicherung dem Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 01.11.2005 bis zum 30.04.2007.

Mit Schreiben vom 13.07.2006 (dem Kläger zugegangen am 17.07.2006) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger sowohl außerordentlich als auch ordentlich zum 31.12.2006. Unter dem 08.12.2006 sprach die Beklagte eine weitere außerordentliche sowie ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger aus.

Die Beklagte stützt die Kündigungen mit Schreiben vom 13.06.2006 zum einen auf den dringenden Verdacht eines Betruges des Klägers zum Nachteil der Beklagten und zum anderen - im Wege des nachgeschobenen Kündigungsgrundes - auf eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch den Kläger auf Grund einer manipulativen Beeinflussung eines Mitarbeiters zur Abgabe einer wissentlich falschen Erklärung zum Nachteil der Beklagten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages wird auf den ausführlichen Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen vom 13.07.2006 weder außerordentlich noch ordentlich zum 31.12.2006 beendet worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch durch die Kündigung vom 08.12.2006 weder außerordentlich noch ordentlich zum 31.03.2007 beendet worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Schwerin hat der Klage vollumfänglich stattgegeben und im wesentlichen argumentiert, nach dem Vortrag der darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten seien keine hinreichenden Anhaltspunkte im Sinne eines dringenden Tatverdachts des Betruges durch den Kläger zu Lasten der Beklagten gegeben. Auch die Veranlassung zur Abgabe der Erklärung vom 27.06.2006 des Zeugen K durch den Kläger komme als Kündigungsgrund nicht in Betracht. Nach durchgeführter Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer eben gerade nicht fest, dass die vom Zeugen K abgegebene Erklärung vom 27.06.2006 inhaltlich falsch gewesen sei.

Gegen diese am 19.10.2007 zugegangene Entscheidung richtet sich die bei dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern am 19.11.2007 eingegangene Berufung der Beklagten nebst am 19.12.2007 eingegangener Begründung.

Die Beklagte hält an ihrer erstinstanzlich geäußerten Rechtsauffassung fest. Es seien hinreichende Verdachtsmomente im Sinne einer Betrugshandlung durch den Kläger zu Lasten der Beklagten vorhanden. So habe der Kläger Gesundheitsfragen in dem Antrag auf Abschluss einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung wahrheitswidrig beantwortet. Außerdem sei der Antrag auf Abschluss der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung auf ein früheres Datum (28.03.2005) zurückdatiert worden. In diesem Zusammenhang habe der Kläger den Nachweis des rechtzeitigen Zugangs des Antrages bei der Beklagten durch Manipulation eines Telefax-Sendeprotokolls führen wollen.

Im Übrigen seien die Kündigungen mit Schreiben vom 13.07.2006 auch im Sinne einer Tatkündigung gerechtfertigt, da der Kläger den Zeugen K zur Abgabe der inhaltlich falschen Erklärung vom 27.06.2006 veranlasst habe, um hierdurch den Ausgang von zwei Gerichtsverfahren zu seinen Gunsten und zu Lasten der Beklagten zu beeinflussen. Da der Kläger diese Pflichtverletzung vor Zugang der Kündigungen am 17.07.2006 begangen habe, jedoch der Beklagten erst später bekannt geworden sei, sei dieser Kündigungsgrund rechtswirksam nachgeschoben worden, zumal die Beklagte diesbezüglich den bei ihr bestehenden Betriebsrat ebenfalls mit Schreiben vom 05.12.2006 (Blatt 256 bis 259; Band II der Akte) formgültig angehört habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 16.10.2007, 1 Ca 2648/06, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Das Arbeitsgericht Schwerin habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass hinreichende Verdachtsmomente im Sinne eines Betrugsversuches durch den Kläger zu Lasten der Beklagten nicht gegeben seien.

Auch sei das Arbeitsgericht Schwerin in der angefochtenen Entscheidung unter zutreffender Würdigung der Beweisaufnahme zu dem Schluss gelangt, dass nicht festgestellt werden könne, dass der Kläger den Zeugen K zur Abgabe einer falschen Erklärung veranlasst habe.

Im Übrigen bleibe die ordnungsgemäße Betriebsanhörung hinsichtlich aller streitgegenständlichen Kündigungen streitig.

In der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2008 ist Beweis erhoben worden durch die Vernehmung des Zeugen K. Hinsichtlich des Beweisthemas sowie bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 23.10.2008 (Blatt 500 bis 506; Band III der Akte) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten im Berufungsrechtszug wird auf die insoweit zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die fristgemäße Kündigung mit Schreiben vom 13.07.2006 - zugegangen dem Kläger am 17.07.2006 - rechtswirksam zum 31.12.2006 aufgelöst worden (I.). Dagegen sind die außerordentlichen Kündigungen sowohl mit Schreiben vom 13.07.2006 als auch mit Schreiben vom 08.12.2006 sowie die ordentliche Kündigung mit Schreiben vom 08.12.2006 jeweils rechtsunwirksam (II.). Insoweit ist die Berufung unbegründet.

I.

Die Berufung der Beklagten ist insoweit begründet, als dass zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die am 17.07.2006 zugegangene ordentliche Kündigung rechtswirksam zum 31.12.2006 beendet worden ist.

1.

Die ordentliche Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 13.07.2006 ist entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes Schwerin nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozialwidrig.

a)

Die Voraussetzungen zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auf das vorliegende Arbeitsverhältnis sind zwischen den Parteien unstreitig.

b)

Gemäß § 1 Abs. 1 KSchG ist eine Kündigung rechtsunwirksam, wenn sie nicht sozial gerechtfertigt ist.

Gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ist eine ordentliche Kündigung u. a. dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch das Verhalten des Arbeitnehmers bedingt ist, wobei der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Kündigungsgründe darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat.

Die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG setzt zunächst voraus, dass der Arbeitnehmer durch ein - in der Regel - schuldhaftes Verhalten seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt hat und dieser Umstand das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt. Zudem ist es notwendig, dass für den kündigenden Arbeitgeber eine zumutbare Möglichkeit der Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz nicht besteht. Schließlich muss die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwegung der Interessen beider Vertragsteile billigendswert und angemessen erscheinen (BAG vom 31.05.2007 - 2 AZR 200/06 -; juris).

In diesem Zusammenhang gilt auch insoweit das Prognoseprinzip, da eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung zur Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen dient, so dass sich die vergangene Pflichtverletzung noch in der Zukunft belastend auswirken muss. Die notwendige negative Prognose ist dann zu bejahen, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde zukünftig arbeitsvertragliche Pflichten auch nach einer Kündigungsandrohung erneut oder in ähnlicher Weise verletzen (BAG vom 31.05.2007, a. a. O.). Deshalb setzt die Rechtswirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung - sei es im sogenannten Leistungsbereich oder im sogenannten Vertrauensbereich (BAG vom 10.02.1999, EzA Nr. 47 zu § 15 KSchG) - grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber das entsprechende Verhalten durch eine vorangegangene einschlägige Abmahnung formgerecht gerügt hat. Dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn die Abmahnung von vornherein nicht erfolgversprechend ist (BAG vom 18.05.1994, RzK I 5 i Nr. 93), oder wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei dem eine Akzeptanz des Verhaltens aus Sicht eines verständigen Arbeitgebers offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG vom 10.02.1999, a. a. O.) und sich deshalb ausnahmsweise bereits aus der schwere der Pflichtverletzung selbst die notwendige negative Prognose im Hinblick auf das Risiko weiterer Pflichtverletzungen herleiten lässt.

Gemessen an den vorbenannten Voraussetzungen erweist sich die streitbefangene Kündigung nicht als sozialwidrig im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG. Vielmehr ist die Kündigung durch das Verhalten des Klägers bedingt.

aa)

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des erkennenden Gerichts fest, dass der Kläger den Zeugen K zur Abgabe der Erklärung vom 27.06.2006 veranlasste, obschon er - der Kläger - wusste, dass der Zeuge K im Zeitpunkt der Erklärungsabgabe sich überhaupt nicht an die Einzelheiten der Geschehensabläufe vom 28.03.2005 erinnern konnte. Der Zeuge K hat in der Berufungsinstanz - soweit hier von Bedeutung - in sich schlüssig und nachvollziehbar ausgesagt, dass der Kläger ihn angerufen und in diesem Zusammenhang gebeten habe, die Erklärung vom 27.06.2006 zu verfassen. Der Kläger habe ihm diesbezüglich die Inhalte der Erklärung vorgegeben. Er habe den Kläger darauf hingewiesen, dass er - der Zeuge - sich nicht daran erinnern könne, was er am 28.03.2005 gemacht habe.

Damit steht nach Ansicht der Kammer fest, dass der Kläger den Zeugen K veranlasste, Tatsachen kraft eigener Wahrnehmung zu bestätigen, an die er sich in Wirklichkeit eben gerade nicht erinnern konnte. Damit veranlasste der Kläger den Zeugen K zur Abgabe einer unrichtigen Behauptung.

Denn eine Aussage ist nicht erst dann unrichtig, wenn sich positiv herausstellt, dass die gemachten Angaben objektiv nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen. Vielmehr ist von einer Falschaussage bereits dann auszugehen, wenn die aussagende Person vorspiegelt, sich an konkrete Geschehensabläufe kraft eigener Wahrnehmung erinnern zu können, obwohl diesbezüglich ein Erinnerungsvermögen an eigene Wahrnehmungen gar nicht vorhanden ist. Denn in diesem Fall werden - wahrheitswidrig - Tatsachen bestätigt, die die aussagende Person in Wirklichkeit in Ermangelung entsprechender Erinnerungen an eigene Wahrnehmungen gar nicht bestätigen kann.

Es kommt also - wohl entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes Schwerin in der angefochtenen Entscheidung - nicht darauf an, welche Geschehensabläufe sich am 28.03.2005 tatsächlich abspielten. Vielmehr ist in der vorliegenden Fallkonstellation allein maßgeblich, dass der Kläger den Zeugen K zur Bestätigung solcher Tatsachen veranlasste, von denen er wusste, dass bei dem Zeugen K ein solches Erinnerungsvermögen kraft eigener Wahrnehmung im Zeitpunkt der Erklärungsabgabe nicht vorhanden war.

Deshalb war im Übrigen auch die nochmalige Vernehmung des erstinstanzlich vernommenen Zeugen H entbehrlich.

Hinsichtlich der hier insoweit relevanten Tatsachen unterliegt die Glaubwürdigkeit des Zeugen K bzw. die Glaubwürdigkeit seiner Aussage keinen durchgreifenden Bedenken. Zwar darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Zeuge nach wie vor ganz überwiegend nur für die Beklagte tätig ist. Andererseits ist zu bedenken, dass die Angaben des Zeugen - soweit hier von Bedeutung - in sich schlüssig und nachvollziehbar sind und sich - abgesehen von der konkreten Wortwahl - inhaltlich mit den erstinstanzlich gemachten Angaben decken. Der Zeuge K hat seine Angaben darüber hinaus mit eigenen Worten und nicht etwa im Sinne eines einstudierten Vortrages wiedergegeben. Auch der Umstand, dass der Zeuge auf die beharrlichen Nachfragen des Klägervertreters zu den Geschehensabläufen am 28.03.2005 ungenaue und teilweise "schwammige" Angaben gemacht hat, spricht nicht gegen die Glaubwürdigkeit seiner Aussage, sondern ist zur Überzeugung der Kammer vielmehr die logische Konsequenz der zuvor gemachten Angaben.

Denn wenn sich ein Zeuge an bestimmte Tatsachen kraft eigener Wahrnehmung eben gerade nicht erinnern kann, dann ist es eine zwangsläufige Folge, dass dieser Zeuge auf entsprechende Fragestellungen hin unbrauchbare Angaben zu Geschehensabläufen macht, an die er sich eben gerade nicht erinnern kann.

Im Ergebnis bleibt damit festzustellen, dass der Kläger massiv seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen dadurch verletzte, dass er den Zeugen K vor dem Hintergrund des gekündigten bzw. angefochtenen Lebensversicherungsvertrages mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung und mithin zu seinen Gunsten und zu Lasten der Beklagten zur Abgabe einer deshalb wahrheitswidrigen Erklärung hinsichtlich der Vorfälle am 28.03.2005 veranlasste, weil sich der Zeuge K in Wirklichkeit im Zeitpunkt der Erklärungsabgabe gar nicht mehr an die Einzelheiten des Tagesablaufes am 28.03.2005 erinnern konnte.

bb)

Der vorstehend im Einzelnen ausgeführte verhaltensbedingte Kündigungsgrund ist durch die Beklagte hinsichtlich der ordentlichen Kündigung vom 13.07.2006 auch rechtswirksam nachgeschoben worden.

Kündigungsgründe, die dem Kündigenden bei Ausspruch der Kündigung noch nicht bekannt waren, können uneingeschränkt nachgeschoben werden, wenn sie bereits vor Zugang der Kündigung entstanden sind (BAG vom 06.09.2007 - 2 AZR 264/06 -; juris). Im Rahmen einer zunächst ausgesprochenen Verdachtskündigung können insoweit auch Gründe im Sinne einer "Tatkündigung" nachgeschoben werden (BAG vom 13.09.1995 - 2 AZR 587/94 -; juris).

Gemessen an den benannten Voraussetzungen ist der nachgeschobene Kündigungsgrund bezogen auf die ordentliche Kündigung mit Schreiben vom 13.07.2006 berücksichtigungsfähig.

Denn der Beklagten ist der von ihr nachgeschobene Kündigungsgrund im Sinne einer manipulativen Beeinflussung eines Mitarbeiters durch den Kläger zur Abgabe einer wissentlich falschen Erklärung zum Nachteil der Beklagten unstreitig erst nach Kündigungszugang am 17.07.2006 bekannt geworden, während der Kündigungssachverhalt selbst zeitlich vor dem benannten Kündigungszugang liegt.

cc)

Die Möglichkeit einer zumutbaren Weiterbeschäftigung des Klägers auf einem anderen freien Arbeitsplatz wird von dem Kläger nicht vorgetragen und ist auch unter Berücksichtigung des weiteren Sach- und Streitstandes nicht ersichtlich.

dd)

Zudem scheitert die Rechtswirksamkeit der streitbefangenen Kündigung vorliegend nach Ansicht der Kammer nicht an einer fehlenden Kündigungsandrohung.

Hinsichtlich der insoweit anzustellenden Zukunftsprognose im Sinne einer Negativprognose im Hinblick auf das zu erwartende künftige Verhalten des Klägers im Rahmen der Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten ergibt sich nach Auffassung des erkennenden Gerichts vorliegend ausnahmsweise in Anbetracht der Schwere der Pflichtverletzungen die Entbehrlichkeit des Ausspruches einer vorhergehenden Abmahnung. Das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit der Veranlassung des Zeugen K zur Abgabe unrichtiger Angaben ist - wie bereits oben erörtert - als sehr schwerwiegende Pflichtverletzung zu werten. Darüber hinaus wäre auf Grund der festgestellten Intensität der Vorgehensweise des Klägers auch aus Sicht eines verständigen Arbeitgebers mit dem Ausspruch einer Abmahnung im Rahmen einer Prognoseentscheidung nicht mit der notwendigen Sicherheit ein zukünftig vertragsgetreues Verhalten des Klägers zu gewährleisten gewesen.

Dies gilt umso mehr, als auch aus Sicht eines verständigen Arbeitgebers jedenfalls die manipulative Beeinflussung eines anderen Mitarbeiters zur Abgabe einer inhaltlich falschen Erklärung zum Nachteil des Arbeitgebers eine beträchtliche Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses darstellt. D. h., auch ein verständiger Arbeitgeber hätte auf Grund der Intensität und der willentlichen Vorgehensweise des Klägers in dem geschilderten Zusammenhang davon ausgehen dürfen, dass der Ausspruch einer Abmahnung nicht mit der notwendigen Sicherheit zu einer vertragsgetreuen Verhaltensweise in der Zukunft durch den Kläger geführt hätte.

Aber auch der Kläger hätte angesichts der von ihm an den Tag gelegten Verhaltensweise - auch unter Berücksichtigung der Sichtweise eines verständigen Arbeitgebers - nicht darauf vertrauen dürfen, die Beklagte werde diesbezüglich mit einer Konsequenz unterhalb der Schwelle des Ausspruches einer fristgemäßen Kündigung reagieren. Der Kläger hätte sich darüber im Klaren sein müssen, dass auch bei objektiver Betrachtungsweise bei einem derartigen Verhalten insbesondere im Hinblick auf die manipulative Beeinflussung eines Mitarbeiters zur Abgabe einer inhaltlich falschen Erklärung zum Nachteil des Arbeitgebers für eben diesen Arbeitgeber das notwendige Vertrauensverhältnis für die Zukunft gravierend gestört ist.

ee)

Auch die notwendigerweise durchzuführende Interessenabwägung führt vorliegend aus Sicht der Kammer zu keinem anderen Ergebnis. Zwar ist hier zu Gunsten des Klägers zum einen seine Betriebszugehörigkeit seit dem 01.01.1999 ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass auf Grund seines Lebensalters und möglicherweise eben auch seiner Erkrankung die weitere berufliche Perspektive als schwierig einzustufen ist. Zudem darf auf Seiten des verheirateten Klägers seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Ehefrau nicht unberücksichtigt bleiben.

Jedoch ist zu Gunsten der Beklagten zu bedenken, dass der Kläger selbst ohne jedwede sachliche Veranlassung und insbesondere auch ohne Zutun der Beklagten die schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung herbeigeführt hat. Wie bereits ausgeführt, hat dieser Umstand zu einer ganz gravierenden Beeinträchtigung des notwendigen Vertrauensverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten geführt, welches sich auch nach der entsprechenden Prognoseentscheidung für die Zukunft nicht mit der notwendigen Sicherheit hätte wieder herstellen lassen.

Insgesamt sind mithin die Interessen der Beklagten an einer fristgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses letztendlich höher zu bewerten, als die Interessen des Klägers an dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über die Kündigungsfrist hinaus.

2.

Die streitbefangene ordentliche Kündigung mit Schreiben vom 13.07.2006 ist nicht nach betriebsverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten rechtsunwirksam.

Es ist anerkannt, dass eine Kündigung rechtswirksam nur dann auf einen nachgeschobenen Kündigungsgrund gestützt werden kann, wenn der gegebenenfalls bestehende Betriebsrat hinsichtlich des nachgeschobenen Kündigungsgrundes ordnungsgemäß im Sinne des § 102 BetrVG beteiligt worden ist (BAG vom 11.04.1985 - 2 AZR 239/84 -; juris).

Die genannten Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Hinsichtlich des nachgeschobenen Kündigungsgrundes ist der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat mit Schreiben vom 05.12.2006 nebst der dort näher bezeichneten Anlagen (Blatt 256 bis 259, Band II d. A.) angehört worden. Der Betriebsrat hat den Erhalt dieser Unterlagen durch Unterschrift unter dem 05.12.2006 bestätigt und in diesem Zusammenhang auch der erneuten und vorsorglichen außerordentlichen sowie ordentlichen Kündigung zugestimmt.

Der Kläger kann sich in diesem Zusammenhang auf eine rechtsfehlerhafte Betriebsratsanhörung nicht berufen.

Nach zutreffender Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes ist eine Kündigung gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG nicht nur dann rechtsunwirksam, wenn der Arbeitgeber ohne Anhörung des Betriebsrates gekündigt hat, sondern auch bei nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrates. Sinn und Zweck des Verfahrens nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist es, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen. Dementsprechend hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat seine Kündigungsabsicht rechtzeitig vorher mitzuteilen und ihn dabei so zu informieren, dass er sich über die Person des Arbeitnehmers und über die Kündigungsgründe für seine Stellungnahme ein eigenes Bild machen kann. Daher hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat insbesondere deutlich die Kündigungsgründe mitzuteilen, anderenfalls ist nicht von einer wirksamen Anhörung des Betriebsrates auszugehen (BAG vom 16.09.1993 - AP Nr. 62 zu § 100 BetrVG 1972).

Das Anhörungsschreiben nebst Anlagen vom 05.12.2006 entspricht diesen Anforderungen. Neben den erforderlichen Angaben zur Person des Klägers sind insbesondere die nachgeschobenen Kündigungsvorwürfe ausführlich dargestellt worden. Dem Betriebsrat ist ebenfalls die Absicht mitgeteilt worden, den Kündigungsvorwurf hinsichtlich der ordentlichen Kündigung mit Schreiben vom 13.07.2006 nachzuschieben.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates pauschal bestreitet, so ist dieses prozessuale Vorgehen unbeachtlich. Trägt eine Partei - wie hier die Beklagte zur Betriebsratsanhörung - substantiiert die Einzelheiten vor, so kann sich die Gegenpartei gemäß § 138 Abs. 2 ZPO nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken. Vielmehr hat die Gegenpartei im Einzelnen und dezidiert vorzutragen, welcher konkrete Tatsachenvortrag unrichtig und deshalb bestritten werden soll. Diesen Anforderungen wird das lediglich pauschale Bestreiten durch den Kläger nicht gerecht, so dass der insoweit dezidierte Sachvortrag der Beklagten als zugestanden gilt (§ 138 Abs. 4 ZPO).

3.

Da das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auf der Grundlage der verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung mit Schreiben vom 13.07.2006 aus den vorgenannten Gründen rechtswirksam zum 31.12.2006 aufgelöst worden ist, kann es dahinstehen, ob die vorbezeichnete ordentliche Kündigung mit Schreiben vom 13.07.2006 zusätzlich auch auf eine Verdachtskündigung gestützt werden kann.

II.

Die fristlosen Kündigungen mit den Schreiben vom 13.07.2006 und vom 08.12.2006 sowie die ordentliche Kündigung mit Schreiben vom 08.12.2006 sind jeweils rechtsunwirksam. Insoweit ist die Berufung nicht begründet.

1.

Die außerordentliche Kündigung mit Schreiben vom 13.07.2006 ist gemessen an den Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB rechtsunwirksam.

Danach kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

a)

Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass die unter Punkt I. 1. festgestellte Pflichtverletzung durch den Kläger grundsätzlich geeignet ist, einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Ebenso tritt die Kammer der Rechtsauffassung der Beklagten bei, dass es sich dabei um eine derart schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, dass ausnahmsweise von der Entbehrlichkeit einer vorhergehenden Kündigungsandrohung ausgegangen werden kann.

b)

Gleichwohl ist die Kammer im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung zu dem Ergebnis gelangt, dass trotz der Schwere der festgestellten Vertragsverletzung hier ausnahmsweise die Interessen des Arbeitnehmers an einer fristgerechten Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Interessen der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegen.

Insoweit ist anerkannt, dass die unwiderrufliche Freistellung von der Arbeitspflicht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist als einer der maßgebenden Gesichtspunkte bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist (BAG vom 05.04.2001 - 2 AZR 217/00 -; juris). Dies gilt selbstverständlich auch - wie hier - für ein bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ruhendes Arbeitsverhältnis (BAG vom 17.02.1982 - 2 AZR 663/79 -; juris).

Gerade vor dem Hintergrund der vorzunehmenden Negativprognose kann sich nämlich in den vorgenannten Fallkonstellationen die Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ergeben, wenn mangels eines Beschäftigungsanspruches des Arbeitnehmers und einer Weiterbeschäftigungspflicht des Arbeitgebers weitere entsprechende Belastungen des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ausgeschlossen erscheinen (BAG vom 05.04.2001, a. a. O.). Andererseits ist im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung auf seiten des kündigenden Arbeitgebers zu berücksichtigen, ob er gegebenenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet ist (BAG vom 05.04.2001, a. a. O.).

Unter Berücksichtigung der vorbenannten Grundsätze ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass die Interessen des Klägers an einer fristgerechten Beendigung des Arbeitsverhältnisses trotz der festgestellten Schwere der Vertragsverletzung überwiegen. Denn zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger von November 2005 bis April 2007 - und mithin auch für die Dauer der Kündigungsfrist - eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bezog. In diesem Zeitraum ruhte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis und mithin auch die wechselseitigen Hauptleistungspflichten und insbesondere auf seiten der Beklagten die Pflicht zur Vergütung des Klägers. Sonstige wirtschaftliche Belastungen der Beklagten auf der Grundlage des ehemals zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses sind für den genannten Zeitraum der Kündigungsfrist (Juli 2006 bis Dezember 2006) nach dem Vortrag der Parteien ebenfalls nicht ersichtlich. Dies gilt unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes ebenso hinsichtlich des Umstandes der Wiederholungsgefahr.

Unter Zugrundelegung der vorstehenden Abwegungsgrundlagen hat die Kammer vorliegend mithin ausnahmsweise das Abwarten der Kündigungsfrist für die Beklagte als zumutbar erachtet.

c)

Die vorstehenden Erwägungen gelten im Übrigen auch hinsichtlich der angesprochenen Verdachtskündigung, selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten das Vorliegen ausreichender und dringender Verdachtsmomente als gegeben unterstellt.

2.

Sowohl die außerordentliche Kündigung als auch die ordentliche Kündigung jeweils mit Schreiben vom 08.12.2006 sind bereits deshalb rechtsunwirksam, weil der angezogene Kündigungsgrund - manipulative Beeinflussung eines Mitarbeiters zur Abgabe falscher Angaben zu Lasten der Beklagten - insoweit als verbraucht anzusehen ist, als dieser Kündigungsgrund rechtswirksam der ordentlichen Kündigung vom 13.07.2006 nachgeschoben worden ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 62 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Revisionszulassungsgründe sind nicht ersichtlich (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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