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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 17.07.2002
Aktenzeichen: 10 Sa 1054/01
Rechtsgebiete: TV für die (gewerblichen) Arbeitnehmer der südbayerischen Textilindustrie


Vorschriften:

TV für die (gewerblichen) Arbeitnehmer der südbayerischen Textilindustrie
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDES ARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 Sa 1054/01

Verkündet am: 17.07.02

In dem Rechtsstreit

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.07.02 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Moeller sowie die ehrenamtlichen Richter Geißler und Müller für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der Berufung im übrigen das Endurteil des Arbeitsgerichts München - Kammer Weilheim - vom 31.10.2001 (Az.: 29b Ca 274/01 W) abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere EURO 513,85 brutto nebst 9,26 % Zinsen hieraus seit 1.12.2000 zu bezahlen,

II. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 2/3 und die Klägerin 1/3.

III. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen,

Tatbestand:

Zwischen den Parteien besteht zuletzt noch Streit über die Bezahlung eines Betrages von EUR 1.615,26 den die Klägerin als restliche tarifliche Jahressonderzahlung für das Jahr 2000 (= DM 2.154,13) sowie als zusätzliches Urlaubsgeld für das Jahr 1999 (= DM 1.005,--) gegen die Beklagte geltend macht.

Die Klägerin ist seit 1.12.1964 bei der Beklagten als Arbeiterin mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 37 Stunden beschäftigt.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden bis zum Jahr 1999 aufgrund beiderseitiger Mitgliedschaft der Parteien in den tarifschließenden Verbänden die Tarifverträge für die Südbayerische Textilindustrie Anwendung. Die Beklagte ist im Jahr 1999 aus dem Verband der Bayerischen Textil- und Bekleidungsindustrie ausgetreten.

Mit Schreiben vom 25.8.1999 (Bl. 4 d.A.) gab die Beklagte gegenüber der IG Metall - Verwaltungsstelle - eine Erklärung ab, nach der sie "hinsichtlich Urlaubsgeld: 1999 und Tariferhöhung 1999" zugunsten der Mitglieder der IG Metall auf die Anwendung der tariflichen Ausschlussfristen und die Geltendmachung von Verjährungseinreden verzichte. Mit einem Schreiben vom 22.12.1999 (Bl. 5 d.A.) teilte der Verband der Bayerischen Textil- und Bekleidungsindustrie e.V. der IG Metall - Verwaltungsstelle - mit, dass die Verzichtserklärung vom 25,8.1999 "hinsichtlich Urlaubsgeld 1999, Jahressonderzahlung 1999 und Tariferhöhung 1999" bis "31.4.2000" weiter gelte. Mit Schreiben vom 28.4.2000 (Bl. 6 d.A.) und 30.6.2000 (Bl. 7 d.A.) wurde diese Verzichtserklärung jeweils zuletzt bis 30.11.2000 verlängert.

Im Jahr 2000 bezahlte die Beklagte an die Klägerin einen Betrag in Höhe von DM 400,-- als Sonderzahlung für dieses Jahr.

Mit Schreiben vom 28.11.2000 (Bl. 3-9 d.A.) machte die IG Metall - Verwaltungsstelle - gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Bezahlung von DM 1.005,-- brutto Urlaubsgeld 1999 und von DM 2.485,37 brutto Sonderzahlung 1999 geltend.

Mit Schreiben vom 19.2.2001 (Bl. 10 d.A.) machte die IG Metall - Verwaltungsstelle - für die Klägerin gegen die Beklagte schließlich einen weiteren Anspruch in Höhe von DM 2.154,18 brutto als Restanspruch einer Sonderzahlung 2000 geltend.

Nachdem eine Bezahlung der Beklagten nicht erfolgte, hat die Klägerin diese Ansprüche mit der am 23.4.2001 bei dem Arbeitsgericht München eingegangenen und der Beklagten am 24.4.2001 zugestellten Klage geltend gemacht.

Die Klägerin hat vorgetragen, ihr stehe nach den tariflichen Vorschriften gegen die Beklagte ein Anspruch in Höhe von DM 1.005,-- als zusätzliches Urlaubsgeld für das Jahr 1999 zu. Für das gleiche Jahr könne sie eine tarifliche Sonderzahlung in Höhe von DM 2.485, 37 verlangen, die sich aus ihrem Bruttodurchschnittsverdienst vom 1,10,1998 bis 30.9.1999 in Höhe von DM 2.761,53 errechne. Eine Vereinbarung mit der Beklagten hinsichtlich der Kompensation dieser Zahlungen im Hinblick auf eine von der Beklagten geleistete Tariflohnerhöhung habe es nicht gegeben. Eine solche wäre auch nicht wirksam gewesen. Diese Forderungen habe die Klägerin mit dem Schreiben der IG Metall - Verwaltungsstelle - vom 28.11.2000 und der Klage vom 20,4.2001 auch rechtzeitig geltend gemacht, nachdem die Beklagte bis 30.11.2000 auf die Einhaltung von Ausschlussfristen verzichtet habe. Ferner stehe der Klägerin ein Anspruch auf die tarifliche Jahressonderzahlung 2000 in Höhe von DM 2.554,18 nach dem von ihr in der Zeit vom 1.10.1999 bis 30.9.2000 erzielten Durchschnittsverdienst in Höhe von DM 2.837,98 zu, von dem die Beklagte mit DM 400,-- lediglich einen Teil bezahlt habe. Eine Vereinbarung sei auch über diese Zahlung mit der Beklagten nicht getroffen worden.

Diese Forderung sei ebenfalls nicht verfallen, weil die Beklagte tarifliche Sonderzahlungen auch in den vergangenen Jahren ratenweise bezahlt habe, so dass die Klägerin annehmen konnte, es werde auch über den Betrag von DM 4 00,-- hinaus eine weitere Zahlung der Beklagten erfolgen.

Die Klägerin hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 5,644,55 brutto nebst 9,26 % Zinsen seit dem 1.12.2000 au bezahlen,

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, sie sei 1999 wirtschaftlich nicht in der Lage gewesen, Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld zu bezahlen. Diesen Umstand habe sie mit dem Betriebsrat erörtert. Zur Bereinigung der Problematik sei dann mit dem Betriebsrat vereinbart worden, dass die Gehälter ab 1.1.2 000 um 3 % erhöht werden und damit alles erledigt sei. Im Jahr 2 000 sei dieses Problem hinsichtlich der Jahressonderzahlung im letzten Quartal wieder akut geworden. Zur endgültigen Erledigung sei mit dem Betriebsrat eine innerbetriebliche Regelung getroffen worden, nach der alle Betriebsangehörigen eine Einmalzahlung von DM 400,-- erhalten sollten. Dies sei den Mitarbeitern im Dezember 2000 bekannt gemacht worden. Alle Ansprüche der Klägerin, die hinsichtlich der Jahressonderzahlungen auch der Höhe nach nicht richtig berechnet seien, seien zudem verfallen. Der Verzicht auf die Ausschlussfrist durch die Beklagte sei bereits unwirksam. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, wäre der Anspruch auf Urlaubsgeld verfallen, weil nicht rechtzeitig Klage erhoben worden sei. Die Jahressonderzahlung 2000 sei durch das Schreiben vom 19.2.2001 nicht rechtzeitig geltend gemacht worden, weil diese Zahlung bereits im Dezember 2000 hätte erfolgen müssen. Einen Rechtsmissbrauch stelle die Berufung auf die Ausschlussfrist schon deshalb nicht dar, weil die Beklagte 1999 überhaupt keine Jahressonderzahlung bezahlt habe und den Mitarbeiterinnen bekannt gemacht wurde, dass keine weitere Zahlung für das Jahr 2000 erfolgen werde.

Das Arbeitsgericht hat durch Endurteil vom 31.10.2001 die Beklagte zur Zahlung von DM 2,485,37 nebst Zinsen (= Jahressonderzahlung 1999) verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen. Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien sowie den Ausführungen des Arbeitsgerichts wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Ersturteils Bezug genommen.

Gegen das der Klägerin am 6.11.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch einen am 5.12.2001 bei dem Landesarbeitsgericht München eingegangenen Schriftsatz Berufung einlegen lassen und mit einem am 24.1.2002 innerhalb der bis 5.2.2002 verlängerten Berufungsbegründungsfrist eingegangenen Schriftsatz ihr Rechtsmittel begründet.

Die Beklagte hat eine zunächst eingelegte Anschlussberufung im Termin vom 10.7.2002 zurückgenommen.

Die Klägerin trägt vor, ihr stehe entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch ein Restanspruch auf die tarifliche Jahressonderzahlung 2000 in Höhe von DM 2.154,13 zu. Dieser Anspruch sei nicht verfallen, weil die Beklagte auch 1996, 1997 und 1998 die Sonderzahlung in Raten geleistet habe. Im Vertrauen darauf, dass dies auch für das Jahr 2000 gelte, habe sie ihren Anspruch erst am 19.2.2001 geltend gemacht. Der Anspruch auf Bezahlung von Urlaubsgeld für das Jahr 1999 sei deshalb nicht verfallen, weil sich die Ausschlussfrist nach dem Urlaubsabkommen nur auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses beziehe. In der Ursprungsfassung des Tarifvertrags vom 6.6,1986 (Bl. 10 8 - 114 d.A.) bestehe § 8 des Urlaubsabkommens aus zwei Absätzen, so dass sich Satz 3 nur auf den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses beziehe.

Die Klägerin beantragt:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts München, Kammer Weilheim, vom 31.10.2001 (Az.: 29b Ca 274/01 W) wird abgeändert.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.615,26 brutto nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz hieraus seit dem 1.12.2000 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, sowohl der Anspruch auf Bezahlung eines Urlaubsgeldes für das Jahr 1999 wie der Anspruch auf eine Jahressonderzahlung für das Jahr 2000 seien verfallen. Eine Ratenzahlung der Sonderzahlung in früheren Jahren stehe dem Verfall schon deshalb nicht entgegen, weil 1999 überhaupt keine Sonderzahlung bezahlt wurde. Zudem habe die Beklagte im Jahr 2000 stets darauf hingewiesen, dass eine Zahlung über den Betrag von DM 400,-- hinaus nicht erfolgen werde. Dem Anspruch auf Zahlung von Urlaubsgeld für das Jahr 1999 stehe die Ausschlussfrist gem. § 8 des Urlaubsabkommens für die gewerblichen Arbeitnehmer, für Angestellte und Meister sowie für Auszubildende der Südbayerischen Textil- einschließlich Maschenindustrie vom 6. Oktober 1994 entgegen.

Danach hätte die Klägerin auch bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis die Klagefrist von einem Monat einhalten müssen.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 18.1.2002 (Bl. 103 - 107 d.A.) und 28.5.2002 (Bl. 134 - 135 d.A.), den Schriftsatz der Beklagten vom 28.2.2002 (Bl. 120 - 123 d.A.) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 10,7.2002 (Bl. 137 - 138 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist in der rechten Form und Frist eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 518, 519 ZPO).

II.

Die Berufung der Klägerin ist auch teilweise begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte neben dem vom Arbeitsgericht aufgrund der Rücknahme der Anschlussberufung rechtskräftig zugesprochenen Anspruch auf eine tarifliche Jahressonderzahlung für das Jahr 1999 ein weiterer Anspruch auf Zahlung von Urlaubsgeld für das Jahr 19 99 in Höhe von DM 1.005,-- brutto (= EUR 513,85) zu. Dagegen besteht kein Anspruch der Klägerin auf Bezahlung von DM 2.154,18 tarifliche Jahressonderzahlung für das Jahr 2000, da ein derartiger Anspruch der Klägerin verfallen ist.

1. Der Klägerin steht für das Jahr 1999 ein Anspruch auf Bezahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes in Höhe von DM 1.005,-- brutto zu.

a) Im Jahr 1999 fanden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Kraft beiderseitiger Mitgliedschaft der Parteien in den tarifschließenden Verbänden (§ 3 Abs. 1 TVG) der Manteltarifvertrag vom 6.10.1994 für die gewerblichen Arbeitnehmer der Südbayerischen Textilindustrie (TR 12-110 a 105), das Urlaubsabkommen vom 25.S.1987/6.10.1994 für die gewerblichen Arbeitnehmer, für Angestellte und Meister, sowie für Auszubildende in der Südbayerischen Textilindustrie (TR 12-110 a 109), der Tarifvertrag vom 17.1.1997 über Jahressonderzahlungen für die Arbeitnehmer der Südbayerischen Textilindustrie (TR 12-110 a 121) und der Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Maschenindustrie Südbayerns vom 17.1.1997 Anwendung. Soweit für den Anspruch der Klägerin von Bedeutung enthalten enthalten diese Tarifverträge folgende Bestimmungen:

Manteltarifvertrag vom 6.10.1994 für die gewerblichen Arbeitnehmer der Südbayerischen Textilindustrie

...

§ 18 Geltendmachung von Ansprüchen

1. Sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb von zwei Monaten nach Ablauf des Lohnabrechnungszeitraumes, in dem sie entstanden sind, geltend zu machen.

Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses beträgt diese Ausschlussfrist zwei Monate nach dem tatsächlichen Ausscheiden des Arbeitnehmers. Die Geltendmachung hat schriftlich beim Arbeitgeber oder bei der von ihm dafür bestimmten Stelle zu erfolgen.

Ansprüche wegen strafbarer Handlungen gelten nicht als Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis.

...

Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Maschenindustrie Südbayerns vom 17.1.1997

...

§ 2 Entlohnung

...

5. Das zusätzliche Urlaubsgeld für über 18 Jahre alte Arbeitnehmer beträgt ab 1.1.1997 DM 936,50 und ab 1.1.1998 DM 1.005,--.

...

Urlaubsabkommen vom 25.5.1987/6.10,1994 für die gewerblichen Arbeitnehmer, für Angestellte und Meister, sowie für Auszubildende in der Südbayerischen Textilindustrie (einschließlich Maschenindustrie)

...

1. Weiterhin erhalten alle Arbeitnehmer ein zusätzliches Urlaubsgeld dessen Höhe im jeweiligen Lohn- bzw. Gehaltstarifvertrag und im Abkommen über die Festsetzung der Ausbildungsbeihilfen für kaufmännische, technische und gewerbliche Auszubildende ausgedruckt sind, ohne unter deren Geltungsbereich zu fallen....

2. Der Umfang des Anspruches auf zusätzliches Urlaubsgeld richtet sich nach der Höhe des Anspruches auf bezahlten Urlaub....

...

6. Das Urlaubsgeld wird ausgezahlt, wenn der Arbeitnehmer den überwiegenden Teil seines Jahresurlaubs nimmt.

7. Bei Teilzeitarbeit verringert sich das Urlaubsgeld im Verhältnis der tariflichen Arbeitszeit zur Teilarbeitszeit.

...

§ 8

Urlaubsansprüche, die am Ende des Urlaubsjahres noch bestehen, sind spätestens zwei Monate nach Ende des Urlaubsjahres bei der Firmenleitung geltend zu machen. Bleibt dies erfolglos, so hat der Arbeitnehmer seinen Anspruch binnen einer weiteren Frist von einem Monat beim Arbeitsgericht durch Klageerhebung geltend zu machen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch anerkannt hat.

Wird das Arbeitsverhältnis beendet, so laufen die oben genannten Fristen vom Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an.

Entsprechendes gilt für Abgeltungsansprüche, sowie für Ansprüche auf zusätzliches Urlaubsgeld,

b) Nach § 2 Absatz 5 des Lohntarifvertrages i.V.m. § 5 Abs. 7 des Urlaubsabkommens steht der Klägerin für das Jahr 1999 ein zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von DM 1.005,-- brutto zu. Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, hinsichtlich der Zahlung sei mit dem Betriebsrat eine anderweitige Vereinbarung über eine Tariflohnerhöhung unter Erledigung einer Urlaubsgeldzahlung getroffen worden, kann die Richtigkeit dieses Sachvortrags dahingestellt bleiben. Denn eine solche Vereinbarung wäre bereits gem. § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam und zudem gern, § 134 BGB nichtig, weil sie gegen § 4 Abs. 3 und Abs. 4 TVG verstieße.

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dieser Anspruch auch nicht verfallen. Denn für den Anspruch der Klägerin ist nicht die Verfallfrist des § 8 des Urlaubsabkommens vom 25,5,1987/6.10.1994 sondern § 18 des Manteltarif-Vertrags vom 6.10.1994 maßgeblich, die die Klägerin nach dem Verzicht der Beklagten auf die Einrede der Ausschlussfrist bis 30.11.2000 durch das Schreiben der IG Metall - Verwaltungsstelle - vom 28.11.2000 (Bl. 8 - 9 d.A.) gewahrt hat.

aa) § 8 Satz 1 bis Satz 3 des Urlaubsabkommens vom 25.5.1987/6.10.1994 regeln die Geltendmachung von Urlaubsansprüchen durch den Arbeitnehmer innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Ende des Urlaubsjahres sowie im Fall der Erfolglosigkeit der Geltendmachung die gerichtliche Geltendmachung innerhalb einer weiteren Frist von einem Monat. Der Anspruch der Klägerin auf Bezahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes wird schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift nicht erfasst. Zudem bestimmt § 8 Satz 3 des Urlaubsabkommens vom 25.5.1987/6.10.1994, dass diese Fristen nicht geltent wenn der Urlaubsanspruch durch den Arbeitgeber anerkannt ist. Zwischen den Parteien ist und war der Urlaubsanspruch der Klägerin für das Jahr 1999 niemals streitig.

bb) § 8 Satz 4 des Urlaubsabkommens vom 25.5.1987/ 6.10.19 94 regelt eine Abweichung von den Bestimmungen im § 8 Satz 1 bis Satz 3 des Urlaubsabkommens vom 25.5.1987/ 6.10.1994 nur dahingehend, dass für den Fall des Ausscheidens des Arbeitnehmers ein früherer Fristbeginn für die Geltendmachung des Urlaubsanspruchs vorgesehen ist. Für den Anspruch der Klägerin ist dies ohne Bedeutung, da das Arbeitsverhältnis der Parteien unstreitig nicht beendet ist.

cc) Allerdings bestimmt nun § 8 Satz 5 des Urlaubsabkommens vom 25,5,1987/6.10.19 94, dass Entsprechendes für Abgeltungsansprüche, sowie für Ansprüche auf zusätzliches Urlaubsgeld gilt, woraus die Beklagte die Auffassung herleitet, die Klägerin hätte den Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld 1999 bis 31.1.2001 gerichtlich geltend machen müssen. Diese Auffassung kann die Kammer nicht teilen. Vielmehr ergibt sich aus dem Wortlaut wie auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung in § 3 Satz 1 bis Satz 5 des Urlaubsabkommens vom 25.5.1987/6.10.1994, dass Satz 5 nur für den in Satz 4 geregelten Fall des Ausscheidens des Arbeitnehmers gilt, unabhängig davon, ob es zutrifft, dass im Original des Urlaubsabkommens die Sätze 4 und 5 im Text nicht in der Weise räumlich getrennt sind, wie es in § 8 des Urlaubsabkommens vom 25.5.1987/6.10.1994 in der amtlichen Tarifsammlung (TR 12-110 a 109) wiedergegeben ist.

(1) Schon Wortlaut und Satzstellung des § 8 Satz 5 des Urlaubsabkommens vom 25.5.1987/6,10,1994 sprechen dafür, dass sich diese Regelungen nur auf § 8 Satz 4 des Urlaubsabkommens bezieht. Denn § 8 Satz 5 des Urlaubsabkommens nennt zunächst ausdrücklich Abgeltungsansprüche, die überhaupt nur im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen können. Wenn in diesem Zusammenhang dann das zusätzliche Urlaubsgeld erwähnt wird, spricht dies dafür, dass damit nur dasjenige Urlaubsgeld gemeint ist, das dem Urlaub entspricht, der noch abzugelten ist. Bestätigt wird dies nach Auffassung der Kammer dadurch, dass durch den Ausdruck "Entsprechendes gilt" die Tarifvertragsparteien sprachlich und gedanklich an den zuvor formulierten Satz anknüpfen wollten. Sollten die Fristen in § 8 Satz 1 und Satz 2 des Urlaubsabkommens vom 25.5.1987/6.10.1994 auch in jedem Fall Ansprüche auf zusätzliches Urlaubsgeld betreffen, hätte es viel näher gelegen, dies durch die Einfügung eines Satz 5 entsprechenden Satzes nach § 8 Satz 2 des Urlaubsabkommens zu regeln. Damit wäre nicht nur eindeutig klargestellt, dass die Fristen des § 8 Satz 1 und Satz 2 des Urlaubsabkommens auch für das zusätzliche Urlaubsgeld gelten sollen sondern auch durch § 8 Satz 4 des Urlaubsabkommens zum Ausdruck gekommen, dass im Fall des Ausscheidens des Arbeitnehmers auch hier der Fristbeginn nach vorne verschoben worden wäre.

(2) Dass durch § 8 Satz 5 des Urlaubsabkommens nur eine Verfallsregelung für das zusätzliche Urlaubsgeld im Fall des Ausscheidens des Arbeitnehmers gewollt war, ergibt sich auch aus Sinn und Zweck der Regelung des Urlaubsabkommens. Bestimmen die Tarifvertragsparteien im § 8 Satz 3 des Urlaubsabkommens vom 25,5.1987/6,10,1994, dass es keiner Geltendmachung von Urlaubsansprüchen bedarf, wenn der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch anerkannt hat, ist in einem bestehenden Arbeitsverhältnis eine gesonderte Regelung für den Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld überflüssig. Denn gem. § 5 Abs. 6 des Urlaubsabkommens vom 2 5.5.198 7/ 6.10,1994 wird das Urlaubsgeld ausbezahlt, wenn der Arbeitnehmer den überwiegenden Teil des Jahresurlaubs nimmt. Ist der Urlaub unstreitig, ist eine gesonderte Geltendmachung des zusätzlichen Urlaubsgeldes innerhalb der Fristen des § 8 Satz 1 und Satz 2 des Urlaubsabkommens vom 25.5.1987/ 6.10.1994 weder erforderlich noch gewollt. Würde der Fall eintreten, dass der Arbeitgeber zwar einen unstreitigen Urlaub gewährt, das gem. § 5 Abs. 6 des Urlaubsabkommens aber dann geschuldete zusätzliche Urlaubsgeld nicht bezahlt, hätte der Arbeitnehmer diesen Anspruch bereits nach der Ausschlussfrist des § 13 Abs. 1 des Manteltarifvertrages und damit in der Regel weit vor Ablauf des Urlaubsjahres geltend zu machen. Für den Beginn der Ausschlussfrist in diesem Fall erst auf die Beendigung des Urlaubsjahres abzustellen, müsste den Zweck einer Ausschlussfrist verfehlen, Ansprüche zügig geltend zu machen, damit für den Anspruchschuldner alsbald Klarheit besteht, welche Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis er noch zu erfüllen hat (vgl. BAG vom 19.1.1999 - AP Nr. 9 zu § 1 TVG "Bezugnahme auf Tarifvertrag").

d) Der Anspruch der Klägerin ist damit nicht gem. § 8 des Urlaubsabkommens vom 25.5.1987/6.10.1994 verfallen. Die für diesen Anspruch gem. § 13 Abs. 1 des Manteltarifvertrages einzuhaltende Zweimonatsfrist zur Geltendmachung hat die Klägerin gewahrt. Die Beklagte hat auf die Berufung auf die Ausschlussfrist zuletzt durch das Schreiben des Verbandes der Bayerischen Textil- und Bekleidungsindustrie e.V. vom 30.6.2000 bis 30.11.2000 verzichtet. Mit Schreiben vom 28.11.2000 hat die Klägerin diesen Anspruch ausdrücklich geltend gemacht. Eine weitere Geltendmachung durch Klage ist in § 18 Abs. 1 des Manteltarifvertrages nicht vorgesehen.

e) Der Klägerin steht daher über den vom Arbeitsgericht rechtskräftig zugesprochenen Betrag eine weitere Forderung in Höhe von EUR 513,85 nebst 9,26 % Zinsen hieraus seit 1.12.2000 zu (§§ 284 Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB). Insoweit hatte die Berufung der Klägerin Erfolg.

2. Dagegen ist die Berufung der Klägerin unbegründet, soweit sie weiterhin für das Jahr 2000 eine tarifliche Sonderzahlung in Höhe von DM 2.154,18 geltend macht.

Dabei kann die Kammer zu Gunsten der Klägerin unterstellen, dass trotz des Verbandsaustritts der Beklagten auf das Arbeitsverhältnis der Parteien auch im Jahr 2000 die Tarifverträge für die Südbayerische Textilindustrie Anwendung fanden (§ 3 Abs. 3 TVG) und sich aus § 2 Abs. 3 des Tarifvertrages über Jahressonderzahlungen für alle Arbeitnehmer der Südbayerischen Textilindustrie vom 17.1.1997 ein Anspruch der Klägerin für das Jahr 2000 in Höhe von DM 2.554,18 ergeben hätte und die Beklagte tatsächlich nur einen Betrag von DM 400,-- bezahlt hat. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung entschieden, dass ein derartiger Anspruch der Klägerin jedenfalls nach § 18 Satz 1 des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der Südbayerischen Textilindustrie vom 6.10.1994 verfallen ist. Insoweit folgt das Landesarbeitsgericht den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts (§ 543 Abs. 1 ZPO). Das Vorbringen der Klägerin mit der Berufung ist nicht geeignet, die Entscheidung des Arbeitsgerichts in Zweifel zu ziehen. Dazu sind lediglich folgende Ausführungen veranlasst:

a) Für den Anspruch der Klägerin ist hier von folgenden Bestimmungen auszugehen:

...

Tarifvertrag vom 17.1.1997 über Jahressonderzahlungen für die Arbeitnehmer der Südbayerischen Textilindustrie

...

§ 2 Voraussetzung und Höhe der Jahressonderzahlungen

...

3. Die Jahressonderzahlung beträgt ab 1992 90 % eines durchschnittlichen Monatsverdienstes bzw. einer monatlichen durchschnittlichen Ausbildungsvergütung.

...

6. Die Jahressonderzahlung ist bei gewerblichen Arbeitnehmern mit der letzten Abrechnung für den Monat Oktober, spätestens mit der Auszahlung an die Angestellten zu gewähren, bei Angestellten mit der Abrechnung für den Monat November.

...

Gem. § 2 Abs. 6 des Tarifvertrages über Jahressonderzahlungen für die Arbeitnehmer der Südbayerischen Textilindustrie ist die Auszahlung demnach mit der letzten Abrechnung spätestens mit der Abrechnung für die Angestellten zum 30.11.2000 zu gewähren. Dieser Anspruch der Klägerin ist gem. § 18 Abs. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrages verfallen.

Zutreffend ist das Arbeitsgericht dabei davon ausgegangen, dass eine Geltendmachung des Anspruchs gem. § 18 Abs. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrages bis 31.1.2001 hätte erfolgen müssen. Dies ist nicht geschehen. Das Schreiben der IG Metall - Verwaltungsstelle Weilheim - vom 19.2.2001 (Bl. 10 d.A.) wahrt diese Frist nicht.

b) Auf die Nichtwahrung der Ausschlussfrist beruft sich die Beklagte zu Recht. Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt dies kein treuwidriges Verhalten der Beklagten dar.

aa) Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Berufung auf eine Ausschlussfrist gegen Treu und Glauben verstoßen. Dies wird dann angenommen, wenn der Arbeitgeber durch positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen dem Arbeitnehmer die Geltendmachung des Anspruchs oder die Einhaltung der Frist erschwert oder unmöglich macht. Namentlich, wenn der Arbeitgeber durch sein Verhalten den Arbeitnehmer zur Untätigkeit veranlasst, um aus dieser Untätigkeit wegen des Verfalls des Anspruchs einen Vorteil für sich herleiten zu wollen, setzt sich ein Arbeitgeber mit der Berufung auf eine Ausschlussfrist in Widerspruch zu diesem Verhalten (§§ 242, 138 BGB). Dann ist es ihm verwehrt, sich auf die Ausschlussfrist zu berufen (vgl. BAG vom 20.2.2001 - 9 AZR 46/00; BAG vom 5.8.1999 - ZTR 2000, 36; BAG vom 22.1.1997 - AP Nr. 27 zu § 70 BAT).

bb) Dies ist hier nicht der Fall. Die Beklagte hat die Klägerin in keiner Weise daran gehindert, ihren Anspruch geltend zu machen. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus dem geltend gemachten Umstand, die Beklagte habe auch in den vergangenen Jahren die Sonderzahlung nur ratenweise geleistet. Selbst wenn dies für die Jahre 1996 bis 1998 der Fall gewesen sein sollte, unterscheidet sich die Situation im Jahr 2000 davon schon deshalb, weil für das Jahr 1999 gar keine Sonderleistung bezahlt wurde und die Klägerin bereits erstinstanzlich selbst vorgetragen hat, dass noch in einer Betriebsversammlung im Dezember 2000 über diese Leistung diskutiert wurde und es am Ende der Versammlung völlig offen war, ob überhaupt eine Sonderzahlung seitens der Beklagten erfolgt. Die Klägerin wäre daher durchaus schon deshalb in der Lage gewesen, ihre Forderung geltend zumachen. Hinzu kommt, dass eine frühere Ratenzahlung der Sonderzahlung durch den Arbeitgeber überhaupt nur geeignet wäre, die Klägerin von einer Geltendmachung ihres Anspruchs abzuhalten, wenn der Arbeitgeber die im Januar 2001 erfolgte Zahlung über DM 400,-- konkret als Ratenzahlung bezeichnet hätte, so dass die Klägerin darauf vertrauen konnte, es würden auch noch weitere Zahlungen erfolgen (vgl. LAG München AMBl. 1987 C 10). Dies behauptet aber die Klägerin selbst nicht, so dass es der Beklagten nicht verwehrt ist, sich auf den Ablauf der Ausschlussfrist zu berufen.

III.

Nach alledem ist das Arbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass ein Anspruch der Klägerin auf die Jahressonderzahlung für das Jahr 2000 aufgrund der Nichteinhaltung der Ausschlussfrist erloschen ist. Insoweit war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Für die Kosten des zweiten Rechtszugs war dabei zu berücksichtigen, dass die Beklagte ihre Anschlussberufung und die Klägerin ihre Berufung teilweise zurückgenommen hat und den Parteien insoweit die Kosten aufzuerlegen waren (5 515 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

Für die Beklagte war wegen der Frage der Auslegung von § 8 des Urlaubsabkommens vom 25.5.1987/6.10.1994 für die gewerblichen Arbeitnehmer, für Angestellte und Meister sowie für Auszubildende in der Südbayerischen Textilindustrie (einschließlich Maschenindustrie) gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zuzulassen.

Für eine Zulassung der Revision für die Klägerin fehlt es dagegen an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Für die Klägerin ist gegen dieses Urteil die Revision deshalb nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen nach § 72 a ArbGG die Klägerin hingewiesen wird, zulassen sollte.

Ende der Entscheidung

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