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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 30.09.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 99/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 611
Auslegung einer nach Verhandlungen zu diesem Punkt schriftlich abgefassten arbeitsvertraglichen Klausel zum befristeten Abschluss des Kündigungsrechts ("Für den Zeitraum von 2 Jahren... verzichten die Vertragsparteien auf die Möglichkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses").
Tenor:

1. Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wehrt sich gegen die Wirksamkeit einer Kündigung aufgrund eines vertraglichen Kündigungsverbots und begehrt die Zahlung einer Abfindung.

Der Kläger ist ein Fachmann in der Lederzubereitung. In einer ungekündigten Stellung stehend erhielt er von der Beklagten ein Arbeitsplatzangebot für Neustadt-Glewe. Für den Kläger war ein Wechsel nur attraktiv bei Zusicherung einer bestimmten Beschäftigungszeit bzw. einer bestimmten Kündigungssperre. Es kam nach Verhandlungen zu einem Arbeitsvertrag, der in Kopie vorliegt (Blatt 23 ff., es wird Bezug genommen). In § 12 des Arbeitsvertrages heißt es:

"(1) ... (2) Die beiderseitige Kündigungsfrist beträgt sechs Monate zum Monatsende.

(3) Für den Zeitraum von 2 Jahren, gerechnet ab dem tatsächlichen Beginn des Arbeitsverhältnisses, verzichten die Vertragsparteien auf die Möglichkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

(4) ."

Der Kläger hatte am 04. Oktober 2005 seinen ersten Arbeitstag und er verdiente EUR 85.000,00 brutto jährlich (§ 3 des Vertrages).

2007 hat sich die Beklagte dazu entschlossenen, die Lederverarbeitung in Neustadt-Glewe aufzugeben, da sich die hochwertigen Produkte im Markt nicht durchsetzen konnten. Die Lederverarbeitung ist inzwischen komplett eingestellt. Praktisch alle Mitarbeiter des Lederbereichs haben eine Kündigung erhalten. Der Kläger erhielt am 26.07.2007 eine Kündigung vom gleichen Tag zum 31.01.2008. Diese Kündigung greift der Kläger mit am 15.08.2007 bei Gericht eingegangener Klage an.

Der Kläger begehrt außerdem eine Abfindung, deren Berechtigung er aus einem Schreiben der "MöllerGroup" vom 26.07.2007 ableitet, wegen dessen näherer Einzelheiten auf die Anlage K 4, Blatt 34 der Akte verwiesen wird.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 30. Januar 2008 abgewiesen. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen. Mit der rechtzeitig eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klageziel in vollem Umfang weiter.

Der Kläger beruft sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung wegen Verstoß gegen § 12 Abs. 3 des Arbeitsvertrages. Er ist der Ansicht, der Vertrag könne nur so verstanden werden, dass eine Kündigung innerhalb von zwei Jahren ab Beginn des Arbeitsverhältnisses verboten sein soll. Als Möglichkeit der Beendigung komme sowohl sprachlich wie auch inhaltlich nur eine Kündigung in Betracht. Der Kläger behauptet, ein Kündigungsschutz für zwei Jahre sei vereinbart worden, und zwar mit Herrn G, der für die Beklagte und das Mutterunternehmen als der maßgebliche Verhandlungspartner aufgetreten sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Juli 2007 zum 31. Januar 2008 beendet wurde, sowie

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 10.625,00 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, eine Regelung wie in § 12 Abs. 3 sei mit keinem anderen Mitarbeiter vereinbart. Es habe bei Vertragsabschluss kein Einvernehmen darüber bestanden, dass die Erklärung einer ordentlichen Kündigung erst nach Ablauf von zwei Jahren möglich sein solle. Vielmehr sei der Vertrag entsprechend seinem Wortlaut so auszulegen, dass ein Ende des Arbeitsverhältnisses erst nach Ablauf von zwei Jahren möglich sein solle. Die vom Kläger behauptete Einigkeit zwischen ihm und Herrn G habe es nicht gegeben.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

I.

Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet. Die soziale Rechtfertigung der Kündigung ist zwischen den Parteien nicht in Streit. Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt die Kündigung jedoch auch nicht gegen das vertragliche Kündigungsverbot aus § 12 des Arbeitsvertrages.

Aus § 12 Abs. 3 des schriftlichen Arbeitsvertrages ergibt sich kein Kündigungsverbot für die Zeit von zwei Jahren gerechnet ab dem Beginn des Arbeitsverhältnisses. Vielmehr ist nach dem Arbeitsvertrag lediglich eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf von zwei Jahren ab dem tatsächlichen Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen. Das ergibt sich durch Auslegung des Vertrages. Dabei ist die Auslegung nicht anhand der Regelungen zu allgemeinen Geschäftsbedingung (§§ 305 ff. BGB) vorzunehmen, da die hier streitige Vertragsregelung eine einzeln ausgehandelte Regelung darstellt, die der Arbeitgeber lediglich im Ergebnis der Verhandlungen über diesen Punkt zu Papier gebracht hat.

1.

Mit dem Kläger geht das Berufungsgericht davon aus, dass die wörtliche Auslegung jedenfalls nicht zu eindeutigen Ergebnissen zu Lasten des Klägers führt. Es mag sein, dass das Substantiv "Beendigung" mehr Bezug zum Beendigungstermin als zum Mittel der Beendigung und dem Datum der Anwendung dieses Mittels hat. Der Satzschwerpunkt ist aber im Prädikat zu suchen und das Prädikat "verzichten" deutet darauf hin, dass die Parteien an die Handlungsoptionen der Vertragspartner zur Kündigung anknüpfen wollten. Auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann in dem Sinne gar nicht verzichtet werden, da die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses immer nur die automatische Folge der Ausübung von Handlungsoptionen ist.

Allerdings ist es immerhin umgangssprachlich möglich zu sagen, das Arbeitsverhältnis darf nicht vor Ablauf von 2 Jahren beendet werden. Das wäre zumindest semantisch korrekt, auch wenn damit ebenfalls noch offen bleibt, ob damit die Handlung, die zur Beendigung führt, ausgeschlossen werden soll oder der Erfolg der Handlung, die Beendigung der Zusammenarbeit.

2.

Der Begriff "Beendigung" hat im vorliegenden Kontext auch keine allgemein anerkannte Bedeutung. Sein Gebrauch ist weder in Gesetzen noch in bekannten Tarifverträgen nachweisbar. Soweit der Gesetzgeber einen zeitlich begrenzten Schutz vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses regeln will, knüpft er heute durchgehend an die Kündigung und nicht an die Beendigung an. Dafür kann auf § 9 Mutterschutzgesetz, § 18 Bundeselterngeld- und Erziehungsgesetz (BEEG), § 2 Arbeitsplatzschutzgesetz verwiesen werden. - § 19 BEEG, der einen besonderen Beendigungstermin für Arbeitnehmer zum Ende der Elternzeit vorsieht, und damit an die Beendigung und nicht an die Kündigung anknüpft, formuliert ausdrücklich ergänzend, dass es sich um eine Kündigung mit einer Frist von 3 Monaten handeln muss.

Der vom Arbeitsgericht herangezogene Vergleich mit dem Begriff der "Entlassung" in § 17 KSchG ist wenig aussagekräftig. Denn auch das Bundesarbeitsgericht hat in der vom Arbeitsgericht zitierten Entscheidung inzwischen erkannt, dass der Begriff der Entlassung jedenfalls einer Auslegung nicht widerspricht, die die Entlassung mit der Kündigung gleichsetzt und nicht mit der Beendigung aufgrund der Kündigung (BAG vom 23.03.2006, NZA 2006, 971).

3.

Allerdings zeigt die weitere Verwendung des Begriffs "Beendigung" im Arbeitsvertrag der Parteien, dass sie damit den Zeitpunkt der tatsächlichen Beendigung meinten und nicht die Kündigung, die die Beendigung letztlich bewirkt. So heißt es in § 6 Absatz 2 des Vertrages zum Dienstwagen, dieser sei bei "Beendigung" des Arbeitsverhältnisses herauszugeben, was erkennbar der letzte Tag des Arbeitsverhältnisses sein sollte und nicht der Tag, an dem dieses gekündigt wird.

Auch § 13 Absatz 4 des Arbeitsvertrages, der besondere Verrechnungsregelungen für beiderseitige Ansprüchen auf Geldzahlung betrifft, knüpft diese an die "Beendigung" des Arbeitsverhältnisses, was erkennbar nur Sinn macht, wenn man auf das Datum der Beendigung abstellt und nicht auf das Datum der Erklärung der Kündigung. Dies zeigt zum Beispiel die dort geregelt Verrechnungsmöglichkeit noch offener Entgeltansprüche des Arbeitnehmers mit bereits gezahlten Vorschüssen, auch wenn diese auf andere Vergütungsanteile bezahlt worden seien. Eine solche Regelung macht - vor allem aus der Sicht des Arbeitnehmers - nur Sinn, wenn die Verrechung tatsächlich mit der Schlussabrechung erfolgt und nicht bereits Monate zuvor nach Ausspruch der Kündigung.

Andererseits zeigt § 12 Absatz 2 des Arbeitsvertrages, der eine vom Gesetz abweichende Regelung zur Kündigungsfrist regelt, dass den Parteien der Unterschied zwischen den Begriffen Beendigung und Kündigung durchaus bewusst war.

Das rechtfertigt nach Auffassung des Gerichts die Schlussfolgerung, dass die Parteien in § 12 Absatz 3 bewusst von einer Beendigung gesprochen haben, um auszudrücken, dass das Kündigungsverbot "unter dem Strich" das Arbeitsverhältnis für 2 Jahre schützen sollte.

4.

Für diese Feststellung stellt das Gericht ergänzend und bestätigend auf die Interessenlage der Parteien ab. Dem Kläger sollte mit dem Schutz in § 12 Absatz 3 des Arbeitsvertrages eine wirtschaftliche Garantie für sein neues Arbeitsverhältnis gegeben werden, da er ja aus einer ungekündigten Stellung abgeworben wurde und beiden Parteien klar war, dass der Aufbau der Lederproduktion in Neustadt-Glewe mit vielen wirtschaftlichen Risiken verbunden war. Insoweit hat die Regelung sogar große Ähnlichkeiten mit einem Vertragsstrafeversprechen für den Fall einer vorzeitigen Beendigung.

Es versteht sich, dass die Parteien gerade zu diesem wichtigen und teuren Aspekt des Arbeitsvertrages kontrovers verhandelt haben. Da die Parteien das zu zahlende Gehalt als Jahresgehalt festgelegt haben (§ 3 des Arbeitsvertrages), geht das Gericht davon aus, dass auch die zu regelnde wirtschaftliche Sicherheit durch das Beendigungsverbot in Jahreszeiträumen verhandelt wurde. Es sollte eine wirtschaftliche Sicherheit von 2 Jahren gewährleistet sein. Die Vorstellung, die Parteien hätten bei der Konstruktion dieser Sicherheit zwei Regelungsinstrumente (Kündigungsfrist in § 12 Absatz 2 und Kündigungsverbot in § 12 Absatz 3) kombiniert, um dann auf einen schwer zu berechnenden Schutz im Umfang von 30 bis 31 Monaten zu kommen, wirkt dagegen lebensfremd.

5.

Einer Vernehmung des Zeugen G, der die Vertragsverhandlungen mit dem Kläger geführt hat, bedarf es nicht. Denn der Kläger hat selber erklärt, dass nach seiner Vorstellung mit den Regelungen in § 12 eine Sicherheit bezüglich der Kündigungsfrist und zusätzlich ein Kündigungsverbot für 2 Jahre vereinbart worden sei (erstinstanzlicher Schriftsatz vom 12. November 2007 Seite 3 oben (hier Blatt 73). Daraus ergibt sich aber noch nicht, dass dies die gemeinsame Vorstellung beider Vertragspartner bei Verabredung der Regelungen war.

II.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung. Die diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts, denen sich das Berufungsgericht ausdrücklich anschließt, treffen zu. Die Berufung hat insoweit keine neuen Aspekte aufgezeigt.

III.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen, da sein Rechtmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 ZPO).

Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Ende der Entscheidung

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