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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 03.03.2009
Aktenzeichen: 5 Sa 175/08
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 1
Parallelentscheidung zur Entscheidung LAG Mecklenburg-Vorpommern 3. März 2009 - 5 Sa 233/08 -, die vollständig dokumentiert ist.
Tenor:

1. Die Berufung wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelasen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen Kündigung einer zu Gunsten der Klägerin abgeschlossenen Direktversicherung durch den ehemaligen Arbeitgeber. Zwischen den Parteien bestanden zu keinem Zeitpunkt arbeitsvertragliche Beziehungen. Der Beklagte war Geschäftsführer der GmbH, bei der die 1956 geborene Klägerin seit 1992 tätig war. Die GmbH ist insolvent.

Mit Wirkung ab Juli 1995 hatte die GmbH zu Gunsten der Klägerin eine Direktversicherung bei der Nordstern Versicherung (heute AXA) abgeschlossen und diese mit monatlichen Beiträgen bedient.

Zum 1. Oktober 2003 kündigte die GmbH die zu Gunsten der Klägerin abgeschlossene Direktversicherung. Unter dem 13.11.2003 unterzeichnete die Klägerin wie von der Versicherung gegenüber der GmbH gefordert dazu eine Erklärung (Blatt 49 d. A. d. A.), die auszugsweise wie folgt lautet:

"Ich ... erkläre hiermit mein Einverständnis zur Aufhebung und Auszahlung der oben genannten Versicherung.

Mir ist bekannt, dass ich damit keine Ansprüche gegenüber der Versicherung und meinem Arbeitgeber geltend machen kann."

Im Juli 2004 erfolgte an die Klägerin - wie auch an die anderen Arbeitnehmer - die Auszahlung eines Betrages in Höhe von 500,00 EUR. Unter dem vorgedruckten Text der Erklärung vom 13.11.2003 wurde der handschriftliche Zusatz gesetzt:

"Auszahlung 500,00 Euro (in Worten: Fünfhundert)

Empfang bestätigt"

Die Klägerin setzte darunter am 12.07.2004 ihre Unterschrift.

Die Auszahlung des Rückkaufwertes und des Überschussguthabens aus den zu Gunsten der Klägerin und der weiteren Mitarbeiter abgeschlossenen Direktversicherungen erfolgte Seitens der Versicherung im Juli 2004. Bezogen auf die Direktversicherung der Klägerin erhielt die GmbH auf diese Weise 4.341,02 EUR. Der Rückkaufswert sowie das Überschussguthaben betrugen insgesamt 4.593,00 EUR. Hiervon wurde die Kapitalertragssteuer sowie der Solidaritätszuschlag in Abzug gebracht (Blatt 50 d. A.).

Nach der Insolvenz der GmbH machte die Klägerin erstmals mit Schreiben vom 21.08.2007 (Blatt 7 d. A.) gegenüber dem Beklagten außergerichtlich einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 20.885,81 EUR geltend. Nach fruchtlosem Fristablauf macht die Klägerin nunmehr im Wege ihrer vorab per Fax am 09.11.2007 bei Gericht eingegangenen Klage Schadensersatzansprüche gegenüber dem Beklagten geltend. Aufgrund späterer Teilklagerücknahme sind nunmehr noch 4.593,00 EUR, abzüglich der ausgezahlten 500,00 EUR in Streit.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 08.04.2008 abgewiesen und den Streitwert auf 4.093,00 EUR festgesetzt. Das Urteil ist der Klägerin am 05.05.2008 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung vom 02.06.2008 ist vorab per FAX am selben Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Aufgrund eines Antrages, der hier am 02.07.2008 eingegangen war, ist sodann die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 04.08.2009 verlängert worden. Die Berufung ist mit einem Schriftsatz, der hier am 24.07.2008 eingegangen ist, begründet worden.

Die Klägerin verfolgt im Berufungsrechtszug ihr Begehren im vollen Umfang weiter.

Die Klägerin ist der Meinung, der Beklagte sei verpflichtet, ihr den Schaden zu ersetzen, der ihr aus der Kündigung des Direktversicherungsvertrages entstanden sei und den sie in dem seinerzeitigen Rückkaufswert sieht. Sie behauptet, die Direktversicherung sei im Wege einer Entgeltumwandlung abgeschlossen worden. In einem Gespräch im Dezember 2003 habe der Beklagte ihr persönlich zugesagt, dass der aus der zu ihren Gunsten abgeschlossenen Direktversicherung erzielte Rückkaufswert an sie nach Vereinnahmung durch die GmbH ausgezahlt werden solle und sie sich damit mit einer Kündigung der Direktversicherung einverstanden erkläre. Am gleichen Tag, aber vor diesem Einzelgespräch, habe der Beklagte als Geschäftsführer der Beklagten den weiteren Arbeitnehmern, zu deren Gunsten ebenfalls Direktversicherungen abgeschlossen waren, auch bereits mitgeteilt, dass die GmbH beabsichtige, diese Direktversicherungen aufzukündigen und dann den Arbeitnehmern die vereinnahmten Rückkaufswerte auszuzahlen, wenn die Arbeitnehmer dem zustimmen würden. Der Betrag in Höhe von 500,00 EUR sei im Juli 2004 als Abschlag ausgezahlt worden. Auch in diesem Zusammenhang habe der Beklagte ihr gegenüber und gegenüber den weiteren betroffenen Mitarbeitern bekundet, dass der fehlende Differenzbetrag bis zum Rückkaufswert selbstverständlich an die Arbeitnehmer ausgezahlt werde. Mit ihrer Erklärung vom 13.11.2003 habe sie lediglich ihr Einverständnis zur Aufhebung und Auszahlung der Versicherung gegenüber der Versicherungsgesellschaft gegeben, da sie aus der auf sie abgeschlossenen Direktversicherung im Dezember 2003 bereits eine unverfallbare Anwartschaft nach Maßgabe des Gesetzes über die betriebliche Altersversorgung erworben habe.

Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch finde seine Grundlage in § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1 StGB, denn der Beklage habe zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt, den aus der Kündigung der Direktversicherung an die GmbH gezahlten Rückkaufswert derselben an die Klägerin auszubezahlen. Da die Arbeitnehmer ihm Glauben geschenkt hätten, dass nach Kündigung eine Auszahlung des Rückkaufswertes erfolge, hätten diese letztlich einer Kündigung der Direktversicherung und demzufolge auch konkludent einer Aufhebung der zu ihren Gunsten bestehenden Versorgungszusage zugestimmt. Der Beklagte habe die Klägerin darüber getäuscht, dass diese den aus ihrem Arbeitsentgelt angesparten Rückkaufswert nach Beendigung zurückerhalten werde. Der Beklagte habe vielmehr beabsichtigt, die erhaltenen Rückkaufswerte allein zur Verbesserung der Liquidität der Gesellschaft nutzbar zu machen. Der Beklagte sei daher zum Schadenersatz verpflichtet.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils zu verurteilen, an die Klägerin 4.093,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit dem 01.09.2007 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er behauptet, er habe als Geschäftsführer im September 2003 gegenüber allen Mitarbeitern und auch gegenüber der Klägerin erklärt, dass die GmbH nicht mehr in der Lage sei, die Direktversicherung weiterzuführen. Bei Einverständnis der Arbeitnehmer und der Klägerin, die Direktversicherung aufzuheben, werde der Rückkaufswert und das Überschussguthaben an die GmbH ausgezahlt und an jeden Arbeitnehmer nur ein Betrag in Höhe von 500,00 EUR. Zu keinem Zeitpunkt habe er hierüber die Arbeitnehmer im Unklaren gelassen, ein Betrug scheide aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die der Beschwer nach statthafte Berufung ist in der Sache nicht begründet.

I.

Zutreffend hat schon das Arbeitsgericht hervorgehoben, dass die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten nicht dargelegt sind. Da zwischen den Parteien keine arbeitsvertraglichen Beziehungen bestanden haben, könnte der Schadensersatzanspruch hier nur begründet sein, wenn die Voraussetzungen der Deliktshaftung erfüllt sind.

1.

Eine Haftung nach § 823 Absatz 1 BGB scheidet aus, da es auf Seiten der Klägerin nicht zu einer Rechtsgutsverletzung (z.B. Leben, Gesundheit, Ehre, Eigentum) oder der Verletzung eines sonstigen Rechts gekommen ist, denn vorliegend ist lediglich das Vermögen der Klägerin geschmälert worden.

2.

Der Schadensersatzanspruch lässt sich aber auch nicht auf § 823 Absatz 2 BGB stützen, denn es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte ein zu Gunsten der Klägerin bestehendes Schutzgesetz verletzt hat und dadurch der Schaden eingetreten ist. Die dafür maßgeblichen Gesichtspunkte hat bereits das Arbeitsgericht hervorgehoben.

a)

Die Direktversicherung, die die GmbH zu Gunsten der Klägerin abgeschlossen und lange Jahre bedient hatte, war zum Zeitpunkt ihrer Kündigung zum 1. Oktober 2003 noch nicht unverfallbar im Sinne des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG).

Maßgeblich ist die Übergangsvorschrift aus § 30f BetrAVG. Sie lautet auszugsweise:

"Wenn Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vor dem 1. Januar 2001 zugesagt worden sind, ist § 1b Abs. 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Anwartschaft erhalten bleibt, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles, jedoch nach Vollendung des 35. Lebensjahres endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt

1. mindestens zehn Jahre oder

2. bei mindestens zwölfjähriger Betriebszugehörigkeit mindestens drei Jahre

bestanden hat (unverfallbare Anwartschaft)."

Da das Arbeitsverhältnis der Parteien im April 1992 begonnen hatte, hat es im Oktober 2003 noch keine 12 Jahre bestanden.

Ob die Unverfallbarkeit ausnahmsweise trotzdem schon eingetreten war, weil die Direktversicherung zu Gunsten der Klägerin im Wege der Entgeltumwandlung nach § 1 a BetrAVG entstanden war, kann letztlich offen bleiben. Denn Unverfallbarkeit der Zusage bedeutet nicht, dass der Arbeitnehmer in seiner Dispositionsfreiheit über dieses Recht eingeschränkt ist. So wie die Klägerin eine private Lebensversicherung vorzeitig kündigen und sich auszahlen lassen kann, kann sie auch frei über eine unverfallbare Anwartschaft aus einer betrieblichen Direktversicherung verfügen. Der Umstand der Unverfallbarkeit hat daher für die Entscheidung des Rechtsstreits keine unmittelbare Bedeutung.

b)

Entscheidend für den Schadensersatzanspruch ist vielmehr, ob der Beklagte die Klägerin mit betrügerischen Mitteln veranlasst hat, auf ihre Anwartschaft zu Gunsten der GmbH durch die am 13. November 2003 unterzeichnete Erklärung (Kopie Blatt 49 d. A.) zu verzichten. Dieser Nachweis ist der Klägerin nicht gelungen.

Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass die Vereinbarung der GmbH mit der Klägerin anlässlich der Kündigung der Direktversicherung vom 13. November 2003 (Blatt 49 d. A.) aus der Sicht eines unabhängigen Dritten dahin ausgelegt werden muss, dass vereinbart war, dass der Rückkaufswert der Versicherung an die Klägerin ausgezahlt wird, könnte sich daraus nur ein Betrug ergeben, wenn die GmbH, seinerzeit vertreten durch den Beklagten, bereits zum Zeitpunkt dieser Absprache wusste, dass sie dieses Geld nicht an die Klägerin auszahlen kann oder will. Denn nur dann hätte der Beklagte, handelnd für die GmbH, die Klägerin über den Willen, die Vereinbarung auch einzuhalten, getäuscht.

Dafür gibt es jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte. Vor allem kann man entgegen der Auffassung der Klägerin aus dem Parteivortrag des Beklagten im hiesigen Rechtsstreit, er habe zu keinem Zeitpunkt den Willen gehabt, das Geld der Versicherung an die Klägerin auszuzahlen, darauf schließen, dass der Beklagte die Klägerin seinerzeit betrogen hat. Denn die Einlassung des Beklagten im hiesigen Rechtsstreit zeigt nur, dass der Beklagte der Auffassung ist, die GmbH habe sich nicht dazu verpflichtet, das Geld an die Klägerin auszuzahlen. Er gibt also nur der Vereinbarung einen anderen Sinn, bestätigt damit aber nicht gleichzeitig, dass er die Klägerin seinerzeit hinters Licht geführt hat.

Diese Einlassung des Beklagten zeigt vielmehr ein weiteres Problem für den Betrugsvorwurf der Klägerin auf. Denn es gibt in der Tat ernsthafte Anhaltspunkte dafür, dass man die von der Klägerin unterzeichnete Erklärung dahin zu deuten hat, dass damit einer Auszahlung der Versicherungssumme an die GmbH zugestimmt wird. Denn es ging wirtschaftlich gesehen darum, der GmbH Liquidität zuzuführen und die Einverständniserklärung der Begünstigten wurde von der Versicherung zur Voraussetzung der Auszahlung an die GmbH gemacht. Daher kann "Auszahlung" hier auch als Auszahlung von der Versicherung an die GmbH als Versicherungsnehmer gedeutet werden. Es mag ja sein, dass diese Auslegung letztlich nicht zutrifft, jedoch ist es ohne weiteres glaubhaft, wenn der Beklagte schildert, er hätte die Erklärung seinerzeit so verstanden. Wenn aber der Beklagte der Erklärung seinerzeit einen anderen Sinn beigemessen hat, ist es erst Recht nicht belegbar, dass er seinerzeit vorsätzlich - also in Kenntnis einer bestehenden Zahlungspflicht - vorhatte, diese nicht zu erfüllen. Denn wer mit vertretbaren Argumenten davon ausgeht, er habe gar keine Zahlungspflicht, der kann nicht gleichzeitig über den fehlenden inneren Willen zur Erfüllung dieser Pflicht täuschen.

Die von der Klägerin behaupteten mündlich gegebenen weitergehenden Versprechungen des Beklagten als Geschäftsführer der GmbH können der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden, da sie nicht ausreichend substantiiert in den Rechtsstreit eingeführt worden sind. Denn die Einlassungen der Klägerin zum Zeitpunkt und zu den Umständen, unter denen die weitergehenden Versprechungen vorgenommen worden sein sollen, sind sehr vage geblieben. Das Versprechen, den Rückkaufswert der Versicherung an die Klägerin und die anderen Arbeitnehmer auszuzahlen, wäre auch wirtschaftlich nicht nachvollziehbar. Denn der GmbH fehlte Liquidität und daher sollten die Versicherungen aufgelöst werden. Wenn man nur die Beiträge hätte sparen wollen, hätte es ausgereicht, die Versicherung beitragsfrei zu stellen oder sie gar auf die Arbeitnehmer zu übertragen. Auch das weitere Verhalten der Klägerin bei der Auszahlung der 500,00 EUR im Juli 2004 spricht gegen seine pauschale Behauptung weitergehender Versprechungen durch den Beklagten. Denn wenn die Klägerin eigentlich mit einer Auszahlung in der Größenordnung von 4.000,00 EUR rechnet, ist es unwahrscheinlich, dass sie die Auszahlung von nur 500,00 EUR, die dazu noch reichlich spät erfolgt ist, ohne Protest hingenommen hätte. Angesichts dieser Umstände hätte man die Behauptungen der Klägerin nur verwerten können, wenn sie konkreter in den Rechtsstreit eingeführt worden wären, so dass sie einem Beweis zugänglich sind.

3.

Die Ausführungen zur fehlenden Nachweisbarkeit der betrügerischen Absicht des Beklagten in Zusammenhang mit der Einverständniserklärung der Klägerin zur Auszahlung der Versicherungssumme lassen sich sinngemäß auch auf die Frage übertragen, ob der Beklagte die Klägerin seinerzeit im Sinne von § 826 BGB sittenwidrig geschädigt hat. Die Frage ist ebenfalls zu verneinen. Wer mit vertretbaren Argumenten meint im Recht zu sein, und deshalb keine Zahlung vornimmt oder veranlasst, der kann mit diesem Verhalten den vermeintlichen Gläubiger nicht sittenwidrig schädigen.

II.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin, da ihr Rechtsmittel keinen Erfolg hatte (§ 97 ZPO).

Die Revision kann nicht zugelassen werden, da die gesetzlichen Voraussetzungen aus § 72 ArbGG nicht erfüllt sind.

Ende der Entscheidung

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