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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 16.05.2008
Aktenzeichen: 3 Sa 331/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626
Eine außerordentliche Kündigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer schuldhaft arbeitsvertragliche Pflichten verletzt hat.
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 28.11.2007 - 3 Ca 353/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der Kläger war bei der Beklagten seit 1991 als Außendienstmitarbeiter gegen ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von zuletzt ca. 1.550,00 EUR brutto beschäftigt. Mit Arbeitsanweisung vom 11.11. 2005 setzte die Beklagte die Arbeitszeiten - auch für den Kläger - von Montag bis Donnerstag von 08:00 Uhr bis 17:00 Uhr und freitags von 08:00 Uhr bis 14:30 Uhr fest. Der Kläger hatte diesbezüglich Tagesberichte zu fertigen.

Mit den Schreiben vom 09.11.2004 (Blatt 37 der Akte), vom 19.04.2007 (Blatt 42 der Akte) und vom 24.04.2007 (Blatt 38, 39 der Akte) erhielt der Kläger jeweils eine Abmahnung. Nach Rücksprache mit dem Geschäftsführer der Beklagten am 06.07.2007 trug der Kläger für den 05.07.2007 u. a. Folgendes in den Tagesbericht ein:

"K, 15:04 Uhr bis 15:45 Uhr;

H. H, Stralsund, 18:10 Uhr bis 18:40 Uhr"

Am 05.07.2007 um 16:55 Uhr wurde der Kläger vom Geschäftsführer der Beklagten mit seinem Firmenfahrzeug am O-P-P in Stralsund gesehen.

Mit Schreiben vom 12.07.2007, dem Kläger am selbigen Tage zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos.

Mit seiner am 16.07.2007 eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der fristlosen Kündigung sowie die Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 31.01.2008.

Das Arbeitsgericht Stralsund hat der Klage mit Urteil vom 28.11.2007 stattgegeben und im Wesentlichen argumentiert, dem Kläger könne ein Fälschung des Tagesberichtes für den 05.07.2007 nicht nachgewiesen werden.

Der Beklagten sei es nicht gelungen zu beweisen, dass der Kläger das Gespräch mit Herrn H nicht wie angegeben in der Zeit von 18:10 Uhr bis 18:40 Uhr, sondern vielmehr in der Zeit von 17:00 Uhr bis 17:30 Uhr geführt habe. Auf die Eintragung des Klägers in den Tagesbericht vom 05.07.2007 - Tätigkeit in K bis ca. 15:45 Uhr - komme es nicht an. Zwar habe die Beklagte diesen Vortrag bestritten, jedoch sei die Kündigung selbst darauf nicht gestützt worden.

Gegen diese am 11.12.2007 zugegangene Entscheidung richtet sich die am 20.12.2007 beim Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern eingegangene Berufung der Beklagten nebst am 02.02.2008 eingegangener Begründung.

Die Beklagte hält an ihrem erstinstanzlichen Tatsachenvortrag und der diesbezüglich geäußerten Rechtsauffassung fest. Zwar habe der Kläger eine Bescheinigung des Ausschusses für Familie, Sicherheit und Gleichstellung der Hansestadt Stralsund vom 26.07.2007 (Blatt 76 - 81 der Akte) vorgelegt, die eine Teilnahme des Klägers an der Ausschusssitzung vom 05.07.2007 ab 17:00 Uhr ausweise, jedoch seien diese Angaben unrichtig.

Der Zeuge H könne bestätigen, dass er die geschäftliche Besprechung mit dem Kläger am 05.07.2007 in der Zeit von 17:00 Uhr bis 17:30 Uhr durchgeführt habe. In diesem Sinne habe er sich am 06.07.2007 auch gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten telefonisch geäußert, was die Mitarbeiterin der Beklagten Frau L bestätigen könne.

Im Übrigen könne der streitbefangenen Entscheidung des Arbeitsgerichts Stralsund auch deshalb nicht gefolgt werden, weil die Beklagte die fristlose Kündigung selbstverständlich auch auf den Umstand stütze, dass der Kläger mit der Behauptung einer Tätigkeit in K am 05.07.2007 bis 15:45 Uhr eine Falschangabe gemacht habe. Es sei schlicht nicht möglich, dass der Kläger am 05.07.2007 von K ab 15:45 Uhr nach Stralsund in weniger als einer Stunde und fünfzehn Minuten gefahren sei und bereits - wie er behaupte - um 16:59 Uhr in Stralsund habe einparken können. Dies gelte erst recht, wenn der Kläger - wie er selbst vortrage - noch vom Zeltplatz in Z persönliche Sachen abgeholt habe.

Die Beklagte beantragt:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 28.11.2008 - 3 Ca 353/07 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das erkennende Gericht hat anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2008 durch Vernehmung des Zeugen H Beweis erhoben. Hinsichtlich des Beweisthemas und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 16.05.2008 verwiesen (Blatt 167 - 170 der Akte).

Wegen der weiteren Einzelheiten im Berufungsrechtszug wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht Stralsund hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die fristlose Kündigung vom 12.07.2007 ist gemäß § 626 Abs. 1 BGB rechtsunwirksam. Das Arbeitsverhältnis hat deshalb antragsgemäß unter Berücksichtigung der gesetzlichen Kündigungsfrist von sechs Monaten gemäß § 622 BGB bis zum 31.01.2008 fortbestanden.

1.

Die streitbefangene Kündigung vom 12.07.2007 ist gemäß § 626 Abs. 1 BGB rechtsunwirksam. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB, der zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses berechtigt, ist dann gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dies setzt im Rahmen - wie hier - verhaltensbedingter Kündigungen grundsätzlich zunächst eine rechtwidrige und schuldhafte Pflichtverletzung des Arbeitnehmers voraus, wobei auch diesbezüglich der kündigende Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast trägt.

Unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze ist das erkennende Gericht vorliegend unter Zugrundelegung der Sach- und Rechtslage sowie nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Ergebnis zur Rechtsunwirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 12.07.2007 gelangt. Der Beklagten ist danach der Beweis von Falscheintragungen des Klägers im Tagesbericht für den 05.07.2007 nicht gelungen.

a)

Der Beklagten ist der Beweis ihrer Behauptung, der Kläger habe eine Arbeitstätigkeit in K am 05.07.2007 bis 15:45 Uhr vorsätzlich falsch angegeben, nicht gelungen. Allein ihr diesbezüglicher Vortrag - es sei unmöglich, in einer Stunde und fünfzehn Minuten unter Berücksichtigung eines Zwischenaufenthalts auf dem Campingplatz in Z von K nach Stralsund zu fahren - ist, wie bereits in der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2008 erörtert, für sich genommen ungeeignet, um damit den Vollbeweis ihrer Behauptung führen zu können.

Dieses Ergebnis folgt bereits aus dem Umstand, dass ausweislich des Routenplanes Via Michelin die Fahrzeit von K nach Z drei Minuten und von Z nach Stralsund eine Stunde und zehn Minuten beträgt. Selbst unter Berücksichtigung eines Zwischenaufenthalts auf dem Campingplatz in Z zum Zwecke der Einladung persönlicher Sachen erscheint es deshalb gerade nicht unmöglich, dass der Kläger die genannte Strecke in dem von ihm genannten Zeitraum tatsächlich zurückgelegt hat. Jedenfalls ist aber das Gegenteil nicht bewiesen. Das danach offene Beweisergebnis geht zu Lasten der darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten.

b)

Die weitere Behauptung der Beklagten, die Geschäftsbesprechung des Klägers mit dem Zeugen H am 05.07.2007 habe entgegen der Angaben des Klägers in der Zeit von 17:00 Uhr bis 17:30 Uhr stattgefunden, ist ebenfalls nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unter Berücksichtigung des übrigen Sach- und Streitstandes unbewiesen geblieben.

Der Zeuge H hat insoweit in sich widerspruchsfrei angegeben, das Gelände des Klinikums am Sund in Stralsund nach 17:00 Uhr in Richtung S-Park verlassen zu haben. Erst nach Ankunft im S-Park habe ihn der Anruf des Klägers zum Zweck der Verabredung erreicht. Bei dem ausgewiesenen Gespräch zwischen ihm und dem Kläger in dem Einzelverbindungsnachweis des Handy-Anschlusses des Klägers (Blatt 63 der Akte) für den 05.07.2007 habe es sich wohl um das besagte Telefongespräch gehandelt. Er habe am Abend des 05.07.2007 keinen Termin mehr wahrzunehmen gehabt und könne sich insgesamt an die konkrete Uhrzeit des Besprechungstermins mit dem Kläger am 05.07.2007 nicht erinnern.

Im Ergebnis der Zeugenaussage lässt sich eine Durchführung der geschäftlichen Besprechung am 05.07.2007 im S-Park in der Zeit von 17:00 Uhr bis 17:30 Uhr entgegen der Behauptung der Beklagten nicht feststellen.

Die Glaubwürdigkeit des Zeugen und die Glaubhaftigkeit seiner Aussage unterliegen nach Auffassung der Kammer keinen Bedenken, denn ein wirtschaftliches oder sonstiges Interesse des Zeugen am Ausgang des Verfahrens ist nicht erkennbar. Zudem sprechen die nach dem gegebenen Sach- und Streitstand zu berücksichtigenden weiteren Umstände für die Richtigkeit der Angaben des Zeugen. So weist der Einzelverbindungsnachweis des Mobilfunkanschlusses des Klägers nur ein Gespräch zwischen ihm und dem Zeugen H für den 05.07.2007 aus, und zwar um 17:38 Uhr.

Schließlich ist durch den Ausschuss für Familie, Sicherheit und Gleichstellung der Hansestadt Stralsund mit Schreiben vom 26.07.2007 die Teilnahme des Klägers an einer Ausschusssitzung am 05.07.2007 ab 17:00 Uhr bestätigt worden. Die dortigen Angaben korrespondieren wiederum mit dem vom Kläger abgereichten Parkschein (Parkhaus am Meeresmuseum), welcher einer Parkzeit am 05.07.2007 in der Zeit von 16:59 Uhr bis 17:44 Uhr ausweist.

Zur Überzeugung des erkennenden Gerichts ist mithin die zugrundeliegende Behauptung der Beklagten nicht nur nicht bewiesen, vielmehr ist unter Berücksichtigung der vorstehenden Erörterungen davon auszugehen, dass das geschäftliche Gespräch zwischen dem Kläger und dem Zeugen H am 05.07.2007 gerade nicht in der Zeit von 17:00 Uhr bis 17:30 Uhr stattgefunden hat.

Soweit die Beklagte zur Beweisführung die Vernehmung der Zeugin L angeboten hat, ist die Kammer im Ergebnis zur Verzichtbarkeit auf eine entsprechende Zeugenvernehmung gelangt, denn die Zeugin ist hinsichtlich der Frage des konkreten Zeitraumes des Gespräches vom 05.07.2007 zwischen dem Kläger und dem Zeugen H nicht aussagefähig, da sie sich - unstreitig - am 05.07.2007 zu der infrage kommenden Zeit nicht im S-Park aufhielt.

Sie hätte allenfalls die Angaben bezüglich des von der Beklagten behaupteten Verlaufes des Telefongespräches am 06.07.2007 bestätigen können, was allerdings unter Berücksichtigung der glaubhaften Aussage des Zeugen H mit Blick auf das eigentliche Beweisthema völlig unergiebig wäre.

Im Ergebnis lässt sich damit eine schuldhafte Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch den Kläger am 05.07.2007 nicht feststellen, so dass bereits aus diesem Grund die Rechtswirksamkeit der streitbefangenen außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB zu verneinen ist.

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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