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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 30.09.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 110/08
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
Erfolglose Klage gegen eine verhaltensbedingte Kündigung, die wegen des Missbrauchs der Möglichkeit des verbilligten Erwerbs von für den Müll bestimmten Waren des Arbeitgebers durch die Mitarbeiter ausgesprochen wurde.
Tenor:

1. Die Berufung wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch um die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung.

Die Beklagte betreibt in Zarrentin ein großes Logistikzentrum mit rund 60.000 Quadratmeter Lagerfläche, die sich auf zwei Stockwerke (Erdgeschoss und Obergeschoss) verteilen. Sie beschäftigt dort ungefähr 180 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die im Juni 1962 geborene Klägerin war seit Mai 1997 bei der Beklagten aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages (Blatt 3 ff. der Akte) zuletzt als Kommissioniererin zu einer monatlichen Bruttovergütung von EUR 1.730,00 beschäftigt.

Die Arbeitnehmer der Beklagten hatten bis zu dem hier streitigen Vorfall die Möglichkeit, unverkäufliche Ware stark verbilligt zu erwerben. Ausgangspunkt dieser von der Belegschaft intensiv genutzten Möglichkeit ist der Umstand, dass die von dem Logistikzentrum belieferten Filialen keine eigenen Entsorgungsmöglichkeiten haben. Dort ausgesonderte Ware kommt mit den LKW zusammen mit anderen Gegenständen aus den Filialen zurück in das Logistikzentrum. Die rückläufigen Gegenstände werden nicht sofort in die auf dem Hof bzw. an der Rampe zur Verfügung stehen Abfallcontainer (Abfallpressen) verbracht, sondern sie werden auf Paletten, Gitterboxen oder anderen Transportmitteln in einem etwa 1.500 Quadratmeter großen Bereich im Erdgeschoss der Halle in der Nähe der Abfallcontainer und -pressen zwischengelagert.

Die Mitarbeiter haben die Möglichkeit, noch brauchbare Ware oder andere Gegenstände aus diesem Zwischenlager stark verbilligt zu erwerben. Dazu gibt es relativ aufwendige Regeln.

Hat ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin dort einen Gegenstand entdeckt, den sie erwerben will, muss sie sich zunächst einen Freigabeschein ausstellen lassen. Damit soll dokumentiert werden, dass es sich um ausgesonderte Ware handelt. Es gibt etwa 5 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus der QS-Abteilung, die eine solche Freigabe bescheinigen dürfen. Für die Freigabe gibt es im Betrieb der Beklagten eigens Formulare. Der oder die interessierte Mitarbeiterin soll nun den gewünschten Gegenstand zusammen mit dem Freigabebeleg in einen gesonderten Raum im Bürotrakt des Zentrums verbringen und dort zwischenlagern. Jeden Freitag werden dann innerhalb einer festgelegten Zeit von etwa einer Stunde in diesem Raum die Erwerbsgeschäfte abgewickelt. Die Mitarbeiter kommen dann dorthin, nehmen ihre zwischengelagerten Gegenstände, stellen diese einem Mitarbeiter der Beklagten vor, der den Preis dafür frei festsetzt. Nach Bezahlung können dann die Gegenstände mitgenommen werden.

In der betrieblichen Praxis soll es nach Auskunft der Klägerin dazu gekommen sein, dass einige Kollegen von den im "Verkaufsraum" für den Erwerb am Freitag zwischengelagerten Gegenständen die Freigabebelege entfernt haben, um die Ware dann nach abermaliger Erteilung einer Freigabe auf ihren Namen für den eigenen Erwerb zu reservieren. Aus Angst vor einem solchen unkollegialen Verhalten haben Mitarbeiter immer wieder die zum späteren Erwerb im Rahmen des Freitagsverkaufs vorgesehenen Gegenstände am eigenen Arbeitsplatz versteckt und zwischengelagert, was man im Betrieb der Beklagten "Nester bauen" nannte. Freitags ist man dann mit den Gegenständen zunächst an die Rampe zur Freigabe gegangen und dann in den Verkaufsraum, wo sie dem zuständigen Mitarbeiter vorgelegt und nach Bezahlung erworben wurden.

Der Klägerin wird im Rahmen der Kündigung vorgeworfen, sie habe dieses Erwerbssystem missbraucht und durch Täuschung der beteiligten Mitarbeiter der Beklagten einen Gegenstand erworben, der nicht ausgesondert war. Um den damit verbundenen Erwerbsvorgang zu verstehen, muss man zunächst noch einen Blick auf den Internetverkaufsbereich der Beklagten im ersten Stock des Gebäudes werfen.

Die Beklagte ist seit 2007 dabei, sich über den Direktverkauf an Endkunden über das Internet für kleinteilige Waren eine neue Vertriebsschiene aufzubauen. Dieses Internetgeschäft wird über den sogenannten "Käfig" abgewickelt. Dabei handelt es sich um einen größeren eingezäunten Lagerbereich im Obergeschoss, in dem die kleinteilige Ware des Zentrums in Regalen und auf Paletten gelagert wird und wo auch ein PC-Arbeitsplatz eingerichtet ist. Der "Käfig" kann über zwei Tore betreten werden, die jeweils an den entgegengesetzten Seiten dieses Lagerbereichs angebracht sind und die normalerweise verschlossen sein sollten. Schlüssel für diesen Bereich besitzen rund 10 Mitarbeiter, von denen 5 das Internetgeschäft abwickeln. Die Klägerin besaß einen Schlüssel für den Käfig, war aber nicht mit Aufgaben im Rahmen des Handels über das Internet eingesetzt.

Die rückläufige Ware aus dem Internetgeschäft gelangt ebenfalls wieder in den Käfig. Nach Prüfung durch die zuständigen Mitarbeiter wird die rückläufige Ware entweder als Müll ausgesondert, oder sie wird, wenn sie noch in Ordnung ist, zum abermaligen Verlauf bei den anderen Stücken der betroffenen Ware im "Käfig" eingelagert. Die im "Käfig" ausgesonderte Ware kommt dann ebenfalls in den Entsorgungsbereich an der Rampe im Erdgeschoss und könnte dann dort von den Mitarbeitern erworben werden. Da die aus dem Versandgeschäft rückläufigen Waren nicht immer zeitnah bewertet und dann eingelagert oder ausgesondert werden, gibt es im "Käfig" allerdings auch eine Zone mit Retourpaletten, die aufgrund ihrer Unordnung und der Staubablagerungen äußerlich große Ähnlichkeiten mit dem Entsorgungsbereich unten an der Rampe aufweist, wo die rückläufige Ware aus den Filialen bis zur Entsorgung zwischengelagert wird (vgl. die Fotos Blatt 318 der Akte).

Am 14.06.2007 bearbeitete der Mitarbeiter Lenze im Internetbereich lagernde Retouren und stellte fest, dass dort vier Kartons mit Blumenampeln, bestehend aus einer Metallwandhalterung, einer Metalltopfhalterung und einem Terrakottatopf, vorhanden waren, die zum nochmaligen Verkauf eingelagert werden sollten. Am folgenden Tag fiel ihm auf, dass von den vier Kartons einer fehlte. Er meldete dies seinem Vorgesetzten Herrn B . Der Verbleib des Kartons konnte bis heute nicht festgestellt werden.

Am 15.06.2007 erwarb die Klägerin im Rahmen des Freitagsverkaufs eine solche Blumenampel bestehend aus Metallkorb, Metallhalterung und dazu gehörigem Terrakottatopf ohne Verpackung. Hierzu begab sie sich kurz nach 13.00 Uhr zu dem Bereich, in welchem der Mitarbeiter Herr S den Personaleinkauf leitete. Dieser nahm die von der Klägerin vorgelegte Ware, unter anderem auch die fragliche Blumenampel in Augenschein und schrieb für die Ampel und weitere Dinge eine Rechnung über insgesamt EUR 5,00 (Blatt 91 der Akte). Die Klägerin zahlte die Summe und verbrachte die gekaufte Ware in ihren PKW.

Nachdem Herr B von dem fehlenden Karton einer Blumenampel erfahren und die Klägerin eben eine derartige Ampel erworben hatte, führten die Mitarbeiter Ebel und Kasper am 15.06.2007 um 14.30 Uhr ein Gespräch mit der Klägerin und baten um Aufklärung des Sachverhaltes. Von diesem Gespräch gibt es ein Protokoll (Blatt 67 der Akte). Nach dem Protokoll wies die Klägerin zum einen auf die Unvollständigkeit der Ampel hin. Sie musste allerdings die Frage, ob jemand gesehen habe, wie sie die Ampel aus dem Müll genommen habe, verneinen. Auf die Bitte, sich die Ampel im klägerischen Fahrzeug ansehen zu dürfen, teilte die Klägerin mit, sie habe die Ware bereits nach Hause gebracht. Dem Vorhaben, zur Klägerin nach Hause zu fahren, stimmte die Klägerin zunächst zu, ging zum Lager, um ihren Schlüssel zu holen. Sie kam zurück und zog ihre Einwilligung zur Fahrt nach Hause zurück.

Nachdem die Mitarbeiter Kasper und Dieckmann auf dem Firmenparkplatz im Fahrzeug der Klägerin Waren gesehen hatten, informierte der Mitarbeiter Kasper hierüber den Mitarbeiter Ebel. Dieser führte daraufhin in Anwesenheit der Mitarbeiter S und Rasch nochmals ein Gespräch mit der Klägerin. Hierüber besteht ebenfalls ein Gesprächsprotokoll (Blatt 68 ff. der Akte). Der Klägerin wurde vorgehalten, dass die Ware sich noch in ihrem PKW befinde. Die Klägerin erklärte sich daraufhin bereit, die im PKW befindliche Ware zu zeigen. Sie äußerte, dass es komplett sein würde, da sie das Terrakotta-Teil aus dem Karton aus dem Internetbereich im Käfig entnommen habe. Die Klägerin händigte den Mitarbeitern der Beklagten die Blumenampel aus und fragte, was sie tun könne, um alles rückgängig zu machen. Sie wurde nach Hause geschickt und für den Montag um 09.30 Uhr zu einem Gespräch gebeten.

Nach dem über diese am 18.06.2007 im Zeitraum 09.30 Uhr bis 09.45 Uhr geführte Unterredung erstellten Protokoll (Blatt 70 ff. der Akte) schilderte die Klägerin, dass sie am Montag oder Dienstag das Metallteil in einer blauen Box im Erdgeschoss in dem Bereich bei den Abfallcontainern und -pressen gefunden habe. Der Topf sei kaputt gewesen. Sie habe das Teil am Freitag kaufen wollen. Am Mittwoch habe sie oben im Käfig in einem beschädigten Karton den dazu gehörigen Topf gesehen und herausgenommen. Sie habe beides an ihren Arbeitsplatz verbracht. Am Donnerstag sei sie zu dem Mitarbeiter B gegangen und habe sich den Beleg von ihm unterschreiben lassen. Anschließend habe sie die Ware zu dem für den Personalverkauf vorgesehenen Platz gebracht und am Freitag gekauft. Bei dem mit der Klägerin geführten Gespräch war das Betriebsratsmitglied W anwesend und hat unter das Protokoll handschriftlich notiert: "Beim Durchlesen des Protokolls habe ich festgestellt, dass dieses hinsichtlich der Aussagen der Mitarbeiterin ... nicht vollständig sind."

Die Klägerin war anschließend vom 18.06.2007 bis zum 30.09.2007 arbeitsunfähig erkrankt.

Mit Schreiben vom 25.06.2007 (Blatt 75 ff. der Akte, es wird Bezug genommen) unterrichtete die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat über die Absicht, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich und fristlos zum 29.06.2007 zu kündigen mit der Begründung, die Klägerin habe im Rahmen des "Verkaufs beschädigter Ware" das Vorhandensein einer beschädigten Ware vorgetäuscht. Der Betriebsrat stimmte der - inzwischen rechtskräftig für unwirksam erklärten - außerordentlichen Kündigung nicht zu, verwies auf die bisherige lange anstandslose Zusammenarbeit mit der Klägerin, auf die Notwendigkeit einer vorherigen Abmahnung und eine fehlende Wiederholungsgefahr.

Mit der Klägerin am 29.06.2007 zugegangenem Schreiben vom 29.06.2007 (Blatt 9 der Akte) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos zum 29.06.2007. Mit ihrer am 06.07.2007 beim Arbeitsgericht Schwerin eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen diese fristlose Kündigung gewandt.

Die Beklagte hat sich dann noch entschieden, hilfsweise eine ordentliche fristgemäße Kündigung auszusprechen und informierte ihren Betriebsrat hierüber mit Schreiben vom 16.07.2007 (Blatt 193 - 198, es wird Bezug genommen). Der Betriebsrat erteilte zu dieser Kündigung seine Zustimmung. Mit Schreiben vom 30.07.2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien hilfsweise wegen des Vorfalls, der schon zur Begründung der außerordentlichen Kündigung herangezogen wurde, zum 30.11.2007. Mit Klageerweiterung vom 03.08.2007 hat sich die Klägerin auch gegen diese Kündigung gewandt und die Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen beantragt.

Die Klägerin wurde nach ihrer Arbeitsunfähigkeit von der Beklagten aufgrund eines schriftlichen Vertrages über eine Weiterbeschäftigung während des Rechtsstreits wieder als Kommissioniererin eingesetzt, allerdings nicht im vormaligen Tätigkeitsbereich, sondern in der sogenannten Textilkommissionierung. Die Beschäftigung dauerte zum Zeitpunkt des Kammerverhandlungstermins vor dem Landesarbeitsgericht noch an.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 10. Januar 2008 der Kündigungsschutzklage wegen der außerordentlichen Kündigung stattgegeben, die Klage wegen der ordentlichen Kündigung jedoch abgewiesen. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

Das Urteil ist der Klägerin am 20. März 2008 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete klägerische Berufung vom 3. April 2008 ist hier am 4. April 2008 eingegangen und sodann mit Schriftsatz vom 9. Mai 2008, Gerichtseingang am 13. Mai 2008 begründet worden. Die Beklagte hat trotz ihres teilweisen Unterliegens kein Rechtsmittel gegen das arbeitsgerichtliche Urteil eingelegt.

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 30. Juli 2007. Sie meint, auch diese Kündigung sei unwirksam.

Die Klägerin behauptet, zum Personaleinkauf würden die Mitarbeiter der Beklagten nicht nur Artikel aus den Gitterboxen im Entsorgungsbereich an der Rampe nehmen, sondern auch im Obergeschoss im Käfig gebe es Waren, die zur Entsorgung anstehen und daher für den Mitarbeitereinkauf zur Verfügung stünden. Zahlreiche Mitarbeiter, von denen die Klägerin fünf namentlich und nach der dort in Besitz genommenen Ware aufführt, hätten sich bereits von den Retourenpaletten aus dem Käfig Waren genommen und sie anschließend im Rahmen des Mitarbeiterverkaufs offiziell erworben.

Die Klägerin trägt vor, Anfang der 24. KW, am Montag oder Dienstag habe sie in einer blauen Gitterbox im Entsorgungsbereich im Erdgeschoss einen stark eingedrückten Karton, auf dem eine Blumenampel abgebildet war, gesehen, ihn geöffnet und das unversehrte Metallgestell mit beschädigtem Terrakottatopf vorgefunden. Sie habe das Metallgestell zusammen mit anderen dort aufgefundenen Waren für den Personaleinkauf bei sich gelagert. Am Mittwoch, den 13.06.2007 habe sie im Bereich des Käfigs im Obergeschoss einen Karton mit Glasteilen vorgefunden, von denen sie annahm, dass diese hätten entsorgt werden sollen. Ein weiterer Mitarbeiter habe bereits ebenfalls einen derartigen Karton an sich genommen gehabt und sie darauf hingewiesen, dass sich diese Glasteile sehr gut dazu eigneten, ein Windlicht darin brennen zu lassen.

Auf der entsprechenden Palette hätten sich auch Kartons mit den fraglichen Blumenampeln befunden, von denen einer eingebeult gewesen sei. Da sich auf dieser Palette diverse Sachen durcheinander befunden hätten und die Umverpackungen teilweise bereits eingebeult gewesen seien, habe sie - so der schriftsätzliche Vortrag - angenommen, dass es sich hierbei um Entsorgungsgut handle. Sie habe einen eingebeulten Karton mit einer Blumenampel herausgezogen und hinein gesehen. Eine Umverpackung sei in dem Karton nicht mehr vorhanden gewesen, sondern die beiden Metallteile und der Terrakottatopf hätten sich ohne Umverpackung im Karton befunden. Sie habe darauf dem Karton den Terrakottatopf entnommen und ihn dann nur noch mit Metallgestell darin wieder zurück auf die Palette gestellt. Sie habe den Topf und die Glasteile zu den anderen Dingen an ihrem Arbeitsplatz zur Lagerung gelegt. Soweit der Mitarbeiter Lenze am 15.06.2007 bemerkt habe, dass von vier einzulagernden Kartons Blumenampeln einer gefehlt habe, habe sie daher damit nichts zu tun.

Die Klägerin behauptet weiter, am Abend des 14.06.2007 die von ihr gelagerte Ware in den Bereich verbracht zu haben, wo am nächsten Tag der Mitarbeiterverkauf habe stattfinden sollen. Nach dem Kauf der Ware am 15.06.2007 habe sie beim Einladen der Ware in ihr Fahrzeug bemerkt, dass sie ihr Handy vergessen gehabt habe, sei nach Hause gefahren und habe einige der gekauften Waren in ihre Wohnung verbracht.

Die Klägerin meint, sie habe die Ware ohne Täuschungshandlung erworben. Im Gespräch mit den Mitarbeitern Ebel und S sei sie von dem Mitarbeiter Ebel unter Druck gesetzt und des Diebstahls an einer Blumenampel bezichtigt worden. Da sie die Ampel ordnungsgemäß käuflich erworben habe, habe sie ihre unter Druck gegebene Einwilligung zur Fahrt nach Hause nach kurzer Bedenkzeit berechtigt verweigert. Nachdem die Mitarbeiter Kasper und Dieckmann auf Weisung des Mitarbeiters Ebel von außen in ihr Fahrzeug geschaut und die Ware gesehen hätten, habe der Mitarbeiter Ebel sie abermals unter Druck gesetzt und die Herausgabe der Blumenampel verlangt. Das Gesprächsprotokoll habe sie, da sie unter Schock gestanden habe, nicht unterzeichnen können. Die Schocksituation habe sich am Montag, dem 18.06.2007, fortgesetzt. Das Protokoll über die an diesem Tag geführte Unterredung sei falsch und unvollständig.

Die Klägerin meint, sie habe weder einen Betrug noch eine Unterschlagung zu Lasten der Beklagten begangen. Vielmehr habe sie durch die Entnahme des Terrakottatopfs aus der bereits beschädigten Verpackung einen Gegenstand an sich genommen, der nicht mehr verkäuflich war und der daher demnächst zur Entsorgung angestanden hätte. Sie hätte damit nur das getan, was die anderen von ihr benannten 5 Mitarbeiter ebenfalls schon getan hätten. Vor dem Hintergrund ihrer mehr als 10-jährigen Betriebszugehörigkeit sei auch die ordentliche Kündigung ohne vorhergehende Abmahnung nicht berechtigt.

Die Klägerin vertritt schließlich die Meinung, die Betriebsratsanhörung zur ordnungsgemäßen Kündigung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, weil das Protokoll über die Anhörung vom 18. Juni 2007 nicht mit dem letzten Blatt vorgelegt worden sei. Die Mitarbeiter des Betriebsrates hätten daher davon ausgehen müssen, dass das Gesprächsprotokoll den wahren Inhalt des Gesprächsverlaufes wiedergebe, was allerdings nicht zutreffe. Dies ergebe sich aus dem dort angebrachten Zusatz der Betriebsrätin W zur Unvollständigkeit des Protokolls.

Das arbeitsgerichtliche Urteil leide an teilweise falschen Feststellungen zu den Örtlichkeiten. Außerdem habe das Arbeitsgericht zu Unrecht aus der klägerischen Ablehnung der Gestattung einer Besichtigung ihrer Wohnung auf ihr schlechtes Gewissen geschlossen.

Die Klägerin beantragt

unter teilweiser Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 30.07.2007 zum 30.11.2007 aufgelöst ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte schließt sich der Bewertung der ordentlichen Kündigung durch das Arbeitsgericht an.

Die Beklagte meint, sie habe zum Erwerb beschädigter Ware klare Regelungen getroffen und diese im Schaukasten auf dem Weg zum Lager ausgehängt. Darüber hinaus seien Mitarbeiter immer wieder darüber belehrt worden.

Die Klägerin habe am 15. Juni 2007 im Rahmen des "Verkaufs beschädigter Ware" den Kauf beschädigter Ware vorgetäuscht. Es sei davon auszugehen, dass sie den Inhalt eines der im Internetretourenbereich gelagerten Kartons an sich genommen habe. Sie habe den Mitarbeiter B zur Unterschriftsleistung auf dem Freigabebeleg mit dem Hinweis, dass es sich um Müll handele, gebracht. Der Mitarbeiter B habe auf ihre Ehrlichkeit vertraut und sei davon ausgegangen, dass sie die Teile aus dem Entsorgungscontainer entnommen habe. Tatsächlich habe die Klägerin jedoch den Terrakottatopf nicht dem Entsorgungscontainer entnommen. Hierüber habe sie den Mitarbeiter B getäuscht. Entgegen ihrer Angabe auf dem Freigabebeleg habe es sich nicht um "Ampel-Müll" gehandelt, was der Klägerin auch bewusst gewesen sei.

Daraus, dass die Klägerin die Ware entgegen der für den Personaleinkauf bestehenden Regelungen an ihren Arbeitsplatz gelagert habe, lasse sich eine Vorbereitungshandlung für ein Eigentumsdelikt erkennen.

Die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin den Terrakottatopf einem verbeulten Karton entnommen habe und behauptet, alle im Karton befindlichen Ampeln seien mit einer Umverpackung verpackt gewesen. Aber auch, wenn eine Originalverpackung nicht mehr vorgelegen habe, sei die Klägerin nicht berechtigt gewesen, diese Ware als "Entsorgungsware" auszusortieren. Sie habe sich eigenmächtig aus noch nicht bearbeiteter Retourenware bedient. Auch den Mitarbeiter S habe sie in den Glauben versetzt, dass der Terrakottatopf aus dem Müll stamme und so den Verkauf bewirkt. Das Fehlverhalten setze bereits da ein, wo die Klägerin sich eigenmächtig an originalverpackter Ware zu schaffen gemacht habe, indem sie einen auf einer Retourenpalette des Internetbereiches stehenden Karton geöffnet habe. Sie habe diese Öffnung ohne Befugnis und Anweisung durchgeführt, die in dem Karton befindlichen Folienverpackungen entfernt und einen heilen Topf entnommen. Dabei habe sie allein anhand der Lagerung der Ware im abgeschlossenen Internetbereich erkennen können, dass es sich um zum Verkauf bestimmte Ware gehandelt habe.

Die Beklagte trägt vor, ihr Interesse, eine zuverlässige, ehrliche und loyale Mitarbeiterin zu beschäftigen, die ihren Aufgaben gerecht werde und die sich des Vertrauens des Arbeitgebers würdig erweise, habe im Rahmen der Interessenabwägung überwogen. Zwar habe die Klägerin bis zu diesem Vorfall zu den vertrauenswürdigen Personen gezählt, sie habe sich jedoch die ihr zum Internetbereich eröffnete Zugangsmöglichkeit genutzt, um sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen. Das Vertrauen zur Klägerin sei nachhaltig und irreparabel zerstört. Sie könne es auch gegenüber den übrigen Mitarbeitern nicht darstellen, die Klägerin trotz ihres eklatanten Pflichtenverstoßes weiterhin unverändert zu beschäftigen. Ein Verhalten, wie es die Klägerin an den Tag gelegt habe, müsse vielmehr mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen geahndet werden, da es sonst Gang und Gäbe würde, dass Mitarbeiter Waren an sich nähmen und diese willkürlich komplettierten. Gerade das unredliche und gezielte Vorgehen der Klägerin erfordere den Ausspruch der Kündigung. Dabei komme es auf die Werthaltigkeit der Sache nicht an, denn auch die Entwendung geringwertiger Güter sei an sich als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung geeignet. Eine Abmahnung sei im Hinblick auf das begangene Eigentumsdelikt entbehrlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die dem Gegenstand nach ohne Weiteres statthafte klägerische Berufung, die auch im Übrigen keinen Zulässigkeitsbedenken unterliegt, hat in der Sache keinen Erfolg. Trotz der teilweise berechtigten Kritik der Klägerin an den arbeitsgerichtlichen Feststellungen zu den örtlichen Gegebenheiten bleibt die vom Arbeitsgericht vorgenommene Bewertung des Vorfalls im Kern zutreffend.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist aufgrund der ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 30. Juli 2007 zum 30. November 2007 beendet worden. Diese Kündigung ist rechtswirksam, denn sie ist sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 KSchG und sie unterliegt auch keinen weiteren Wirksamkeitsbedenken.

I.

Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 KSchG.

1.

Sozial gerechtfertigt ist eine Kündigung unter anderem dann, wenn sie durch Gründe, die in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Erforderlich ist ein pflichtwidriges Verhalten des Arbeitnehmers, durch dass das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, sei es im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit, im personalen Vertrauensbereich oder sonst im Unternehmensbereich. Es genügen hierbei solche im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Umstände, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Dabei ist nicht von dem Standpunkt des jeweiligen Arbeitgebers auszugehen, sondern es ist vielmehr ein objektiver Maßstab anzulegen. Als verhaltensbedinger Kündigungsgrund kommt daher nur ein solcher Umstand in Betracht, der einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann.

Das Bundesarbeitsgericht gliedert die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung in zwei Schritte. Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass der in Frage stehende Vorfall "an sich", also seiner allgemeinen Bedeutung nach, geeignet ist, Kündigungen zu rechtfertigen. In einem zweiten Schritt ist dann noch unter Verwertung aller besonderen Umstände des Einzelfalles zu ermitteln, ob der konkrete Vorfall geeignet ist, die Kündigung zu rechtfertigen. Ob dieser zweite Prüfungsschritt - wie das Arbeitsgericht meint - mit der stets notwendigen Interessenabwägung identisch ist, kann hier offen bleiben.

2.

Der anlassgebende Vorfall ist an sich geeignet eine verhaltensbedingte Kündigung zu begründen.

Bei dieser Feststellung geht das Gericht von den Schilderungen der Klägerin aus. Denn der sehr viel weiter gehende Verdacht der Beklagten, die Klägerin habe sich die komplette Blumenampel aus dem Internetbereich im "Käfig" besorgt und habe nur hinterher die Geschichte erfunden, sie habe einen Teil davon in einer Gitterbox im Erdgeschoss an der Rampe gefunden, ist spekulativ geblieben.

Die Klägerin hat nach ihrer eigenen Schilderung einen Karton mit der Blumenampel, der sich im Retourenbereich im "Käfig" befand, geöffnet, den Terrakottatopf entnommen und diesen an sich genommen. Dazu war die Klägerin nicht berechtigt, da es sich nicht um ausgesonderte Ware, die zum Mitarbeiterverkauf freigegeben war, gehandelt hat. Wer in einem Warenhandelsgeschäft Waren des Arbeitgebers gegen dessen Willen an sich nimmt, begeht eine schwere Pflichtverletzung, die an sich geeignet ist eine verhaltensbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen.

Dies gilt auch dann, wenn der Mitarbeiter sich die Ware nicht direkt aneignet (Unterschlagung oder Diebstahl), sondern er sie - wie hier - zuvor noch im Rahmen des Mitarbeiterverkaufs einem Mitarbeiter des Arbeitgebers zur Preisfestsetzung vorlegt. Denn die Klägerin konnte die rechtswidrig dem Warenbestand entnommene Ware nur deshalb dem Mitarbeiter zur Preisfestsetzung vorlegen, weil sie sich zuvor durch Täuschung eines weiteren Mitarbeiters den Freigabeschein erschlichen hat. Mit dem Freigabeschein soll dokumentiert werden, dass das betreffende Warenstück tatsächlich aus dem Entsorgungsbereich stammt.

Die Klägerin hat dem Mitarbeiter nicht offenbart, dass sie den Terrakottatopf einer Palette im Internetbereich entnommen hat. Daher musste er annehmen, die Ware stamme wie vorgesehen aus dem Entsorgungsbereich. Damit hat die Klägerin diesen Mitarbeiter getäuscht. Durch die Täuschung wurde das vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem für den verbilligten Verkauf an Mitarbeiter außer Kraft gesetzt. Erst so war es der Klägerin möglich, den Terrakottatopf endgültig an sich zu nehmen, ohne dass die Rechtswidrigkeit ihrer Handlung sofort auffallen musste.

3.

Die konkreten Verhältnisse im vorliegenden Falle rechtfertigen eine andere Bewertung nicht.

a)

Aufgrund der Befragung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung durch das Gericht ist davon auszugehen, dass die Klägerin wusste, dass die Palette, auf der sich der Karton mit dem Terrakottatopf befunden hat, nicht gänzlich mit Waren bestückt war, die nicht mehr eingelagert werden sollten, sondern der Entsorgung zugeführt werden sollten. Die Klägerin kannte die Arbeitsabläufe bei der Bearbeitung der Retouren im Internetbereich, sie wusste also, dass ein Mitarbeiter der Beklagten zunächst prüfen musste, ob die Retouren nochmals eingelagert werden können, oder ob sie der Entsorgung zugeführt werden müssen. Der Klägerin war bewusst, das der Karton mit dem Terrakottatopf zu den Retourenwaren gehörte, die noch nicht auf ihre weitere Verwendbarkeit geprüft wurde.

Damit hat sich die Klägerin eine Entscheidung angemaßt, die ihr nach der Arbeitsorganisation nicht zusteht und die geeignet ist, den Arbeitgeber in seinen Interessen als Eigentümer der Waren des Lagers empfindlich zu treffen.

b)

Es ist nicht ohne Weiteres möglich, wenigstens im Rahmen der Bewertung des Vorfalls mit der Klägerin davon auszugehen, dass der Karton mit dem Terrakottatopf tatsächlich zur Entsorgung anstand. Denn auch die Klägerin schildert, dass sich auf der Palette mehrere Kartons mit dieser Ware befunden haben, was die Möglichkeit nahelegt, dass man aus mehreren beschädigten Waren vielleicht noch einige vollständige Waren durch Austausch von Einzelteilen oder Verpackungen hätte herstellen können. Außerdem hätte es im Falle des Terrakottatopfes nahe gelegen, diesen auch dann noch einzulagern, wenn er derzeit unverkäuflich ist, da der Terrakottatopf das Teil der Blumenampel ist, das am leichtesten beschädigt werden kann, so dass man den intakten Topf gut hätte einlagern können, um ihn später für einen beschädigten Tontopf einsetzen zu können.

Es kann dahinstehen, ob sich die Beklagte, falls sie die Entscheidung zu treffen gehabt hätte, tatsächlich im aufgezeigten Sinne entschieden hätte. Entscheidend ist der Umstand, dass die Klägerin auch dann, wenn man von ihrer - allerdings streitigen - Behauptung ausgeht, der Karton sei beschädigt gewesen, und die Innenverpackung des Topfes habe gefehlt, nicht davon ausgehen durfte, dass diese beiden Umstände bereits zur völligen Wertlosigkeit des Warenstücks führen müssten.

Demnach käme eine mildere Bewertung des Vorfalls nur dann in Betracht, wenn man davon ausgehen müsste, dass sich die Klägerin hinsichtlich der Möglichkeit der weiteren Verwertbarkeit des Warenstücks in einem Irrtum befunden hatte. Davon kann aber nicht ausgegangen werden. Denn wenn die Klägerin tatsächlich irrtümlich davon ausgegangen wäre, sie hätte ein mit Sicherheit zur

Entsorgung anstehendes Warenstück an sich genommen und erworben, hätte sie bei den Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhaltes keinen Anlass gehabt, die Kooperation zu verweigern. In diesem Punkt schließt sich das Berufungsgericht der Bewertung dadurch das Arbeitsgericht trotz der scharfen Kritik der Klägerin ausdrücklich an. Die Klägerin hat die Kooperation bei der Aufklärung dadurch verweigert, dass sie nicht damit einverstanden war, gemeinsam in ihre Wohnung zu fahren, um sich das erworbene Warenstück nochmals anzuschauen. Das kann und muss vorliegend als Hinweis auf das schlechte Gewissen der Klägerin gewertet werden.

Es ist richtig, dass die Klägerin nicht verpflichtet war, Vertretern ihrer Arbeitgeberin den Zutritt zur Wohnung zu gestatten, es hätte jedoch nahe gelegen, diesen Besuch zur endgültigen Entkräftung der Verdachtsmomente zu gestatten. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO bewertet das Gericht daher dieses Verhalten als einen Hinweis auf ein schlechtes Gewissen der Klägerin. Diese Bewertung wird zusätzlich durch den unstreitigen Umstand gestützt, dass die Klägerin, als man sich kurze Zeit später am selben Tag gemeinsam zu ihrem Auto begeben hatte, im Sinne eines Geständnisses offenbarte, man werde dort eine vollständige Blumenampel vorfinden. Auch zu dieser Äußerung hätte kein Anlass bestanden, wenn die Klägerin tatsächlich guten Glaubens gewesen wäre, alles richtig gemacht zu haben.

c)

Eine mildere Bewertung des Vorfalls kommt auch nicht in Hinblick auf den Umstand in Betracht, dass - nach streitiger Behauptung der Klägerin - einige namentlich benannte weitere Mitarbeiter der Beklagten namentlich benannte Warenstücke aus dem Internetbereich auf die gleiche Weise wie die Klägerin erworben haben sollen.

Denn diesem Umstand könnte nur dann eine Bedeutung zukommen, wenn die Beklagte bei diesen Personen diese Vorgehensweise gekannt hätte. Denn nur dann, wenn die Arbeitgeberin weiß, dass die von ihr aufgestellten Regeln zum verbilligten Erwerb zu entsorgender Ware durchbrochen wurden und nunmehr auch auszusondernde Ware aus dem Internetbereich verbilligt erworben wird, könnte sich die weitere Frage stellen, ob die Beklagte dieses Vorgehen konkludent gebilligt oder jedenfalls stillschweigend geduldet hat.

Darauf ist die Klägerin ausdrücklich vor der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden, ohne dass sie ihren Vortrag ergänzen könnte. Demnach kann in dem Hinweis auf das Vorgehen der benannten Kollegen lediglich ein Hinweis darauf gesehen werden, dass auch andere Mitarbeiter versucht haben, die Beklagte zu hintergehen. Daraus kann kein Anspruch auf eine mildere Bewertung erwachsen.

d)

Das Gericht hat keine Feststellungen zum Wert der Blumenampel getroffen. Aufgrund der vorgelegten Fotos kann man aber wohl sagen, dass sie nicht auffällig teuer gewesen sein kann. Das Gericht geht davon aus, dass ihr Wert so zwischen 5 und 15 EURO betragen haben muss (Wiederverkaufswert). Aber auch diese relative Geringwertigkeit rechtfertigt keine andere Bewertung des Vorfalls.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ist es nicht zulässig, vorsätzlichen oder widerrechtlichen Verletzungen des Eigentums oder des Vermögens des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer allein wegen einer als geringfügig anzusehenden Schädigung des Arbeitgebers von vornherein die Eignung für eine Kündigung abzusprechen (BAG Urteil vom 17.05.1984 -2 AZR 3/83 - AP Nr. 14 zu § 626 BGB, Verdacht strafbarer Handlung). Auch die Entwendung von im Eigentum des Arbeitgebers stehenden geringwertigen Sachen ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund abzugeben (BAG, Urteil vom 11.12.2003 - 2 AZR 36/03 - AP Nr. 179 zu § 626 BGB). Erst die Würdigung, ob dem Arbeitgeber deshalb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar ist, könnte zu der Feststellung der Nichtberechtigung der Kündigung führen.

Die relative Geringwertigkeit der Sache steht hier der Feststellung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung nicht entgegen, denn die Klägerin hat aufgrund ihrer Arbeitsaufgabe ständig damit zu tun, mit Eigentum des Arbeitgebers umzugehen. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Arbeitgeberin hier einen strengen Maßstab anlegt.

e)

Die Kündigung scheidet nicht deshalb aus, weil die Klägerin zuvor nicht einschlägig in einem gleichgelagerten Fall abgemahnt worden ist.

Eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzt regelmäßig eine Abmahnung voraus. Diese dient der Objektivierung der notwendigen negativen Prognose im Rahmen der Prüfung der Wiederholungsgefahr. Sie ist allerdings entbehrlich, wenn sich bereits aus dem Vorfall, der der Kündigung zu Grunde liegt, mit ausreichender Sicherheit auf eine negative Zukunftsprognose schließen lässt (BAG 31.05.2007 - 2 AZR 200/06 - Privatnutzung des Internets - NZA 2007, 922 = NJW 2007, 2653 = AP Nr. 57 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern 25.4.2007 - 3 Sa 294/06, auf juris.de veröffentlicht). So liegen die Dinge hier. Das Berufungsgericht schließt sich insoweit der Bewertung durch das Arbeitsgericht an.

Eine Mitarbeiterin, die Unregelmäßigkeiten beim Personaleinkauf begeht, um Waren unberechtigt verbilligt zu erhalten, muss davon ausgehen, dass sie damit - auch wenn sich das Verhalten auf lediglich geringwertige Sachen beziehen sollte - ihren Arbeitsplatz aufs Spiel setzt. So verhält es sich auch vorliegend. Die Klägerin hat keine Umstände dargetan, die gegen diese Annahme sprechen könnten. Da sie sich des Unrechts ihres Verhaltens bewusst war (siehe oben), muss sie als eine Arbeitnehmerin charakterisiert werden, die nicht bereit ist, sich den Vorgaben des Arbeitgebers zum Schutz seines Eigentums zu unterwerfen, es muss daher damit gerechnet werden, dass es zu weiteren vergleichbaren Zwischenfällen kommt. Damit steht fest, dass die Prognose für die weitere Zusammenarbeit negativ ist. Dass eine scharfe Abmahnung die Klägerin mutmaßlich zur Vernunft gebracht hätte, ist daher unerheblich.

4.

Die vom Arbeitgericht vorgenommene Abwägung der beteiligten Interessen ist nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht schließt sich dieser Bewertung an.

Es ist der Beklagten nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis über die Kündigungsfrist hinaus fortzuführen. Das Interesse der Klägerin an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist gegen das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte und Einzelfallumstände gegeneinander abzuwägen. Für das Fortsetzungsinteresse der Klägerin spricht insbesondere ihre lange, beanstandungsfreie, über 10-jährige Beschäftigungszeit.

Auch wenn es sich bei der Blumenampel um eine Sache von geringem Wert handeln sollte, ist zum Nachteil der Klägerin zu berücksichtigen, dass sie in die Dispositionsbefugnis der Beklagten eingegriffen hat. Allein die Beklagte hat zu entscheiden, wie sie mit ihrem Eigentum verfahren möchte. Diese Entscheidungsbefugnis hat die Klägerin der Beklagten durch ihr Verhalten genommen.

Als erschwerend ist es zudem zu werten, wenn der Pflichtenverstoß mit der vertraglich geschuldeten Tätigkeit des Arbeitnehmers zusammen hängt, der Arbeitnehmer eine sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebende Obhutspflicht trägt und die Pflichtwidrigkeit bei Gelegenheit der Arbeitsleistung verübt wird. Diese Voraussetzungen treffen vorliegend zu. Die Klägerin hatte aufgrund ihrer Tätigkeitskreise Zutritt zum "Käfig" und konnte deshalb - gleichgültig, ob der Käfig verschlossen war oder nicht - Ware hieraus entnehmen, um sie mit Teilen aus dem "Müll" zu einem kompletten Verkaufsobjekt zusammenzustellen und dieses sodann verbilligt zu erwerben. Da sie auch gerade im "Käfig" eingesetzt war, oblag ihr über die dort lagernden Waren eine Obhutspflicht. Bereits aufgrund dieses erschwerenden Umstandes tritt ihre lange Betriebszugehörigkeit in den Hintergrund.

Zudem ist besonders erschwerend zu berücksichtigen, dass es sich nicht um ein sogenanntes "Augenblicksversagen" handelt, sondern die Klägerin gezielt über mehrere Handlungsabschnitte vorging. Sie hat sich nach ihren Angaben zwar die Metallteile aus dem "Müll" besorgt, sodann jedoch zielgerichtet einen Karton aus dem Retourenbereich gesucht, um die Ampel komplettieren zu können. Zudem ist zu ihren Lasten zu berücksichtigen, dass sie Arbeitskollegen, nämlich Herrn B und Herrn S , bewusst getäuscht hat, um die Blumenampel verbilligt zu erwerben. Sie hat das ihr von dem Kollegen B entgegengebrachte Vertrauen, dass ihre Angaben im Freigabebeleg zutreffen, ausgenutzt und vorgetäuscht, dass es sich um eine unvollständige Blumenampel handelt. Bei dem Kollegen S hat sie es sich zu Nutze gemacht, dass der Kollege B den Freigabebeleg ohne Ansicht der Waren gezeichnet hatte und auch er von einer Unvollständigkeit der Blumenampel ausging.

Schließlich kann nicht unbeachtet bleiben, dass die Klägerin ihr Fehlverhalten erst eingeräumt hat, nachdem ihr praktisch nichts anderes mehr übrig geblieben war. Dies alles führt dazu, dass bei der Beklagten von einem unwiederbringlichen Vertrauensverlust auszugehen ist, der es ihr unmöglich macht, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.

II.

Der Kündigung kann auch nicht die Wirksamkeit mit Verweis auf § 102 BetrVG versagt werden. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Das Berufungsgericht schließt sich diesen Ausführungen an.

Soweit sich die Klägerin darauf stützt, die letzte Seite des Gesprächsprotokolls vom 18.06.2007 habe dem Betriebsrat nicht vorgelegen, ist mit dem Arbeitsgericht darauf hinzuweisen, dass dieses Gesprächsprotokoll dem Betriebsrat bereits im Rahmen der Anhörung zur außerordentlichen Kündigung als Anlage 6 vorgelegt worden ist. Darüber hinaus konnte der Betriebsrat das Fehlen einer Seite feststellen und hätte, wenn es für ihn entscheidungserheblich gewesen wäre, diese Seite anfordern können.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der dadurch fehlende handschriftliche Vermerk auf dem Protokoll von einem Betriebsratsmitglied verfasst worden ist, und damit erst Recht keine Gefahr bestand, dass die in dem Vermerk enthaltende Information verloren geht.

III.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel keinen Erfolg hatte (§ 97 ZPO).

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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