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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 18.05.2005
Aktenzeichen: 10 Sa 1291/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 151
BGB § 315
BGB § 611
1. Richtet ein Arbeitgeber ein Schreiben an alle Mitarbeiter, in dem er als Dank für geleistete Dienste eine Sonderzahlung in Form einer Treueprämie am Jahresende zusagt, die der Höhe nach von der bisherigen Betriebszugehörigkeit und von Fehlzeiten des Mitarbeiters abhängt, handelt es sich um eine Gesamtzusage, die einen Rechtsanspruch begründet.

2. Einen Anspruch haben auch die Mitarbeiter, die sich zu diesem Zeitpunkt in einem gekündigten Arbeitsverhältnis befinden, wenn sie in der Zusage nicht ausdrücklich ausgenommen sind.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 Sa 1291/04

Verkündet am: 18.05.2005

In dem Rechtsstreit

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Moeller sowie die ehrenamtlichen Richter Josef Stegmann und Josef Kerschbaum für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 13.10.2004 (Az.: 6 Ca 911/04 S) abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 200,-- brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 19.3.04 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 5/7 und die Beklagte 2/7.

IV. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Bezahlung einer Treueprämie.

Die Klägerin war vom 29.8.2002 bis 31.1.2004 bei der Beklagten, der eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung erteilt ist, als Helferin beschäftigt. Rechtsgrundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien war ein zwischen ihnen zuletzt am 18.8.2003 geschlossener schriftlicher Mitarbeitervertrag (Bl. 24 bis 29 d. A.), in dem es u. a. wie folgt heißt:

§ 1 Art, Umfang und Ort der Tätigkeit

...

3. Die von dem Mitarbeiter im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zu leistenden Arbeitsleistungen und - pflichten werden durch nachfolgende Regelungen, die jeweils gültigen tarifvertraglichen Regelungen des Mantel-, Entgeltrahmen- und Entgelttarifvertrages zwischen der Tarifgemeinschaft und der Interessengemeinschaft

sowie

durch bestehende oder künftige Betriebsvereinbarungen/Betriebsordnungen bzw. durch die Firma oder den Kundenbetrieb im Rahmen des Direktionsrechts durch entsprechende Einzelanweisungen bestimmt. Bestehende Betriebs- bzw. Hausordnungen sowohl der Firma sowie der Kundenbetriebe finden ausdrücklich Anwendung auf diesen Vertrag.

... § 4 Eingruppierung

Der Mitarbeiter wird entsprechend der unter § 1 festgelegten Beschäftigung in die Entgeltgruppe 2 gemäß Entgeltrahmentarifvertrag sowie des Entgelttarifvertrag zwischen dem und der vom 24.2.2003 eingestuft.

§ 5 Vergütung

Die Vergütung richtet sich nach den tarifvertraglichen Regelungen:

1. Bruttogrundvergütung:

Die Bruttogrundvergütung des Mitarbeiters beträgt stündlich insgesamt EUR 7,20 brutto

...

§ 6 Geltendmachung und Ausschluss von Ansprüchen

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, gleich welcher Art, entfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Monat ab ihrer Fälligkeit schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend gemacht werden.

...

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von vier Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs, gerichtet nach Zugang des Anspruchsschreibens, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Wochen nach der Ablehnung oder dem vorstehend ausgeführten Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

... § 17 Schlussbestimmungen

... 3. Ergänzend zu diesem Vertrag sowie den sonstigen vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien und den Betriebsordnungen der Firma Esterbauer & Windisch gelten die Regelungen der Tarifverträge zwischen der Tarifgemeinschaft und und der in der jeweils gültigen Fassung, die auf Wunsch des Mitarbeiters im Personalbüro der Firma eingesehen werden können.

...

Die Klägerin kündigte ihr Arbeitsverhältnis am 23.12.2003 zum 31.1.2004.

Für das Jahr 2000 richtete die Beklagte etwa Mitte Januar 2004 ein Schreiben (Bl. 12 d. A.) an alle Mitarbeiter, in dem es wie folgt heißt:

An alle Mitarbeiter

Sonderzahlung Treueprämie 2003

Aufgrund der positiven Geschäftsentwicklung 2003, zu dessen Gelingen alle unsere Mitarbeiter maßgeblich mit beigetragen haben, freuen wir uns Ihnen auf diesem Wege herzlich Dank sagen zu können.

Als Anerkennung für gezeigte Einsatzbereitschaft und gute Leistungen, haben wir uns entschlossen, zusätzlich zum Weihnachtsgeld eine einmalige Gratifikation, entsprechend Ihrer Zuverlässigkeit und Zugehörigkeit zu unserem Unternehmen, mit der Dezemberabrechnung 2003 auszubezahlen.

Unsere besondere Anerkennung gilt den Mitarbeitern, die über das gesamte Jahr 2003 keinen einzigen Tag in der Arbeit gefehlt haben.

Diese Mitarbeiter erhielten das höchste Prämienziel, nämlich bis zu EUR 700,--, je nach Betriebszugehörigkeit und Fehltage.

1 . . . 10 . . .

2 . . . 11 . . .

3 . . . 12 . . .

4 . . . 13 . . .

5 . . . 14 . . .

6 . . . 15 . . .

7 . . . 16 . . .

8 . . . 17 . . .

9 . . .

Allen anderen Mitarbeitern mit mindestens 1 jähriger Betriebszugehörigkeit erhalten eine anteilsmäßige Prämie, je nachdem wie viel Fehltage der Mitarbeiter im Jahr 2003 hatte.

Diese Prämie soll ein kleines Dankeschön und ein Ansporn für das kommende Jahr sein, in dem wie weiterhin mit vereinten Kräften am weiteren Wachsen unseres Unternehmens, zur Zufriedenheit unserer Kunden arbeiten wollen.

Für das Jahr 2002 hatte die Beklagte ein gleich lautendes Schreiben an die Mitarbeiter gerichtet (Bl. 3 d. A.), in dem nur das Jahr 2003 durch 2002, der Betrag von EUR 700,-- durch EUR 600,-- ersetzt war und die unter 1 bis 17 aufgeführten Mitarbeiter teilweise verschieden waren.

Eine von der Klägerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 28.1.2004 geltend gemachte Zahlung einer Treueprämie lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 29.1.2004 (Bl. 30 bis 31 d. A.) ab.

Mit einer der Beklagten am 19.3.2004 zugestellten Klage hat die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von EUR 700,-- gerichtlich geltend gemacht. Sie hat vorgetragen, sie habe das gesamte Jahr 2003 nicht einen einzigen Arbeitstag gefehlt, so dass ihr eine Prämie i.H.v. EUR 700,-- zustehe.

Die Klägerin hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 700,-- nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage anzuweisen.

Sie hat vorgetragen, bei der Beklagten bestehe eine betriebliche Übung, nach der eine Treueprämie freiwillig und jederzeit widerruflich bezahlt werde. Die Information der Mitarbeiter erhalte dabei nur die nachträgliche Mitteilung nicht aber die Anspruchsgrundlage. Erstmals ab einem vollendeten Jahr der Betriebszugehörigkeit werde die Prämie zum 15.1. des Folgejahres bezahlt. Diese betrage nach dem ersten kompletten Jahr maximal EUR 200,-- und nach jedem weiteren Jahr EUR 100,--. Nach 6 Jahren werde der Höchstbetrag von EUR 700,-- bezahlt. Keine Zahlung erfolge, wenn das Arbeitsverhältnis geendet habe oder gekündigt worden sei. Außerdem sei die Prämie für jeden Fehltag um EUR 25,-- zu kürzen. Voraussetzung sei jedenfalls immer, dass zum Auszahlungszeitpunkt ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis bestehe. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall. Ein etwaiger Anspruch der Klägerin sei außerdem nach der Regelung in § 6 des Arbeitsvertrages verfallen. Denn der Anspruch sei bereits am 29.1.2004 durch die Beklagte abgelehnt worden und dann nicht innerhalb von drei Wochen gerichtlich geltend gemacht worden.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 13.10.2004 der Klage stattgegeben. Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie den Ausführungen des Arbeitsgerichts wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Ersturteils Bezug genommen.

Gegen das der Beklagten am 22.10.2004 zugestellte Urteil hat diese mit einem am 21.11.2004 bei dem Landesarbeitsgericht München eingegangenen Schriftsatz Berufung einlegen lassen und ihr Rechtsmittel mit einem am 24.1.2005 innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte trägt vor, die Klägerin habe sich bei Zahlung der Prämie in einem gekündigten Arbeitsverhältnis befunden und habe deshalb keine Prämie zu beanspruchen. Die Beklagte habe der Auszahlung Richtlinien zugrunde gelegt, die sich den tatsächlich unterschiedlich erfolgten Auszahlungen an die Mitarbeiter für das Jahr 2003 (Bl. 32 bis 34 d. A.) entnehmen ließen. Eine erhebliche Anzahl von Mitarbeitern habe dabei auch gar keine Prämie erhalten. Die schriftliche Mitteilung über die Prämie habe nur die nachträgliche Information an die Mitarbeiter dargestellt. Dies sei auch deutlich genug gewesen.

Die Beklagte beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg - Gerichtstag Straubing - vom 13.10.2004 (Az.: 6 Ca 911/04 S) wird abgeändert und die Klage vollumfänglich abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, ihr stehe die Treuprämie in voller Höhe zu. Der Mitteilung der Beklagten sei dazu keine Einschränkung zu entnehmen.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 24.1.2005 (Bl. 89 bis 93 d. A.), der Klägerin vom 28.2.2005 (Bl. 98 bis 100 d. A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 4.5.2005 (Bl. 113 bis 114 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist in der rechten Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO) und daher zulässig.

II.

Die Berufung der Beklagten ist auch teilweise begründet.

Denn der Klägerin steht gegen die Beklagte für das Jahr 2003 nur ein Anspruch auf Bezahlung einer Treueprämie i.H.v. EUR 200,-- zu. Soweit die Klage darüber hinausging, ist sie dagegen unbegründet.

1. Dem Grunde nach steht der Klägerin nach dem Schreiben der Beklagten an alle Mitarbeiter für das Jahr 2003 allerdings eine weitere Sonderzahlung zu.

a) Die Beklagte hat in dem auch an die Klägerin gerichteten Schreiben allen Mitarbeitern als Anerkennung für gezeigte Einsatzbereitschaft und gute Leistungen bekannt gemacht, zusätzlich zum Weihnachtsgeld eine einmalige Gratifikation entsprechend der Zuverlässigkeit und Zugehörigkeit zum Unternehmen auszuzahlen. Voraussetzung für die Auszahlung einer zumindest anteilsmäßigen Prämie war lediglich eine 1 jährige Betriebszugehörigkeit. Der Höhe nach war sie zudem noch davon abhängig, wie viele Fehltage der Mitarbeiter im Jahr 2003 hatte. Diese Voraussetzungen erfüllte die Klägerin. Denn sie war zum Auszahlungszeitpunkt im Januar 2004 über ein Jahr beschäftigt. Fehlzeiten, die sich ohnehin nur auf die Höhe auswirken könnten, hatte die Klägerin unstreitig nicht aufzuweisen.

b) Dieses Schreiben der Beklagten stellt eine Gesamtzusage dar.

aa) Hierunter ist eine an alle Arbeitnehmer oder abgrenzbaren Gruppen von Arbeitnehmern in allgemeiner Form gerichtete Erklärung des Arbeitgebers zu verstehen, zusätzliche Leistungen zu erbringen. Die Arbeitnehmer erlangen einen einzelvertraglichen Anspruch auf diese Leistungen, soweit sie von deren Anspruchsvoraussetzungen erfasst werden. Eine ausdrückliche Annahme des in der Gesamtzusage enthaltenden Angebots des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer ist gem. § 151 Satz 1 BGB entbehrlich. Ob eine Gesamtzusage vorliegt und welchen Inhalt sie hat, richtet sich nach den allgemein für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Regeln. Maßgeblich ist danach der objektive Erklärungsinhalt aus der Sicht des Empfängers (vgl. BAG vom 14.8.2001 - 1 AZR 619/00 - AP Nr. 85 zu § 77 BetrVG 1972).

bb) Dabei ist typisch für die Gesamtzusage, dass sie in allgemeiner Form durch Rundschreiben, Aushänge oder Veröffentlichungen in der Mitarbeiterzeitung verbreitet wird und dass eine ausdrückliche Annahme von dem Erklärungsempfänger nicht erklärt zu werden braucht, da dies nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist. Das Vertragsangebot des Arbeitgebers besteht aus seinen verlautbarten und in allgemeiner Form bekannt gemachten Erklärungen, mit deren Inhalt sich der Arbeitnehmer konkludent einverstanden erklärt, wenn er die Leistung entgegen nimmt. Der Leistung als solcher kommt hingegen kein Erklärungswert zu, wenn ihre Bedingungen allgemein bekannt gemacht worden sind (vgl. BAG vom 10.12.2002 - 3 AZR 92/02 - AP Nr. 249 zu § 611 BGB "Gratifikation").

cc) Schon nach dem klaren Wortlaut des Schreibens (vgl. BGH NJW 2001, 144) ist nach dem allein maßgeblichen Empfängerhorizont (vgl. BAG vom 9.11.1999 - 9 AZR 917/98 - AP Nr. 4 zu § 5 Bildungsurlaubsgesetz NRW) aus der Sicht der Klägerin gem. § 133 BGB davon auszugehen, dass es sich bei dem Schreiben um eine rechtsgeschäftliche Erklärung einer vertraglichen Zusage handelt. Schon die Formulierung "auf diesem Wege" belegt dies deutlich. Ein Bindungswille der Beklagten würde aus diesem Schreiben selbst dann folgen, wenn sie dieses nur als "Information" (vgl. BAG vom 14.6.1995 - AP Nr. 1 zu § 611 BGB "Personalrabatt") oder "Bekanntmachung" bezeichnet hätte (vgl. BAG vom 11.12.1996 - 5 AZR 336/95 - AP Nr. 5 zu § 611 BGB "Sachbezüge"). Soweit die Beklagte dagegen meint, das an alle Mitarbeiter gerichtete Schreiben komme nicht als Anspruchsgrundlage ein Betracht sondern gebe nur wieder, was die Beklagte zuvor beschlossen hat, ist dies aus der Sicht der Klägerin nicht nur unzutreffend sondern ergibt auch keinen anderen Sinn. Denn dann stellt das Schreiben gerade ebenfalls den nach außen bekannt gemachten Beschluss der Beklagten dar, der die Zusage enthält.

c) Soweit die Beklagte meint, bei der Treueprämie handelt es sich um eine freiwillige Leistung, ist das unerheblich.

aa) Zum einen enthält weder das Schreiben für das Jahr 2003 noch dasjenige für das Jahr 2002 irgendeinen Hinweis auf einen Freiwilligkeitsvorbehalt. Die Treueprämie ist nicht etwa als bloße Möglichkeit in Aussicht gestellt sondern mit den Worten "erhalten" und "auszubezahlen" auch zugesagt (vgl. BAG vom 23.10.2002 - AP Nr. 243 zu § 611 BGB "Gratifikation"). Damit wäre es nicht zu vereinbaren, jeglichen Rechtsbindungswillen zu verneinen. Will ein Arbeitnehmer jede vertragliche Bindung verhindern und sich die volle Entscheidungsfreiheit vorbehalten, so muss er das in seiner Erklärung gegenüber dem Arbeitnehmer unmissverständlich deutlich machen (vgl. BAG vom 11.4.2000 - AP Nr. 227 zu § 611 BGB "Gratifikation").

bb) Zum anderen wäre selbst wenn der Arbeitgeber vor dem Schreiben für das Jahr 2003 die Gewährung einer Sonderzahlung von einem Freiwilligkeitsvorbehalt ausdrücklich abhängig gemacht hätte, durch das Schreiben für das Jahr 2003 der Anspruch genauso entstanden. Zwar hindert der Freiwilligkeitsvorbehalt in diesem Fall das Entstehen eines vertraglichen Anspruchs. Der Anspruch entsteht aber auch in diesem Fall für ein bestimmtes Jahr, wenn der Arbeitgeber für dieses Jahr die Zahlung vorbehaltlos zusagt (vgl. BAG vom 6.12.1995 - AP Nr. 187 zu § 611 BGB "Gratifikation"; Freitag NZA 2002, 294). Das Schreiben für das Jahr 2003 enthält keinen Vorbehalt, so dass auch hier ein Freiwilligkeitsvorbehalt dem Anspruch nicht entgegenstünde.

d) Einen Ausschluss der Klägerin von einem Anspruch kann die Beklagte auch nicht daraus herleiten, dass die Sonderzahlung als Treueprämie bezeichnet ist und nach der Schlussformulierung einen Ansporn für das kommende Jahr darstellen soll. Aus diesen Formulierungen lässt sich kein Ausschluss für die Klägerin herleiten. Dies folgt schon daraus, dass sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Zweck einer Sonderzahlung vorrangig aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen ergibt, von deren Vorliegen und Erfüllung die Leistung abhängig gemacht wird, während die Bezeichnung der Sonderzahlung allenfalls Indizwirkung hat (vgl. BAG vom 22.10.2003 - 10 AZR 152/03 - AP Nr. 21 zu § 1 TVG "Rückwirkung"). Ging es der Beklagten vornehmlich um eine Bindung der Mitarbeiter an den Betrieb und nicht um eine Belohnung der Einsatzbereitschaft in der Vergangenheit, die besonders deutlich durch die Abhängigkeit der Leistung von Fehltagen zum Ausdruck kommt, hätte es nahe gelegen, dass die Beklagte die Zahlung mit einer konkreten Stichtagsregelung oder mit einem Rückzahlungsvorbehalt bei Ausscheiden des Arbeitnehmers verbunden hätte. Denn dadurch kommt regelmäßig zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit einer Sonderzuwendung an den Betrieb binden will (vgl. BAG vom 19.3.2003 - 10 AZR 365/02; BAG vom 25.4.1991 - AP Nr. 138 zu § 611 BGB "Gratifikation"). Nachdem es auch daran fehlt, ist der Anspruch der Klägerin auf die Sonderzahlung 2003 nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie zum 31.1.2004 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist.

2. Selbst wenn sich im Übrigen ein Anspruch der Klägerin nicht aus dem Schreiben der Beklagten zur Sonderzahlung für das Jahr 2003 ergeben würde, folgt dieser aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Arbeitgeber, der in seinem Betrieb nach von ihm gesetzten allgemeinen Regeln freiwillige Leistungen gewährt, an den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden. Dieser Grundsatz verlangt vom Arbeitgeber die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage; er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer in der Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist daher verletzt, wenn der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage sachfremd schlechter stellt. Bildet der Arbeitgeber Gruppen von begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmern, muss diese Gruppenbildung sachlichen Kriterien entsprechen. Dabei kommt es darauf an, ob sich nach dem Zweck der Leistung Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, der einen Arbeitnehmergruppe Leistungen vorzuenthalten, die der anderen Gruppe eingeräumt worden sind. Eine unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer ist dann mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, wenn die Unterscheidung gerade nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt ist. Ist dies nicht der Fall, kann die übergangene Arbeitnehmergruppe verlangen, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmergruppe behandelt zu werden (vgl. BAG vom 19.3.2003 - 10 AZR 365/02; BAG vom 21.3.2001 - 10 AZR 444/00 - AP Nr. 17 zu § 33 a BAT). Selbst ein Freiwilligkeitsvorbehalt würde die Beklagte dann nicht berechtigen, einzelne Arbeitnehmer nur deshalb von der Leistung auszuschließen (vgl. BAG vom 20.1.1998 - 9 AZR 698/96 - AP Nr. 73 zu § 77 BetrVG 1972).

b) Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes wäre hier nach dem eigenen Sachvortrag der Beklagten anzunehmen. Denn nach ihrer Aufstellung (Bl. 32 bis 34 d. A.) hat sie - soweit keine erheblichen Fehlzeiten vorlagen - nahezu allen Mitarbeitern eine Prämie bezahlt. Sie hat nur später handschriftlich einzelne Mitarbeiter herausgenommen, die offenbar zu einer anderen Firma gewechselt sind. Dies ist unzulässig. Zwar kann es gerechtfertigt sein, dass der Arbeitgeber Arbeitnehmer von freiwilligen Leistungen ausschließt, die sich in einem gekündigten Arbeitsverhältnis befinden. Dies muss aber in der Gratifikationszusage eindeutig geregelt sein (vgl. Schaub /Linck Arbeitsrechtshandbuch 11. Aufl. § 78 Rn. 31; Küttner / Kania Personalbuch 2004 Gleichbehandlung 207 Rn. 51; LAG Hamm NZA - RR 1998, 293). Daran fehlt es hier. Die Beklagte hat nie gegenüber der Klägerin oder anderen Mitarbeitern offen gelegt, dass ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis Anspruchsvoraussetzung für die Sonderzahlung sei. Im Gegenteil zeigen gerade die späteren handschriftlichen Verbesserungen der Beklagten auf den Mitarbeiterlisten (Bl. 32 bis 34 d. A.), dass sie sich erst nachträglich entschlossen hat, Arbeitnehmer, die offenbar zu einem Kunden der Beklagten abgewandert sind, von der Bezahlung wieder auszunehmen. Eine derartige nachträgliche Differenzierung ist unzulässig. Ob eine derartige Maßnahme der Beklagten zudem mit der Regelung in § 9 Nr. 4 AÜG zu vereinbaren wäre, kann deshalb offen bleiben.

3. Der Klägerin steht jedoch kein Anspruch i.H.v. EUR 700,-- gegen die Beklagte zu. Ein Anspruch in dieser Höhe ergibt sich weder aus dem Schreiben an die Mitarbeiter für das Jahr 2003 noch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz.

a) Aus dem Schreiben der Beklagten an alle Mitarbeiter, ergibt sich, dass die Prämie sowohl von der Betriebszugehörigkeit wie von Fehltagen abhängt und der Betrag von EUR 700,-- die Höchstprämie darstellt, die allenfalls die 17 namentlich genannten Mitarbeiter erreichen können. Durch den nächsten Absatz ist klargestellt, dass "alle anderen Mitarbeiter" mit mindestens einjähriger Betriebszugehörigkeit eine anteilsmäßige Prämie erhalten. Soweit dabei im nächsten Halbsatz erneut auf die Anzahl der Fehltage abgestellt wird, kann dies im Verhältnis zu dem Obersatz, der auf die Betriebszugehörigkeit abstellt, und der namentlichen Nennung bestimmter Mitarbeiter nicht so verstanden werden, dass Mitarbeiter allein nach einer Betriebszugehörigkeit von einem Jahr die Höchstprämie erhalten, wenn keine Fehlzeiten aufgetreten sind. Die anteilsmäßige Prämie hängt daher nicht allein von den Fehltagen sondern auch von der Betriebszugehörigkeit ab.

b) Zwar ist damit nicht geregelt, in welcher Höhe unterhalb der Höchstprämie ein Anspruch der Klägerin besteht, wenn sie eine Betriebszugehörigkeit von über einem Jahr aufweist und im Jahr 2003 bei ihr keine Fehlzeiten aufgetreten sind. Im Gegensatz zur Auffassung des Arbeitsgerichts führt dies aber nicht dazu, dass der Klägerin die Höchstprämie zusteht. Ist vielmehr die Höhe der Leistung unbestimmt, richtet sich diese nach der bisherigen Übung oder unterliegt der Leistungsbestimmung des Arbeitgebers nach billigem Ermessen gem. § 315 Abs. 1 BGB (vgl. ErfK / Preis 5. Aufl. § 611 BGB Rn. 674; Schaub / Linck a. a. O. § 78 Rn. 33). Entspricht die Leistung nicht billigem Ermessen, hat sie gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch das Gericht zu erfolgen. Das gleiche gilt, wenn sie von dem Berechtigten verweigert oder verzögert wird (vgl. Juris PK - BGB / Stickelbrock § 315 Rn. 69). Was billigem Ermessen entspricht, ist unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien und des in vergleichbaren Fällen Üblichen festzustellen (vgl. Palandt - Heinrichs BGB 64. Aufl. § 315 Rn. 10). Unter Berücksichtigung der höchsten Betriebszugehörigkeit von 6 Jahren und einer Höchstprämie von EUR 700,-- erscheint danach angemessen und ausreichend, für die Klägerin eine Treueprämie von EUR 200,-- festzusetzen. Dies entspricht auch der tatsächlichen Handhabung der Beklagten in anderen Fällen nach einjähriger Betriebszugehörigkeit ohne Fehlzeiten im Kalenderjahr, wie sich aus der Aufstellung (Bl. 32 bis 34 d. A.) ergibt.

4. Dieser Anspruch der Klägerin ist auch nicht gem. § 6 des Arbeitsvertrages der Parteien verfallen. Insoweit folgt die Kammer der Entscheidung des Arbeitsgerichts und sieht von einer eigenen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Auch die Berufungsbegründung geht auf diese Ausführungen des Arbeitsgerichts nicht ein. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Vereinbarung einzelvertraglicher Ausschlussfristen nach Inkrafttreten der Schuldrechtsreform ohnehin zweifelhaft erscheint (vgl. Nägele / Chwalisz MDR 2002, 1341). Dies bedarf aber angesichts des Umstands, dass die vertragliche Ausschlussfrist hier die Klägerin jedenfalls unangemessen benachteiligt, keine näheren Prüfung (vgl LAG Hamm, LAG Report 2005, 138; Lakies NZA 2004, 569).

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat die Revision gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für beide Parteien zugelassen.

Ende der Entscheidung

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