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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 22.04.2009
Aktenzeichen: 10 Sa 300/08
Rechtsgebiete: TV für die Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken


Vorschriften:

TV für die Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom 30.10.2006 § 12
1. Die Ausübung der medizinischen Verantwortung gem. Entgeltgr. Ä3 § 12 des Tarifvertrags für die Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom 30.10.06 setzt eine Leitungsfunktion des Oberarztes voraus, die die Vorgesetztenfunktion für ärztliches und nichtärztliches Personal umfasst.

2. Eine Übertragung der medizinischen Verantwortung durch den Arbeitgeber setzt eine Anordnung des dafür zuständigen Organs des Arbeitgebers voraus.


Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

10 Sa 300/08

Verkündet am: 22.04.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22. April 2009 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Moeller und die ehrenamtlichen Richter Baumgartl und Hellmich-Gase

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 30.01.2008 (Az.: 33 a CA 9615/07) abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

Der 1957 geborene Kläger ist seit 1984 nach einem Zertifikat der Universität T.-A. ausgebildeter Arzt. Seit 26.10.1994 verfügt er über die Anerkennung als Facharzt für Augenheilkunde. Seit 16.03.2004 hat der Kläger die Lehrbefugnis für das Fachgebiet "Augenheilkunde" der Universität mit dem Recht zur Führung der Bezeichnung "Privatdozent" inne. Dem liegt eine Habilitationsurkunde der Universität vom 04.02.2004 zugrunde. In der Zeit vom 15.08.1989 bis 31.08.1993 war der Kläger zunächst aufgrund befristeter Arbeitsverträge bei dem Beklagten beschäftigt.

Ab 01.06.1994 bis 30.11.1999 war der Kläger zunächst wiederum befristet, ab 01.12.1999 unbefristet als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit ärztlichen Aufgaben beschäftigt. Rechtsgrundlage dafür war zuletzt ein zwischen den Parteien am 13.12.1999 geschlossener Arbeitsvertrag für BAT-Angestellte als wissenschaftliche Mitarbeiter und Personal mit ärztlichen Aufgaben (BL. 34 d. A.), nach dem auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der BAT und die zu dessen Änderung oder Ergänzung derzeit und künftig abgeschlossenen Tarifverträge in der jeweiligen Fassung Anwendung finden sollten.

Seit Mitte 1999 führt der Kläger die Bezeichnung "Oberarzt". Nach einem Änderungsvertrag für Angestellte vom 09.07.2002 (Bl. 49 d. A.) bezog der Kläger ab 01.10.2002 Vergütung gemäß der Vergütungsgruppe I a BAT.

Zum 01.11.2006 ist der zwischen dem Marburger Bund und der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder (TdL) geschlossene Tarifvertrag für die Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (im Folgenden: TV-Ärzte) in Kraft getreten. Mit Schreiben vom 22.03.2007 (Bl. 51 d. A.) teilte das Klinikum dem Kläger mit, dass eine Eingruppierung als Oberarzt nicht in Frage komme, da ihm eine solche Funktion nicht übertragen worden sei. Nachdem der Kläger den mit Rechtsanwaltsschreiben vom 23.04.2007 widersprochen hatte, teilte der ärztliche Direktor des Klinikums dem Kläger mit Schreiben vom 04.05.2007 (Bl. 56 d. A.) erneut mit, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine Eingruppierung als Oberarzt nicht erfülle.

Der Kläger hat vorgetragen, ihm stehe seit 01.11.2006 Vergütung nach dem Abschnitt III § 12 in der Entgeltgruppe Ä 3 des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken zu. Der Kläger sei bereits seit Mitte 1999 zum Oberarzt des Universitätsaugenklinikums bestellt und sei dieser Zeit als solcher für die Beklagte tätig. Die Bestellung sei durch den damaligen Ordinarius für Augenheilkunde der Universität und Direktor der Augenklinik erfolgt. So sei der Kläger von der Beklagten in einem Ausdruck (Bl. 35 d. A.) des "Augen-Kompetenzzentrums " als Oberarzt der Universitätsaugenklinik bezeichnet worden und sei in einer Ärzteliste (Bl. 36 d. A.) als Ansprechpartner mit der Bezeichnung "Oberarzt" aufgeführt. Ebenso sei der Kläger in einer Übersicht/Profile (Bl. 37 bis 44 d. A.) als Oberarzt bezeichnet und erscheine auf dem Briefbogen der Augenklinik (Bl. 45 d. A.) als Oberarzt in der Glaukomabteilung. Der Kläger sei Leiter der Glaukomabteilung. So sei er auf Visitenkarten des Klinikums (auf Bl. 46 d. A.) bezeichnet und trete so auch den Mitarbeitern und Patienten gegenüber auf. Der Kläger habe seit 1998 eine Vielzahl von Projekten geleitet und habe neben seiner Funktion als Leiter der Glaukomabteilung vom 01.01.1999 bis 31.10.2004 die Frauenstation der Universitätsaugenklinik geleitet bis ihm der jetzt leitende Oberarzt M. nachgefolgt sei, der in die Vergütungsgruppe Ä 3 eingruppiert sei. Im Jahr 2002 sei der Kläger neben seiner Funktion als Leiter der Glaukomabteilung auch als Leiter der Poliklinik des Universitätsklinikums tätig gewesen, in der ihm u.a. Dr. W. v. M. nachgefolgt sei, der ebenfalls in die Entgeltgruppe Ä 3 eingruppiert sei. Als Leiter der Glaukomabteilung habe der Kläger die fachliche Aufsicht über Assistenz- und Fachärzte. Für diesen Bereich trage er auch die unmittelbare Verantwortung. Dabei leite er die in diesem Bereich tätigen Mitarbeiter, beaufsichtige diese und trage die Verantwortung für die in diesem Bereich im Tagesgeschäft getroffenen Entscheidungen, z.B. bezüglich Arbeitseinteilung, Arbeitsabläufe und Urlaubsplanung. Er erbringe regelmäßig mehrmals monatlich Hintergrunddienste, die in seinen Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich gefallen sind. Ihm sei die Unterschriftsberechtigung bezüglich der Korrespondenz für die Universitätsaugenklinik gegeben und von ihm auch wahrgenommen worden. Der Kläger nehme eine herausgehobene klinische Kompetenz wahr und zeichne sich durch seine wissenschaftliche Qualifikation aus. Die Ernennung zum Oberarzt sei nicht nur ausdrücklich erfolgt sondern von der Beklagten auch jahrelang geduldet worden. Dem Kläger sei als Leiter der Glaukomabteilung auch ein elementarer Bereich der Augenheilkunde übertragen worden. Dieser Bereich werde auch an anderen Universitätskliniken als Teilbereich/Funktionsbereich geführt. Auch im Jahresbericht des Klinikums werde die Glaukomabteilung als besondere Abteilung geführt, in der auch Spezialsprechstunden stattfinden. Die Glaukomabteilung verfüge über eigenes Personal und eigene Geräte in einem eigenen Gebäude. Es werde mit einem eigenen Archiv und einem separaten Terminkalender gearbeitet, Für diesen Bereich trage der Kläger die volle Verantwortung. Das beginne mit dem Betreten der Klinik, mit der Untersuchung des Patienten, dem Stellen der Diagnose, dem Wählen der Behandlungsform bis zur Nachuntersuchung.

Der Kläger hat beantragt:

I. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Vergütung nach der Vergütungsgruppe des Abschnitts III § 12 in der Entgeltgruppe Ä 3 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom 30.10.2006 zu zahlen.

II. Die Beklagte wird verurteilt,

- für den Monat November 2006 € 1.300,00 brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2006,

- für den Monat Dezember 2006 € 1.300,00 brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2007,

- für den Monat Januar 2007 € 1.300,00 brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2007,

- für den Monat Februar 2007 € 1.300,00 brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2007,

- für den Monat März 2007 1.300,00 brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2007,

- für den Monat April 2007 € 1.300,00 brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2007,

- für den Monat Mai 2007 € 1.300,00 brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2007,

- für den Monat Juni 2007 € 1.300,00 brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2007,

- für den Monat Juli 2007 € 1.300,00 brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2007,

- für den Monat August 2007 € 1.300,00 brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2007,

- für den Monat September 2007 € 1.300,00 brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2007,

- für den Monat Oktober 2007 € 1.300,00 brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2007

und

- für den Monat November 2007 € 1.300,00 brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2007

an den Kläger zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, die Tätigkeit des Klägers erfülle nicht die tariflichen Voraussetzungen für eine Eingruppierung nach Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte. Dass der Kläger vor dem Inkrafttreten des Tarifvertrages sich als Oberarzt bezeichnen durfte, sei ohne Bedeutung. Dabei habe es sich um einen vergütungsrechtlich bedeutungslosen Titel gehandelt, dessen Verleihung von Klinik zu Klinik auch innerhalb von Unikliniken ohne feste Regelung nach Laune des jeweiligen Klinikleiters erfolgt. Dies habe sich jedoch mit Inkrafttreten des neuen Tarifvertrages geändert. Nunmehr sei von dem Krankenhausvorstand festgelegt worden, dass es sich bei Teil- und Funktionsbereichen, denen ein Oberarzt vorsteht, um herausgehobene medizinische Bereiche im Sinne der Weiterbildungsordnung handeln müsse, die sich durch die Anzahl mindestens vier unterstellter Ärzte kenntlich machen müsse. Die Tarifvertragsparteien hätten durch die nun gewählte Formulierung kenntlich gemacht, dass die erhebliche Gehaltssteigerung um € 1.300,00 monatlich nur gerechtfertigt sei, wenn eine deutliche Abgrenzung zur Facharzttätigkeit erfolge. Deswegen sei bereits eine Ernennung zum Oberarzt nur durch einen förmlichen Beschluss des Vorstands möglich, an dem es hier fehlt. Dass allein die Bezeichnung als Oberarzt nicht zu der vom Kläger gewünschten Eingruppierung führt, ergebe sich bereits aus der gemeinsamen Niederschrift der Tarifvertragsparteien. Die Bezeichnung in Broschüren als Oberarzt sei daher ebenso ohne Bedeutung wie der Inhalt etwaiger Visitenkarten, die der Kläger ohnehin selbst erstellt habe. Eine Übertragung der medizinischen Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. eine Abteilung sei nie erfolgt. Die Errichtung einer Abteilung setze schon nach dem Gesetz einen Akt des Klinikumsvorstands voraus. Dieser sei hinsichtlich der Glaukomabteilung nie erfolgt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben weil die Tätigkeit des Klägers die tariflichen Voraussetzungen der Entgeltgruppe Ä 3 erster Absatz des § 12 des TV-Ärzte erfülle. Dem Kläger sei die medizinische Verantwortung für den Bereich Glaukom übertragen. Dies folge schon aus den Spezialsprechstunden sowie der Verantwortung des Klägers für die Patienten. Zudem verfüge der Kläger über eine gewisse Personalverantwortung. Bei dem Bereich Glaukom handle es sich um eine Abteilung im Sinne des Tarifvertrags. Der Beklagte spreche selbst von einer Glaukomabteilung. Selbstständig müsse diese nicht sein. Schließlich fehle es auch nicht an einem Übertragungsakt. Denn der Tarifvertrag verlange keine ausdrückliche Übertragung. Wenn der Beklagte nach Außen hin selbst mit dem Kläger als Leiter der Glaukomabteilung auftrete, sei es treuwidrig, wenn er sich auf einen fehlenden Übertragungsakt berufe.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie den Ausführungen des Arbeitsgerichts wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Ersturteils Bezug genommen.

Gegen das dem Beklagten am 28.03.2008 zugestellte Urteil hat dieser mit einem am 02.04.2008 bei dem Landesarbeitsgericht München eingegangenen Schriftsatz Berufung einlegen lassen und sein Rechtsmittel durch einen am 27.06.2008 innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Beklagte trägt vor, die Tätigkeit des Klägers erfülle nicht die tarifvertraglichen Merkmale der Entgeltgruppe Ä 3 des § 12 TV-Ärzte. Es fehle an einer medizinischen Verantwortung ebenso wie an der Wahrnehmung dieser in einem Funktions- oder Teilbereich. Jedenfalls sei dem Kläger eine medizinische Verantwortung auch nicht übertragen worden. Nach dem Organigramm der Augenklinik des Universitätsklinikums, das anlässlich einer Zertifizierung im Rahmen der Einführung eines Qualitätsmanagements erstellt worden sei, seien neben dem Chefarzt Prof. Dr. Dr. L. lediglich Herr Dr. M. als stellv. Oberarzt des Klinikdirektors (Vergütungsgruppe Ä 4) sowie Herr Dr. W. v. M. als Oberarzt (Entgeltgruppe Ä 3) gemäß dem Tarifvertrag anzusehen. Bei allen anderen Ärzten handle es sich um Fachärzte im Sinne des Tarifvertrags oder um Beamte, selbst wenn sie sich teilweise auch Oberärzte nennen. Alle Fachärzte seien wie der Kläger auch auf einem Gebiet spezialisiert. Eine medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche sei damit nicht verbunden, da diese eine "Leitung" und damit eine Aufsichts- und Weisungsbefugnis gegenüber Fachärzten voraussetze, die nicht vorliege. Entscheidungen über den Gang und die Art der Behandlung der Patienten genügten dazu nicht, weil dies nur Ausdruck der ärztlichen Tätigkeit sei. Hinzu komme, dass der Kläger keinen eigenen Hintergrunddienst leiste, dass ihm keine Assistenzärzte zugeordnet seien sondern diese nur im Rahmen einer Rotation während der Weiterbildung in allen Bereichen eingesetzt seien und der Kläger auch keine eigene Weiterbildungsbefugnis wahrnehme. Der Kläger leite auch keine Abteilung. Denn dabei müsse es sich um einen selbstständigen Bereich mit eigener personeller und räumlicher Ausstattung handeln. In den dem Bereich Glaukom zugeteilten Räumlichkeiten würden auch andere Sprechstunden stattfinden. Der Kläger sei auch weder für die Einstellung noch die Einsatzplanung der Mitarbeiter verantwortlich. Schließlich sei dem Kläger eine medizinische Verantwortung auch nicht übertragen worden. Dazu genüge bereits nach dem Tarifvertrag eine konkludente Übertragung nicht. Aber selbst an einer solchen fehle es. Allein die Beibehaltung der alten Bezeichnung als Oberarzt und als Leiter der Glaukomabteilung stelle keine Übertragung der Tätigkeit dar. Im Übrigen stehe dem Eingruppierungsverlangen des Klägers bereits entgegen, dass er nicht Mitglied des Marburger Bundes sei.

Der Beklagte beantragt:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 30.01.2008 (Az.: 33 a Ca 9615/07) wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, das Arbeitsgericht habe seinen Anträgen zu Recht stattgegeben. Das vom Beklagten nunmehr vorgelegte Organigramm besage zur Eingruppierung überhaupt nichts. Dem Kläger sei als Leiter der Glaukomambulanz der Augenklinik gleichzeitig die medizinische Verantwortung übertragen worden. Der Kläger sei von der Beklagten selbst stets als Oberarzt eingestuft und ausgewiesen worden. Gesetzlich versicherte Patienten mit der Diagnose "Glaukom" würden regelmäßig an den Kläger weiterverwiesen. Dem Kläger sei dabei auch ein Assistenzarzt zugeordnet worden, wie sich bereits aus den Besetzungsplänen des Chefarztes vom 26.06.2008 und vom 21.07. bis 25.07.2008 (Bl. 221/222 d. A.) ergebe. Der Kläger leiste auch Hintergrunddienste. Die Glaukomabteilung sei eine Abteilung im Sinne der Entgeltgruppe Ä 3 des § 12 TV-Ärzte wie sich bereits aus dem Schriftverkehr zwischen dem Leiter der Personalabteilung und dem damaligen Chefarzt von 1995 sowie den Öffentlichkeitsauftritten des Beklagten in Tageszeitungen und Zeitschriften ergebe. Der Bereich Glaukom sei bereits ein Teil- und Funktionsbereich der Klinik aber erst recht ein Teil- und Funktionsbereich der Abteilung. Eine Übertragung der medizinischen Verantwortung könne durchaus konkludent erfolgen. Hinzu komme aber, dass der Kläger den Titel "Leiter der Glaukomabteilung" nicht hätte führen dürfen, wenn ihm die Leitungsfunktion nicht übertragen worden wäre. Zudem sei der Kläger bereits Mitte 1999 und im Jahr 2001 zum Oberarzt bestellt und ernannt worden.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 27.06.2008 (Bl. 181 bis 189 d. A.) und 17.11.2008 (Bl. 255 bis 256 d. A.), des Klägers vom 14.08.2008 (Bl. 194 bis 216 d. A.) und 25.03.2009 (Bl. 318 bis 344 d. A.) sowie die Sitzungsniederschriften vom 03.12.2008 (Bl. 257 bis 258 d. A.) und 22.04.2009 (Bl. 362 bis 363 d. A.) Bezug genommen.

Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 17.12.2008 Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins in den Betriebsräumen der Augenklinik des Klinikums rechts der Isar sowie durch Vernehmung des Herrn Prof. Dr. L. als Zeugen. Wegen des Inhalts des Beweisbeschlusses sowie den Feststellungen bei Durchführung des Augenscheins sowie des Inhalts der Zeugenaussage wird auf die Sitzungsniederschriften vom 17.12.2008 (Bl. 262 bis 263 d. A.) und 12.02.2009 (Bl. 271 bis 278 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist in der rechten Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO) und daher zulässig.

B.

Die Berufung des Beklagten ist begründet.

Denn das Arbeitsgericht hat zu Unrecht der Klage stattgegeben. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Bezahlung gemäß der Entgeltgruppe Ä 3 des § 12 TV-Ärzte ab 01.11.2006 zu.

I.

Zutreffend geht allerdings das Arbeitsgericht davon aus, dass die Klage mit den vom Kläger verfolgten Anträgen zulässig ist.

1. Denn der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung, ob seine Tätigkeit der von ihm geltend gemachten Vergütungsgruppe entspricht und ihm deshalb die dieser Vergütungsgruppe entsprechende Vergütung zusteht (§ 256 Abs. 1 ZPO). Insoweit handelt es sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die innerhalb des öffentlichen Dienstes allgemein üblich ist und gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (vgl. BAG vom 16.04.1997 - AP Nr. 225 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG AP Nr. 203 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG AP Nr. 4 zu § 12 AVR Caritasverband). Auch für privatrechtlich verfasste Unternehmen und die Privatwirtschaft ist dies seit langem anerkannt (vgl. BAG vom 20.04.1988 - AP Nr. 93 zu § 1 TVG "Tarifverträge: Bau"; BAG vom 04.08.1993 - AP Nr. 38 zu § 1 TVG "Tarifverträge: Einzelhandel"; BAG vom 21.06.2000 - AP Nr. 7 zu § 20 BMT-G II).

2. Zulässig ist die Klage auch, soweit sich der Antrag hinsichtlich der Vergütung auf einen bereits abgelaufenen Zeitraum bezieht, für den der Kläger nicht gehindert wäre, eine entsprechende Leistungsklage zu erheben, was regelmäßig einer Feststellungsklage entgegensteht (vgl. BAG vom 07.12.2005 - AP Nr. 4 zu § 12 TzBfG; BAG vom 18.11.2003 - AP Nr. 162 zu § 112 BetrVG 1972). Handelt es sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, steht deren Zulässigkeit nicht entgegen, dass sich diese auf einen vergangenen Zeitraum erstreckt (vgl. BAG vom 24.11.1993 - AP Nr. 1 zu § 2 BAT-O; BAG vom 20.10.1993 - AP Nr. 173 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

3. Das gilt auch, soweit der Kläger hier für die Zeit ab 01.11.2006 bis November 2007 sein Begehren mit einem zusätzlichen Leistungsantrag verfolgt. Insoweit ist die Klage als Incidentfeststellungsklage zulässig. Sie ist für den mit dem Leistungsantrag geltend gemachten Betrag vorgreiflich und kann damit nach § 256 Abs. 2 ZPO neben den Leistungsanträgen im Wege der objektiven Klagehäufung geltend gemacht werden. Die Voraussetzungen für eine Zwischenfeststellungsklage sind erfüllt, da der in zeitlicher Hinsicht nicht begrenzte Feststellungsantrag über den auf einen bestimmten Zeitraum begrenzten Leistungsantrag hinausgeht (vgl. BAG vom 16.04.1997 - AP Nr. 1 zu § 22 MTAng-LV). Dies ist bei Eingruppierungsfeststellungsklagen regelmäßig der Fall (vgl. BAG vom 24.04.1996 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG "Tarifverträge: Waldarbeiter"; BAG vom 29.08.2001 - AP Nr. 17 zu § 1 TVG "Bezugnahme auf Tarifvertrag").

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Vergütung gemäß der Entgeltgruppe Ä 3 des § 12 TV-Ärzte zu.

1. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der vom Kläger seinem Klagebegehren zugrundegelegte Tarifvertrag für die Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken Anwendung findet und sich deshalb ein Entgeltanspruch überhaupt aus dieser Rechtsgrundlage herleiten lässt.

a) Denn der Tarifvertrag für die Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken ist am 30.10.2006 zwischen dem Marburger Bund und der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder abgeschlossen worden. Auch wenn der Beklagte als Mitglied der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder an diesen Tarifvertrag gebunden ist, könnte der Kläger nur Rechte daraus herleiten, wenn er seinerseits ebenfalls Mitglied des Marburger Bundes ist (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG). Dies ist aber nach der Erklärung des Klägers in der letzten mündlichen Verhandlung vom 22.04.2009 nicht der Fall.

b) Nach dem zuletzt zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag vom 13.12.1999 (Bl. 34 d. A.) finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der BAT und die zu dessen Änderung oder Ergänzung erneut und künftig abgeschlossenen Tarifverträge in der jeweiligen Fassung Anwendung. Nachdem der BAT außer Kraft getreten ist, mögen nach dem Arbeitsvertrag an seiner Stelle die Vorschriften des TVöD getreten sein. Ob aber zusätzlich von der Verweisung im Arbeitsvertrag auch der vom Kläger reklamierte Tarifvertrag für die Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken erfasst wird, erscheint nicht erkennbar und ist auch nicht vorgetragen.

c) Andererseits ging der Beklagte bis zum erstmaligen Bestreiten der Anwendbarkeit der Regelungen der TV-Ärzte in der mündlichen Verhandlung vom 22.04.2009 selbst von der Geltung dieser Tarifbestimmungen als Rechtsgrundlage für die Vergütung des Klägers aus, wie die Schreiben der Verwaltungsdirektion des Klinikums vom 22.03.2007 (Bl. 51 d. A.) oder gar des Vorstands und dessen ärztlichen Direktors vom 04.05.2007 (Bl. 56 d. A.) zeigen. Ob dieses Verhalten einer vertraglichen Vereinbarung der tariflichen Regelungen gleichkommt (vgl. etwa: BAG vom 19.01.1999 - 1 AZR 606/98 = AP Nr. 9 zu § 1 TVG "Bezugnahme auf Tarifvertrag"; BAG vom 16.01.2002 - 5 AZR 715/00 = AP Nr. 56 zu § 242 BGB "Betriebliche Übung") oder das Bestreiten der Anwendbarkeit des TV-Ärzte in der mündlichen Verhandlung vom 22.04.2009 die jederzeit mögliche - und erst recht im öffentlichen Dienst anzunehmende (vgl. BAG vom 29.09.2004 - 5 AZR 528/03 = AP Nr. 67 zu § 242 BGB "Betriebliche Übung"; BAG vom 27.09.2001 - 6 AZR 577/00 = AP Nr. 16 zu § 1 TVG "Tarifverträge: Musiker") - Korrektur eines Irrtums bei der Rechtsanwendung darstellt (vgl. BAG vom 16.10.2002 - 4 AZR 467/01 = AP Nr. 22 zu § 1 TVG "Bezugnahme auf Tarifvertrag"), kann aber offenbleiben.

2. Denn selbst bei Anwendung der Bestimmungen des TV-Ärzte steht dem Kläger gegen den Beklagten kein Anspruch auf Vergütung gemäß der Entgeltgruppe Ä 3 des § 12 TV-Ärzte zu.

a) Für das Klagebegehren ist von folgenden Bestimmungen des TV-Ärzte auszugehen.

Abschnitt III Eingruppierung, Entgelt und sonstige Leistungen

§ 12 Eingruppierung

Ärzte sind entsprechend ihrer nicht nur vorübergehend und zeitlich mindestens zur Hälfte auszuübenden Tätigkeit wie folgt eingruppiert:

Entgeltgruppe Bezeichnung

Ä 1 Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit

Ä 2 Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit

Ä 3 Oberärztin/Oberarzt

Oberarzt ist derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist.

Oberarzt ist ferner der Facharzt in der durch den Arbeitgeber übertragenen Spezialfunktion, für die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunktoder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung fordert. Ä 4 Fachärztin/Facharzt, der/dem ständige Vertretung des leitenden Arztes (Chefarzt) vom Arbeitgeber übertragen worden ist.

. . .

b) Aus dieser Regelung folgt zunächst, dass die Tätigkeit des Klägers als Oberarzt im Glaukombereich der Augenklinik die zweite Alternative der Entgeltgruppe Ä 3 des § 12 TV-Ärzte nicht erfüllen kann und allein die Bezeichnung des Klägers als "Oberarzt" für die Erfüllung der ersten Alternative der Entgeltgruppe nicht ausreicht.

aa) Der Kläger ist unstreitig ein - hochqualifizierter - Facharzt auf dem Gebiet der Glaukombehandlung. Für die Ausübung dieser Tätigkeit ist aber eine erforderliche abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung nicht erforderlich. Eines solche ist in der Weiterbildungsordnung nicht vorgesehen.

bb) Die Bezeichnung "Oberärztin/Oberarzt" ist für die Erfüllung der tariflichen Eingruppierungsmerkmale nicht ausreichend.

(1) Vor Inkrafttreten des TV-Ärzte zum 01.11.2006 haben den Titel "Oberarzt" eine Vielzahl von Ärzten geführt. Nach dem BAT und TVöD als Vorgängerregelungen des TV-Ärzte war es nicht vergütungsrelevant, ob der Titel "Oberärztin/Oberarzt" geführt wurde. Ein spezielles Eingruppierungsmerkmal für "Oberärzte" gab es nicht; tatsächlich kam der Begriff "Oberärztin/Oberarzt" im Tariftext nicht vor. Eine Höhegruppierung war hingegen davon abhängig, ob dem Arzt eine gewisse Anzahl von Ärzten unterstellt war (Vergütungsgruppe I a Fallgruppe 5, Tarifvertrag vom 23.02.1972 für Ärzte, Apotheker, Tierärzte, Zahnärzte). Unter Oberarzt wurde im Schrifttum ein Arzt in leitender Funktion verstanden, zu dessen Hauptaufgabe es gehört, auf seinem Feld die in der Weiterbildung tätigen Ärzte zu beraten und zu bewachen (vgl. Knörr ZTR 2009, 50 m.w.N.). Auch war für diejenigen Ärzte, die die Titel Oberarzt trugen, bezeichnend, dass sie an Hintergrunddiensten der Oberärzte, d.h. im Rufbereitschaftsdienst und nicht im Bereitschaftsdienst teilgenommen haben und an den Liquidationseinnahmen des Chefarztes beteiligt wurden. In der Praxis wurde von den Kliniken der Titel "Oberarzt" aufgrund der Tatsache, dass der Titel keinen Einfluss auf die Eingruppierung des jeweiligen Arztes hatte, unterschiedlich vergeben. Er war ohne jede Eingruppierungsrelevanz (vgl. Anton ZTR 2008, 184).

(2) Dass der Kläger daher vor Inkrafttreten diesen Titel mit Zustimmung des Beklagten geführt hat, er in vielen Veröffentlichungen als solcher auch bezeichnet wurde, ist daher ohne Bedeutung. Denn die Tarifvertragsparteien haben dazu in einer Protokollerklärung zu § 4 TVÜ-Ärzte klargestellt, dass Ärztinnen und Ärzte, die die Bezeichnung "Oberärztinnen und Oberärzte" führen, diese nicht verlieren. Sofern sie die Voraussetzungen in § 12 Entgeltgruppe Ä 3 nicht erfüllen, sind sie jedoch nicht entsprechend einzugruppieren. Daraus folgt, dass die Tarifvertragsparteien davon ausgingen, dass aufgrund der tarifvertraglichen Neudefinition der Oberarzttätigkeit es in einer Vielzahl von Fällen dazu kommen würde, dass Oberärzte, die bisher den Titel Oberarzt geführt hatten, gleichwohl nicht die nunmehrigen tariflichen Eingruppierungsmerkmale für eine Oberarzttätigkeit nach § 12 TV-Ärzte erfüllen werden. Aus diesem Grund kann auch nichts aus der Tatsache abgeleitet werden, dass der Kläger in Veröffentlichungen und anderen Unterlagen des Beklagten als Oberarzt bezeichnet worden ist. Denn diese in Unkenntnis des wesentlich später zustande gekommenen Tarifvertrags gewählte Bezeichnung kann nichts dafür hergeben, dass mit dieser Bezeichnung die Festlegung verbunden wäre, dass der Kläger die Voraussetzungen der wesentlich später in Kraft getretenen tarifvertraglichen Oberarztdefinition erfüllen würde (so zu Recht: LAG Köln ZTR 2009, 208; vgl. auch LAG München vom 26.08.2008 - 4 Sa 328/08).

c) Vergütung gemäß der Entgeltgruppe Ä 3 des § 12 TV-Ärzte kann dem Kläger daher nur zustehen, wenn seine Tätigkeit als Oberarzt im Glaukombereich der Augenklinik die drei Voraussetzungen

- der vom Arbeitgeber übertragenen

- medizinischen Verantwortung

- für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung erfüllt.

Dies ist nicht der Fall.

aa) Zwar geht die Kammer aufgrund des Ergebnisses des Augenscheins sowie der Zeugenvernehmung des Prof. Dr. L. davon aus, dass der Bereich Glaukomambulanz/Gesichtfeld einen Teil oder Funktionsbereich der Klinik darstellt.

(1) Der Begriff "Funktionsbereich" wurde bereits in der früheren Regelung des Tarifvertrages zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1a zum BAT vom 23.02.1972 für Ärzte, Apotheker, Tierärzte und Zahlärzte verwendet. Gemäß Protokollerklärung Nr. 3 zum Tarifvertrag zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1 zum BAT sind Funktionsbereiche wissenschaftlich anerkannte Teilgebiete innerhalb eines ärztlichen Fachgebiets, z. B. Nephrologie, Handchirurgie, Neuroradiologie, Elektroenzephalografie, Herzkatheterisierung usw.. An diesem Begriff sollte für den TV-Ärzte festgehalten werden (vgl. Knörr ZTR 2009, 50, 51 m.w.N.). Haben die Tarifvertragsparteien des TV-Ärzte diesen Begriff unverändert übernommen, ist davon auszugehen, dass dessen frühere Bedeutung weiter gilt (vgl. LAG Düsseldorf ZTR 2009, 23; LAG München vom 26.08.2008 - 4 Sa 328/08).

(2) Ein Teilbereich der Klinik bzw. Abteilung ist eine fachliche Untergliederung innerhalb eines ärztlichen Fachgebiets, bei der es sich gleichzeitig um eine abgegrenzte Organisationseinheit mit eigener Aufgabenstellung handelt, die auch über eine räumliche, personelle und technische Ausstattung verfügt (vgl. etwa: Bruns ArztR 2007, 60; Wahlers PersV 2008, 204; Anton ZTR 2008, 184). Der Bereich "Glaukomambulanz/Gesichtsfeld" stellt demnach sowohl einen Funktions- wie einen Teilbereich der Augenklinik dar. Nach der Aussage des Herrn Prof. Dr. L. handelt es sich bei Glaukom um ein Teilgebiet der Augenheilkunde, das von für dieses Gebiet ausgesprochen geschulten Spezialisten betreut werden sollte. Damit handelt es sich um ein Spezialgebiet innerhalb des Fachgebiets Augenheilkunde. Es ist zudem räumlich wie auch die Orthoptik von der allgemeinen Augenabteilung abgegrenzt, ohne dass es die Kammer dabei als entscheidend ansieht, dass sie sogar in einem gesonderten Gebäude untergebracht ist. Jedenfalls werden die Räumlichkeiten und Geräte der Glaukomabteilung nahezu ausschließlich für Glaukompatienten genutzt. Nicht nur der Kläger sondern auch das nichtärztliche Personal ist ausschließlich in diesem Bereich tätig. Jedenfalls Kassenpatienten werden in der Glaukomabteilung gesondert geführt und verwaltet. Damit steht fest, dass der Glaukombereich einen Teil- oder Funktionsbereich der Klinik im Sinne der Entgeltgruppe Ä 3 des § 12 TV-Ärzte darstellt.

bb) Die Kammer konnte jedoch weder feststellen, dass der Kläger die medizinische Verantwortung für den Teilbereich Glaukom trägt noch dass ihm diese durch den Arbeitgeber übertragen wurde.

(1) Der Begriff "medizinische Verantwortung" für Teil- oder Funktionsbereiche ist von den Tarifvertragsparteien neu vereinbart worden und bedarf der Auslegung.

(a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags erfolgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (vgl. BAG vom 30.09.2004 - AP Nr. 275 zu § 613 a BGB; BAG vom 22.10.2003 - AP Nr. 21 zu § 1 TVG "Rückwirkung"; BAG vom 31.07.2002 - AP Nr. 3 zu § 1 TVG "Tarifverträge: Wohnungswirtschaft").

(b) Nach diesen Grundsätzen ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien durch das zusätzliche Erfordernis der medizinischen Verantwortung für die Ausübung der Tätigkeit eines Oberarztes im Sinne der Entgeltgruppe Ä 3 des § 12 TV-Ärzte zum Ausdruck gebracht haben, dass die dem Oberarzt obliegende Verantwortung sich in einem feststellbaren und gewichtigem Umfang von den Tätigkeiten eines Facharztes abhebt.

(aa) Dies setzt voraus, dass der Oberarzt nicht nur die Verantwortung für das von ihm geschuldete ärztliche Handeln eines Arztes mit abgeschlossener Facharztausbildung übernehmen muss, sondern auch für das Handeln der ihm nachgeordneten Assistenz-und Fachärzte sowie des Pflegepersonals. Das tarifliche Heraushebungsmerkmal der medizinischen Verantwortung ist dahingehend zu verstehen, dass der Oberarzt die Behandlung und Therapie der Patienten auch für die ihm nachgeordneten Assistenz- und Fachärzte und das in "seinem" Teilbereich tätige Pflegepersonal bindend festlegt, deren Befundungen kontrolliert und Therapiemaßnahmen überwacht. Die medizinische Verantwortung kann im tariflichen Sinne nur als Leitungsverantwortung verstanden werden. Das heißt, dass der Arzt für den ihm unterstellten Bereich auch gegenüber anderen Ärzten und dem Pflegepersonal eine Vorgesetztenfunktion ausübt, er mithin eine Leitungsfunktion innehat (vgl. LAG Schleswig-Holstein ZTR 2009, 255; LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 13.08.2008 - 2 Sa 329/07).

(bb) Die medizinische Verantwortung muss sich daher auf den gesamten Bereich der Patientenbehandlung in dem betreffenden Fachbereich erstrecken. Nicht ausreichend ist eine lediglich organisatorische Verantwortung oder das Wahrnehmen von Verwaltungsaufgaben. Durch den Zusatz "medizinisch" sollte klargestellt werden, dass die Verantwortung im Zusammenhang mit der Behandlung von Patienten übertragen worden ist. Der Begriff "medizinisch" belegt, dass irgendeine Verantwortung nicht genügt. Eine medizinische Verantwortung für den Teil- oder Funktionsbereich kann daher nur vorliegen, wenn sowohl eine Aufsichtfunktion für Ärzte wie nichtärztliches Personal vorliegt (vgl. LAG Schleswig-Holstein - a.a.O.) und zudem der Oberarzt die medizinische Verantwortung gegenüber den Patienten für fremdes fachärztliches Handeln trägt (vgl. Nachweise bei Knörr ZTR 2009, 50, 53 Fn. 34). Ein entsprechendes Maß der medizinischen Verantwortung wird nur dann getragen, wenn Aufsichts- und Weisungsbefugnisse gegenüber nachgeordneten Fachärzten oder Dritten bestehen, denen ihrerseits für ihr jeweiliges Handeln im konkreten Einzelfall die ärztliche Verantwortung obliegt (vgl. Wahlers PersV 2008, 205).

(2) Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ergibt sich weder aus dem durchgeführten Augenschein noch der dabei durchgeführten Vernehmung des Prof. Dr. L. noch aus einem darüber hinausgehenden konkreten unter Beweis gestellten Sachvortrag des Klägers.

(a) Der Kläger einer Eingruppierungsfeststellungsklage hat alle Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen, aus denen sich die Erfüllung sämtlicher Tätigkeitsmerkmale ergibt (vgl. BAG vom 18.08.1999 - AP Nr. 269 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG vom 16.04.1997 - AP Nr. 35 zu § 72 ArbGG 1972). Diejenigen Tatsachen, die den rechtlichen Schluss auf das Vorliegen der Anforderungen des zur Begründung des Anspruchs herangezogenen Tätigkeitsmerkmales zulassen, hat der Kläger einer Eingruppierungsfeststellungsklage darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen. Der Sachvortrag muss erkennen lassen, dass die auszuübenden Tätigkeiten den tariflichen Rechtsbegriff erfüllen. Dazu reicht selbst eine in tatsächlicher Hinsicht lückenlose und genaue Darstellung der Tätigkeiten und Einzelaufgaben nicht aus. Vielmehr hat der Kläger nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilprozesses und des materiellen Rechts je nach Lage und Erfordernissen des Einzelfalles diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfalle zu beweisen, aus denen der rechtliche Schluss möglich ist, er erfülle die im Einzelfall für sich beanspruchten tariflichen Tätigkeitsmerkmale unter Einschluss der darin vorgesehenen Qualifikationen (vgl. BAG vom 28.01.1998 - AP Nr. 6 zu § 1 TVG "Tarifverträge: DRK"). Vorzutragen sind all diejenigen Tatsachen, die benötigt werden, um feststellen zu können, ob die in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmale vorliegen. Eine lückenlose und genaue Darstellung der Tätigkeiten und Einzelaufgaben des Klägers reicht nicht aus, wenn sich daraus nicht zugleich auch entnehmen lässt, aufgrund welcher konkreter Tatsachen, die jeweils in Betracht kommenden qualifizierenden Tätigkeitsmerkmale erfüllt sein sollen (vgl. BAG vom 05.11.2003 - AP Nr. 83 zu § 256 ZPO 1977). Daher sind diejenigen Tatsachen vorzutragen, die den rechtlichen Schluss zulassen, dass der Kläger die im Einzelfall für sich beanspruchten tariflichen Tätigkeitsmerkmale unter Einschluss der darin vorgegebenen Qualifizierungen erfüllt (vgl. BAG vom 15.06.1994 - AP Nr. 9 zu §§ 22, 23 BAT "Krankenkassen"; BAG vom 20.10.1993 - AP Nr. 173 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Beruft sich ein Kläger auf ein Heraushebungsmerkmal, so hat er auch hier nicht nur seine eigene Tätigkeit im Einzelnen darzustellen. Vielmehr muss er Tatsachen darlegen, die einen wertenden Vergleich mit der nicht herausgehobenen Tätigkeit ermöglichen (vgl. BAG vom 01.03.1995 - AP Nr. 19 zu §§ 22, 23 BAT "Sozialarbeiter"). Tatsachen für die Ausübung einer medizinischen Verantwortung sind weder bei dem Augenschein festgestellt worden noch ergeben sie sich aus dem Sachvortrag des Klägers.

(b) Es fehlt bereits an einer Vorgesetztenfunktion hinsichtlich des ärztlichen und nichtärztlichen Personals. Soweit es das nichtärztliche Personal betrifft, ist dieses zwar ständig dem Glaukombereich zugeteilt. Auch wird dabei dieses Personal im Rahmen der medizinischen Betreuung nach den Vorgaben des Klägers als behandelnder Arzt tätig. Dadurch wird der Kläger aber nicht Vorgesetzter des Personals. Krankenpflegepersonal wie sonstiges medizinisches Hilfspersonal wird immer nach ärztlicher Anweisung tätig werden, ohne dass damit der Arzt eine Vorgesetztenstellung einnimmt. Eine Vorgesetzteneigenschaft käme nur dadurch zum Ausdruck, wenn sie sich auch im disziplinarischen Bereich auswirkt. Dies ist aber nicht der Fall. Es ist auch vom Kläger nicht in Zweifel gezogen worden, dass die Disziplinarkompetenz für das nichtärztliche Personal bei dem Chefarzt liegt, wie dieser in seiner Aussage vom 12.02.2009 ausdrücklich bestätigt hat. Mag der Kläger auch zwei Einstellungsgespräche geführt haben und mag der Kläger auch Urlaubsscheine abgezeichnet haben, wenn Mitarbeiter nach einer in der Abteilung zusammen mit ihm erstellten Plan ihren Urlaub antraten, fielen doch personale Entscheidungen nicht in seine Kompetenz.

(c) Noch weniger ergibt sich eine Vorgesetztenstellung im Hinblick auf das ärztliche Personal. Es spricht schon gegen eine medizinische Verantwortung, wenn im Glaukombereich dem Kläger keine weiteren Fach- oder andere voll ausgebildeten Ärzte zugewiesen sind. Selbst wenn man aber die Tätigkeit einzelner Assistenzärzte genügen ließe, werden diese nur im Rahmen ihrer eigenen Ausbildung dort eingesetzt. Der Kläger kann weder über deren Arbeitseinsatz noch darüber bestimmen, ob überhaupt ein Assistenzarzt und gegebenenfalls wer der Glaukomabteilung zugewiesen wird. Noch weniger stehen dem Kläger dem Assistenzarzt gegenüber irgendwelche disziplinarischen Befugnisse zu.

(d) Soweit es um die medizinische Verantwortung gegenüber dem Patienten geht, kann die Kammer ebenfalls nicht feststellen, dass diese über eine fachärztliche Verantwortung hinausgeht. Selbst wenn die Kammer darüber hinwegsieht, dass der Kläger schon nicht die Behandlung aller Patienten mit der Diagnose Glaukom bestimmt, weil die Privatpatienten auch bei dieser Diagnose durch den Chefarzt behandelt werden, ist zwar festzustellen, dass der Kläger Diagnose, Festlegung des Behandlungsverlaufs bis hin zu etwaigen Therapiemöglichkeiten hinsichtlich der Patienten bestimmt. Dies entspricht aber der üblichen medizinischen Behandlung eines Facharztes in einem Krankenhaus. Auch wenn die Kammer mit dem Kläger davon ausgeht, dass es sich bei ihm um einen außerordentlich befähigten Spezialisten auf einem ganz bedeutenden Gebiet der Augenheilkunde handelt, ist das vergütungsrechtlich für die Erfüllung der tariflichen Voraussetzungen der ersten Alternative der Entgeltgruppe Ä 3 des § 12 TV-Ärzte ohne Belang.

cc) Kann daher bereits die Ausübung einer medizinischen Verantwortung in einem Teilbereich nicht festgestellt werden, fehlt es aber selbst bei tatsächlicher Wahrnehmung einer solchen durch den Kläger an einer Übertragung durch den Arbeitgeber. Dabei kann offenbleiben, ob aufgrund des Umstands, dass der Tarifvertrag die Übertragung der medizinischen Verantwortung verlangt, dies voraussetzt, dass die Übertragung alle Patienten im Bereich Glaukom betreffen muss (vgl. LAG Düsseldorf ZTR 2008, 675) und das Tarifmerkmal dann schon deshalb ausscheiden würde, weil für alle Privatpatienten der Kläger gerade nicht die medizinische Verantwortung trägt.

(1) Es fehlt jedenfalls an einer Übertragung durch den Arbeitgeber. Für die tarifliche Bewertung einer ausgeübten Tätigkeit kommt es schon allgemein darauf an, dass dem Arbeitnehmer diese Tätigkeit auch übertragen wurde, was der Arbeitnehmer im Einzelnen darzulegen und zu beweisen hat (vgl. BAG vom 08.03.2006 - AP Nr. 3 zu § 1 TVG "Tarifverträge: Telekom"). Eine Übertragung kann dabei nicht allein durch Vorgesetzte sondern regelmäßig nur mit Zustimmung der für Personalangelegenheiten zuständigen Stelle erfolgen (vgl. BAG vom 11.03.1998 - AP Nr. 68 zu §§ 22, 23 BAT "Lehrer"; BAG vom 26.03.1997 - AP Nr. 223 zu §§ 22, 23 BAT 1975; LAG Köln ZTR 2001, 72). Das muss erst recht gelten, wenn dies die Tarifvertragsparteien hier durch die Voraussetzung einer Übertragung durch den Arbeitgeber noch betonen. Dann kann dies nur durch eine konkrete Anordnung des dafür zuständigen Organs des Arbeitgebers erfolgen (vgl. BAG vom 25.10.1995 - AP Nr. 207 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Daran fehlt es hier.

(2) Eine ausdrückliche Übertragung ist nicht erfolgt. Soweit der Kläger dies zuletzt aus der Angabe des Befristungsgrundes "Aufbau der Glaukomabteilung" in einem Arbeitsvertrag vom 17.10.1994 herleiten will, geben schon Wortlaut wie die Angabe des Zwecks dieser Bezeichnung dies gerade nicht her. Soweit der Kläger vorgetragen hat, eine Übertragung sei durch den damaligen Chefarzt 1999 und später 2001 erfolgt, ist schon nicht ersichtlich, wie eine solche Übertragung über eine Ernennung als Oberarzt hinaus tatsächlich erfolgt ist. Unabhängig davon ist dies nach der tariflichen Bestimmung ohnehin unerheblich. Denn eine bloße tatsächliche Ausübung der medizinischen Verantwortung reicht zur Erfüllung der tariflichen Tätigkeitsmerkmale genauso wenig aus, wie eine tatsächliche Übertragung durch den Chefarzt (vgl. LAG Düsseldorf ZTR 2008, 676; LAG Schleswig-Holstein ZTR 2009, 256).

(3) Dabei ist die Berufung des Beklagten auf diesen Umstand auch nicht willkürlich oder treuwidrig. Es kann weder willkürlich noch treuwidrig sein, wenn sich ein Arbeitgeber auf das Fehlen von Voraussetzungen beruft, die ein neu in Kraft getretener Tarifvertrag ausdrücklich vorschreibt.

C.

Auf die Berufung des Beklagten war daher das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

Die Kammer hat für den Kläger die Revision gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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