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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 06.08.2008
Aktenzeichen: 10 Sa 182/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 613a Abs. 5
BGB § 613a Abs. 6
1. Gibt der Betriebsveräußerer als Grund für den Übergang des Betriebs einen Kaufvertrag an und verschweigt dabei, dass er selbst einen erheblichen Betrag an den Betriebserwerber bezahlt hat ohne einen Kaufpreis zu erhalten, ist dies keine ordnungsgemäße Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 Nr. 2 BGB.

2. Eine Verwirkung des Widerspruchsrechts des Arbeitnehmers tritt nicht allein dadurch ein, dass der Arbeitnehmer mit dem Betriebserwerber einen Aufhebungsvertrag schließt.


Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

10 Sa 182/08

Verkündet am: 06.08.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 30. Juli 2008 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Moeller und die ehrenamtlichen Richter Hermann und Türk

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts München vom 31.10.2007 (Az.: 12a Ca 16680/06) wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses über den 30.09.2005 hinaus, die Verpflichtung der Beklagten zur Beschäftigung des Klägers als Hardware-Entwickler sowie über Ansprüche des Klägers auf Gehaltszahlungen für die Zeit ab November 2006. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist lediglich der Antrag auf Festsstellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses über den 30.09.2005 hinaus, über den das Arbeitsgericht durch Teil-Urteil entschieden hat.

Der 1951 geborene, verheiratete Kläger war seit 01.08.1979 auf der Grundlage eines Einstellungsschreibens vom 26.06.1979 (Bl. 10 bis 11 d. A.) bei der Beklagten beschäftigt. Der Kläger ist Diplom-Physiker und nahm zuletzt die Funktion eines HardwareEntwicklers im Geschäftsbereich C. wahr, bei der er zuletzt eine Vergütung von € 6.796,22 brutto monatlich bezog.

Am 17.08.2005 kam zwischen der Beklagten und dem bei ihr errichteten Gesamtbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Überleitung der Beschäftigungsbedingungen der von der S. AG C. zur B. GmbH & Co. OHG übergehenden Mitarbeiter zustande (Bl. 103 bis 108 d. A.), nach deren Präambel die Beklagte zum 01.10.2005 die Mitarbeiter der Einheit C. in die B. GmbH & Co. OHG einbringen werde.

Mit Schreiben vom 29.08.2005 (Bl. 12 bis 13 d. A.) informierte die Beklagte den Kläger über den Übergang seines Arbeitsverhältnisses, da das Geschäftsgebiet C.) zum 01.10.2005 in die B. GmbH & Co. OHG (im folgenden: B.) übertragen werde. In diesem Schreiben heißt es u. a. wie folgt:

B. ist ein weltweit führender Anbieter von Consumer-Electronic-Produkten, wie beispielsweise LCD-Bildschirmen Notebook-Computern, Kameras und Scannern. Und im Handygeschäft wir B. in den nächsten Jahren zu einem führenden globalen Anbieter.

In seinem asiatischen Heimatmarkt zählt B. schon heute zu den am schnellsten wachsenden Anbietern im Handysegment. Durch den Zusammenschluss mit S. kann B. seine ehrgeizigen internationalen Expansionspläne umsetzen. S. bietet B. eine globale Organisation mit führenden Marktpositionen in West- und Osteuropa sowie im Wachstumsmarkt Lateinamerika. Zudem erhält B. durch den Kauf einen starken, weltweit bekannten Markennamen, Mobiltelefontechnologie und Softwarekompetenz sowie globalen Zugang zu der breiten Kundenbasis von S.. Daneben bekommt B. einen auf drei Kontinenten hervorragend etablierten Fertigungsverbund von S..

Die Übertragung des Geschäftsgebietes erfolgt aufgrund eines Kaufvertrags im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf B.. Mit diesem Betriebsübergang wird gem. § 613a BGB B. Ihr neuer Arbeitgeber, der in alle Rechte und Pflichten Ihres Arbeitsverhältnisses mit der S. AG eintritt. Es wird also anlässlich des Betriebsübergangs- sofern nicht in der Überleitungsvereinbarung andere Regelungen getroffen sind - unverändert mit B. fortgeführt (insbesondere keine Veränderungen bei dem jeweiligen Einkommenssystem, Altersversorgung, Jubiläumsregelung, Dienstzeitregelung).

Die Höhe und Zusammensetzung des bisherigen Jahreszieleinkommens bleibt anlässlich des Betriebsübergangs unverändert.

Im Einzelnen gilt für Sie die beiliegende, mit dem Gesamtbetriebsrat der S. AG vereinbarte Regelung zur Überleitung der Beschäftigungsbedingungen (Überleitungsvereinbarung), die Bestandteil dieses Schreibens ist.

Die bestehenden Gesamtbetriebsvereinbarungen und örtlichen Betriebsvereinbarungen gelten bis zu einer eventuellen Neuregelung weiter, sofern in der Überleitungsvereinbarung nichts Abweichendes geregelt ist.

B. haftet ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs unbeschränkt für alle, auch die rückständigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis.

Zusätzlich haftet die S. AG für solche Verpflichtungen, die vor dem Betriebsübergang entstanden sind und spätestens ein Jahr danach fällig werden; soweit sie nach dem 01.10.20005 fällig werden, haftet sie nur zeitanteilig.

Eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs ist gesetzlich gem. § 613 a Abs. 4 BGB ausgeschlossen; das Recht zu Kündigungen aus anderen Gründen bleibt unberührt.

Sie werden auch nach dem 01.10.2005 durch ihren bisherigen Betriebsrat weiter betreut; an den Standorten in U., B. und M./G. Straße gilt dies solange, bis durch Neuwahlen eigene Betriebsratsgremien gewählt sind, längstens bis zum 31.01.2006.

Für den Standort K. wurde der örtliche Betriebsrat informiert, dass an diesem Standort aufgrund von Produktivitätssteigerungen in der Fertigung der Abbau von ca. 340 Mitarbeitern im Bereich der Lohngruppen 2 bis 7 geplant ist.

Dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf B. können Sie nach § 613 a Abs. 6 BGB schriftlich widersprechen. Ihr Widerspruch hätte zur Folge, dass Ihr Arbeitsverhältnis nicht auf B. übergeht. Wir möchten Sie jedoch bitten, von diesem Recht nur nach sorgfältiger Abwägung Gebrauch zu machen, denn Ihr Widerspruch sichert Ihnen keinen Arbeitsplatz bei der S. AG, da die C. - Aktivitäten vollständig auf B. übertragen werden und damit diese Arbeitsplätze bei der S. AG entfallen, so dass es letztlich zu betriebsbedingten Beendigungen des Arbeitsverhältnisses kommen kann.

Sollten Sie trotz dieser Überlegungen dennoch widersprechen wollen, bitten wir darum, Ihren etwaigen Widerspruch unverzüglich, jedoch spätestens innerhalb von 1 Monat nach Zugang dieses Schreibens schriftlich an

Herrn B.,

oder an

Herrn Dr. E.zu richten.

Für Fragen steht Ihnen Ihre Personalorganisation gerne zur Verfügung.

Wir würden uns freuen, wenn Sie mit gleichem Arbeitseinsatz und hoher Motivation Ihre Arbeit bei B. weiterführen und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.

Die Firma B. GmbH & Co. OHG mit Sitz in M., hat ihren Gegenstand in der Entwicklung, der Produktion und dem Vertrieb von Mobiltelefonen. Die Gründung erfolgte mit Gesellschaftsvertrag vom 12.09.2005, die erste Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 16.09.2005. Persönlich haftende Gesellschafter sind die B. Management GmbH sowie die B. Wireless GmbH, jeweils mit Sitz in M. mit einem Stammkapital von jeweils € 25.000,--. Die Obergesellschaft der B.-Gruppe ist die B. Corporation, T., Diese wiederum ist alleinige Gesellschafterin der B. Holding BV mit Sitz in den Niederlanden, welche wiederum jeweils alleinige Gesellschafterin der beiden persönlich haftenden Gesellschafterinnen der B. GmbH & Co. OHG ist.

Auf der Grundlage eines Vertrages vom 06.06.2005 übertrug die Beklagte die in Deutschland gelegenen Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens mit hierauf entfallenden Forderungen und Verbindlichkeiten an die B. GmbH & Co. OHG. Einen Kaufpreis erhielt die Beklagte nicht. Vielmehr leistete sie selbst einen dreistelligen Millionenbetrag an die B. Corporation.

Der Kläger nahm seine Tätigkeit bei der B. GmbH & Co. OHG zum 01.10.2005 auf. Am 30.08.2006 schloss der Kläger mit dieser einen Aufhebungsvertrag (Bl. 14/15 d. A.), nachdem das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2007 enden sollte und die Fa. B. GmbH & Co. OHG sich verpflichtete, an den Kläger mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von € 200.000,-- zu bezahlen.

Vor einer Bezahlung des Betrages hat das Amtsgericht München mit Beschluss vom 01.10.2006 auf Antrag der B. GmbH & Co. OHG das Insolvenzverfahren über diese eröffnet.

Mit Schreiben vom 27.10.2006 (Bl. 16/17 d. A.) widersprach der Kläger gegenüber der Beklagten einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die B. GmbH & Co. OHG und forderte die Beklagte auf, ihn weiterzubeschäftigen. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 02.11.2006 (Bl. 18 d. A.) ab. Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 22.11.2006 Klage auf Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses erhoben.

Der Kläger hat geltend gemacht, aufgrund des Widerspruchs bestehe sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten fort. Denn die Beklagte habe den Kläger nicht ordnungsgemäß über den Betriebsübergang informiert. Daher sei er auch noch im Oktober 2006 berechtigt gewesen, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen. Eine fehlerhafte Information liege deshalb vor, weil es die Beklagte verschwiegen habe, dass es sich bei der B. GmbH & Co. OHG um eine Neugründung gehandelt habe. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen sei die Unterrichtung falsch und irreführend erfolgt. Es handle sich bei der Fa. B. GmbH & Co. OHG weder um einen führenden Anbieter noch sei diese auch nur ansatzweise in der Lage gewesen, die laufenden Gehaltszahlungen zu tätigen. Erst recht fehle jede Information darüber, dass die Beklagte der Käuferin einen dreistelligen Millionenbetrag bezahlt habe. Sein Widerspruchsrecht sei auch nicht verwirkt. Es fehle schon an einem Zeit-, jedenfalls an einem Umstandsmoment.

Der Kläger hat - soweit von Interesse - beantragt:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30.09.2005 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Kläger sei nicht berechtigt, dem Betriebsübergang zu widersprechen. Denn die Information über den Betriebsübergang sei ordnungsgemäß erfolgt. Dass es sich bei der B. GmbH & Co. OHG um eine Neugründung gehandelt habe, hätte nicht angegeben werden müssen. Auch über die finanzielle Ausstattung des Käufers habe die Beklagte den Kläger nicht informieren müssen. Im Übrigen enthalte die Information sowohl den Zeitpunkt, den Grund als auch die komplette Angabe der rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs. Zudem handle es sich bei dem Widerspruch um einen unzulässigen Massenwiderspruch. Dieser sei außerdem verwirkt. Ein Zeitmoment sei über einen Zeitablauf von über zwölf Monaten gegeben. Das Umstandsmoment liege in der Arbeitsleistung des Klägers bei der B. GmbH & Co. OHG, aber erst recht in dem Aufhebungsvertrag mit dieser.

Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil vom 31.10.2007 dem Feststellungsantrag des Klägers stattgegeben. Wegen des vollständigen erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie den Ausführungen des Arbeitsgerichts wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Ersturteils Bezug genommen.

Gegen das der Beklagten am 25.02.2008 zugestellte Urteil hat diese mit einem am 27.02.2008 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Schriftsatz Berufung einlegen lassen und ihr Rechtsmittel durch einen am 25.04.2008 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte trägt vor, der Widerspruch des Klägers sei nicht rechtzeitig erfolgt. Denn die Information der Beklagten über den Betriebsübergang sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe in der Information zwischen der B. GmbH & Co. OHG und der B.-Gruppe im Übrigen unterschieden. Über die finanzielle Ausstattung habe sie nicht informieren müssen. Die Adresse der Übernehmerin sei im sechsten Absatz auf Seite 2 des Schreibens genannt worden. Davon sei der Kläger auch durch das Schreiben der B. GmbH & Co. OHG vom 09.02.2006 (Bl. 324 d. A.) in Kenntnis gesetzt worden. Auch der Übertragungsgrund sei in der Information richtig genannt worden. Die Zahlung eines negativen Kaufpreises sei in der Praxis des Unternehmenskaufs üblich und ändere nichts am Charakter des Kaufvertrags. Es liege auch ein unzulässiger Massenwiderspruch vor. Jedenfalls sei ein Widerspruchsrecht des Klägers verwirkt. Das Umstandsmoment ergebe sich aus der mit einer Gehaltserhöhung verbundenen Arbeitsleistung des Klägers, aber jedenfalls aus dem Aufhebungsvertrag des Klägers mit der Fa. B. GmbH & Co. OHG. Der Kläger habe damit auf sein Widerspruchsrecht verzichtet.

Die Beklagte beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 31.10.2007 (Az. 12a Ca 16680/06) wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, der Widerspruch sei wegen fehlerhafter Information der Beklagten berechtigt. Das Informationsschreiben vom 29.08.2005 erwecke den Eindruck, dass der Betriebsübernehmer genauso finanzkräftig sei wie die Beklagte. Über die finanziellen Verhältnisse der B. GmbH und Co. OHG hätte die Beklagte sehr wohl informieren müssen. Es sei aber nicht einmal die Adresse der Übernehmerin angegeben worden. Der Widerspruch sei auch keineswegs verwirkt. Abgesehen von einem fehlenden Zeitmoment stelle der Aufhebungsvertrag kein Umstandsmoment dar. Dieser könne für die Beklagte keine Bedeutung haben.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 24.04.2008 (Bl. 293 bis 321 d. A.) und 29.07.2008 (Bl. 356 bis 359 d. A.), des Klägers vom 03.06.2008 (Bl. 335 bis 343 d. A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 30.07.2008 (Bl. 352 bis 355 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist in der rechten Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO) und daher zulässig.

II.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30.09.2005 hinaus fortbesteht. Denn der Kläger hat einem Betriebsübergang auf die B. GmbH & Co. OHG mit seinem Schreiben vom 27.10.2006 wirksam widersprochen, sodass sein Arbeitsverhältnis von der Beklagten nicht auf die Fa. B. GmbH & Co. OHG gemäß § 613a Abs. 1 BGB übergegangen ist. Die Information der Beklagten im Schreiben vom 29.08.2005 entsprach nicht den gesetzlichen Anforderungen gemäß § 613a Abs. 5 BGB, sodass eine Frist für die Erklärung eines Widerspruchs des Klägers nicht zu laufen begann. Der Widerspruch des Klägers ist auch nicht verwirkt. Dies hat das Arbeitsgericht mit überzeugender Begründung zutreffend erkannt. Das Berufungsgericht folgt den Ausführungen des Arbeitsgerichts und sieht daher insoweit von einer eigenen Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sind lediglich folgende Ausführungen veranlasst:

1. Zwar kann ein Arbeitnehmer gemäß § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebsübernehmer nur innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung gemäß § 613a Abs. 5 BGB widersprechen.

a) Die Widerspruchsfrist setzt aber nur eine ordnungsgemäße Unterrichtung in Gang. Weder durch eine unterbliebene noch durch eine nicht ordnungsgemäße Unterrichtung wird diese Frist ausgelöst. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des § 613a Abs. 6 BGB, wonach der Arbeitnehmer dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats "nach Zugang der Unterrichtung nach Abs. 5" widersprechen kann, als auch aus dem Sinn und Zweck der Unterrichtungspflicht. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer im Rahmen des § 613a Abs. 5 BGB so zu informieren, dass jener sich über die Person des Übernehmers und über die in § 613a Abs. 5 BGB genannten Umstände ein Bild machen kann. Er soll durch die Unterrichtung eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung seines Widerspruchsrechts erhalten. Da dies Sinn und Zweck der Vorschrift des § 613a Abs. 5 BGB ist, ist es folgerichtig, den Beginn des Laufs der Widerspruchsfrist nicht nur dann zu verneinen, wenn überhaupt keine Unterrichtung erfolgt ist, sondern auch dann, wenn keine ordnungsgemäße Unterrichtung vorliegt (vgl. BAG vom 14.12.2006 - 8 AZR 763/05; BAG vom 13.07.2006 - 8 AZR 305/05 = NZA 2006, 1268).

b) Die gemäße § 613a Abs. 5 BGB zu erteilenden Informationen müssen zutreffend sein. Dazu ist eine konkrete betriebsbezogene Darstellung in einer auch für juristische Laien möglichst verständlichen Sprache erforderlich, die zunächst die Angaben des Betriebsübernehmers mit Firmenbezeichnung und Anschrift erfordert, sodass dieser identifizierbar ist. Weiter ist die Unterrichtung über Zeitpunkt und Gegenstand des Betriebsübergangs wie auch die Angabe des Rechtsgrundes für den Betriebsübergang erforderlich. Dabei müssen die unternehmerischen Gründe für den Betriebsübergang zumindest schlagwortartig mitgeteilt werden, die sich im Fall des Widerspruchs auf den Arbeitsplatz auswirken können. Schließlich ist der Arbeitnehmer auch über die rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Betriebsübergangs zu informieren.

c) Diesen Anforderungen entspricht das Informationsschreiben der Beklagten vom 29.08.2005 nicht. Nach der Rechtsprechung aller bisher mit dem gleichen Informationsschreiben befassten Kammern des Landesarbeitsgerichts München liegt zumindest eine unrichtige bzw. unvollständige und damit nicht ordnungsgemäße Unterrichtung im Rahmen des § 613a Abs. 5 Nr. 2 BGB vor. Dem schließt sich die erkennende Kammer ausdrücklich an. Exemplarisch wird dabei insbesondere auf die Entscheidungen vom 17.04.2008 (4 Sa 1063/07), 25.06.2008 (9 Sa 825/07) und 25.06.2008 (11 Sa 861/07) Bezug genommen. Wenn mit dem Kaufvertrag besondere Umstände verbunden waren, insbesondere ein sog. negativer Kaufpreis vereinbart war, hätte es hier weiterer Informationen bedurft. Der Durchschnittsarbeitnehmer, der mit Betriebsveräußerungen im Regelfall nichts zu tun hat, verbindet mit einem Kaufvertrag eine normale Austauschbeziehung im Sinne des § 433 BGB, mit der Veräußerung des Verkaufsgegenstandes gegen Zahlung eines Kaufpreises. Erhält der Verkäufer keinen Kaufpreis sondern erbringt seinerseits neben der Veräußerung des Kaufgegenstands noch eine Zahlung an den Käufer, wird damit der Betrieb ohne Gegenwert übertragen, sodass ein erhebliches Risiko besteht, dass der Erwerber den Betrieb überhaupt erhalten und die übernommenen Verbindlichen bedienen kann. Zudem ist die Information unzutreffend, dass die Übertragung des Geschäftsgebiets aufgrund eines Kaufvertrags an die B. GmbH & Co. OHG erfolgt ist, obwohl diese nur einen Teil übernommen hat (vgl. LAG München, Urteil vom 25.06.2008 - 9 Sa 825/07). Damit liegt eine unrichtige bzw. unvollständige und nicht ordnungsgemäße Unterrichtung im Rahmen des § 613a Abs. 5 Nr. 2 BGB vor. Diese Auffassung teilt auch die erkennende Kammer. Mangels ausreichender Information der Beklagten im Schreiben vom 29.08.2005 war daher der Kläger berechtigt, auch noch am 27.10.2006 einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen.

2. Der Widerspruch des Klägers ist auch wirksam. Es handelt sich dabei weder um einen unzulässigen Massenwiderspruch noch ist der Widerspruch verwirkt.

a) Ein unzulässiger Massenwiderspruch liegt nicht vor.

aa) Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 30.09.2004 (AP Nr. 275 zu § 613a BGB) ausgeführt, dass ein kollektiver Widerspruch nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam sein kann, wenn er institutionell missbraucht wird und zur Erreichung unzulässiger Ziele dient. Dabei ist davon auszugehen, dass eine Rechtsausübung dann missbräuchlich sein kann, wenn kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt, sie lediglich als Vorwand für die Erreichung vertragsfremder und unlauterer Zwecke dient, um so den anderen einen Schaden zuzufügen. Übt eine Vielzahl von Arbeitnehmern das Widerspruchsrecht aus, kann sich demgemäß aus der Zweckrichtung der Widerspruchsausübung, soweit sie nicht im Schwerpunkt auf die Verhinderung des Arbeitsgeberwechsels zielt, sondern beispielsweise von der Motivation getragen ist, den Betriebsübergang als solchen zu verhindern oder auch um Vergünstigungen zu erzielen, auf die die Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch haben, ein rechtsmissbräuchliches Handeln ergeben.

bb) Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass es sich bei dem Schreiben des Klägers vom 23.10.2006 tatsächlich um einen Massenwiderspruch handelt. Selbst wenn zum Zeitpunkt des Widerspruchs des Klägers eine erhebliche Anzahl von Widersprüchen anderer Arbeitnehmer gleichzeitig erfolgt ist, ist allein die kollektive Ausübung eines Widerspruchs nicht unzulässig (vgl. Schmalenberg AuR 2008, 168 m. w. N.). Zudem fehlt es schon am Vortrag der Beklagten, dass ein schutzwürdiges Eigeninteresse des Klägers nicht vorliegt. Der Kläger verfolgte mit der Einlegung des Widerspruchs erkennbar eigene arbeitsvertragliche Rechte. Eine Unterdrucksetzung von Betriebserwerber oder Betriebsveräußerer ist nicht ersichtlich.

b) Der Kläger hat sein Widerspruchsrecht auch nicht verwirkt. Weder die Arbeitsleistung bei der B. GmbH & Co. OHG noch der Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit dieser führen zu einer Verwirkung des Widerspruchs.

aa) Zwar unterliegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht nur jeder schuldrechtliche Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis (vgl. BAG vom 17.02.1988 - AP Nr. 17 zu § 630 BGB) sondern auch die Position der Geltendmachung eines Arbeitsverhältnisses überhaupt der allgemeinen Verwirkung. Dabei kann auch die Geltendmachung des Rechts des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses nicht nur bei einer Klage nach einer Kündigung außerhalb des Geltungsbereichs von § 4 KSchG verwirkt werden (vgl. BAG vom 20.05.1988 - AP Nr. 5 zu § 242 BGB "Prozessverwirkung"). Vielmehr unterliegt auch das Recht zur Geltendmachung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses allgemein der Verwirkung wie etwa bei einer zwischen den Parteien streitigen Frage eines Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB (vgl. BAG vom 08.08.2002 - EzA § 613a BGB Nr. 209) oder der Frage des Zustandekommens eines Arbeitsverhältnisses aufgrund unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung (vgl. BAG vom 30.01.1991 - EzAÜG § 10 AÜG Fiktion Nr. 68). Auch für die Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 613a Abs. 6 BGB gilt nichts anderes (vgl. BAG vom 14.12.2006 - 8 AZR 763/05).

bb) In all den Fällen ist das Klagebegehren dann verwirkt, wenn der Kläger die Klage erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums erhebt (Zeitmoment) und dadurch ein Vertrauenstatbestand beim Beklagten geschaffen wird, er werde nicht mehr gerichtlich belangt werden (Umstandsmoment). Hier muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse des Berechtigten an einer sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs derart überwiegen, dass dem Gegner die Einlassung auf die nicht mehr innerhalb angemessener Frist erhobene Klage nicht mehr zuzumuten ist (vgl. BAG vom 02.12.1999 - AP Nr. 6 zu § 242 BGB "Prozessverwirkung").

cc) Davon kann jedoch hier nicht ausgegangen werden.

(1) Zwar war der Kläger - insbesondere nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der B. GmbH & Co. OHG (vgl. dazu BAG vom 18.12.2003 - ZIP 2004, 1068) - gehalten, in angemessener Frist das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten geltend zu machen (vgl. BAG vom 22.07.2004 - 8 AZR 394/03; BAG vom 12.11.1998 - AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 "Wiedereinstellung"). Ob dies hier der Fall ist, erscheint angesichts der Fristenregelung in § 4 KSchG und § 17 TzBfG nicht unzweifelhaft. Entscheidend kommt es für die Frage der Verwirkung aber darauf an, ob die Beklagte noch damit rechnen musste, der Kläger werde den Bestand des Arbeitsverhältnisses ihr gegenüber noch geltend machen. Daher müssen zum bloßen Zeitablauf Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (vgl. BGH MDR 2003, 207). Dafür würde zwar der Umstand sprechen, wenn der Kläger in Kenntnis der Umstände durch sein Verhalten zu erkennen gegeben hat, dass er den Betriebsübernehmer auch als seinen neuen Arbeitgeber anerkannt hat (vgl. LAG Köln NZA-RR 2002, 458, 459).

(2) Daran fehlt es hier aber. Abgesehen davon, das die bloße Arbeitsleistung des Klägers bei der B. GmbH & Co. OHG ohnehin kein Umstandsmoment begründet (Vgl. BAG vom 14.12.2006 - a. a. O.); selbst wenn dies auch mit einer Erhöhung seines Arbeitsentgelts verbunden war, ist auch nicht ersichtlich, dass dem Kläger vor Insolvenzeröffnung die Möglichkeit des Fortbestehens eines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten bekannt war. Hinzu kommt, dass die Beklagte auch gar nicht vorgetragen hat, welche Maßnahmen sie denn im Hinblick auf ein entsprechendes Vertrauen, der Kläger werde sie nicht mehr in Anspruch nehmen, in ihrem Betrieb ergriffen hat. Denn die Verwirkung setzt voraus, dass sich der Schuldner auch darauf eingerichtet hat, der Gläubiger werde sein Recht nicht mehr geltend machen, sodass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verstößt (vgl. BGH MDR 2003, 207). Dies setzt für die Geltendmachung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses voraus, dass der Schuldner vorträgt, dass und ggf. welche Dispositionen er getroffen hat, durch die eine Weiterbeschäftigung des Gläubigers unzumutbar wurde (vgl. BAG vom 14.01.2004 - AP Nr. 10 zu § 14 TzBfG; BAG vom 19.03.2003 - AP Nr. 4 zu 13 AÜG). Daran fehlt es nach dem Sachvortrag der Beklagten. Der Kläger hat daher sein Widerspruchsrecht nicht verwirkt.

3. Der damit rechtswirksam und fristgerecht erklärte Widerspruch des Klägers führt dazu, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien fortbestand. Denn der Widerspruch verhindert das Entstehen eines Arbeitsverhältnisses zu dem Erwerber auch dann, wenn erst nach Betriebsübergang erklärt worden ist. Der Widerspruch wirkt auf dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs zurück (vgl. BAG vom 14.12.2006 - a. a. O.; BAG vom 13.07.2006 -NZA 2006, 1268). Soweit die Beklagte schließlich eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof angeregt hat, es dies nicht veranlasst, weil es für die Entscheidung auf die gestellten Fragen nicht ankam.

III.

Die Berufung der Beklagten war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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