Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 04.06.2008
Aktenzeichen: 10 Sa 20/08
Rechtsgebiete: BUrlG, Richtlinie 2003/88/EG, TV zur Urlaubsregelung


Vorschriften:

BUrlG § 1
BUrlG § 13
Richtlinie 2003/88/EG vom 04.11.2003 Art. 7
TV zur Urlaubsregelung für die gewerblichen Arbeitnehmer im Baugewerbe in Bayern vom 21.11.1983 i. d. F. v. 19.05.2006 § 5
Die Berechnung des Urlaubsentgelts nach § 5 des Tarifvertrags zur Urlaubsregelung für die gewerblichen Arbeitnehmer im Baugewerbe in Bayern vom 21.11.1983 i. d. F. v. 19.05.2006 verstößt auch dann nicht gegen Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 04.11.2003, wenn die Inanspruchnahme des Urlaubs zu einer Zeit erfolgt, in der sich die Berechnung der Höhe des Urlaubsentgelts durch den Bezug von Saison-Kurzarbeitergeld während saisonbedingten Arbeitsausfalls mindert.
10 Sa 20/08

Verkündet am: 04.06.2008

In dem Rechtsstreit

erlässt die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2008 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Moeller und die ehrenamtlichen Richter Böhrer und Hinzmann im Namen des Volkes folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Passau vom 20.11.2007 (Az.: 4 Ca 867/07) wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Bezahlung von Urlaubsentgelt. Im Kern geht die Auseinandersetzung der Parteien dabei darum, ob der für allgemein verbindlich erklärte Tarifvertrag zur Urlaubsregelung für die Gewerblichen Arbeitnehmer im Baugewerbe in Bayern mit Europarecht vereinbar ist.

Der 1961 geborene Kläger war vom 13.11.2006 bis 25.03.2007 bei der Beklagten, die eine Bauunternehmung betreibt, als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Er erzielte dabei bei einer jahresdurchschnittlichen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden einen Stundenlohn von € 16,73 brutto.

In der Zeit vom 01.01.2007 bis 25.03.2007 war der Kläger von einem saisonbedingten Arbeitsausfall betroffen und bezog deshalb Saison-Kurzarbeitergeld gemäß § 175 Abs. 1 SGB III.

Im Monat März 2007 gewährte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 20. bis 22. drei Tage Urlaub und bezahlte dem Kläger dabei ein Urlaubsentgelt in Höhe von 102,30 €. Hinsichtlich der Berechnung legte die Beklagte das lohnsteuerpflichtige Bruttoeinkommen des Klägers für den Monat Februar 2007 zugrunde, das 690,35 € (Bl. 55 d. A.) betrug.

Mit Schreiben vom 09.05.2007 (Bl. 5 d. A.) machte der Kläger einen ihn für die drei Tage zustehenden Urlaubsentgeltanspruch in Höhe von 381,44 € brutto geltend, den die Beklagte mit Schreiben vom 14.05.2007 ablehnte.

Der Kläger hat vorgetragen, für die drei in Anspruch genommenen Urlaubstage stehe ihm ein Urlaubsentgelt in Höhe von 381,44 € brutto zu. Bei der Berechnung des Urlaubsentgelts sei eine tägliche Arbeitszeit von 7,6 Stunden mit einem Bruttostundenlohn von 16,73 € zugrunde zulegen. Denn die Berechnung der Beklagten verstoße gegen Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG, wonach jedem Arbeitnehmer ein bezahlter Mindestjahresurlaubsanspruch von vier Wochen zustehe. Dabei handle es sich um einen besonders bedeutsamen Grundsatz des Sozialrechts der Gemeinschaft, von dem nicht abgewichen werden dürfe. Dieser Grundsatz sei aber nur gewährleistet, wenn der Arbeitnehmer für diese Ruhezeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalte. Das sei nicht der Fall, wenn dieses Entgelt durch unbezahlte Ausfallzeiten geschmälert werde. Dies würde dazu führen, dass Arbeitnehmer aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr in der Lage wären, den gesetzlichen Mindestanspruch zu realisieren.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 279,41 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.04.2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Beklagte habe das Urlaubsentgelt des Klägers mit 102,30 € für die drei Tage nach den zugrunde zulegenden tariflichen Bestimmungen korrekt berechnet. Dem stehe die Richtlinie 2003/88/EG nicht entgegen. Die Richtlinie selbst sei nicht zwingend. Sie sei zudem durch das Bundesurlaubsgesetz auch in staatliches Recht umgesetzt worden. Dieses Gesetz gestatte aber gerade eine wie hier getroffene tarifliche Regelung. Diese verstoße auch inhaltlich in keiner Weise gegen die europäische Regelung, wie sich schon aus deren Wortlaut ergebe. Dies gelte selbst dann, wenn daraus zu folgern sei, der Arbeitnehmer müsse sein gewöhnliches Arbeitsentgelt erhalten. Das gewöhnliche Arbeitsentgelt sei das Entgelt, was der Arbeitnehmer ohne den Urlaub erhalte. Hätte der Kläger hier keinen Urlaub in Anspruch genommen, hätte er aber gar nicht arbeiten können, sondern hätte auch hier Kurzarbeitergeld bezogen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie den Ausführungen des Arbeitsgerichts wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Ersturteils Bezug genommen.

Gegen das dem Kläger am 14.12.2007 zugestellte Urteil hat dieser mit einem am 08.01.2008 bei dem Landesarbeitsgericht München eingegangenen Schriftsatz Berufung einlegen lassen und sein Rechtsmittel durch einen am 06.02.2008 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er trägt vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die Richtlinie 2003/88/EG hinsichtlich des zu gewährenden Urlaubsentgelts hinreichend bestimmt, sodass sich der Kläger darauf berufen könne. Zwar regle die Richtlinie nicht genau die Höhe des zu bezahlenden Urlaubsentgelts. Aus ihr sei jedoch zu folgern, dass der bezahlte Urlaub so beschaffen sein müsse, dass der Arbeitnehmer ihn auch tatsächlich verwirklichen könne. Eine Reduzierung des Entgelts von nahezu drei Viertel könne dem nicht gerecht werden. Vielmehr setze der bezahlte Urlaub voraus, dass der Arbeitnehmer wirtschaftlich nicht schlechter stehen dürfe, als wenn er tatsächlich arbeite.

Der Kläger beantragt:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Passau vom 20.11.2007 (Az. 4 Ca 867/07) abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 279,41 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.04.2007 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die tarifliche Urlaubsregelung werde der EG-Richtlinie 2003/88 gerecht. So übertreffe der Urlaub mit 30 Arbeitstagen den gesetzlichen Urlaub bereits um 50 %. Der Tarifvertrag enthalte zudem spezielle auf die Baubranche abgestimmte Sonderregelungen, die gerade auch dem Erholungszweck dienten. Zudem könne sich der Bezug von Saison-Kurzarbeitergeld nur auf einen in den ersten vier Monaten eines Jahres genommenen Urlaub auswirken. Wird der Urlaub später eingebracht, würde der Arbeitnehmer nach dem Tarifvertrag dagegen eine höhere Vergütung erhalten, als die ihm nach seinem Stundenlohn bezahlt würde.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Sachvortrags der Parteien wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 05.02.2008 (Bl. 110 bis 113 d. A.), der Beklagten vom 03.03.2008 (Bl. 120 bis 124 d. A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 28.05.2008 (Bl. 144 bis 145 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist in der rechten Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO) und daher zulässig. Zwar wird der Wert des Beschwerdegegenstandes von 600,-- € nicht überschritten (§ 64 Abs. 2 b ArbGG). Jedoch hat das Arbeitsgericht die Berufung im Tenor seiner Entscheidung vom 20.11.2007 ausdrücklich zugelassen (§ 64 Abs. 2 a ArbGG). Daran ist das Landesarbeitsgericht gebunden (§ 64 Abs. 4 ArbGG).

II.

Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat das dem Kläger für die Zeit vom 20. bis 22.03.2007 zustehende Urlaubsentgelt korrekt berechnet. Ein höheres Entgelt kann der Kläger auch unter Berücksichtigung der Richtlinie 2003/88/EG nicht verlangen. Dies hat das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung ausgeführt. Das Berufungsgericht folgt den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts und sieht daher insoweit von einer eigenen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sind lediglich folgende Ausführungen veranlasst:

1. Die Beklagte hat das Urlaubsentgelt für die drei Urlaubstage im März 2007 mit 102,30 € brutto zutreffend berechnet. Für einen Anspruch des Klägers auf Bezahlung eines Urlaubsentgelts in Höhe von insgesamt 381,44 € brutto fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

a) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sich der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Urlaub und Bezahlung der Urlaubsvergütung nach dem Tarifvertrag zur Urlaubsregelung für die gewerblichen Arbeitnehmer im Baugewerbe in Bayern vom 21.11.1983 i. d. F. vom 19.05.2006 richtet. Dieser Tarifvertrag ist für allgemein verbindlich erklärt, sodass dessen Regelungen unabhängig von einer etwaigen Tarifbindung (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG) aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärung auch auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden (§ 5 Abs. 4 TVG). § 5 Abs. 1 des Tarifvertrags bestimmt, dass die Urlaubsvergütung 14,82 % des Bruttolohns beträgt. Nach § 5 Abs. 2 a des Tarifvertrags ist der Bruttolohn der für die Berechnung der Lohnsteuer zugrunde zulegende und in die Lohnsteuerkarte einzutragende Bruttolohn einschließlich aller Sachbezüge. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sich aufgrund des vor dem Urlaub bis zum Antritt maßgeblichen Bruttolohns im Monat Februar 2007 von 690,35 € ein Anspruch von 102,30 € errechnet.

b) Diese tariflichen Vorschriften sind ohne Rücksicht darauf, ob sie mit den Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes übereinstimmen, wirksam.

aa) Die Regelungen des Bundesurlaubsgesetz würden im Baugewerbe und sonstigen Wirtschaftszweigen, in denen wegen eines häufigen Ortswechsels der von den Betrieben zu leistenden Arbeit Arbeitsverhältnisse von kürzerer Dauer als einem Jahr in erheblichem Umfang üblich sind, zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Deshalb ist es den Tarifvertragsparteien gemäß § 13 Abs. 2 BUrlG erlaubt, von den ansonsten unabdingbaren Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes abzuweichen, soweit das zur Sicherung eines zusammenhängenden Jahresurlaubs für alle Arbeitnehmer erforderlich ist (vgl. HWK-Schinz 3. Aufl. § 13 BUrlG Rn. 64).

bb) Gemäß § 13 Abs. 2 BUrlG kann für das Baugewerbe oder sonstige Wirtschaftszweige durch Tarifvertrag das Bundesurlaubsgesetz abgedungen werden, sofern dies zur Sicherung eines zusammenhängenden Jahresurlaubs für alle Arbeitnehmer erforderlich ist. Dies ist durch den Tarifvertrag zur Urlaubsregelung für die gewerblichen Arbeitnehmer im Baugewerbe in Bayern erfolgt. Die Urlaubsdauer der Arbeitnehmer im Baugewerbe beträgt danach 30 Arbeitstage, die Samstage zählen nicht als Arbeitstage. Die Dauer des jeweils fälligen Urlaubs richtet sich nach den vom Arbeitnehmer zurückgelegten Beschäftigungstagen. Für den Urlaubsanspruch gibt es keine Wartezeit nach § 4 BUrlG. Der Urlaubsanspruch entsteht vielmehr im Umfang der im Kalenderjahr zurückgelegten Beschäftigungstage, der Arbeitnehmer erwirkt nach jeweils zwölf Beschäftigungstagen den Anspruch auf einen Tag Urlaub, sodass der Anspruch auf den vollen Urlaub erst nach zwölf Beschäftigungsmonaten erreicht ist (vgl. Fenski DB 2007, 686). Gemäß § 13 Abs. 2 BUrlG steht es den Tarifpartnern dabei auch frei, bei der Berechnung von der Regelung des § 11 BUrlG abzuweichen, von dem sie hier Gebrauch gemacht haben.

2. Dieser Regelung der Berechnung der Urlaubsvergütung steht nicht Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vom 04.11.2003 entgegen. Zwar ist dort bestimmt:

(1)

Die Mitgliedssaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Jahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.

(2)

Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.

Einen Vorrang gegenüber den hier nach deutschem Recht anwendbaren tariflichen Regelungen können die Bestimmungen der europäischen Richtlinie nur beanspruchen, wenn die gemeinschaftsrechtliche Norm innerstaatlich unmittelbar anwendbar ist und in einem Regelungskonflikt zu der hier geltenden tariflichen Vorschrift steht (vgl. Schlachter ZfA 2007, 249, 256). Beides ist nicht der Fall.

a) Die Bestimmungen der Richtlinie 2003/88/EG vom 04.11.2003 gelten bereits nicht unmittelbar zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits.

aa) Während die EG-Verordnung in ihrem Anwendungsbereich unmittelbare Wirkung entfaltet und kraft Vorrang des Gemeinschaftsrechts entgegenstehendes nationales Recht schlicht verdrängt, zeichnet sich die Richtlinie gerade dadurch aus, dass sie keinen Gestaltungsvorrang entfaltet und entgegenstehendes nationales Recht deshalb auch grundsätzlich nicht verdrängt. Jedenfalls in dem für das Privatrecht kennzeichnenden Horizontalverhältnis zwischen gleichberechtigten Rechtssubjekten kommt es nach ständiger Rechtsprechung des EuGH nicht zu einer unmittelbaren Geltung. Die Richtlinie ist gemäß Art. 249 Abs. 3 EGV vielmehr zunächst nur an die Mitgliedsstaaten gerichtet und muss von diesen in nationales Recht umgesetzt werden, wobei den Mitgliedsstaaten ein gewisser Umsetzungsspielraum verbleibt (vgl. Gebauer AnwBl. 2007, 314 m. w. N.).

bb) Dementsprechend scheidet im Verhältnis privater Rechtsträger zueinander eine Inanspruchnahme von Rechtspositionen unmittelbar aufgrund von Richtlinien ohne deren Umsetzung in nationales Recht grundsätzlich aus. Von dieser Auffassung wird auch durch den EuGH weder in der "Pfeiffer"-Entscheidung (vgl. EuGH vom 05.10.2004 - BB 2004, 2353) noch in der "Mangold"-Entscheidung (vgl. EuGH vom 22.11.2005 - Rs. C-144/04) abgewichen. In beiden Entscheidungen betont der EuGH, dass er an dem Grundsatz festhält, dass auch eine klare, genaue und unbedingte Richtlinienbestimmung, mit der dem Einzelnen Rechte gewährt oder Verpflichtungen auferlegt werden sollen, im Rahmen einer Auseinandersetzung, in der sich ausschließlich Private gegenüberstehen, nicht als solche Anwendung finden kann (vgl. Fenski - a. a. O.; EuGH NJW 2006, 2465; BAG vom 24.01.2006 - 1 ABR 6/05 = AP Nr. 8 zu § 3 ArbZG).

cc) Zutreffend ist allerdings, dass die Gerichte eines Mitgliedsstaates bei der Anwendung des innerstaatlichen Rechts dieses soweit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks einer Richtlinie auslegen müssen, um das in dieser festgelegte Ergebnis zu erreichen und so Art. 249 Abs. 3 EGV nachzukommen. Dieses Gebot zur gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung nationaler Gesetze folgt unabhängig von den Intentionen des nationalen Gesetzgebers aus dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue (vgl. BAG vom 18.02.2003 - 1. ABR 2/02 = AP Nr. 12 zu § 611 BGB "Arbeitsbereitschaft"). Allerdings hat auch die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung die Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung zu beachten. Verfassungs- und gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung dürfen zum Gesetzeswortlaut und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht in Widerspruch treten. Eine richtlinienkonforme Auslegung gegen Wortlaut und Sinn einer einschlägigen nationalen Regelung kommt nicht in Betracht (vgl. EuGH NJW 2006, 2645; Auer NJW 2007, 1106 m. w. N.).

b) Hier gestattet die aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 13 Abs. 2 BUrlG wirksame tarifliche Urlaubsregelung nicht nur eine richtlinienkonforme Auslegung. Vielmehr besteht zwischen tariflicher Urlaubsregelung für das Baugewerbe und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG gar kein Widerspruch. Eine Kollision liegt nur vor, wenn Ordnungen denselben Lebenssachverhalt unterschiedlich regeln. Das kann durch Anordnung verschiedener Rechtsfolgen geschehen, aber auch negativ, durch die Kollision zwischen einer gemeinschaftsrechtlichen Verbotsnorm und einer damit nicht inhaltsgleichen nationalen Bestimmung. Es genügt auch eine lediglich mittelbare Kollisionslage, wenn nationale Bestimmungen die Durchführung des Gemeinschaftsrechts behindern oder unzumutbar erschweren (vgl. Schlachter - a. a. O. Seite 256). Eine derartige Kollisionslage besteht hier nicht.

aa) Der Kläger meint, dass durch die aufgrund des durch den Bezug von SaisonKurzarbeitergeld geringeren Höhe des Urlaubsentgelts ein Anspruch auf den bezahlten Mindesturlaub im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie nicht mehr gewährt sei. Das ist unzutreffend. Der Kläger übersieht, dass ebenso wie Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG § 1 BUrlG ausdrücklich einen jedenfalls nach § 13 Abs. 1 BUrlG unabdingbaren Anspruch auf "bezahlten" (Mindest-)Erholungsurlaub vorsieht. Auch die nationale Regelung setzt daher bereits zwingend voraus, dass während der Freistellung von der Arbeit das Arbeitsentgelt gemäß § 611 Abs. 1 BGB weiterzuzahlen ist. Damit ist aber für die Höhe des Anspruchs nichts bestimmt. Dieser ergibt sich aus dem Zeit- und dem Geldfaktor. Mit dem Zeitfaktor errechnet sich die am jeweiligen Urlaubstag infolge der Freistellung ausfallende Arbeitszeit, für die das Urlaubsentgelt fortzuzahlen ist. Der Geldfaktor bemisst den für die Ausfallzeit zugrunde zulegenden Verdienst. Seine Bemessung ist in § 11 Abs. 1 BUrlG geregelt.

bb) Bereits § 13 Abs. 1 BUrlG gestattet es aber im Gegensatz zu § 1 BUrlG von § 11 BUrlG abzuweichen. § 1 BUrlG gewährt jedem Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. "Bezahlt" ist der Erholungsurlaub, wenn der den Arbeitnehmern zustehende Lohnanspruch trotz Nichtleistung der Arbeit während des Urlaubs unberührt bleibt. Schon aus § 1 BUrlG ergibt sich die Pflicht, die Vergütung während des Urlaubs weiterzuzahlen. Tarifverträge dürfen durch eine von § 11 BUrlG abweichende Berechnung der weiterzuzahlenden Vergütung nicht die in § 1 BUrlG bestehende Lohnfortzahlungspflicht mindern (vgl. BAG vom 22.01.2002 - 9 AZR 601/00 = AP Nr. 55 zu § 11 BUrlG). Die Tarifvertragsparteien sind aber frei, jede ihnen als angemessen erscheinende Berechnungsmethode für das während des Urlaubs fortzuzahlende Entgelt zu vereinbaren. Die Methode muss geeignet sein, ein Urlaubsentgelt sicherzustellen, wie es der Arbeitnehmer bei Weiterarbeit ohne Freistellung voraussichtlich hätte erwarten können (vgl. BAG vom 03.12.2002 - 9 AZR 535/01 = AP Nr. 57 zu § 11 BUrlG; BAG vom 22.01.2002 - a. a. O.). In die Verpflichtung zur Gewährung eines bezahlten Mindesturlaubs wird damit weder im Sinne von § 1 BUrlG noch nach Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG eingegriffen. Es muss nur gewährleistet sein, dass die Arbeitnehmer durch die Urlaubsnahme keine Entgeltminderung erleiden. Eine solche Entgeltminderung entsteht dem Kläger nicht. Denn unstreitig hätte der Kläger auch bei Nichtinanspruchnahme des Urlaubs vom 20. bis 22.03.2007 kein höheres Entgelt erzielt, da zu diesem Zeitpunkt die Arbeit saisonbedingt ausfiel und der Kläger Saison-Kurzarbeitergeld bezog.

III.

Die Berufung des Klägers war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Berufungskammer hat für den Kläger die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück