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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 17.06.2009
Aktenzeichen: 3 Sa 313/08
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
KSchG § 2
Eine Stundenreduzierung im Rahmen einer Änderungskündigung ist allein für sich genommen grundsätzlich nicht geeignet, den Leistungswillen oder das Leistungsvermögen eines Arbeitnehmers zu verbessern.
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Stralsund vom 03.09.2008 - Aktenzeichen 3 Ca 133/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer fristgemäßen Änderungskündigung.

Die Klägerin ist auf der Grundlage eines Betriebsübergangs seit dem 01.09.1972 bei der Beklagten als Friseurin bei einer täglichen Arbeitszeit von fünf Stunden zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt Euro 528,68 beschäftigt.

Mit Wirkung vom 18.03.2002 vereinbarten die Parteien folgende Anlage zum Arbeitsvertrag:

"Zwischen der Friseur GmbH Greifswald und Frau/Herrn E R wird nachstehender Prämienlohn vereinbart:

Grundvergütung 1.586,03 x 3 + Mehrwertsteuer = 1.839,78 Euro

Leistungen über diesen Betrag werden je nach Umsatz von 50 über 100 honoriert, abzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer und sonstigen Abzügen. Diese Vereinbarung gilt auf unbestimmte Zeit mit einer monatlichen Kündigung des Prämienlohnes. Diese Regelung tritt ab 01.04.2002 in kraft. Die Berechnung basiert auf dem Grundlohn 528,68 Euro."

Mit Wirkung vom 05.03.2007 unterzeichnete die Klägerin ein von der Beklagten gefertigtes "Mitarbeiter-Anforderungsprofil", welches unter dem Punkt Arbeitsprofil wie folgt lautet:

"Beratung bei jedem Kunden, Verkaufsgespräch bei jedem Kunden, Erfüllung der erforderlichen Leistungen bei 5 h 1.895,00 Euro, Verkaufsziel - jeden Tag ein Produkt, Anbieten von Zusatzleistungen."

Mit Schreiben vom 14.05.2007 (Blatt 60, 60 R d. A.) erhielt die Klägerin eine Abmahnung mit dem Inhalt, dass sich die Klägerin in einem Personalgespräch am 03.05.2007 vehement geweigert habe, ihre schlechten Arbeitsergebnisse zukünftig zu steigern.

Mit Schreiben vom 26.02.2008 - dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugegangen am gleichen Tag - kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.11.2008. Das Kündigungsschreiben lautet - soweit hier von Bedeutung - wie folgt:

"...

hiermit kündigen wir noch einmal förmlich das Arbeitsverhältnis vom 01.09.1972

mit Frau E R zum 30.11.2008 von täglich 5 auf 4 Stunden. Der Bruttolohn ihrer Mandantin wird sich von monatlich 528,68 Euro auf 422,84 Euro verringern.

Sollte ihre Mandantin diese Abänderung nicht annehmen, kündigen wir das Arbeitsverhältnis hiermit vorsorglich zum 30.11.2008, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.

..."

Die Klägerin nahm per Fax am 27.02.2008 die Änderungskündigung unter dem Vorbehalt, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt sind, an.

Mit ihrer am 17.03.2008 bei dem Arbeitsgericht Stralsund eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung vom 26.02.2008.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 26.02.2008, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 26.02.2008 zugegangen, sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Tatsachenvortrages wird auf die ausführlichen tatbestandlichen Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Stralsund hat der Klage mit Urteil vom 03.09.2008 statt gegeben und im Wesentlichen ausgeführt, die im Streit befindliche Kündigung erweise sich nach der vorzunehmenden Auslegung als Änderungskündigung. Diese sei jedoch im Sinne der §§ 2,1 KSchG sozial ungerechtfertigt. Ein verhaltensbedingtes Fehlverhalten durch die Klägerin sei vorliegend nicht gegeben. Die Klägerin sei weder auf der Grundlage der Prämienvereinbarung noch vor dem Hintergrund des erstellten Arbeitsprofils arbeitsvertraglich verpflichtet einen monatlichen Mindestumsatz von Euro 1.839,79 zu erbringen. Auch sei im Übrigen eine Pflichtverletzung durch die Klägerin in Form ständiger Schlechtleistungen nicht ersichtlich. Soweit die Beklagte vortrage, dass die Klägerin mehr als 1/3 hinter den Arbeitsleistungen ihrer Arbeitskolleginnen bzw. nachhaltig hinter ihrer eigenen kurzfristig erreichten höheren Arbeitsleistungen zurück liege, reiche nicht aus, um darauf eine verhaltensbedingte oder aber eine personenbedingte fristgemäße Kündigung stützen zu können. Die von der Beklagten genannten Bezugsgrößen seien im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zu starr. Eine personenbedingte Kündigung scheide bereits deshalb aus, weil nicht ersichtlich sei, dass die Klägerin dauerhaft bzw. auf nicht absehbare Zeit nicht in der Lage sein werde, ihre arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. Schließlich sei die im Streit befindliche Änderungskündigung aber auch deshalb unverhältnismäßig, weil nicht nachvollziehbar sei, warum die Änderungskündigung in der Form der Reduzierung der Arbeitszeit und des Entgelts zu einer Verbesserung der arbeitsvertraglichen Leistungen der Klägerin führen solle.

Gegen die am 08.10.2008 zugegangene Entscheidung richtet sich die am 16.10.2008 bei dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern eingegangene Berufung der Beklagten nebst Begründung vom 28.11.2008 (eingegangen bei dem LAG M-V am selben Tag).

Die Beklagte hält an ihrer erstinstanzlich geäußerten Rechtsauffassung fest. Die Umsätze der Klägerin lägen durchweg um mehr als 1/3 unter den Umsätzen ihrer Kolleginnen. Hintergrund dafür sei u. a. der Umstand, dass die Klägerin zwar an entsprechenden Schulungen teilgenommen habe. Sie habe jedoch die dort vermittelten Kenntnisse und Erfahrungen nicht in dem Maße angenommen, wie ihre Kolleginnen. Auch dieser Umstand mache deutlich, dass die Klägerin eben gerade nicht "so gut, wie sie kann" gearbeitet habe. Durch das Fehlverhalten der Klägerin habe die Beklagte betriebliche Beeinträchtigungen in Form von erheblichen Umsatzeinbussen und auch zunehmenden Unfrieden im Betrieb hinnehmen müssen. Auch eine vorgenommene Umsetzung in einen anderen Salon habe nicht zur Leistungssteigerung geführt. Mithin habe für die Beklagte lediglich die Obtion bestanden, die im Streit befindliche Kündigung auszusprechen. Diese Kündigung stelle sich für die Beklagte unter Abwägung sämtlicher Interessen als das für die Klägerin mildeste Mittel dar. Jedenfalls sei diese Änderungskündigung deshalb gerechtfertigt, weil ein personenbedingter Kündigungsgrund vorliege. Die Änderungskündigung sei auch geeignet, um die festzustellenden Beeinträchtigungen zu beseitigen. Die Reduzierung der Arbeitszeit auf durchschnittlich vier Stunden pro Tag und deren individuelle Verteilung, z. B. die Konzentration auf zwei bis drei Tage in der Woche, mache es möglich, dass die Klägerin ihre Arbeitszeit effektiver gestalten könne und somit auch zumindest vergleichbare Umsätze wie bei einer Arbeitszeit von fünf Stunden am Tag erzielen könne.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichtes Stralsund vom 03.09.2008, Aktenzeichen 3 133/08, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und greift im Wesentlichen in der Berufungsinstanz die dortige Argumentation auf. Die im Streit befindliche Kündigung sei aber auch mangels einer ordnungsgemäßen vorhergehenden Abmahnung sowie auf Grund einer unzureichenden Betriebsratsanhörung rechtsunwirksam.

Wegen der weiteren Einzelheiten in der Berufungsinstanz wird auf die insoweit zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht Stralsund ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die streitbefangene Kündigung vom 26.02.2008 im Sinne der §§ 2, 1 KSchG sozialwidrig und damit rechtsunwirksam ist.

I.

Mit dem Arbeitsgericht Stralsund ist davon auszugehen, dass es sich bei dem Schreiben der Beklagten vom 26.02.2008 um eine Änderungskündigung handelt. Zur weiteren Begründung kann auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden, zumal die Parteien in der Berufungsinstanz dem nicht entgegengetreten sind (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

II.

Die streitbefangene Kündigung vom 26.02.2008 ist gemäß §§ 2, 1 KSchG sozialwidrig und damit rechtsunwirksam.

Gemäß §§ 2, 1 KSchG ist eine Änderungskündigung dann sozialwidrig, wenn die Änderungen der Arbeitsbedingungen sozial nicht gerechtfertigt sind. Dabei ergibt sich aus der Berücksichtigung des Änderungsangebots bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit ein zweistüfiges Prüfungsverfahren. Zunächst ist zu ermitteln, ob für die Vertragsänderung ein Grund in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegt oder ob dringende betriebliche Erfordernis das Änderungsangebot bedingen. Sodann ist zu prüfen, ob der Arbeitgeber sich darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Diese Frage wiederum ist an Hand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu beurteilen. Das bedeutet, dass die geänderten Arbeitsbedingungen im Hinblick auf den Kündigungsgrund geeignet sowie erforderlich sein müssen und sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen dürften, als dies zur Erreichung des mit der Änderungskündigung angestrebten Zieles erforderlich ist (BAG vom 29.03.2007, NZA 2007, Seite 855, 858 m. w. N.).

Gemessen an den benannten Voraussetzungen hält die im Streit befindliche Änderungskündigung einer gerichtlichen Überprüfung nicht statt.

In diesem Zusammenhang kann es dahinstehen, ob tatsächlich - wie die Beklagte meint - ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund oder aber ein personenbedingter Kündigungsgrund gegeben ist.

Denn die Änderungskündigung erweist sich - worauf das Arbeitsgericht Stralsund zutreffend hingewiesen hat - in jedem Fall als unverhältnismäßig. Denn die Änderungskündigung ist weder als verhaltensbedingte Änderungskündigung noch als personenbedingte Änderungskündigung geeignet, dass angestrebte Ziel - nämlich eine Leistungssteigerung der Klägerin zu bewirken - zu erreichen.

1.

Geht man vorliegend von einer verhaltensbedingten Änderungskündigung aus, so ergibt sich dieser Umstand bereits daraus, dass dem Grunde nach nicht ersichtlich ist, weshalb sich eine Stundenreduzierung positiv auf die Leistungsbereitschaft und den Leistungswillen der Klägerin auswirken soll. Offensichtlich hegt die Beklagte die Hoffnung, dass die Klägerin mit einer täglichen Arbeitszeit von vier Stunden die gleiche Anzahl an Kunden bedient, wie es derzeit mit einer täglichen Arbeitszeit von fünf Stunden der Fall ist. Abgesehen davon, dass diese Hoffnung der Beklagten durch entsprechende Tatsachen nicht belegbar ist, stellt sich insoweit darüber hinaus das Problem, dass damit eine Änderung des Leistungswillens oder der Leistungsbereitschaft der Klägerin nicht einhergeht. Insoweit könnte es sich dann allenfalls um eine sogenannte "Leistungsverdichtung" handeln. Dies beträfe dann aber allenfalls die Frage einer betriebsbedingten Kündigung, die hier nach dem Vortrag beider Parteien gerade nicht ausgesprochen worden ist.

2.

Geht man vorliegend von einer personenbedingten Kündigung aus, so ist ebenfalls nicht im Ansatz ersichtlich, inwieweit hier durch eine Verringerung der Arbeitszeit die - von der Beklagten behauptete - mangelnde Leistungsfähigkeit der Klägerin verbessert werden soll. Wenn die Klägerin tatsächlich im Rahmen des von ihr nicht steuerbaren Verhaltens nicht in der Lage ist, einen jedenfalls nahezu gleichwertigen Umsatz im Vergleich zu den anderen Kolleginnen mit einer täglichen Arbeitszeit von fünf Stunden zu erzielen, dann wird sie mit einer täglichen Arbeitszeit von vier Stunden regelmäßig ebenfalls nicht in der Lage sein, einen Umsatz zu erzielen, der jedenfalls annähernd dem einer Kollegin entspricht, die über eine tägliche Arbeitszeit von vier Stunden verfügt. Jedenfalls trägt die Beklagte keine Umstände vor, die einen entsprechenden Schluss rechtfertigen könnte.

Nach alledem war wie erkannt zu entscheiden.

III.

Die Klägerin hat als unterlegene Partei die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 97 ZPO).

Revisionszulassungsgründe sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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