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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 25.11.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 174/08
Rechtsgebiete: BGB, SGB IV


Vorschriften:

BGB § 134
BGB § 611
SGB IV § 14 Abs. 2
Ein Arbeitsvertrag, der in beiderseitigem Einvernehmen vollständig oder teilweise unter Verletzung steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Pflichten durchgeführt wird ("Schwarzgeldabrede") ist nicht insgesamt unwirksam. Vielmehr ist die "Schwarzgeldabrede" als eine Nettolohnabrede auszulegen. Dies ergibt sich seit Juli 2002 aus § 14 Absatz 2 SGB IV, galt aber auch bereits für die Zeit davor (wie BAG 26.02.2003 - 5 AZR 690/01 - BAGE 105. 187 = AP Nr. 24 zu § 134 BGB = DB 2003, 1581) aus allgemeinen Grundsätzen.
Tenor:

1. Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten noch um wechselseitige Zahlungsansprüche aus einem bereits zum 31.12.2002 beendeten Arbeitsverhältnis.

Die Klage bezieht sich auf anteiliges Entgelt für Dezember 2002 in Höhe von 632,62 € netto, das die Arbeitgeberin in der Folge eines zu ihren Ungunsten ausgegangenen Kündigungsrechtsstreits in der geltend gemachten Höhe auch abgerechnet hat.

Die Beklagte verweigert die Zahlung des abgerechneten Entgelts mit Hinweis auf eine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung in Höhe von 750,02 € aus ungerechtfertigter Bereicherung.

Dem Gegenanspruch liegen Zahlungen der Beklagten an die Klägerin aus dem Jahre 1998 in dieser Höhe zu Grunde, die die Beklagte ausweislich ihrer Bücher zum Ausgleich von Reisekosten der Klägerin geleistet hat (Nachweise in den Anlagen B59 bis B67, Blatt 578 ff d. A., es wird Bezug genommen). Die Beklagte geht davon aus, dass der Klägerin keine entsprechenden Aufwendungen entstanden sind, da die Reisen tatsächlich nicht angefallen seien. Die Klägerin bestreitet das Nichtanfallen der Reisen und die Beklagte hat keine näheren Umstände vorgetragen, die ihre Vermutungen untermauern.

Die Widerklage der Beklagten stützt sich ebenfalls auf den Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung wegen vorgetäuschter Reisekosten nunmehr aus der Zeit zwischen 1998 und 2002. Insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die in den Büchern der Beklagten ausgewiesenen 40 Reisen der Klägerin nicht stattgefunden haben. Weiter ist unstreitig, dass die der Widerklage zu Grunde liegenden Reisekosten unabhängig von dem Streit um die Reisekosten im Rahmen der Gegenforderung zur Klageforderung sind. Die Widerklage beläuft sich auf 4.356,54 €.

Diese steuer- und sozialversicherungsfreien Zahlungen auf angebliche Reisekosten hat der seinerzeitige Geschäftsführer der Beklagten mit der Klägerin im März 1998 und damit zu einem Zeitpunkt vereinbart, zu dem alle anderen Arbeitnehmer der Beklagten wegen einer Erhöhung der Arbeitszeit von 37,5 Stunden auf 39 Stunden pro Woche eine Gehaltserhöhung erhalten hatten. Die Klägerin ist die einzige Arbeitnehmerin, deren abgerechnetes Entgelt aus diesem Anlass nicht erhöht wurde.

Die Klägerin bestreitet Grund und Höhe der Widerklageforderung und rechnet hilfsweise mit einer Gegenforderung auf, die sie sich daraus errechnet hat, dass sie seit 1998 ohne Rechtsgrund ebenfalls wie die anderen Kolleginnen und Kollegen 39 statt wie bisher 37,5 Stunden pro Woche gearbeitet hat. Außerdem sind in ihrem Rechenwerk weitere Überstunden, die sie geleistet haben will, eingeflossen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Schluss-Urteil vom 07.03.2008 in vollem Umfang entsprochen und hat die Klägerin unter Abweisung des größten Teils der Widerklage zur Zahlung von 583,48 € an die Beklagte verurteilt. In den Entscheidungsgründen hat das Gericht die gegen die Klage zur Aufrechnung gestellte Forderung der Beklagten als nicht schlüssig erachtet und daher die Aufrechnungswirkung verneint. Die Widerklage hat es dem Grunde und der Höhe nach für begründet gehalten, hat jedoch die Aufrechnung mit der entgegenstehenden Vergütungsforderung der Klägerin in Höhe von 3.773,06 € brutto als erloschen angesehen.

Dieses Schluss-Urteil ist, soweit die Klägerin beschwert ist, rechtskräftig. Die Beklagte hat gegen das Urteil rechtzeitig Berufung eingelegt und diese auch rechtzeitig begründet.

Mit der Berufung begehrt die Beklagte nach wie vor die volle Abweisung der Klage sowie das vollständige Obsiegen mit der Widerklage.

Die Beklagte geht davon aus, dass die klägerische Gegenforderung gegen die Widerklage nicht schlüssig vorgetragen sei. Die Klägerin habe die Arbeitszeiterhöhung im März 1998 ohne Gegenleistung akzeptiert. Auch das Ableisten von Überstunden sei unglaubwürdig, da die Klägerin bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses und auch danach nie einen Ausgleich für Überstunden gefordert habe. Auch in der Arbeitszeiterfassung habe die Klägerin keine zusätzlichen Überstunden ausgewiesen.

Außerdem äußert die Beklagte Zweifel daran, ob man die Bruttolohnforderung der Klägerin mit der Widerklageforderung überhaupt aufrechnen könne; wenn, dann wäre das nur im Umfang des Nettobetrages aus der Bruttoforderung möglich. Diesen hat die Beklagte errechnet und errechnet sich daraus selbst auf der Argumentationsbasis des Arbeitsgerichtes einen weiteren Anteil aus der bisher abgewiesenen Widerklageforderung.

Zu der Gegenforderung, die die Beklagte gegen die klägerische Forderung gestellt hat, meint die Beklagte, das Bestreiten der Klägerin mit Nichtwissen hinsichtlich der Kostenerstattung zu Grunde liegenden Reisen sei unbeachtlich.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils

1. die Klage abzuweisen;

2. die Klägerin auf die Widerklage zu verurteilen, über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag von 583,48 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.02.2003 weitere 3.773,06 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.02.2003 an die Klägerin zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

I.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zutreffend zur Zahlung von 632,62 € netto nebst Zinsen als noch offenes anteiliges Entgelt aus Dezember 2002 verurteilt.

Der Anspruch ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Er ist jedoch auch nicht durch Aufrechnung untergegangen.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass der Beklagten der Nachweis nicht gelungen sei, dass die Zahlung der hier zurückgeforderten Reisekosten aus dem Jahr 1998 in Höhe von 750,02 € entsprechend der Nachweise in den Anlagen B59 bis B67 (Blatt 578 ff d. A.) ohne Rechtsgrund erfolgt ist.

Vielmehr ist es spekulativ geblieben, ob den seinerzeit erstatteten Reisekosten entsprechende Reisen der Klägerin gegenüberstanden. Ausweislich der vorgelegten Reiseabrechnungen hat eine Rechnung der Vorbereitung eines Betriebsausfluges nach Göhren gedient (B59, Blatt 578 d. A.), eine weitere Abrechnung hat mehreren unbenannten Stadtfahrten gedient (B60, Blatt 579 d. A.) und die weiteren Reiseabrechnungen bezogen sich auf Besuche bei Kunden, deren Namen in den einzelnen Abrechnungen aufgeführt sind. Angesichts der sehr weit zurückliegenden Vorgänge hält es das Gericht für zulässig, dass die Klägerin mit Nichtwissen bestreitet, dass den Reiseabrechnungen keine entsprechende Reisen gegenübergestanden haben. Die Beklagte hätte daher weitere Umstände vortragen müssen, die der Klägerin geholfen hätten, sich daran zu erinnern, ob die Reisen tatsächlich stattgefunden haben oder eben nicht stattgefunden haben können.

II.

Soweit das Arbeitsgericht die Widerklage der Beklagten überwiegend zurückgewiesen hat, hat dieser Teil des Urteils jedenfalls im Ergebnis Bestand.

Im Gegensatz zum Arbeitsgericht geht das Landesarbeitsgericht jedoch davon aus, dass bereits die Widerklageforderung nicht besteht, so dass es nicht darauf ankommt, ob die von der Klägerin zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung überhaupt besteht. Die Existenz und die Höhe dieser Gegenforderung wird vom Berufungsgericht vielmehr ausdrücklich offen gelassen.

Die Beklagte meint, sie habe die mit der Widerklage begehrten 4.356,54 € ohne Rechtsgrund der Klägerin geleistet, da die vordergründige Begründung der Zahlung, Reisekosten und Aufwendungsersatz, nicht den Tatsachen entsprochen hat.

Mit dieser Begründung ist nicht schlüssig dargelegt, dass die Zahlungen der Beklagten an die Klägerin wegen der vorgetäuschten Aufwendungen ohne Rechtsgrund erfolgt sind.

Denn zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Zahlungen und deren scheinbare Legitimation durch Dienstreisen und andere scheinbare Aufwendungen zwischen dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten und der Klägerin ausdrücklich verabredet wurden.

Da diese Absprachen zu einem Zeitpunkt getroffen wurden, zu dem alle anderen Arbeitnehmer wegen einer Ausdehnung der Arbeitszeit eine Erhöhung des Entgeltes erhalten haben, muss man davon ausgehen, dass auch mit dieser Abrede das Entgelt der Klägerin erhöht werden sollte. Es ist jedenfalls kein anderer Grund ersichtlich, der die erhöhten Zahlungen an die Klägerin erklären könnte.

Demnach muss das Berufungsgericht davon ausgehen, dass die Parteien hinsichtlich dieses Teils des Entgelts eine Schwarzgeldabrede getroffen haben, zu deren Vertuschung die Klägerin getürkte Belege beigetragen hat.

Ein Arbeitgeber, der in Erfüllung einer Schwarzgeldabrede Zahlungen an einen Arbeitnehmer leistet, ohne die Sozialversicherungsbeiträge abzuziehen und abzuführen, verwirklicht den Tatbestand des § 266 a Abs. 1 StGB. Dadurch werden Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung und zur Bundesagentur für Arbeit vorenthalten. Darüber hinaus begehen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei Abwicklung einer Schwarzgeldabrede einen Beitragsbetrug nach § 263 Abs. 1 StGB zu Lasten der Sozialversicherungsträger (vgl. BGH 25. Januar 1984 - 3 StR 278/83 - BGHSt 32, 236, 240); denn die Träger der Sozialversicherung werden durch die abgegebene Erklärung getäuscht und unterlassen deswegen die Einforderung der tatsächlich geschuldeten Beiträge, wodurch der Versichertengemeinschaft ein Vermögensschaden entsteht. Zudem wird der Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO verwirklicht, indem über steuerlich erhebliche Tatsachen, nämlich die Höhe des Einkommens, falsche Angaben gemacht und Steuern verkürzt werden. Schließlich verstoßen die Parteien gegen steuer- und sozialversicherungsrechtliche Meldepflichten, insbesondere § 41 a Abs. 1, § 41 b Abs. 1 EStG und § 28 a SGB IV (so Bundesarbeitsgericht 26.02.2003 - 5 AZR 690/01 - BAGE 105, 187 = AP Nr. 24 zu § 134 BGB = DB 2003, 1581).

Ein Arbeitsvertrag, der vereinbarungsgemäß unter Verletzung der genannten steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten durchgeführt wird, ist nicht insgesamt rechtsunwirksam, weil diese Pflichten die Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht verhindern sollen. Die angedrohten Sanktionen sollen allein die Erfüllung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Verpflichtungen sicher stellen. Auf Grund der einvernehmlichen Missachtung des gesetzlichen Gebots ist nicht der ganze Arbeitsvertrag mit dem Markel des Verbotes behaftet. Auch bei teilweiser ordentlicher Vergütungsabrechnung und bei teilweiser Schwarzgeldabrede ist die Vergütungsvereinbarung im Rahmen der Schwarzgeldabrede nicht nichtig. Nichtig ist vielmehr nur der Teil der Abrede, der sich auf die gemeinschaftliche Hinterziehung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen bezieht (BAG a. a. O.).

Auch der Gesetzgeber geht nicht von der Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages aus, wenn die Vertragspartner darüber einig sind, dass keine Einkommenssteuern und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden sollen. Nach Art. 3 Nr. 2 des Gesetzes zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2787) ist dem § 14 Abs. 2 SGB IV folgender Satz 2 angeführt worden: "Sind bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden, gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart." Dieses Gesetz ist zwar auf den vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbar, da die Durchführung der Schwarzgeldabrede der Parteien von 1998 bis Ende 2002 und damit im Wesentlichen vor der Änderung des Gesetzes praktiziert wurde. Gleichwohl hat das Bundesarbeitsgericht (a. a. O.) den Rechtsgedanken, der in dieser Regelung zum Ausdruck kommt, in der vorerwähnten Entscheidung auch auf Altfälle vor der Gesetzesänderung angewendet. Das muss auch vorliegend geschehen.

Daher muss das Gericht davon ausgehen, dass die Beklagte die streitigen Zahlungen in Höhe von 4.356,54 € mit Rechtsgrund als Teil der vertraglich vereinbarten Arbeitsvergütung an die Klägerin gezahlt hat. Die Zahlung ist daher mit Rechtsgrund erfolgt und kann nicht zurückgefordert werden.

III.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, da das Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 ZPO).

Zur Zulassung der Revision besteht vorliegend kein Grund.

Ende der Entscheidung

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